Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Samstag 18. Februar
Die erledigte KollaboratorSstelle an der Lateinschule in Schorndorf wurde dem Kollaborator Rau in Altensteig übertragen. _ __
Ein Papstjubiläum.
Der Papst Leo XIII. begeht am 19. Februar 1893 im Vatikan zu Rom sein fünfzigjähriges Bischofsjudiläum. Da sich Seine Heiligkeit seit feiner Papstmahl ebenso wie Pius IX. für einen Gefangenen des Vatikans und für einen Märtyrer der Kirche hält, so ist es nicht ganz uninteressant, bei diesem feierlichen Anlaß an einige Erlebnisse des früheren Bischofs von Perugia zu erinnern, der als Papst am 20 . Februar 1878 gewählt wurde. Üsbsmus pupam! klang es damals nach dem Schluß des Conklave oder wörtlich in der Mitteilung des Kardinal-Kämmerer Fürst Erzbischof von Prag von Schwarz-nberg: „Ich verkünde Euch eine große Freude. Wir haben einen Papst, den höchst eclauch- j ten und höchst ehrwürdigen Herrn Grafen Joachim j Pecci, Kardinal-Priester zum heiligen Chrysogomus, der sich den Namen Leo XIII. beigelegt hat." Die feierliche Krönung des Papstes in der sixtinischen Kapelle am 3. Mürz bildere den Abschluß der Popst- wahl. Der neue Papst trat dem streitbaren Pius IX. als Friedenspapst Leo XIII. gegenüber. 50' Jahre Bischoß welche reiche unv lange Zeit, wenn man auch den langen Kulturkampf als im Grunde den Kirchenfrieden störend betrachtet, so trat doch mancher aussöhnende Erfolg der Kirche hervor. Als Nuntius zu Brüssel wirkte Graf Joachim Pecci, später Papst Leo für die katholische Drehe unv gründete das dem germanischen Collegium ähnliche belgische Collegium zu Rom. Zu dem anssöhncuden ! Wirken trug 1885 der Besuch des deutschen Kronprinzen in Rom bei, der vom Papst empfangen wurde. Der kirchenpolibschen Lage wurde dabe: eingehend gedacht.
Leo XIII. war durch den Afrikavecein deutscher Katholiken eifrig bestrebt, auch zwischen Frankreich und Deutschland zu vermitteln und die bekannte Afrika-Missionsfrage im Sinne der katholischen Missionen zwischen Kardinal Lavigerie und versöhnlich mit der evangelischen Missionsfrage zu fördern, obwohl England (durch die Uganda-Frage) die Bestrebungen des Papstes kreuzte und Wißmann und Emin Pascha dem gütlichen Ausgleich in der Colonialfrage nicht förderlich waren. Auch in den Bischof-Streitfragen (Ledochowski, Philipp Krementz von Köln) hätte Papst Leo gern einen Ausgleich gesehen, wie zu Windthorst's Zeit einen Ausgleich in den Differenzen des Erzbischofs von Ketteler von Mainz (in der Arbeiterfrage) mit Bismarck. Der Papst hoffte auf Gottes Beihilfe, auf des Himmels Licht (lumsu ko ooolo) für Alle, „die guten Willens sind." Vergessen wir auch nicht, daß Papst Leo seinen Einfluß aufgeboten hat, um in der Frage der Karolineninsel Spanien zu Gunsten Deutschlands zu gewinnen und dem deutschen Kronprinzen bei seinem Besuche des Königs Alphons mit seinem Geleitbrief zu dienen. Thatsächlich war Leo XIII. in der Weltfragr der Karolinen- und Palaos- Jnseln der anerkannte Welt-Schiedsrichter zwischen Deutschland und Spanien.
