Schneider aus Stuttgart vor. Ein Hochamt schloß die kirchliche Feier, welcher im Gasthof zum Rappen ein solennes Festmahl folgte, an dem sich ca. 70 Personen beteiligten. Auch dem scheidenden Herrn Stadtpfarr- Verweser Moser, der nach Göppingen versetzt wurde, ist bei seinem Ab­schied volle Anerkennung für seine segensreiche hiesige Wirksamkeit ausgedrückt worden. ^ ,

Stuttgart, 23. Jan. Am gestrigen Sonntag verermgten sich rm Festsaal des Bürgermuseums die Angehörigen der deutschen Partei aus allen Gauen unseres engeren Vaterlandes behufs Stellungnahme der Partei zu der auf den 21. Februar anberaumten Reichstagswahl. Nachdem der Vorstand des Landeskomites, Herr Oberstlieutenant a. D. v. Wolfs, den anwesenden Parteifreunden den Dank für ihr zahlreiches Erscheinen zu einmütigem Wirken ausgesprochen, auch den Ernst der gegenwärtigen politi­schen Situation im deutschen Vaterland nahe gelegt hatte, wurden aus der Mitte der Versammlung die Kandidaten der einzelnen Wahlkreise, für welche die deutsche Partei einstehen will, namhaft gemacht: Im l. Wahlkreis hat Herr Geh. Kommerzienrat Siegle eine Kandidatur angenommen, im II. Herr Landrichter Veiel, im III. Freiherr v. Ellrichshausen, IV. Freiherr v. Neurath, V. Dr. Adä oon. Im VI. ist bis jetzt noch kein Kandidat gewonnen. Vorgeschlagen sind vom Vorsitzenden die Herren: Dr. G ö z (Stuttgart), Fabrikant Böhm (Gmünd), Amtsrichter Hofacker (Urach), Präsident v. Schad (Ulm), Graf Alfred Adelmann, Ober­regierungsrat v. Riekert (Stuttgart), Landrichter Elsäßer (Stuttgart), Finanzrat Geyer (Stuttgart), Prof. Dr. v. Seeger (Tübingen) und Prof. G. Hauck (Berlin). Im VH. hat Herr Kommerzienrat Stalin wiederum zugesagt. Im VIII. will Freiherr Hans v. O w im Notfall wieder kandidieren. Im IX. hat Herr Oekonomierat Burkardt zugesagt, im X. Herr Oekonomierat Grub in Stuttgart, da Herr v. Wöllwarth eine Wiederwahl aufs entschiedenste ablehnte. Im XI. wird wiederum Herr Leemann kandidieren. Für den XII. hofft man Herrn Oberförster Keller noch als Kandidaten zu gewinnen. Im XIV. wird Herr Bürger­meister v. Fischer wiederum kandidieren. Im XV. soll Herr v. Ulm- Erbach aufgestellt werden. Im XIII., XVI. und XVII. Wahlkreis werden unter Umständen noch Zählkandidaturen aufgestellt werden.

Die Versammlung des Landeskomites der Volks pari ei, die gestern unter dem Vorsitze des Herrn Gemeinderats Ehni von Stuttgart, bezw. des Herrn Köhler von Heidenheim im Rittersaale von Retten- meyer stattfand, war zahlreich besucht. In verschiedenen Reden und Be­richten wurde hervorgehoben, daß man einem schweren Kampf entgegengehe. Auf der anderen Seite wurde die Notwendigkeit betont, daß man alles auf­bieten müsse, um in diesem Kampfe zu bestehen. An Kandidaturen sind bis jetzt nur zwei feststehend, im l. Wahlkreis die des Herrn Sigmund Schott und im XII. Wahlkreis die des Herrn Karl Mayer, der seinen Wählern ebenfalls schon seine Zusage gegeben. Im III. Wahlkreis (bisheriger Ver­treter Härle), VI. (bisher Schwarz) liegen noch keine Zusagen vor, doch werden die noch schwebenden Verhandlungen jedenfalls zum Ziele führen. Im X. Wahlkreis hat Herr Fabrikant Gabler in Schorndorf gestern seine Bereitwilligkeit, unter Umständen zu kandidieren, ausgesprochen. Auch im XI., sowie im XI V. Wahlkreis werden Kandidaturen zustande kommen. Im II. und V., sowie im VIII. Wahlkreis, aus welch letzterem kein Vertreter erschien, wohl aber günstige briefliche Berichte eingelaufen waren, sollen ebenfalls noch Anstrengungen gemacht werden, um einen Kandidaten zu gewinnen.

Wevrnifchtes.

Versicherungswesen. Von dem neuen statistischen Jahres, bericht über den Geschäfts- und Vermögensstand der 38 Lebensver­sicherungs-Gesellschaften im Deutschen Reiche stieg in den letzten 10 Jahren 1876 bis 1885 die Gesamt-Versicherungssumme dieser Gesell­schaften um 1331 Millionen auf 3050 Millionen Mark und das Gesamtvermögen um 411 Millionen auf 911 Millionen Mark.

