aus bedroht sehen, eine Aufforderung zur Verminderung der Grenzbesatzungen aber kann er als eine Beleidigung der Landcsehre auffassen. Uebersieht dagegen Deutschland die französischen Vorkehrungen und läßt sie sich still gefallen, so kann in Frankreich der schmeichelnde Glaube angefacht werden, Deutschland fürchte zur Zeit den Krieg mit Frankreich, — und wer möchte bestreiten, daß im letzteren Falle leichter noch als im elfteren ein ehrgeiziger, thatendurstiger und einflußreicher Mann ohne viel Schwierigkeiten die Franzosen zum Wagnis des Rachekriegcs fortreißen könnte! Diesen Gefahren stehen zwei Friedensbürgschaften gegenüber: die Staatskunst des Fürsten Bismarck, die kein anderes Ziel als den Frieden verfolgt und in schwierigeren Zeiten, als die jetzigen sind, sich bewährt hat, und sodann die Bekundung der Festigkeit und Bereitwilligkeit der deutschen Nation, jedem Angriff, er komme von wo er wolle und er sei so gewaltig, wie er könne — vollgerüstet entgegenzusehen und ihm entgegenzukämpfen bis zum letzten Mann und Blutstropfen. Die Ablehnung der Militärvorlage im Reichstag nach wiederholtem und so inhaltsschwerem Eintreten der höchsten Gewalten und bewährtesten Ratgeber im Reich mußte dis Franzosen in die Meinung Hineintreiben, als ob Deutschland es müde sei, den schweren Panzer zu tragen, als ob es, um denselben leichter zu machen, im Falle des Krieges auch die neuen Provinzen hinaeben werde, wenn es schnelle und im übrigen billige Waffenruhe erhalten könne. — Bleiben wir durch die Neuwahlen vor einem Militärkonflikt bewahrt, so ist die Erhaltung des Friedens wahrscheinlich, wenn auch nicht verbürgt; treiben wir aber wegen der Heeresfrage in einen inneren Streit, so steht der Krieg vor der Thür. Daran ist nicht zu zweifeln."
München, 29. Jan. Es liegen starke Anzeichen vor, daß sich inner- halb der bayerischen Zentrumspariei eine Umwandlung vollzieht. Wahrscheinlich wird dieselbe den Verlauf nehmen, daß die Zentrumskandidaten sich betreffs des Septennats nicht binden und daß schließlich die wahrhaft katholisch und patriotisch Gesinnten unter ihnen für dasselbe stimmen. Nachdem Äuchers Donau-Zeitung vor einigen Tagen darauf vorbereitet hatte, verlautet jetzt nach der Z , daß als Bahnbrecher Graf Konrad Preysing die Kandidatur für Straubing, ausdrücklich ohne sich, gegen das Septennat zu binden, angenommen habe.
Berlin, 30. Jan. In eine sozialdemokratische Demonstration gestaltete sich das gestrige Begräbnis der kürzlich auf dem Schiffahrtskanal verunglückten drei Arbeiter. Im Dunkel der Nacht hatte man, wie mehrere Morgenblätter nach einer Lokal-Korrespondenz berichten, an jenem Abend eine Versammlung von Vertrauensmännern „im Schweinskopf", einem uralten Hause an der alten Spandauer Heerstraße, zur Organisation der Wahlen abgchalten. Zwei von den Teilnehmern trugen die Listen bei sich, und um sicher zu gehen, passierten sie statt der Brücke über den Kanal das unsichere Eis. Mit ihnen ertrank ein Genosse, welcher von der Brücke aus ihnen zu Hilfe eilte. Das Begräbnis wurde so Parteisache. Die drei ganz gleichen, reich geschmückten Särge wurden mit drei offenen Leichenwagen von der Morgue abgeholt. Hinter denselben schritten zahlreiche Frauen und Mädchen, mit Kränzen, denen einige Hundert Männer und eine stattliche Zahl von Wagen folgten.
^ Frankreich.
Paris, 1. Febr. (Dep. d. Frkf. Journ.) An der Börse herrscht wilde Panik. Zeitweise gelten die Course nur nominell, 3proc. Rente wurde bis 76.60 geworfen; alle anderen Papiere erlitten eine ähnliche Baisse. Spanier 59^. Man befürchtet infolge der Liquidation zahlreiche Insolvenzen. Der Artikel der „Post" über Boulanger und die Wiener Maßregeln tragen besonders dazu bei, Panik hervorzurufen. Der Schluß ist um em Geringes besser.
England.
