Einem Hamburger Privatbriefe, der die dor­tigen Zustände in erschütternder Weise schildert, ent­nehmen wir folgendes: Die Leichen werden in ge­schlossenen Möbelwagen transportiert. So fährt eines Morgens ein solcher Wagen nach Ohlsdorf, dessel­ben Weges geht ein Schornsteinfeger. Es fängt an zu regnen, da denkt der schwarze Mann, du könn­test leise in den Wagen steigen und eine Strecke mit­fahren. Gedacht, gethan; der regenscheue Schorn­steinfeger steigt ein und die Fahrt geht weiter, ohne daß der Kutscher eine Ahnung von dem blinden Passagier hat. Da kommt ein Pferdebahnwagen an, der Möbelwagen muß ausweichen, durch den Schwung schnappt die Thür ein. und der Schornsteinfeger ist gefangen. Da wird es ihm mit einem Male un­heimlich bei den Leichen, er gerät in Angst und schreit aus Leibeskräften. Der Kutscher, der dies hört, glaubt, einer seiner Toten sei wieder lebendig gewor­den; entsetzt haut er auf die Pserde ein, und so kommt das Gefährt in Ohlsdorf an. Der Kutscher weigert sich, den Wagen zu öffnen, und rennt davon. Da tritt ein beherzter Mann hinzu und öffnet die Thür des Wagens. Der Schornsteinfeger springt heraus und läuft davon, während sein Befreier erschreckt dem schwarzen Mann nachblickt.

Ne isse, 13. Sept. Die Regierung verbot dem Lehrer Reinel die verantwortliche Redaktion des Naturarzt, des Organs des Deutschen Naturheil­vereinsverbandes, wegen Bekämpfung staatlicher Ein­richtungen.

Einen eigenartigen Fall hat ein Hamburger Wohlthätigkeitskomite zu verzeichnen, worüber die Hamb. Nachr." erzählen: Bei einem bekannten Wirt, welcher gleichzeitig Komitemitglied ist, erschien am Freitag Abend ein junger Mann und fragte beschei­den um eine Anstellung bei dem Bureau an. Der Wirt mochte dem ersichtlich sehr anständigen jungen Herrn kaum eröffnen, daß sämtliche Stellen besetzt seien. Darauf erklärte der junge Mann in beschei­denem Tone, daß er seine Thätigkeit im Dienste der guten Sache gern gratis zur Verfügung stellen wollte. Der Wirt ersuchte ihn hierauf, sich am nächsten Morgen beim Komite zu melden. Der Unbekannte erschien pünktlich und zufällig war auch das erwähnte Komitemitglied anwesend. Dasselbe machte die übri­gen Herren mit den Wünschen des jungen Mannes bekannt, aus welche man gern einging. Mit der bisher zur Schau getragenen, gewinnenden Beschei­denheit, zog hierauf der Fremde ein Taschenbuch hervor und legte einen Hundertmarkschein auf den Tisch, mit der Bitte, ebenfalls eine Kleinigkeit zur Linderung der Not beitragen zu dürfen. Auf die verbindliche Frage, wie viel er wieder zurückzuhaben wünsche, entgegnete er mit dem kurzen Worte:Nichts." Dann machte er sich an seine Thätigkeit und ist seit­dem einer der fleißigsten Mithelfer. Wer er ist hat er jedoch bis jetzt noch nicht verraten.

Bremen, 12. Sept. Dem hiesigen großen Not- standskomite für Hamburg gehen hohe Zeichnungen zu. Der Norddeutsche Lloyd zeichnete 5000 -/A.

Die Weserzeitung berichtet, daß der Kaiser für Hamburg 30 000 gespendet hat.

Berlin, 13. Sept. Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat, wie dasZentralblatt der Bauverwaltung" mitteilt, auf Grund eines Beschlusses des Staatsministeriums bestimmt, daß für die Folge in allen amtlichen Schriftstücken die Wärmeangaben in Graden des hundertteiligen Thermometers nach Celsius zu machen sind. Auch soll bei eintretendem Bedarf von der weiteren Beschaffung von achzigtei- ligen Thermometern nach Reaumur, sowie von sol­chen mit doppelter Einteilung Abstand genommen werden. Das genannte Blatt richtet auch an weitere Kreise die Bitte, künftig nur noch die Celsiusteilung anzuwenden, wie es in der Wissenschaft längst allge­mein üblich ist.

Bückeburg, 13. Sept. Prinz Hermann von Schaumburg-Lippe stürzte mit dem Pferde und erlitt einen lebensgefährlichen Schädelbruch.

Berlin, 14. Sept. Nach einer Meldung der Nationalzeitung" steht die Einberufung des Reichs­tages für November fest.

Berlin. 14. Sept. Fürst Bismarck spendete für die Notleidenden im Hamburg 1000 «M.

