Mo. 12
62 . Jahrgang
Amts- »ml Intelkigeazbkatt für äen Kezirst.
Erscheint Slenstag, Aonnerstag L Samstag.
Die EinrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
8amstag, äen 29. Januar 1887.
AbonncmentspreiS halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 80 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Zum Abonnement für die Monate
Februar—MSrz
ladet freundlichst ein
die Hledakliou d. Ak.
H'ocitische Wcrctzrichten.
Deutsches Reich.
Berlin , 26. Jan. Der Vortrag, welchen gestern Fürst Bismarck dem Kaiser hielt, währte über anderthalb Stunden. Es heißt, es hätte sich dabei um einen Aufruf bezüglich der Neuwahlen gehandelt.
Berlin, 26. Jan. Das „Reichsgesetzblatt" veröffentlicht eine kaiserliche Verordnung, wodurch die Ausfuhr von Pferden über sämtliche Grenzen gegen das Ausland verboten wird. Das Verbot tritt sofort in Kraft.
Augsburg, 26. Jan. Gcnerallieutenant von der Tann erläßt soeben folgenden Aufruf an alte Kampfgenossen: Der Wahlkampf steht vor der Thüre. Man will dem Heldenkaiser seine Forderungen nicht bewilligen. Denkt zurück an den Feldzug von 1870 und die ruhmreichen Schlachten. Viele von Euch standen unter meinem Kommando oder kennen mich. So wie einst gegen den Feind, so wollen wir miteinander stimmen zum Besten der Armee und des Vaterlandes. Wählt Männer, welche zu Kaiser und Reich stehen. Es lebe der Kaiser! Dep. d. Frkf. I.
— An die Hinterbliebenen der ertrunk»nen Mannschaften der Retttungs- boote, welche am 20. Dez. der gestrandeten deutschen Barke „Meier" Hilfe bringen wollten, verteilte der deutsche Generalkonsul Mohr in Gegenwart des engl. Mayors von Southport 700 Lst. Nach der Verteilung sprach der Mayor den herzlichen Dank der Unterstützten aus mit dem Hinzu- fügen: Ein derartiges großmütiges Handeln trage entschieden dazu bei, das gute Einvernehmen zwischen Deutschland und England zu verstärken.
Kages-Weirigkeiten.
Calw, 27. Jan. Die gestern Abend im Gasthaus zur „Kanne" hier stattgehabte Versammlung von nationalgesinnten Männern war recht zahlreich besucht. Den Vorsitz führte Hr. Fabrikant Zöppritz, welcher nach kurzer Besprechung der gegenwärtigen politischen Lage unter allgemeiner Zustimmung die Wiederwahl unseres bewährten Kandidaten, Hrn.
Kommerzienrat Staelin, empfahl. Wie es den Anschein habe, werde von volksparteilicher Seite kein Kandidat aufgestellt, dennoch sei es notwendig für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, zunächst müsse ein Wahlkomite gewählt werden, das mit denjenigen von Neuenbürg, Herrenberg und Nagold in Fühlung zu treten habe. Von allen nationalgesinnten Männern müsse übrigens, wenn auch die Wahl voraussichtlich gesichert, eine rege Beteiligung erwartet werden, damit das Resultat einem Plebiscit gleichkomme. Hr. Stadtschultheiß Haffner verlas hierauf zustimmende Schreiben der Wahlkomite's von Herrenberg und Neuenbürg, welche energisch für die Wahl des Hrn. Staelin einzutreten bemüht sind. In Nagold sei man gegenwärtig daran, zu gleichem Zwecke zusammenzutreten. Nach der Wahl von 12 Komitemitgliedern wechselten Reden und Toaste und die heiterste Stimmung hielt die Teilnehmer bis zu später Stunde beisammen. — Am heutigen Tage begaben sich einige Herren vom engeren Wahlausschuß zu unserem Abgeordneten und drückten demselben den gebührenden Dank aus für die patriotische Vertretung unseres Wahlkreises. Herr Kommerzienrat Stälin dankte für das enlgegengebrachte Zutrauen und gab auf die Bitte, eine Wiederwahl anzunehmen, wiederholt seine Zustimmung.
Stuttgart, 26. Jan. In der heutigen sehr zahlreich besuchten Versammlung des Landesausschufses und der Vertrauensmänner des konservativen Vereins für Württemberg wurde der Entwurf eines Wahlaufrufs vorgelegt und genehmigt. Ferner wurden die bis jetzt bekannten Kandidaturen der württembergischen Wahlkreise besprochen. Es wurde beschlossen, die Wahl der nachgenannten nationalgesinnten Männer zu unterstützen und die Gesinnungsgenossen aufzufordern für deren Erwählung mit allen Kräften einzutreten: l. Wahlkreis: Geh. Kommerzienrat Siegle. II. Landrichter Veil. Hl. Freiherr von Ellrichs Hausen. IV. Freiherr v. Neurath. V. vr. A d ä. VI. Lammwirt Bayha. VII. Kommerzienrat Stälin. VIII. Freiherr v. O w. IX. Oekonomierat Burkhardt. XI. Landwirtsch.-Jnspektor Leemann. XlV. Oberbürgermeister Fischer. XVII. Rechtsanwalt Mezler. — Hinsichtlich des X. Wahlkreises wurde beschlossen, den Gesinnungsgenossen anzuraten, dem Kandidaten der deutschen Partei, Oekonomierat Grub, als einem Anhänger des Sep- tenats, ihre Stimme zu geben. (Im VIII. Wahlkreis kandidiert Graf Adelmann unter Vorbehalt seiner Abstimmung über die Militärvorlage. Im XII. Wahlkreis ist seitens der deutschen Partei Professor Egelhaaf aufgestellt. D. Red.)
