Peinliche, nach der Uhr geregelte Lebensweise, langsames Essen, gehöriges Kauen. Vermeidung sehr kalter und sehr heißer Speisen, sowie überreichlicher Mahlzeiten dürften die allgemeinen Gesichtspunkte sein, nach welchen die Diät in Cholerazeiten zu normieren ist. Im besonderen sind zu vermeiden alle leicht in Gährung übergehenden Speisen (Erbsen, Linsen, zu viel Kartoffeln, Schwarzbrot), frisches Gebäck rc.), alle zu fetten Speisen, besonders fette Saucen, Salate und Mayonnaisen, Kuchen und Eis, rohes Obst, Käse. Ferner verboten ist: ungekochtes Wasser und rohe Milch, Buttermilch. Erlaubt sind gekochte Suppen, gebratenes, resp. geschmortes Fleisch, Geflügel, Weißbrot), Biscuits, Reis, Maccaroni, Blumenkohl, Spinat, gekochtes Obst, Eier und Eierspeisen, von Getränken abgekochtes Wasser, Sodaoder Selterwasser, Rotwein, gutes (nicht junges) Bier in geringen Mengen, Kaffee, Thee, Cacao. Gewarnt sei vor den alkoholhaltigen Getränken wie Cognac, der mit starkem Zusatz von Wasser genossen werden sollte. Ganz besonders gewarnt aber sei vor heftigen Gemütserregungen, welche nur zu leicht dem Feind einen günstigen Boden bereiten. Namentlich ist es die „Cholerafurcht," die ganz zweifellos dadurch, daß sie den Organismus schwächt, ihn dem Eindringen des Choleragistes zugänglicher macht. Wer in fortwährender Angst vor der Cholera schwebt, der wird, selbst wenn er alle Vorsichtsmaßregeln auf das Peinlichste erfüllt, viel leichter erkranken als der Nachbar, der im Bewußtsein erfüll- ter Pflicht seinen Gleichmut zu bewahren sucht, auch wenn sein Gemüt durch unglückliche Ereignisse erschüttert ist. In Cholerazeiten ist es am geratensten, wenn man fremde Klosets überhaupt nicht benutzt. Professor Koch empfiehlt, da der Cholerabazillus sich gern auf feuchtem Boden ansiedelt, die von den Ausleerungen beschmutzten Dielen, Bettstellen, rc. nicht naß, sondern trocken zu desinfizieren, und hierzu empfiehlt Prof. v. Ziemßen die Sublimat-Holz- wolle. Auch rät letzterer Forscher dazu, daß große, mit öprozentiger Karbollösnng gefüllte Gefäße in den Krankenzimmern aufgestellt werden, teils zum Einlegen von Wäschestücken, teils zum Abspülen von Möbeln und Geräten, ein sehr beherzigenswerter Vorschlag. Dagegen ist es überflüssig, den Rat eines anderen Forschers zu befolgen und nach jeder Mahlzeit einige Tropfen Salzsäure zu nehmen.
Nachrichten aus Berlin besagen, daß dort unter der Bevölkerung eine hochgradige Aufregung herrscht, weil man in Hamburg das Auftreten der Cholera beinahe durch volle acht Tage verheimlicht hat, wodurch der Weiterverbreitung der Krankheit Vorschub geleistet worden ist. Es scheint in Hamburg auch im Publikum eine große Gleichgiltigkeit vorzuwalten. Besonders stark heimgesucht sind die engeren Straßen und Höfe.
Bremen, 27. Aug. Heute sind hier 4 Personen, wie amtlich festgestellt ist, an der asiatischen Cholera erkrankt. Bisher ist keine gestorben.
In Berlin ist die Cholera noch nicht amtlich festgestellt, indessen ist an verdächtigen Meldungen kein Mangel. Verschiedene Blätter plaidieren angesichts der Choleragefahr für Nichtabhaltung der Kaisermanöver. Ein Gardejäger von Potsdam wurde als choleraverdächtig ins Lazarat verbracht. In allen Kasernen Potsdams wurden besondere Cholerastuben eingerichtet zur Isolierung verdächtiger Kranken.
