Amts- und Intelligenz-Blatt für den Overamts-Bezirk Nagold.
t- 13.
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Dienstag 31. Januar
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1893
rackeret auigeaeben sein.
Amtliches.
Bekanntmachung der K. Kommifsion für die Erziehungsyiiufer, betreffend die Festsetzung des für die Zöglinge des Taubstummen- und Blindeninstituts z« Gmünd zu entrichtenden Kostgelds.
In Gemäßheit des Art. 9 der Bekanntmachung vom 28. Januar 1823, die Einrichtung der Taubstummen- und Bttnden-Anstnlt in Gmünd betreffend (Reg.-Bl. S. >95), wird hiemit zur öffentli.gen Kenntnis gebracht, daß die jährliche Entschädigung für einen in die Anstalt selbst aufgenommenen Zögling auf 200 ^ festgesetzt worden ist, dieselbe jedoch unter Umständen ermäßigt und bei besonderer Bedürftigkeit der Eltern oder Gemeinden auf die Summe von -10—30 herabgesetzt werden kann. Dieses Verpflegungsgeld ist in vierteljährlichen Raten an das Kassicrantt des Instituts zu entrichten. Der Zögling erhalt hiesür die angeordnete Kost nebst Wohnung und Beit, den Unterricht, freie Wäsche, sowie Ausbesserung des Weißzeugs und der übrigen Kleidung. Die vorschriftsmäßige Ausstattung mit Kleider» und Le>bweißzeug haben die auf eigene Kosten in der Anstalt befindlichen Zöglin selb t sich an- zuschasfcn und zu ergänzen, oder im Falle dies von der Anstatt gcs hiehr, dieser die Allslagen hiesür zu ersetzen. Bei denjenigen Zöglingen aber, welche ganz oder zum Teil aus Kosten des Staats unter halten werden, »vernimmt die Anstalt die Bestreitung dieses Aufwands gegen ein bei dem Eintritt der Zöglinge ein für allemal zu entrichtendes K!ei- derge d von 30 ^
Diejenigen Zöglinge, welche b oß den Unterricht in der Anstatt genießen, Kost und Wohnung re. aber außer derselben nehmen, haben für jenen jährlich 24 zu bezahlen.
Tie Bittschriften um die Aufnahme für den im Monat Mai ds. Js. beginnenden Lehrkursus müssen, mit den Berichten der betreffenden gemeinschaftlichen Oberämter und den übrigen vorgeschriebenen Beilagen versehen, längstens bis letzten Februar bei der K. Kommission für d e Erziehungshäuser einge- rricht w"den, und es wird hiebei noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die jährlich einkommenden tabellarischen Notizen über die vorham denen blinden und taubstummen Kinder die Stelle der T.cldung nicht vertreten können.
Stuttgart, den 16. Januar 1893.
Schmid.
Nagold. An die Ortsvorsteher, betreffend die Rekrntierungsstammrollen.
1) Der Abschluß, beziehungsweise die Beurkundung der Stammrollen des Jahres 1893 hat genan nach Maßgabe der Verfügung des Oberrekrutierungsrats vom 16. Febr. 1876, Ziffer 4, Minist.-Amtsbl. S. 67, (statt § 56, 1 jetzt § 57, 1 der Wehrordnung) durch den Gemeinderat und den Ortsvorsteher a«f 1V Febrnar 1893 zu erfolgen. Die Beurkundung des Ortsvorstehers hat auch in den Stammrollen pro 1891 und 1892 zu geschehen.
Hierauf sind die Stammrollen der Jahrgänge 1899—1893 (incl.) je mit Geburtslisteu und Beilagen unter Anschluß der Berechtigungsscheine der Einjahrig-Freiwilligen und beglaubigter Abschriften des PrüsuugSzeuguiffes der Volksschullehrer je vom Jahrgang 1873 sowie der Losungsscheine etwaiger «euangemeldeter Militärpflichtigen früherer Jahrgänge »«gesäumt an das Oberamt einzusenden.