Stuttgart, 26. Jan. Gestern kamen 2 Medaillen hier an, welche das kgl. preuß. Kriegsministerium für die besten Leistungen beim Brief- tauben-Wettflug vergeben hat. Im ganzen Reiche kamen 1 goldene, 44 sil-
JeuitLeton. <R°chdru«-.rb°>-n.>
Verlorene Ehre.
Roman von W. Köffer.
(Fortsetzung.)
Im dunkeln Zimmer, hinter herabgelassenen Vorhängen sitzend, gab er sich seinen trüben Gedanken wiederstandslos hin. Eine unerträgliche Aufregung, eine Unruhe, die er selbst sich nicht zu erklären wußte, hatte an diesem Abend seine Seele erfaßt. Er scheute sich sogar, seine eigene Stimme zu hören. Als Walter und seine Frau ihn mit warmen Worten baten, doch den heiligen Abend in ihrem Kreise zu verbringen, da schüttelte er fast heftig den Kopf. Welches Band gab es zwischen ihm und diesen Glücklichen! Sie wiegten in ihren Armen ein schönes Kind, sie liebten einander und Nichts vermochte ihren Frieden zu stören. Julius fühlte sich nicht stark genug, das fremde Glück in seinem eigenen, tiefen Elend neidlos mit anzusehen.
Unbewußt kehrte selbstquälerisch die Erinnerung immer wieder zurück zu den Bildern des letzten Weihnachtsabends. Er durchlebte im Geiste jene Begegnung auf der Treppe und sah die erschreckende Blässe des schönen, traurigen Gesichtes, das sich Sekunden lang an seine Brust schmiegte. — Arme Elisabeth! Sie war über ihre Kräfte versucht worden, sie wollte fliehen, bevor die Täuschung in Betrug überging, aber ihr fehlte der Mut, sich von ihm zu trennen, eben well sie ihn liebte.
Alle ihre Unruhe an jenem Tage der Verlobung, ihr leidenschaftliches, wiederspruchsvolles Wesen während der Hochzeitsreise und späterhin im eigenen Hause — war es nicht immer der Beweis innerer, verzehrender Gewissensangst?
Er hatte es ja selbst so oft, so oft gesehen, er hatte es ihr auch gesagt.
Jetzt saß sie neben dem Bette seiner Mutter, und ihre und feine eigenen Gedanken begegneten sich in gleichem unheilbarem Leid.
Er ballte die Faust. O, dieser Verruchte! Weshalb mußte er kommen und dm Sturm entfesseln! Es hätte sich vielleicht Alles allmählich ausgeglichen, es wäre
mit den Jahren stiller und stiller geworden. Kleine zarte Händchen flochten um die halb getrennten Herzen ein neues heiliges Band, als Vater und Mutter hätten sich an der Wiege ihres Kindes die früher Entzweiten in reinerer Liebe vereint, und die Vergangenheit mit ihrer Schuld, ihrer Schande wäre ewig in Dunkel gehüllt geblieben.
Aber jetzt?
Er vergrub das Gesicht in beide Hände. Eine Antwort auf die erschütternde Frage gab es nicht.
Stunde nach Stunde verran, tiefe Finsternis deckte die Straßen, und in allen Häusern war der Weihnachtsjubel verhallt. Julius fühlte, wie ihm das Blut in den Schläfen hämmerte, wie ihn die Stille und Einsamkeit gleich eben so vielen glühenden Fäden umspannen und sein Gehirn erdrückten. Er konnte es in dem engen, dunklen Zimmer nicht länger aushalten. Wie immer, wenn es in ihm zu gewaltig stürmte sehnte er sich hinaus in die freie Natur, dem Wind und der Kälte entgegen. Jetzt schliefen auch die glücklichen, zufriedenen Menschen schon alle. Wer ihm etwa auf der Straße noch begegnete, der war selbst ein Ausgestoßener, eine arme Seele, die auf Erden kein Heim, keine friedliche, warme Stätte mehr besaß.
Er schlich sich leise fort und ging um die Stadt herum, wie damals vor Jahresfrist, aber mit welch' anderen, trostlosen Gedanken erschien ihm auch die Erinnerung an das junge Mädchen mit der reinen, offenen Stirn und dem unschuldigen Herzen.
„Arme Anna, wo magst Du sein? Ob Du meiner gedenkst an diesem Abend der Freude und des Glückes? Ob Dich andere Bande fesseln und das Bild des Freundes aus Deinem Gedächtnis verwischten? — Gott segne Dich tausendfach, Gott schenke Dir alle Blüthen des Lebens!"
Er ging unwillkürlich langsamer. Die Biegung des Weges führte ihn an dem Hause seiner Mutter vorüber.
Da oben schimmerte noch Licht. — Was bedeutete das?
Und jetzt erschien der Helle Strahl am Treppenfenster, dann im Erdgeschoß — man begleitete offenbar einen Fortgehenden zur Hausthür.
Julius blieb stehen. Ein unangenehmes Gefühl hatte ihn ergriffen. Er wollte sehen, wer da oben noch so spät gewesen war.