überzeugt, daß die arme Emilie meinetwegen keine unangenehme Stunde zu ertragen hatte. Ein Gentleman sieht über dergleichen hinweg, namentlich wenn es gilt, die Oeffentlichkeit zu düpieren."

Julius warf den Brief von sich, als habe er durch das elegante, parfümierte Papier die Finger verbrannt. Im Augenblick loderte der Schmerz empor zu nie er­reichter Höhe, später aber entstand aus dem Chaos der Gedanken immer wieder die Frage, ob er nicht gegen seine unglückliche Frau zu hart gewesen sei. Was mußte sie leiden, wenn er in's Haus kam, ohne jemals nach ihr zu fragen.

Walter hatte sie kürzlich gesehen und ihm erzählt, die blühende, schöne Frau sei nur noch gleichsam der Schatten der einst Gewesenen. Er würde sie, ohne die bestimmte Ueberzeugung, daß sie es sei, nicht wiedererkannt haben.

Julius stützte den Kopf in die Hand und sah Stunden lang grübelnd vor sich hin. Es gab aus diesen Wirrnissen keine Erlösung; jedes gütige Wort von ihm konnte neue, unerfüllbare Hoffnungen erwecken, jede Annäherung mußte Jrrtümer mit sich führen. Sollte er ihr sagen:Es ist zwischen uns keine Gemeinschaft mehr möglich, ich habe aufgehört. Dich zu lieben, aber ich will barmherzig handeln, will verzeihen?" Das hieße Gift in die Wunde träufeln, denn ihre Seele liebte ihn, er war ihr Alles, das Leben von ihrem Leben; sein Mitleid mußte sie zum Wahnsinn treiben.

Und wieder sagte er sich, daß es so am besten sei, aber er war nicht ruhig, indem er das dachte. Walter's Erzählung hatte sein Inneres furchtbar erschüttert.

Julius hielt sich, überreizt wie er war, halb und halb für den Mörder seiner unglücklichen jungen Frau.

Wochen vergingen im tötenden Einerlei, der Novembersturm schüttelte die letzten .welken Blätter herab auf Tante Josephinens Gruft, und wieder nahte der Weihnachts­abend, aber diesmal trostloser, öder als je.

Ich komme nicht, Mama", hatte Julius gesagt.Ich kann es nicht über .mein Herz bringen Gott helfe uns Allen!"

In demselben Zeitraum wurden aus den vereinnahmten Prämien und Zinsen gezahlt: an die Hinterbliebenen von 108,756 Verstorbenen 320 Millionen Mark, für fällige Aussteuern und Renten 40 Millionen Mark, und 130 Millionen Mark wurden auf die gezahlten Prämien als Dividende vergütet. Von diesen Leistungen der letzten 10 Jahre fallen auf die größte Lebensversicherungs-Gesellschaft in Preußen, auf dieGermani a" zu Stettin, welche Ende 1885 nach 28jährigen Bestehen 319 Millionen Mark Versicherungssumme und 79 Millionen Mark Vermögen besaß, 49 Millionen Mark, einschließlich 10 Millionen Mark an ihre Ver­sicherten verteilte Dividenden.