Leo XIII. schrieb im Februar 1879 (15. Februar) ein allgemeines Gebets-Jubiläum aus, und sprach darin seine Verabscheuung gegen die Attentate aus (Hödel, 11 . Mai 1878, v. Nobiling, 2 . Juni 1878). Leo XIII. betonte, wie die falsche Lehre des Sozialismus in Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien
und Rußland täglich wieder um sich greife, die be- stehende gesetzliche Ordnung zu zerstören und Throne und Altäre zu vernichten drohe. In seiner großen Encyklika vom 28. Dezember 1879 wandte er sich gegen die Partei jener Menschen, welche als Sozialisten, Kommunisten, Nihilisten über die ganze Erde verbreitet sind und überall den Samen der llnbot- Mäßigkeit und des Aufruhrs ausstreuen. Zum Schluffe sagte er: „Möchten die bethörten Männer und Frauen, die ein willenloses Werkzeug, ein Spielball in den Händen gewisser gott- und herzloser Volks- auswiegler sind, erkennen, was ihnen zum Heil gereicht, ehe es zu spät ist." _ Gr. N. M.-M.
Hages-Wenigkeiten.
Deutsches Weich.
Stuttgart, 14. Febr. Die 538 landwirtschaftlichen Raiffeisen'schen Kreditgenossenschaften Württembergs hatten Ende 1892 bei der Hofbank ein Guthaben von rund 1 Mill. Mark.
Der polnische Abgeordnete v. Koscielski berichtet in der „Deutschen Warte", die Fraktion der Polen werde die Milirärvorlage unverändert annehmen und nur der Regierung genehme Abänderungen ac- ccptieren.
Berlin. 16. Febr. Die „Germania" kündigt offiziell das Einbringen einer neuen Militärvorlage seitens des Zentrums unter Zuarundlequng der zweijährigen Dienstzeit an.
Berlin, 16. Febr. Die Militärkommission des Reichstags lehnte den Antrag Bebel ab, für alle Truppen eine zweijährige Dienstzeit gesetzlich festzustellen. sie lehnte ferner den Antrag Rickert ab, für die Fußtruppcn eine zweijährige Dienstzeit gesetzlich festznstellcn und lehnte endlich auch den Antrag Bennigsen ab, die zweijährige Dienstzeit der Fußtruppen für die Dauer der jetzigen Friedenspräsenzstärke gesetzlich festzulegen.
Zu den in Parlamenten, Stadtverordnetenversammlungen und in der Presse von sozialdemokratischer Seite veranlaßten Notstandsdebatten liefert die freisinnige Königsberger Hart. Ztg. einen recht schätzenswerten Beitrag: „In einer Versammlung der Zimmergesellen Königdergs und Umgegend erklärte der Vorsitzende, die arbeitslosen Kollegen hätten die ihnen von der städtischen Verwaltung zum Lohn von 30 ^ pro Stunde angebotene Notstandsarbeit nicht angenommen, weil in einer Versammlung der Beschluß gefaßt worden sei, als Minimallohn von den Meistern in Zukunft, wie bisher, 42 ^ zu fordern. Leider hatten sich elf Kollegen gefunden, welche die städtische Arbeit für 30 ^ übernommen hätten. Gegen diese beschloß die Versammlung „mit allen gesetzlichen Mitteln" vorzugehen, und zwar zur Sommerzeit jeden Zimmermeister, bei dem einer der „untreuen" Kollegen in Arbeit stehen sollte, zu zwingen, denselben entweder für einen Lohn von nur 30 4 ) pro Stunde den ganzen Sommer über arbeiten zu lassen oder ihn von der Arbeit überhaupt zu entlassen. Sollte aber irgend ein Zimmermeister sich weigern, dieser Aufforderung nachzukommen, so würden bei einem solchen Meister sämtliche Zimmerer die Arbeit niederlegen."
Deutscher Reichstag. In der Dienstagssitzung wird die zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt Abg. Frhr. 0 . Manteuffel (kons) fragt im Hinblick auf die mißlichen Verhältnisse der Landwirtschaft und die zunehmende Entvölkerung des platten Landes, wie es mit der versprochenen Abänderung des UnterstützungSwohn- sitzgesctzes stehe und erklärt sich entschieden gegen einen Han-
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Die Inserate müssen spätestens morgens 9 Uhr XOe/O» am Tage vor der Herausgabe des Blattes der _D ruckerei aufgegeden sein.
