74
ein ansehnliches Geschenk von Sr. Majestät dem König, wodurch er hocherfreut wurde.
— (Amtliches.^ Seine Königliche Majestät haben vermöge höchster Entschließung vom 9. Februar dem K. Badearzt Geheimen Hofrat Dr. v. Renz in Wildbad die nachgesuchte Erlaubnis zur Annahme und Anlegung des von Seiner Hoheit dem Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha ihm verliehenen Komthurkreuzes erster Klasse des Herzoglich Sachsen- Ernestinischen Hausordens gnädigst erteilt.
Stuttgart, 10. Febr. Vor einer glänzend besuchten Wählerversammlung entwickelte gestern der Geh. Kommerz.-Rat Siegle seine politischen Ansichten. Kopf an Kopf saß oder stand die Menge im großen Saale des Bürgermuseums und auch in den Nebensälen und in den Galerien war Alles überfüllt, so daß schon um 8 Uhr die Thüren geschloffen werden mußten und Hunderte genötigt waren, wieder umzukehren. Den Vorsitz der Versammlung führte Prof. Dr. v. Zech. Mit lauten Zurufen begrüßt, bestieg Herr Siegle die Rednertribüne. Seine Ausführungen wurden immer wieder durch allgemeinen Beifall unterbrochen. — Gemeinderat Stähle empfahl sodann die Siegle'sche Kandidatur namens der Konservativen und Dr. Schall machte einige sachliche Bemerkungen über das Septennat. Der letzte Redner war Prof. Egelhaaf. Derselbe schloß mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den Kaiser, worauf der Vorsitzende noch ein Hoch auf Herrn Siegle ausbrachte. Der Verlauf des Abends eröffnet der Siegle'schen Kandidatur die besten Aussichten. Es stellt sich immer mehr und mehr heraus, daß auch solche Kreise für dieselbe gewonnen sind, welche sonst zur Volkspartei gehörten, denen aber nachgerade die Augen darüber aufgehen, daß auf dieser Seite die tiefsten Bedürfnisse der Nation verkannt werden. Nächste Woche ist noch eine Versammlung für Siegle in der Liederhalle.
— Die „Eßl. Ztg." erzählt: Zu Ende vorigen Monats kaufte ein hiesiger Händler einen Sack Makulatur, die er in seinem Magazin zu anderem Vorrat auf einen Haufen schüttete. Das Papier kam aus dem Orte W. Vor etwa 8 Tagen vermißte nun eine Frau in W. ein Couvert mit einem Pfandschein über 10,000 und in Banknoten 2000 welches sich nach eifrigem Suchen unter dem Makulatur in Zeitungspapier eingewickelt vorfand.
Ehingen, 10. Febr. Vergangenen Dienstag wurde unweit der Stadt in einem Hopfeuhäuschen ein Erhängter in vollständig erstarrtem Zustande aufgefunden. Der Lebensüberdrüssige stand im Alter von etwa 24 Jahren, war gut gekleidet und noch ziemlich mit Geld versehen. Bis jetzt mangelt jeder Anhaltspunkt, der über die Identität des Selbstmörders Aufschluß geben könnte. Ein eigentümlicher Zufall hat hier insoferne mitgespielt, als der Leichnam von verschiedenen Personen auf's Bestimmteste für einen jungen Mann aus der Umgegend gehalten wurde, der zufällig am Tage zuvor in einer „Heiratsangelegenheit" in Ehingen war und etwas verdrossenen Gemüts gewesen sein soll. Eme auswärts im Dienste befindliche Schwester des letzteren wurde nun sofort telegraphisch benachrichtigt und als dieselbe bald darauf unter großem Jammer hier eintraf, konnte sie glücklicherweise ihren Bruder in dem Verstorbenen nicht erkennen, traf denselben vielmehr zu Hause im besten Wohlsein an. — Nachschrift: Soeben erfährt man, daß der Unglückliche in einem ledigen Schuhmacher Namens Philipp Andel- finger aus Gcundsheim erkannt wurde. Derselbe soll schon längere Zeit an Schwermut gelitten haben.
Aus dem XVII. Wahlkreis, 10. Febr. Die Agitation gegen den Kandidaten der regierungsfreundlichen Partei, Rechtsanwalt Mezler, wird in unserem Wahlkreis hauptsächlich von der katholischen Geistlichkeit betrieben. Zwei Dekane, also Geistliche mit staatlichen Funktionen, sind Mitglieder des ultramontanen Wahlkomites, einige Pfarrer und Vikare reisen von Ort zu Ort und regen mit dem Steuerzettel die Bevölkerung auf, präsidieren bei Wahlversammlungen, erklären kategorisch, daß sie sich dem Papst nicht unterwerfen. Der Bischof von Limburg hat seiner Geistlichkeit bekanntlich Einhalt geboten.