2) Es wird noch besonders aufmerksam gemacht, daß die Flößerei treibenden Militärpflichtigen in den Stammrollen als „Flößer" zu bezeichnen und daß ortskundige Fehler Militärpflichtiger (Blindheit, Taubheit, geistige Beschränktheit. Epilepsie rc.) daselbst unter „Bemerkungen" einzutragen sind.
3) Bon jeder im ferneren Verlauf des Jahres stattfindenden Aufnahme eines Militärpflichtigen in die Stammrollen, von jeder darin vorgenommenen Veränderung und von jeder An- und Abmeldung eines Mililärpflichtig.n in Folge Aufeulhaltswechsels ist sofort Mitteilung hieher zu machen (ß 46, Z 13 der Wehrordg. und Min.-Amtsbl. v. 1877 S. 99/100); jeder Anmeldung gemusterter Militärpflichtiger ist der Losungsschem beizuschließen.
4) Die Streichung eines Namens in der Stammrolle darf nur mit Genehmigung des Civilvorsitzenden der Ersatzkommission stattfinden (H 46 Z 14 W.-O).
5) Meldrversäumniffe der Militärpflichtigen sind von den Ortsvorstehern auf Grund Z 25 Z. 11 der Wehrordnung zu rügen.
Den 28. Jan. 1893.
K. Oberamt. Vogt.
Die Vorstände der Gemeindegerichte des Bezirks haben — soweit es nicht geschehen — binnen 3 Tagen hieher anzuzeigen:
1. wie viele bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in dem abgelausenen Jahr bei den Gemeindegerichten anzefallen, wie viele derselben durch Entscheidung und wie viele in anderer Weise erledigt worden sind?
2. in wie viel Fällen wegen als unbestritten eingeklagten Geldforverungen das Schuldklagverfahren von dem Vorstand des Gemeindegerichts in dem abgelausenen Jahr stattgefunden hat?
Nagold, den 29. Januar 1893.
Oberamtsrichtcr Sigel.
Gestorben: Christian Pfeiffer, Inhaber eines Kommissionsgeschäfts in Stuttgart, 51 I. alt.
Tcrges-WeuigkeiLen.
Deutsches Weich.
? Nagold. 28. Jan. Der Saal des Gast- Hofs „z. Post" füllte sich mit einer stattlichen Anzahl von solchen, welche den Geburtstag des Kaisers nicht ohne Sang und Klang vorübergehen lassen wollten. In zwangloser und programmloser Weise war die Feier in letzter Stunde auf mehrfachen Wunsch angeregt worden. Prof. Wetzet führte etwa folgende Gedanken aus: „Er wird kommen, denn er muß kommen" — das war Jahrhunderte lang die Hoffnung und das Sehnen des deutschen Volkes nach der Wiederkunft der mit den Hohenstaufen dahingesunkenen Kaiserherrlichkeit. Und als dann unter den Keulenschlägen der napoleoni- schen Kriege das Schattenwesen des alten, faulen Kaisertums der Habsburger vollends dahin sank, nachdem es längst schon tot war, — da lebte fort der Glaube der deutschen Volksseele, wie bei jenem Mütterlein, das den Sohn aus der Fremde täglich bis zu ihrem Lebensende erwartete: „Er wird kommen, denn er muß kommen! Wie wunderbar war doch die Erfüllung dieses deutschen Einheitstraumes, ganz anders, als es die meisten sich dachten, anders als viele wünschten. Die ersten Träger der neuen deutschen Kaiserkrone wurden selbst Wege geführt, welche ihren natürlichen Neigungen wider