London, 31. Jan. Der „Morning Post" wird aus Paris gemeldet: Nach dem Empfang von Herbette's Äericht über die friedlichen Auslassungen des Kaisers beim letzten Hoskonzert richtete der Minister des
und wußten, daß nur durch Kampf und Entsage der wahre Friede des Herzens er- t rungen wird. Ohne trügersche Illusionen, ohne die Täuschungen der ersten unerfah- j reuen Jugend, gaben sie sich dem Gefühl des Glückes, dem Bewußtsein ihrer gegen* seitigen erprobten Neigung dennoch von ganzer Seele hin, Eins dem Anderen vertrauend, Eins des Anderen sicher für alle Zeit und alle Wandlungen des Geschicks.
Julius wollte, durch Tante Finchen's Vermögen äußerlich unabhängig, Deutschland verlassen und in Australien seinen dauernden Wohnsitz nehmen. Zu viele Erinnerungen trübten hier in der Heimat das spät erungene Glück der Gegenwart, zu viele Stimmen verlockten ihn, an der entgegengesetzten Seite des Erdballs das Leben neu zu beginnen, und dadurch vielleicht ein Sehnen, das in Anna's Herzen nie ganz geschwiegen hatte, jetzt für immer zu befriedigen. Ihr plötzliches heißes Erröten, ihr stürmischer Dank zeigten ihm, wie sehr ihre Wünsche mit den seinigen übereinstimmten-
Auch von den Freunden früherer Tage sprachen sie später: von Walter und seiner kleinen blonden Frau, die jetzt schon drei Kinder besaßen — von der Diakonissin, mit welcher Anna in stätem Briefwechsel geblieben war, und so vielen Anderen, die sie Beide damals kannten — erst als seine Braut plötzlich auffallend schwieg, bemerkte Julius, daß sie noch eine andere, weniger angenehme Mitteilung für ihn in Bereitschaft hatte.
„Und jener Herr von Holling, mein Herz?" fragte er mit unterdrücktem Seufzer. „Ist von ihm nie wieder eine Kunde nach Deutschland gelangt?"
Anna umschlang fester seinen Nacken.
„Doch, Julius", versetzte sie zögernd. „Ich wagte nur nicht, Dir darüber zu schreiben. Kurz nach Deiner Abreise kam er, wieder unter seinem fingierten Namen, nach M. und fragte unter der Hand nach Deiner Wohnung. Man gab ihm Walter's Adresse, und ohne zu ahnen, wohin er geriet, präsentierte er sich eines Tages bei Deinem heißblütigen Freunde, der ihn, nachdem nun jede Rücksicht gehoben war, sogleich verhaften und für immer unschädlich machen ließ. Er hat den Postdiebstahl und den Totschlag in Hamburg eingestanden, ebenso ist er auch später trotz seines Leugnens einer großartigen Betrügerei von London aus überführt worden, und erhielt dann im schwurgerichtlichen Verfahren eine Zuchthausstrafe bis an sein Lebensende. Ich habe
Auswärtigen, Flourens, eine Depesche an Herbette, worin er ihm einschärfte, bei jeder Veranlassung der deutschen Regierung vorzustellen, die französische Nation wünsche aufrichtig, in Freundschaft mit Deutschland zu leben und im französischen Cabinet herrsche eine vollkommene Uebereinstimmung betreffs der Rätlichkeit, jedwede Handlung zu vermeiden, welche einer falschen Auslegung fähig sei.
Kcrges-Wsrrigksiten.
— (Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 31. Januar d. I. das erledigte Kameralamt Hirsau dem Revisor K e m m e l bei dem Bergrat gnädigst übertragen.
— Am 28. Januar wurde von der evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle inOberkollbach, Bez. Calw, dein Lehramtskandidaten Essich von Kornwestheim, bisher Privatlehrer in Mühlhausen in Baden, übertragen.
Calw, 1. Febr. In der gestern abend im „Bad. Hof" statttgehabten Generalversammlung des Handels- und Gewerbevereins Calw wurde an Stelle des seither. Vorstandes Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer gewählt.