Berlin, 12. Febr. (Feuer im Kontinental-Hotel.) Heute früh 6 Uhr brach im Dachstuhle des prachtvollen, im Stile der modernen Renaissance erbauten Hotel Kontinental, welches vor noch nicht ganz einem Jahr, am 20. Februar 1886, eröffnet worden, Feuer aus, welche» mit solcher Vehemenz um sich griff, daß der Dachstuhl des kolossalen Gebäudes dem verheerenden Element vollständig zum Opfer fiel. Ueber die Entstehung des Brandes verlautet bisher nichts Bestimmtes; einem Gerücht zufolge wäre in dem Platzen eines Rohres der Dampfheizung die Ursache des Feuers zu suchen. Was bisher feststeht, ist, daß das Feuer zuerst auf dem Bodenraum nach der Georgenstraße zu entstanden ist. Bemerkt wurde dasselbe zuerst von mehreren Mädchen, welche in der Nähe des Brandherdes in Kabinen schliefen und zwar dadurch, daß in ihre Schlafräume dichter Rauch drang. Das Feuer hatte aber um diese Zeit bereits derartig um sich gegriffen, daß die Mädchen an die Rettung ihrer Sachen nicht mehr denken konnten; nur notdürftig gekleidet, eilten sie die Treppe hinunter, um Lärm zu schlagen. Der Wirrwar, welcher in Folge des Feuerlärms entstand, spottete, wie uns berichtet wird, jeder Beschreibung. Die aus dem Schlafe aufgeweckten Hotelgäste glaubten die Gefahr viel größer und suchten sich selbst wie ihre Effekten schleunigst in Sicherheit zu bringen; erst den eindringlichen Vorstellungen des Hotelpersonals, daß direkte Gefahr für das Leben nicht vorhanden sei, gelang es, die Ruhe einigermaßen wieder herzustellen. Mittlerweile war auch die Feuerwehr benachrichtigt worden, und kurze Zeit nach dem Eintreffen der Meldung um 6V« früh rückten auch bereits die Mannschaften mit 4 Dampfspritzen und 6 Handdruckspritzen heran, um unter persönlicher Leitung des stellvertretenden Branddirektors Noel dem wütenden Element Einhalt zu thun. Da bei Eintreffen der Feuerwehr die Hälfte des Dachstuhls bereits in Hellen Flammen stand, so währte es trotz der umsichtigen Leitung und des energischen Eingreifens der Mannschaften über zwei Stunden, ehe es gelang, des Feuers Herr zu werden. Um 9 Uhr war jede Gefahr beseitigt und wurden die Aufräumungsarbeiten in Angriff genommen. Ein Glück ist, daß trotz des schnellen Umsichgreifens des Feuers kein Menschenleben zu beklagen ist. Wie die Direktion des Hotels mitteilt, bleibt der Betrieb in vollem Gange, da nur teilweise der Dachstuhl abgebrannt ist und zwei Zimmer im vierten Stock versehrt wurden.
Paris, 9. Febr. In Lyon entlud sich gestern abend um 11 Uhr im Justizpalast unter furchtbarem Knall eine Bombe; als die ganz in der Nähe befindliche Sicherheitswache herbeieilte, fand eine zweite, noch stärkere Entladung statt; die Bleistücke, Stein-, Glas-, und Holzsplitter verletzten 6 Personen: den Polizeikommiffär, seinen Sekretär und 4 Schutzleute. Der Kommissär und ein Schutzmann mußten ins Spital gebracht werden. Im ganzen Stadtviertel herrscht Aufregung über dieses Attentat; eine dichte Menschenmenge füllte die Straßen. Die sofort angestellte Untersuchung ergab, daß 4 verdächtig aussehende Personen einige Minuten vor der Sprengung bemerkt worden sind. Die Uebelthäter müffen sich beim Legen der Bomben verletzt haben, denn man stellte in der Richtung nach der Brücke von Ainay zahlreiche Blutspuren fest. Die Bomben waren in Zinn gehüllt und mit Gußstücken in der Größe eines Taubeneies gefüllt, sowie mit Leinwand und und grobem blauem Tuche umwickelt. Die Ladung mußte aus Pulver und Nitrat bestanden haben. — Zwei Stunden vor dieser Sprengung war eine ähnliche in St. Etienne versucht worden. Auch dort entlud sich eine Bombe vor den Fenstern des Polizeiinspektors im Justizpalaft, richtete aber nur sehr geringen Schaden an. Man schreibt beide Thaten den Anarchisten zu, da einer derselben, Morelle, kürzlich dergleichen angekündigt hatte.
Wevmischtes.