Berlin, 24. Aug. Im Zentral-Hotel zu Berlin war dieser Tage cm russischer Staatsrat abgestiegen. Morgens fand der Hausknecht in den zur Reinigung herausgegebenen Kleidern des Gastes ein Packet Banknoten im Betrag von 50 000 Rubeln vor, welche er erschreckt dem Oberkellner übergab. Als dieser in das Schlafzimmer des Gastes eintrat und ihn, in der Meinung, ihm einen großen Dienst zu erweisen, darauf aufmerksam machte, wie leicht das Gelo hätte abhanden kommen können, entgegnen der Fremde gelassen: „Das thut nichts, legen Sie es nur hin" , und drehte sich auf die andere Seite herum, um ruhig weiter zu schlafen.
Berlin, 25. Aug. Die hiesigen Hotels sind von Hamburgern überfüllt. Die Horelnnrte beraten über eine eventuelle Sperre gegen dieselben.
Berlin, 26. Aug. Die „Nationalzeitung" vernimmt: Der Kaiser habe angeordnct, daß alle Truppenübungen wegen der Hitze bis 10 Uhr vormittags- deendet sein sollen.
Berlin, 26. Aug. Die Vossische Zeitung meldet aus Hamburg: Professor Dr. Koch depeschierte an das Reichsgesundheitsamt, die Cholera sei im Fortschreiten begriffen; die Krankenziffer betrage über 800. Die Zahl der Toten wird verschieden auf 160 bis 300 angegeben. Der telephonische Börsenverkehr zwischen Hamburg und Berlin ist ganz eingestellt; die Stimmung der Bevölkerung ist ernst, aber ruhig; der Börsenverkehr und das Straßenleben finden wie bisher statt.
Eine Deputation in Berlin beschloß, zunächst 600 Lagerstellen des Moabiter Krankenhauses für die Aufnahme von Cholerakranken bereit zu stellen, event. in den übrigen Krankenhäusern weitere Lagerstellen zu beschaffen, sowie für vermehrte Reinigung und Besprengung der verkehrsreichen Straßen und schnellere Beseitigung des Straßenunrates zu sorgen.
Barzin, 26. Aug. Fürst Bismarck will, wie es heißt, infolge der Cholera in Barzin verbleiben und erst später nach Friedrichsruh zurückkehren.
Dem Vernehmen nach sind jetzt sämtliche Gerichtsbehörden angewiesen worden, über alle Klagen, die gegen Schulden mittelbarer oder unmittelbarer Staatsbeamten angestrengt werden, ferner von allen Privatklagesachen, in welcher ein solcher Beamter Partei ist, und ebenso von allen Zahlungsbefehlen, die gegen solche Beamte erlassen werden, zu den Dienstakten derselben ihrer Vorgesetzten Behörde Mitteilung zu machen. Es sollen nun auch im Weiteren die Schuldeputationenaufgefordertsein, vorkommenden- falls bezügliche über die Lehrer gemachten Mitteilungen an die zustehende Regierungsbehörde zu befördern.
Berlin, 26. Aug. Der „Nationalztg." zufolge war die Reise Koch's nach Hamburg auf direkten Befehl des Kaiser's erfolgt.
Schwei).