Berlin, 14. Sept. In derNordd. Allg. Ztg. liest man folgende interessante geschichtliche Erinnerung: Mehr als vierundachtzig Jahre sind verflossen, daß zum letztenmal eine regierende Köni­

gin von Preußen einer Tochter das Leben gab; es war am 1. Februar 1808, daß Königin Luise ihrem Gemahl die letzte Tochter schenkte, d^e dann nach der Mutter den Namen Luise erhieO. Z päter reichte sie dem Prinzen Friedrich der Nied:rl woe die Hand und starb am 6. Dezember 1870.

Die Vergoldung der Laterne auf dem großen Kuppeldach des Reichstagsgebäudes m Berlin ist nunmehr fertiggestellt. Bei dem Hellen Wetter macht der reiche Goldschimmer, welchen namentlich die äußerste Spitze der Kaiserkrone nebst Untersatz aus­strahlt, einen ungemein schönen Eindruck. Je näher man von der Moltkebrücke oder dem Brandenburger Thore her dem Königsplatz kommt, desto mehr erkennt man auch deutlich Kreuz und Adler in den acht Fel­dern der Krone. Das aus Kupfer getrödene Gestell der Laterne hat eine Höhe von 14,10 in. Die Ver­goldung ist natürlich echte Blattvergoldung und sie ist so stark aufgetragen, daß der Goldschimmer meh­rere Menschenalter hindurch den Stürmen der Zeit wird trotzen können.

Die Mitteilungen, welche in mehreren Zeitungen über die Aufbringung der Kosten für die neue Militärvorlage gemacht werden, sind mit großer Vorsicht aufzunehmen, da sie durch die Bank nur auf Vermutungen beruhen. Es haben hierüber nur ganz vertrauliche Besprechungen stattgefunden, von welchen absolut nichts authentisches in Oeffentlichkeit gedrun­gen sein kann.

Berlin, 15. Sept. Nach dem amtlichen Cho­lerabericht sind gestern in Hamburg 283 Erkran­kungen und 108 Todesfälle vorgekommen.

Die Gerichtsferien hören mit Donnerstag den 15. ds. im ganzen deutschen Reiche auf und wird die Thätigkeit der Gerichte in vollem Umfange wie­der ausgenommen.

Deflerreich-Ungarn.

Klagenfurt, 13. Sept. Die Stadt Sankt Leonhart ist zum Teil abgebrannt; 23 Wohnhäuser wurden zerstört.

Frankreich.

Paris, 15. Sept. Gestern erfolgten hier 59 Erkrankungen und 44 Todesfälle.

In der französischen Presse wird seit kurzem wieder eifriger denn je der Versuch gemacht, Italien dem Dreibunde abwendig zu machen; ja, man äußert sogar die Hoffnung, daß dies gelingen werde, und weist auch der Entsendung des französischen Ge­schwaders zur Columbusfeier nach Genua diese Ab­sicht bei. Gegenüber diesen chauvinistischen Bemüh­ungen verdient auf die Herzlichkeit hingewiesen zu werden, mit welchen das österreichische Geschwader in Genua begrüßt worden, aus welchem Anlasse es nicht an bemerkenswerten gegenseitigen Freundschafts­kundgebungen fehlte. Dem östereichischen Vizeadmi­ral Spaun und dem Kommandanten der Geschwa­derschiffe wurden besondere Auszeichnungen erwiesen, es fand auch eine Verbrüderungsfeier mit den ita­lienischen Marineoffizieren statt. Das sieht wohl nicht darnach aus, als ob die französischen Erwart­ungen eines Abschwenkens Italiens von seinen Ver­bündeten Aussicht auf Erfüllung hätten.

Der König Georg von Griechenland hat dem Prä­sidenten Carnot einen Besuch abgestattet in dessen Sommerresidenz Fontainebleau, an welchen sich eme Gegenvisite des Präsidenten bei dem Könige in Pa­ris anschloß. Die Begegnung soll einen herzlichen Charakter getragen haben.

Italien.

Aus Genua wird gemeldet: Das Fest auf den französischen Schiffen war geradezu von märchen­hafter Pracht. König Humbert drückte dem Admiral Rieunier die Hand und sagte, er hege die Zuversicht, die französischen Offiziere würden die Ueberzeugung in die Heimat mitnehmen, daß Italien mit Frank­reich in herzlicher Freundschaft leben wolle.

Genua, 13. Sept. Gestern Abend fand ein großes Militär-Banket statt, bei welchem 116 Offiziere und sämtliche Kommandanten der auswärtigen Geschwa­der anwesend waren. Das Fest im Hafen übertraf an Glanz alles bisher Dagewesene. Illumination und Feuerwerk waren prächtig.