Calw, 1. Febr. Ueber die W i t t e r u n g s v e r h ä l tn i s s e von Calw und über Wettervorhersagen hielt am Montag abend im Hörsaale des Georgenäums Hr. Rektor vr. Müller einen äußerst interessanten Vortrag, der sich teils auf eigene Beobachtungen, teils auf genaue Aufzeichnungen des Vaters und Bruders (seit dem Jahr 1798) des verehrten Redners stützte. Die hiesige meteorologische Station besteht also schon seit 89 Jahren. Vom Wetter zu sprechen, wurde von dem Vortragenden aus- gesüyrt, sei zwar etwas Alltägliches, da es gewöhnlich den Anknüpfungspunkt eines Gesprächs für Bekannte und Unbekannte bilde; da dasselbe aber den größten Einfluß auf das Wohlbefinden der Menschen und Tiere und auf das Gedeihen unserer Pflanzen ausübe, so lohne es sich, genaue Beobachtungen anzustellen, wie solche in den meteorologischen Stationen täglich dreimal vorgenommen werden. Im weiteren wurden nun die Erscheinungen am Thermometer und Barometer (Instrumente für Wärme- und Druckmessung) besprochen. Aus dem Thermometer ergibt sich für unsere Gegend, daß die höchste Temperatur seit 60 Jahren etwas über ff- 29 ° k, in den meisten Jahren dagegen etwas über ff- 25 « kl, die niederste Temperatur (am 10. Dez. 1879, dem bekanntlich sehr kalten Winter) 20»K unter Null betrug; in 88 Jahren herrschte nur 3mal eine solche Kälte. Die Differenz der höchsten und niedersten Temperatur betrug im Jahr 1827 54« kl; sonst durchschnittlich aber 40". Seit 50Jahren stellt sich das T e m p e r a t u r m i t t e l eines Tages, gezogen aus den 3 Beobachtungen, in Calw auf 6>/g» R. Auch das Monats mittel ist wissenswert: im Januar durchschnittlich l'/z", im April über 4°, im Juli 12 o und im Oktober -Iff) Ein Vergleich mit Stuttgart ergibt, daß die hiesige Temperatur etwas niedriger, je morgens und abends sogar um 3-4« niedriger ist; im Jahr 1883 war jedoch die Temperatur in Calw l^o höher als in Stuttgart; in Heilbronn ist es gewöhnlich 1 , 3/4 o wärmer als hier. Die Iahreswärme ist in allen Ländern verschieden: in Norwegen 0«, in Frankreich ff- 12» und in heißen Gegenden ff- 20—24 o. Die Zahl der Sommertage (wenn das Thermometer mittags ff- 20 o kl oder darüber hat) belief sich im letzten Jahr auf 49; in Stuttgart waren es auch nicht mehr. In früheren Jahren zeigt sich hier ein großer Unterschied. Im Jahr 1846 waren es 76, im Jahr 1865 71 solcher Tage. Durchschnittlich hat Calw 42 Sommertage; da zur Weinreife 40 Sommertage nötig sind, so könnte auch hier, wenn es nur auf diese Tage ankäme, guter Wein erzeugt werden.
Das Barometer dient zum Messen des Luftdrucks. Der hiesige normale Barometerstand beträgt 731 mm ; am Meer beträgt derselbe 760 mm. Da Calw 100 m höher (350) liegt als Stuttgart, so zeigt das hiesige Barometer 8>/z mm weniger als in Stuttgart. Abweichungen vom normalen
mit ängstlicher Sorgfalt alle diese Einzelheiten verfolgt — es ist dabei kein anderer als nur der Name des Verbrechers selbst genannt worden."
Gott fei gedankt!
Julius sprach es nicht aus, aber er fühlte, daß sich schwere Lasten von seiner Brust hoben. Wenigstens in dieser einen Beziehung hatte der Elende wie ein Gentleman gehandelt.
„Wir wollen doch nie nach M. zurückkehren", sagte er endlich. „Das hieße nur alte Wunden aufreißen. Hier in Berlin soll unsere Hochzeit stattfinden, und sobald wie möglich schiffen wir uns ein nach Australien."
Anna wiedersprach nicht. Seine Absicht erfüllte den Wunsch, welcher im Innersten ihres Herzens immer fortgelebt hatte. Sie erreichte es bei ihrer gütigen Herrin ohne Mühe, die Stellung als Gouvernante aufgeben zu dürfen, und nach etwa vier Wochen wurde sie mit dem Geliebten in aller Stille getraut, um sich bis zur letzten Stunde nie wieder zu trennen. Nur einmal kehrte flüchtig die ganze Bitterkeit des Durchlittenen in seine Seele zurück; als er zum zwecken Male dieselben Dokumente dem Standesbeamten vorlegen und nun notgedrungen von den früheren Verhältnissen sprechen mußte.
Seck länger als drei Jahren hatte sich über Elisabeth's befreitem Herzen die Erde geschlossen, als von Hamburg aus ein Schiff nach Pock Adelaide unter Segel ging. Walter und die Diakonissin waren gekommen, um den scheidenden Freunden das letzte Lebewohl zu sagen. Sie, min kten noch grüßend und glückwünschend, als schon das Schiff im Nebel zu verschwinden begann. Jetzt lag vor den Neuvermählten die Freiheit und das Glück, jetzt hatten Tante Finchen's Heiligtümer die Tochter des einst Geliebten wirklich erreicht, und alle Schatten waren besiegt!
Julius und Anna gingen hinaus in ein Leben voll Arbeit und bescheidener Ansprüche, aber auch voll jenes Friedens, der im Kampfe erstritten wird als des Erdendaseins höchstes Gut, als Schutz und Schirm gegen alle seine vielgestaltigen Wiedersacher. Sie warm glücklich ohne Furcht, eins im tiefsten Herzen, ohne Wandel, ohne Reu«.