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berne, 44 broncene Medaillen zur Verteilung. Hier erhielt Bäcker Wörnle die silberne und Hutmacher Anwärter (Marktstraße) die broncene Medaille. Dieselben sind etwas größer wie Fünfmarkstücke und haben auf einer Seite die Inschrift „Wilhelm, Deutscher Kaiser", auf der andern „für Verdienst um das Militärbrieftaubenwesen."
Stuttgart, 27. Januar. Auf der Feuersee-Eisbahn fand gestern abend von 7 Uhr ab ein Nachtfest bei elektrischer Beleuchtung, Musik und Feuerwerk statt. Leider fehlte die Grundbedingung zum Gelingen, eine gute Bahn, und wenn auch das elektrische Licht die Unebenheiten der Bahn zeitweise in ein wohlthätiges Dunkel hüllte, machten sich diese doch den Beinen um so fühlbarer. Die Musik und prächtiges Feuerwerk erfreuten außer den Fahrenden noch viele Hunderte von Zuschauern. Die Bahn selbst war, bei einem Eintrittspreis von 50 H, keineswegs überfüllt.
Cannstatt, 26. Jan. Unsere Eisbahn neben dem Kleemann'schen Institut wird, nachdem jetzt wieder kältere Witterung eingetreten, von Schlittschuhläufern immer gut besucht; namentlich war die Bahn heute nachmittag sehr belebt. — Heute mittag betraten vier hiesige Knaben in der Nähe der unteren Ziegelei die Eisdecke des Neckars; das Eis brach ein und dieselben standen bis über die Brust im Wasser. Nur mit großer Mühe gelang es ihnen, das Ufer wieder zu erreichen. — Heute vormittag wurde von den Grabarbeitern auf dem Seelberg ein noch gut erhaltenes menschliches Skelett gefunden.
Großbottwar, 26. Jan. In dieser Woche wurde die älteste Person unserer Stadt und wohl auch des ganzen Bezirks zu Grabe getragen: die Witwe des längst verstorbenen Gutsbesitzers Lederer vom Abstätterhof. Dieselbe ist im Jahr 1790 geboren und hätte bis Mai das 97. Lebensjahr erreicht. Sie war seit mehr als 50 Jahren Witwe; seit 13 Jahren lebte sie in unserer Mitte.
Heilbronn. Am 23. d. M. fand im Harmoniesaale eine von etwa 150 Personen besuchte Vertrauensmännerversammlung unter dem Vorsitze des Vorstandes der Deutschen Partei, Fabrikant Flammer von hier, statt, um die Kandidatur für den >U. Reichstagswahlkreis festzustellen. Die von Vertretern der Konservativen und der Deutschen Partei gebildete Versammlung nahm einstimmig die Aufstellung des Freiherr« Josef v. Ellrichshausen auf Afsumstadt an; der letztere, welcher hierauf den Saal betrat, nahm die Kandidatur dankend an, was mit lebhaftem Beifall von der Versammlung begrüßt wurde. Mit einem stürmischen Hoch auf den Kaiser wurde die Versammlung geschlossen, welche mit Zuversicht darauf hofft, dem aufgesttllten Kandidaten diesmal den Sieg zu erringen.
Ellwangen, 25. Jan. Die „Jagstztg." schreibt: „In einer heute hier stattgefundenen Vertrauensmännerversammlung der Zentrumspartei, welche aus ollen Bezirken des 13. Wahlkreises besucht war, wurde beschlossen, an der Wahl des bisherigen Vertreters, Grafen Heinrich Adelmann festzuhalten und derselbe hat sich zur Annahme eines Mandats bereit erklärt. Er wird wie bisher dem Zentrum beitreten, sich aber dem Vernehrpen nach bezüglich seiner Abstimmung über die Milikärvoilage freie Hand Vorbehalten.
Ulm, 25. Jan. Ein Unterbediensteter der hiesigen Betriebsinspektion stand schon seit einiger Zeit im Verdacht, Gegenstände, welche ihm etwa als gefunden übergeben wurden, sich angeeignet zu haben. Heute mittag nahm die Kriminalpolizei bei demselben unvermutet eine Haussuchung vor, welche ein überraschendes Ergebnis lieferte; denn es wurde eine große Menge zweifellos nicht auf rechtmäßige Weise erworbener Gegenstände, z. B. Reise- Handtücher, Brillen, Zwicker, Operngläser, Trinkflaschen, Brieftaschen, Cigarren- etuis, Necessaires u. drgl., in seiner Wohnung vorgefunden, die sämtlich beschlagnahm! wurden. Außerdem wurde der Verdächtige, der — wie man hört — diese Gegenstände, mit Ausnahme der Reisehandbücher, sämtlich in verschiedenen Auktion gekauft haben wollte, verhaftet, ebenso seine Frau, die bezüglich des Erwerbs widersprechende Aussagen machte. Dabei hatte der Bedienstete vor wenigen Tagen noch die Frechheit gehabt, den zweiten
Beamten der Betriebsinspektion, welcher von der Sache Kenntnis erhielt und ihm Vorhalt machte, wegen falschen Bezichts durch einen Rechtsanwalt einklagen zu lassen.