delsvcrtrag mit Rußland. Staatssekretär von Marschall bedauert einen Ausfall in der neusten Kreuzzeitung gegen den russischen Botschafter in Berlin, dem vorgeworfen wird, er habe deutschfeindliche Artikel in russischen Blättern veranlaßt. Das sei unwahr. Ob ein Handelsvertrag mit Rußland zu Stande kommen werde, sei heute noch nicht abzusehen. Staatssekretär von Bötticher betont, daß Vorarbeiten für die Abänderung des Unterstützungswohnsitzgesetzes stattgefunden hätten, die Sache sei aber sehr schwierig gewesen. Im Bun- deSrat lagere jetzt ein Entwurf. Sobald derselbe fertig sei, werde er dem Reichstage zugehen. Abg. Rickert (stets.) behauptet, der Arbeitcrmangel auf dem flachen Lande rühre v'n der P^lenpolilik des Fürste i Bismarck her, die Rot der Landwirtschaft von den Schutzzöllen. Abg. Graf Kanitz (kons.) bestreitet das entschieden, und beklagt sich, daß die Landwirtschaft jetzt Stiefkind des Staates, Handel und Industrie aber seine Licblingskinder seien. Staatssekretär von Marschall stellt das in Abrede und weist darauf hin, daß Deutschlands ganze Ausfuhr erreicht gewesen wäre, wären im Vorjahre die Handelsverträge nicht abgeschloffen. Abg. Barth (sreis.) tntt für die Handelsverträge ein, während Abgg, v. Pfetten (Ctr.) und von Hammer sie in (kons.) dieselben bekämpfen. Abg. Graf Sehr (freikons.) wünschte eine Verständigung mit Rußland. Darauf vertagt sich das Haus dis Mittwoch.
Deutschland undderportugiesische Staatsbankerolt. Wie aus Lissabon gemeldet wird, ist, gutem Vernehmen nach, der portugiesischen Regierung eine Note der deutschen Reichsregierung zngegangen, in welcher für die ausländischen Gläubiger Portu- gals dieselbe Behandlung verlangt wird, welche für die portugiesischen Gläubiger besteht.
Desterrrich-Angarn.
Wien, 13. Febr. Bei der gestrigen Feier des Papstjubiläums betonte der Wiener Kardinal Gruscha : Eins fehle bei der Festfreude, die Unabhängigkeit und Wiederherstellung des Papsttums.
Wien, 14. Febr. Ein Wiener Blatt erfährt, daß die jüngst vermählte Herzogin Margarethe Sophie von Württemberg, geborene Erzherzogin von Oesterreich, vom Papste durch die Verleihung der goldenen Tugendrose ausgezeichnet werden soll.
Wien. 14. Febr. Der Kaiser Franz Josef spendete für die vom Erdbeben betroffenen Bewohner Zante's 10000 Frcs,
Frankreich.
Die Lage in Frankreich hat sich noch nicht geklärt. Nach neueren Meldungen aus Paris haben sich die republikanischen Gruppen über dir Richtung und den Inhalt einer die Regierung zu klaren Aeußerungen bestimmenden Interpellation noch nicht geeinigt. Uebrigens nimmt man an, daß Cavaignac gegen oie Regierung austreten wird, für welchen Fall ihm die Stimmen des linken Zentrums, der Rechten und der Boulangisten, die zusammen eine schwache Majorität bilden, zur Verfügung stehen sollen. Daß Cavaignac mit Hilfe dieser Majorität an's Ruder gelangt, ist leicht möglich; ganz andere Schwierigkeiten werden aber hervortreten, wenn es gilt, mit solcher Stütze zu regieren. Die Tage des politischen Wirrwarrs im schönen Frankreich scheinen sonach noch lange nicht gezählt zu sein.
Italien.
Rom, 14. Febr. General von Loö. der Spezialgesandte des Kaisers Wilhelm, ist hier eingetroffen; er besuchte heute den Kardinal-Staatssekretär Rampolla. — Vom nächsten Freitag oder Montag an empfängt der Pap st einzeln die mit seiner Beglückwünschung beauftragten Diplomaten.
Hirz» das UnterhaltnugSdlatt Nr. 7.
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck und Verlag der G. W. Zaiser'scheu Buchdruckeret.