sprechen, und doch war es gerade s o gut. In Kaiser Wilhelm I war es vor allem der preußische General, der ihn zum Herrscher befähigte. Noch an dem Tage, an dem sein kaiserlicher Titel festgestellt wurde, hat er mit einer gewissen Wehmut davon gesprochen, daß er seine Bedeutung nicht einzusehen vermöge. Und doch hat er als der glorreiche erste Kaiser das junge Reich mit Weisheit und Kraft in sichere Bahnen für immer gebracht. Sein idealer Sohn dagegen verkörperte in sich als Kronprinz die ganze Romantik der deutschen Kaiseridee. Er war nach Meinung weniger Soldat und gerade er mußte der vielgeliebte Führer der Süddeutschen werden im blutigen Krieg. Im Feldlager schwärmt er für die Verwirklichung des alten Kaisertums, „sie werden müssen", sagte der feurige Idealist gelegentlich, und seinen Begleitern war es, als ob der begeisterte Kronprinz in solchem Augenblick einen weiten Mantel auf der Schulter getragen hätte, „der wie ein Königsmantel seine hohe Gestalt umfloß". Am Abend seines ruhmvollsten Tages aber hat es der Sieger von Wörth als ein hartes Los empfunden, auf dem Wege zum Throne in — Menschenblut waten zu müssen. Wenn es wahr ist, daß eine Herrschernatur nur diejenige ist, die auch aus Gebieten sich bewähren kann, denen sie nicht nach der angeborenen Neigung zustrebt, dann waren Kaiser Wilhelm I und Friedrich HI Herrscher in wirklich hohem Sinn. Die natürliche Eigenart des Großvaters wie die seines Vaters scheint als „ein reicher Erbe" Wilhelm II glücklich zu vereinigen. An der Spitze seiner Truppen zog er erst jüngst, eine weltgeschichtlich markante Szene, in Straßburg, dem wiedergewonnenen, ein. Noch stärker und schärfer soll das deutsche Schwert durch die jüngste Militärvorlage werden. Wer will, wer darf dem Kaiser die furchtbare Verantwortung für des Vaterlandes Sicherheit und Bestand allein überlassen und sie ihm auf seinen Ruf nicht opferwillig mit tragen helfen ? Oder ist es an dem, daß das deutsche Volk, auch wenn es Opfer bringen wollte, keine solchen mehr bringen könnte, weil es am Ende seiner finanziel- len Leistungsfähigkeit angelangt ist? Wahrlich, mancher andere „Pfennig" kommt den Deutschen das Jahr über höher zu stehen, als der „Reichspfennig," den das Vaterland zur Erhaltung des Friedens und zur Sicherung des Sieges fordern zu müssen erklärt. Daß Kaiser Wilhelm seinen Beruf im Sinne seines jVaters und im Geiste der alten Kaiseridee vom höchsten Standpunkt erfaßt und sich vor Gott und der Welt voll und ganz der Größe und des Ernstes seiner Stellung bewußt ist, wer wüßte das nicht? Aber auch hierin braucht unser Kaiser die Unterstützung. das hingebende Bertranen seines Volkes, wenn anders die deutsche Kaiserkrone ihren Halt und Wert, ihre Glorie bewahren soll. Bringen wir unserem Kaiser solches Vertrauen entgegen, stärken wir uns und andere zu solchem Opfersinn, der für Kaiser und Reich, wenn die Stunde es fordert, Gut und Blut zu opfern bereit ist! Kaiser und Reich, an seinem Ehrentage Kaiser Wilhelm II hoch! — In einem sinnigen von Dekan Schott verfaßten und vocgetragenen, mit reichem Beifall aufgenommenen Gedichte fand die patriotische Stimmung begeisterten Ausdruck. Reallehrer und Lieutenant der Reserve Müller erhob und erfreute die Versammlung mit dem Bortrag einiger seiner schönsten Lieder. Manches vaterländische Lied wurde von der Versammlung noch gemeinsam angestimmt. So verlief unsere Kaiserfeier, so anspruchslos sie war, durchaus erhebend und harmonisch.