Ulm, 26. Jan. (XIV. W.-Kr.j In Wahlangelegenheiten ist es bei uns noch sehr ruhig; man hat sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß dem nationalen Kandidaten und seith. Reichstagsabg. v. Fischer kein Mann des Zentrums oder der Volkspartei gegenübergestellt werde. Die allgemeine Stimmung, besonders unter der Geschäftswelt, ist entschieden gegen die Opposition. „Hätte der Reichstag das Septennat nur bewilligt", hörte ich gestern einen Geschäftsmann äußern, der keiner nationalen Partei angehört, „das hiesür ausgeworfene Geld wäre uns längst schon hereingekommen, die ewige Angst vor einem Krieg mit Frankreich bringt uns Grossisten um Millionen!" In der Thal liegt das Engrosgeschäft so ziemlich darnieder, die Einzelverkäufer wollen ihr Geld nicht festnageln und zögern mit ihren Einkäufen. — Die franz. Holzaufkäufe kann ein ehrlicher Mensch nicht ableugnen; ein hiesiger Holzhändler hat aus Verdun einen Auftrag für 28 Wagen Holz erhalten, er hat denselben aber allerdings wegen allzukurzer Lieferfrist und anderer ihm nicht zusagender Bedingungen nicht angenommen.
Wevrnifctzles.
— Fortschritte der Lebensversicherung in Deutschland. Nach dem letzten Jahres-Bericht der „B. B.-Z." über den Geschäftsund Vermögensstand der 38 Lebensversicherungs-Gesellschaften im Deutschen Reiche erhöhte sich deren Gesamt-Versicherungskapital 1885 um 178.« Millionen auf 3050 Millionen Mark. Von dieser Summe sind 2146 Millionen Mark mit Anspruch auf Dividende und 904 Millionen Mark ohne Gewinnanteil versichert. An dem reinen Zuwachs der Dividenden-Versicherungen von 167 Millionen Mark waren die Gothaer mit 23 Millionen, Germania in Stettin mit 18 Millionen, Leipzig und Karlsruhe mit je 17 Millionen, Stuttgart mit 15>/e Millionen, Victoria 9l/z Millionen, die Concordia und Teutonia mit je 7 Millionen, mithin die genannten 8 Gesellschaften zusammen mit 114 Millionen Mark beteiligt. — An Prämien vereinnahmten 1885 alle 38 Gesellschaften zusammen 107.g Millionen, an Zinsen aus ihren Vermögensanlagen 27.Z Millionen Mark. Aus 13 6.4 Millionen Mark betragenden Jahreseinnahme flössen an die Versicherten oder deren Hinterbliebene zurück 45.« Millionen Mark an Auszahlungen für Sterbefälle, Aussteuern, Altersversorgung und Renten, 4.5 Millionen Mark für Policen-Nückkäufe, 18 Millionen Mark als Dividende an die mit Gewinnanteil Versicherten und 48 Millionen Mark dienten zur Erhöhung der Sicherheitsfonds auf 793,410,306 Mark. Hiervon besitzen die 20 Aktien-Gesellschaften 47 1,436,852 Mark oder 30 o/g ihres versicherten Kapitals und die 18 Gegenseitigkeits-Gesellschaften 321,973,454 Mark oder 22 v/g ihres versicherten Kapitals.
— Bismarck als Erbe. Der im Jahre 1834 aus Schweinschied nach Amerika ausgewanderte Philipp Muth soll nach Angabe seiner in Hoppstädten, Kreis Meisenheim, wohnenden Verwandten, denen er ein bedeutendes Vermögen hinterlassen hat, auch den Fürsten Bismarck mit 12,000 ^ bedacht haben.
— Eine junge Frau, die sich gleich nachdem sie auf dem Vasser-College graduiert hatte, verheiratete, trat jüngst in den Laden eines Fleischers, um einen Schinken zu kaufen. „Ich habe vor drei Monaten", sagte sie, „gleich nachdem wir uns eingerichtet hatten, zwei Schinken gekauft, die vorzüglich waren. Kann ich genau dieselbe Sorte bekommen?" „O gewiß, Madame", sagt der Fleischer, auf eine ganze Reihe von Schinken zeigend, „das ist alles die nämliche Marke." „Gut", sagt die Frau. „Sind aber auch wirklich alle von demselben Schwein? „Gewiß", erwiderte der Fleischer, ohne eine Miene zu verziehen. „Wenn das so ist, dann schicken sie mir gleich drei.