Ueber die Ermordung des Dr. Iühlke wird seitens der Ost­afrikanischen Gesellschaft folgendes berichtet:Nach einem Berichte des Herrn Janke, welcher während der Ermordung des Dr. Jühlke am Bord derIsolde" in Kismaju mit dem Auspacken des Gepäckes beschäftigt war, sowie nach dein Berichte der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft aus Sansibar stellt es sich heraus, daß die Ermordung Jühlke's so sagt der Bericht im Aufträge des Sultans von Sansibar von einigen gedungenen Somalis ausgeführt worden ist. Dr. Jühlke hatte mit verschiedenen Sultanen der Benadirküste Verträge abgeschlossen, es waren sogar einige dieser kleinen Sultane aus der Umgegend von Merka unaufgefordert mit dem Anerbieten auf Vertragsab­schluß zu ihm gekommen, und in seinem letzten nach Sansibar gesandten Be­richte spricht er sich sehr zuversichtlich und freudig über seine Erfolge dort aus. Die Somalis teilten Dr. Jühlke ferner mit, daß Said Bargasch von von ihnen nur gegen Zahlung eines jährlichen Tributs in seinen Forts ge­duldet werde, und einige Somali-Häuptlinge erklärten sich bereit, die abge­schlossenen Verträge vor dem deutschen Konsul bezw. einem Konsulatsbeamten zu ratifizieren. Andererseits war das Benehmen des Mali von Kismaju im höchsten Grade verdächtig; obgleich Dr. Jühlke einen Geleitsbrief des Said Bargasch hatte, verweigerte ihm der Mali die Ausschiffung seines Gepäcks, das Mieten eines afrikanischen Hauses und sogar die nötige Bedeckung zur Aufsuchung der etwa angespülten Leichen oder Bootstrümmer an der Juba- Mündung. Nachdem es Dr. Jühlke gelungen war, von den Somalis ein Haus zu mieten, wurde er in demselben auf alle mögliche Weise belästigt, sogar von den Soldaten des Sultans vom Fort aus fortgesetzt beschaffen, so daß die Kugeln durch das Dach seines Hauses raschelten. Augenscheinlich lag diesem Schießen die Absicht zu Grunde, Dr. Jühlke zu veranlassen, sich aus Kismaju zu entfernen; denn bezeichnenderweise hat Said Bargasch in dem Dr. Jühlke erteilten Geleitsbriefe ausdrücklich betont, eine Verantwor­tung für dessen persönliche Sicherheit außerhalb Kismajus nicht übernehmen zu können. Die Ermordung geschah in der bereits bekannt gewordenen Weise: einige Somalis kamen, als Zanke an Bord derIsolde" weilte, zu Dr. Jühlke, welcher vor seinem Hause am Tische saß und schrieb; einer der Leute bat Dr. Jühlke, welch letzterer Tags zuvor am Strande einen aus zehn Wunden blutenden Somali ausgenommen und verbunden hatte, ihm sein wundes Bein zu verbinden. Nachdem ihm Dr. Jühlke diese Bitte erfüllt hatte und der Diener mit dem Medizinkasten in das Haus zurückgegangen war, versetzte der Somali dem Dr. Jühlke mit dem großen Somalimeffer einen kräftigen Stoß mitten in die Brust; ein treuer Diener Jühlke's, Ali, welcher die Somalis eiligst davonlaufen sah und infolge dessen, Böses ahnend, herbeieilte, fand den Verwundeten sterbend, während Janke, auf das Geschrei der Leute herbeieilend, ihn bereits mit gebrochenen Augen traf. Daß ein Raubmord nicht vorliegt, geht unzweifelhaft aus der Thatsache hervor, daß die Somalis die in dem Hause stehenden, verhältnismäßig wertvollen Sachen unberührt gelassen haben. Der Mali fand es für nötig, das Haus sofort zu verschließen und selbst Janke den Eintritt zu verweigern. Unter diesen Umständen ging dieIsolde", nachdem die Leiche an Bord befördert war, da man in Kismaju eine Schändung der Grabstätte zu befürchten gehabt hätte, auf hohe See, um die Leiche nach Lamu zu überführen. Da indessen schlechtes Wetter eintrat und der schnell fortschreitende Zustand der Leiche es notwendig machte, so veranstaltete man ein seemännisches Begräbnis, und versenkte die Leiche unter Beobachtung der religiösen Formen, in den Ozean."

Die Kranke legte ihre heiße Hand auf seinen Arm.

Aber er schüttelte den Kopf.

Julius", hörte er ihre Stimme,wenn Du Dich entschließen könntest, sie zu sehen!"

Wozu, Mama? Es wäre eine Folter für uns Beide. Glaub' mir, ich bin nicht weniger unglücklich als sie selbst".

Wirst Du denn morgen Abend überhaupt nicht hierher kommen, Julius? O, wäre dieser Tag erst hinter mir!"

Sie zitterte und ihre Augen füllten sich mit Thränen. Er wußte, was sie dachte:Der letzte heilige Abend für mich, und so traurig, so einsam!"

Mutter", sagte er seufzend,ist es Dein Wunsch, so komme ich zu Dir, aber"

Nein", unterbrach sie ihn,nein, nicht so, nicht zu mir allein das wäre Grausamkeit! O mein lieber Junge Gott schütze Dich vor Reue!"

Ihre Hände lagen länger als gewöhnlich in einander, die Herzen waren schwer und traurig. Julius vermochte nicht, sich loszureißen, und als er endlich wiederstrehxnd fortging, da geschah es zögernd, unruhig, voll heimlicher Sorge.

Mutter", bat er fast wie ein Kind,Mutter, Du sollst mir nicht grollen!"

Ich Dir? O mein Sohn, mein armer Sohn, ich Dir?"

Er küßte sie, ins Herz getroffen von diesem Ton voll zärtlicher Liebe, und dann ging er fort, um sich, wie so oft in letzterer Zeit, einzuschließen und stumm, mit gestützten Kopf, dazusitzen ein Mensch, der Alles verloren hatte, sogar die Hoff­nung, sogar den Akut.

Doktor Berger wurde brieflich benachrichtigt, Julius selbst ging nicht aus. Die Weihnachtsfreude rings umher schien ihn zu beleidigen, zu verhöhnen; er wollte nicht gefragt werden und wollte keinen frohen, glücklichen Menschen sehen.

(Fortsetzung folgt.)