— Ein verfehltes Leben. Folgende ergreifende Geschichte eines verfehlten Lebens erzählen amerikanische Blätter: Ein junger Mann
Na höre, Onkel, ich Dich ebenfalls nicht, antwortete Hahn.
Du siehst aus, wie ein alter Muselmann, fügte Fuchs hinzu und brach in ein fröhliches Gelächer aus.
Seh' ich so aus! Seh' ich wirklich so aus? rief der Alte. Beim Propheten, das entzückt mich! Komm her, Junge, dafür muß ich Dich nochmals umarmen.
Nanu, rief Fuchs lachend, was ist denn los? Warum freut Dich dies!
Ah, sagte der Alte lustig, das möchtet Ihr gerne wissen! Das glaube ich! Ratet mal, wo ich herkomme?
Woher? entgegnete Hahn, na, von Hause.
Jawohl! Fehlgeschossen! direkt von Konstantinopel!
Von Kon—stan—ti—nopel! riefen die beiden Studenten wie aus einem Munde. Ah, Du scherzest!
Scherzen, sagte komisch beleidigt der Alte. Seh' ich aus wie scherzen? Da seht mal, egyptischer Fez! direkt an der Quelle gekauft — auf dem Markt zu Kairo'. Ja, da steht Ihr und sperrt den Mund auf! Da, seht hier, diese Münzen, direkt aus Jerusalem! Hier dieses Fläschchen, eigenhändig im Jordan gefüllt! Da, diesen Brocken Salz, persönlich aus dem toten Meer gefischt!
Und Onkel Kesselbach holte Stück für Stück aus den Taschen seines Ueberziehers und legte die Gegenstände auf den Tisch.
Die Beiden standen wie versteinert und schauten den Alten mit so verwunderten Augen an, daß er sichtlich ein ungeheures Vergnügen darüber empfand.
Ja, ja, sagte er, es ist ein Kapitalspaß, den Ihr niemals erraten würdet, also hört: Vor vier Monaten lasen wir in unserem Casino eine Zeitungsannonce des Inhalts, daß im Mai von Wien aus eine Gesellschaftsreise nach dem Orient unternommen werden sollte. So und soviel Beitrag — Aufenthalt an den Hauptstationen — alles gemeinschaftlich, kurz eine ganz famose Idee, die mir und noch einigen alten Knaben äußerst gefiel. Ihr wißt, Reisen war stets meine Passion — ich kam nur nie dazu. Wir schreiben nach Wien, in vierzehn Tagen war die Sache abgemacht, acht Tage später reisten wir ab, trieben uns beinahe vier Monate lang auf Eseln, Ochsen
Pferden und Äameelen, zu Wagen und zu Fuß, unter Gewitter und Sonnenschein im Orient herum und jetzt komme ich, wie gesagt, direkt aus Konstantinopel!
Das ist stark, rief Fuchs!
Ja, das will ich meinen, stimmte Hahn bei; Du, Onkel, Du warst im Orient? dann ist diese verrückte Karte wohl von Dir?
Verrückt! rief der Alte. Erlaube, mein germanischer Name von einem deutschen Schneidergesellen in Konstantinopel in das reinste Arabisch übersetzt. Xli — Johannes — den siilen — der Kessel — nmti — Bach — Johannes der Kesselbach. Ist das nicht pompös?
Die beiden Studenten brachen in ein unbändiges Gelächter aus, was den Alten ordentlich zu ärgern schien. Allein die ganze Geschichte kam ihnen so urkomisch vor, Onkel Kesselbach sah so drollig in seinem germanisch-arabischen Kostüm aus, dazu die wundervolle Namensübersetzung — es war ein wenig stark; Fuchs hatte Recht.
Als die erste Aufregung sich gelegt hatte und die Unterhaltung in ein ruhigeres Geleise kam, war die erste Frage der beiden Studenten, warum der Onkel sie über all dieses ohne Nachricht gelaffen habe?
Damit Eure Ueberraschung eine desto größere würde, meinte pfiffig lachend der Alte —
Jawohl, und unser Pech auch, entgegnete Fuchs, indem er die bekannte Bewegung des Geldzählens machte.
Geldmangel? fragte erstaunt der Onkel. Hört, Jungens es wird immer ärger mit Euch. Sind denn die 400 Thaler schon wieder klein gemacht, die ich Euch kurz vor meiner Abreise geschickt habe?
Hätte er freilich gewußt, daß sie schon klein gemacht waren, ehe sie ankamen, er hätte diese Frage nicht gethan.
Wir haben seit Wochen keinen Pfennig mehr, Onkel, sprach Hahn mit einer Armensündermiene, denn er empfand eine gewisse Reue über ihre wirklich großen Geldausgaben.
Seit Wochen keinen Pfennig, rief entsetzt der Alte, daS ist stark!
(Fortsetzung folgt.)