Ein Mann trat auf die Straße hinaus, und während er hinter sich die Thür schloß, fiel Sekunden lang der Lichtschein von drinnen auf die Gestalt des Doktors. Ter Unbekannte trat ihm zögernd einige Schritte näher.
„Hartmann", sagte er mit gedämpfter Stimme, „bist Du es?"
„Berger!" ries Julius, plötzlich erschreckend. „Mein Gott!"
Der Andere bot ihm die Hand.
„Guten Abend!" sagte er treuherzig, wie es schien, in nicht geringer Verlegenheit. „Was machst Du denn hier, Julius? Um die Wahrheit zu gestehen — ich war eben im Begriff, Dich arffzusuchen."
„Und?" fragte mit aussetzendem Herzschlag der Unglückliche. „Und? — Berger, ist cs eine gute Botschaft, die —"
Das Kopfschütteln seines Freundes unterbrach den angefangenen Satz.
„Sei aus das Allerschlimmste gefaßt, Hartmann", sagte mit ernstem Tone der Andere, „auf doppelt Schlimmes! Das Kind kam tot zur Welt, und auch Deine Frau wird schwerlich den nächsten Morgen Wiedersehen. Das wollte ich Dir mit- txilen, als Du mir so unerwartet begegnetest — Du magst nun danach das Weitere selbst entscheiden."
Ein Händedruck dankte ihm.
„Gute Nacht, Berger! Ich werde Dir den Freundschaftsdienst dieses Abends so lange ich lebe nicht vergessen. — Gute Nacht!"
„Gott helfe Dir, armer Kerl!" sagte gerührt der Doktor. „Aber Du solltest keine Zeit verlieren, es kann in jedem Augenblick zu Ende gehen."
Tie beiden Aerzte trennten sich, und Julius klopfte an die Thür des Hauses, um von dem weinenden Dienstmädchen eingelassen zu werden und dann leisen Schrittes das Zimmer zu betreten, in welchem seine junge Frau einsam und von aller Welt verlassen des Lebens letztem Kampfe entgegenschlummerte.
Er schickte die Wärterin hinaus und setzte sich an das Bett, selbst zu heftig erschüttert, um irgend eines Menschen Nähe ertragen zu können.
Seit länger als drei Monaten hatte er die unglückliche Frau nicht gesehen, fast vergebens suchte sein Auge die Spuren des einst Gewesenen. Weiß wie das Kissen,
worauf sie lag, war ihr schmales Gesicht mit den abgehännten, trauervollen Zügen, tief eingesunken die sonst glänzenden Augen, und fest geschlossen der kleine Mund. Nur die leisen Athemzüge verrieten, daß keine Tote, längst dem Erdendasein Entrückte vor ihm auf dem Bette lag.
Schauerlich still lastete die Nacht rings umher — die Schwingen des Todesengels senkten sich tiefer und tiefer herab aus die Stirn, deren Wärme unter seinem Kuß bereits entflohen war.
Elisabeth wendete matt den Kopf. — Ob es die Nähe des Geliebten war, welche auf kurze, flüchtige Minuten noch einmal ihre Seele zurückrief von den Pforten des Todes?
Er legte sanft den Arm um ihre Schulter und zog sie zu sich. Seine Rechts suchte und fand die ihrige, aber er sprach kein Wort.
Elisabeth öffnete die Augen. Sie erkannte ihn gleich, aber ihr schien vielleicht das, was sie sah, zu schön, um es für Wirklichkeit zu halten. Erst ganz allmählich brach sich die Freude Bahn.
„Julius, bist Du gekommen, um mich in Deinen Armen sterben zu lassen?"
Und er sagte Ja! Er wagte nicht, versuchte nicht, sie zu täuschen. Seine Lippen berührten ihre Stirn, er beugte sich tief zu ihr hinab.
„Laß das Vergangene, Lisa! Laß eS Alles! Vergib mir, wenn ich Dich gekränkt habe."
Elisabeth lag regungslos, glücklich, selig noch einmal im Augenblick des Scheidens, voll Friede und Klarheit nach so langem, schwerem Kampfe. Ihre Hand schmiegte sich in die seine, ihr Kopf lag an seiner Schulter — sie lächelte fast heiter.
„Ich habe meinen Irrtum erkannt, Julius", sagte sie leise, „ich weiß jetzt, daß der Tod für mich zur Wohltat wird. Die Lüge gibt keinen Frieden. Wer sich auf sie stützt, der betrügt sich selbst. Vielleicht bin ich eine Andere, Bessere geworden, seit das Unglück hereinbrach, vielleicht wäre ich nie so tief gefallen, wenn ich Dich früher kennen gelernt hätte!"
(Fortsetzung folgt.)