Livorno, 13. Sept. Heute vormittag fand das Leichenbegängnis des Generals Cialdini in Anwesen­heit des Herzogs Aosta als Vertreter des Königs, des Kriegsministers, der Generalität und der Staats­würdenträger statt. Die gesamte Garnison nahm teil. Der König sandte einen Kranz mit der In­

schrift:Humbert I. dem tapferen Soldaten und treuen Freunde."

England.

London, 13. Sept. Nach einer St. Peters­burger Drahtmeldung desDaily Telegr." fanden zahlreiche Verhaftungen in Warschau statt, infolge Entdeckung eines Mordanschlags gegen den Zaren, der während dessen demnächstigen Besuche daselbst zur Ausführung gelangen sollte.

Das Kokettieren mit dem Proletariat überlassen die praktischen Engländer den deutschen Sozialdemo­kraten und ihrem Anhang. Wie hätte sonst der Kongreß der Gewerbevereine in Glasgow den Be­schluß fassen können, das Parlamentskomitee zu be­auftragen, einen Gesetzentwurf gegen die Landung von mittellosen Fremden in England einzubringen? Unsere heimischen Weltbeglücker werden mit diesen kühl rechnenden Briten noch manche Enttäuschung erleben.

Rußland.

Petersburg, 13. Sept. Die Zahl der Cholera­opfer beläuft sich bis zum 20. August auf 144 590 Verstorbene, auf den Kaukasus allein entfallen davon 53 159 Personen. Aus Petersburg werden 3 Ingenieure nach dem Donez-Bassin abkommandiert, da dort große Lager von Silber, Blei und Zink entdeckt worden sind. Die Versandung der Wolga ist gegenwärtig eine derartige, daß der Passagier­dampfer-Verkehr zwischen Twer und Rybinsk unmög­lich geworden ist.

Den Kladderadatsch hat in Rußland sein Geschick erreicht. Die schönen Verse und Bildchen, mit denen er die Großthaten russischer Diplomatie und Bureaukratie verewigt, haben den Zorn der Behörden erregt und das frevelhafte Blatt ist ver­boten worden. Ob das kleine Männchen ein Trau­ergewand anlegen oder im Sack und Asche büßen wird, muß man abwarten.

Amerika.

Quebeck, 12. Sept. Ein Großfeuer zerstörte 50 Villen in der Villenvorstadt Hedley. Die Mann­schaften der französischen und englischen Panzerschiffe retteten den übrigen Teil der Vorstadt durch helden­mütiges Vorgehen. Der Verlust beläuft sich auf I Vs Millionen Dollars; 120 Familien sind obdachlos.

Professor Barnard von Mount Hamilton-Ob­servatorium (Kalifornien) entdeckte einen fünften Mond Jupiters von dreizehnter Größe und einer Umlaufszeit von 17 Stunden 36 Minuten. Die Entfernung vom Mittelpunkt des Planeten beträgt 112,400 englische (etwa 28,000 deutsche) Meilen.

Kleinere Mitteilungen.

In Zaribrod wurde aus Cholerafurcht ein Wag­gon mit Münchener Bier trotz der Intervention des deutschen Generalkonsuls zurückdirigiert.

Von wegen die Kollra. Folgender Entschul­digungszettel wird derDortmunder Zeitung" zur Verfügung gestellt:Da mein Sohn Heindrich die Schuhte vom 2327. Angosl nicht befugt hatt von wegen Kopf und wagen Leiten, wo ich ihm halt aufgegeben, wie er auch immer die Krankheit von vornherein besessen hat von wegen die Kollra so bitt ich um Schonung der Strafe von wegen der eckeligen Kollra. Mtt Agtung."

Handel «nd Verkehr.

Stuttgart, 8. Sept. (Obstpreise.) 1000 Ztr. Most­obst zu 4 4e 60 -<! bis 5 4L.

Reutlingen, 10. Sept. Auf dem Obstmarkt kostete heure 1 Sack Obst 9 50 4 bis 10 4L. Auf dem Bahn­

hof 1 Ztr. 4 4L 50 4. Kartoffeln 2 4L 50 43 4L 50 4.

Eßlingen, 14. Sept. (Obstmarkt.) Zugeführt waren 250 Ztr. Mostobst, Preis 5 bis 5 4L 20 4 per Ztr.

Nürnberg, 10. Sept.) Hopfen.) Heutige Notierungen : Markthopfen °<L 122130, Württemberger 145158, Ba­dische 140-160, Elsäßcr 140150, Spalter Land 160170, 1891er Hopfen 130135. Umsatz bis Mittag kaum 300 Bal­len, Tendenz weichend.

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Hitzu das Uuterhaltungsdlatt 38 u. eine Beilage.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Berlag der G- W. Zaiser'scheu Buchoruckerei