lieber den großen Brand in Grindelwald, der 90 Gebäude vernichtet und einen Schaden von über eine Million Francs verursacht hat, wird jetzt bekannt, daß die Veranlassung ein vom Föhn genährter Schornsteinbrand im Bärenhotel war. Kaum fünf Minuten, nachdem die erste Flamme emporgezündet war, stand schon das ganze obere Gebäude und die englische Kirche in Hellen Flammen. Der Föhn trieb sie schnell weiter und bald standen das Winterhotel, das Telegraphengebäude, die Cafes National und Oberland, die Pension Alpenruh, die Bank, die Schule und 26 Bauernhöfe nebst Stallungen in Flammen. Es herrschte großer Wassermangel. Die anwesenden Fremden nahmen an den Löscharbeiten thätig teil und in der Doppelkette, welche in Eimern und Zubern Wasser zureichte, sah man auch viele Damen, insbesondere Engländerinnen, die mit hochgeschürzten Kleidern, gänzlich durchnäßt, bis in die Nacht hinein aushielteni Ihnen ist es zu danken, daß nicht auch der obere Teil des Dorfes in Flammen aufging. Gerettet wurde aus den brennenden Hausern sehr wenig. Viele Fremde stürzten auch nach dem Bahnhof, da trieb sie aber ein Feuerregen jäh zurück und die sprühenden Funken ergriffen das Bahnhofsgebäude. Da dampfte der Zug von Jnterlaken heran. Alles stürzte ihm entgegen, aber inzwischen waren sechs große Gebäude zu einem riesigen Scheiterhaufen geworden, der weithin seine Feuerbrände entsandte. Der Zug mußte vor der Glut zurückweichen. Einen Augenblick schien der mit Passagieren überfüllte Zug in Flammen zu stehen; da gelang es der Geistesgegenwart des Zugführes,. die Maschine auf die Drehscheibe zu bringen, im Feuerregen zu drehen und nun mit Volldampf den Zug aus der Gefahr zu retten; rasch dampfte er davon, als plötzlich die Flammen aus dem letzten Packwagen hervorschiugen. Da sprang der junge Zugführer von der Maschine, in wildem Lauf sah man ihn zu' dem brennenden Packwagen eilen, einen Augenblick verschwand er hinter den Flammen und — der Packwagen war abgehängt. Gerettet fuhr der Zug weiter, hinter sich den rasch von den Flammen verzehrten Waggon zurücklassend. Von den Fremden sind nach der üverstandenen Schreckensnacht viele abgereist. Andere haben sich in den im oberen Teil des Dorfes stehen gebliebenen Hotels und Restaurationen einquartiert. Das Gerücht, daß drei Fremde« in Grindelwald vermißt wet-> den, ist dadurch entstanden, daß sie für die Nacht in den umliegenden Ortschaften Unterkunft gesucht hatten.
Aus Bern wird gemeldet: Große Aufregung rief in der gestrigen Sitzung des Friedenskongresses eine Rede von Levakovski. Milglied des ö-terrerchischen Parlaments, hervor. Der Redner brach in den Ruf aus: Es lebe das freie Polen! Der Präsident des Kongresses vermochte weder den Sprecher zum Schweigen zu bringen, noch des Tumultes Herr zu werden. Professor Maineri-Rom umarmte und küßte Leva- kovski wiederholt stürmisch.
Bern, 26. Aug. Der Friedens-Kongreß beschließt auf Einladung der amerikanischen Friedens- Vereine, den nächsten Weltfciedenkongreß im Mai 1893 in Chicago abzuhalten. Der Kongreß nimmt darauf einen Vorschlag an, daß das Schiedsgericht keine kriegerische Maßregel Vorschlägen dürfe. Gleichzeitig wurde beschlossen, die der Fciedensidee geneigten Parlamentarier aufzufordern. möglichst gleichzeitig Anträge einzubringen, wodurch die Regierungen veranlaßt werden, eventuell Schiedsgerichtsverträge abzuschließen. Ein Teil der Engländer wollte die ganze Materie als nicht spruchreif an die Kommission zurückverweisen, während besonders die Franzosen auf die Annahme positiver Beschlüsse hindrängen.
Ein Fund von großem Wert wurde auf dem Berg Saleve in der Nähe der französischen Grenze bei Genf gemacht. An der elektrischen Bahn beschäftigte Arbeiter fanden in einer Höhle mehrere tausend Münzen des 11. Jahrhunderts vom Bischof Friedrich von Genf, von denen eine bis jetzt den Wert von 2000 Franks hatte.
Brsterrrich-Ungarn.
P e fl, 25. Aug. lieber 400 Aerzte meldeten sich zum Dienst für den Fall des Eindringens der Cholera in die Monarchie. Täglich erhalten sie 10 bis 15 Gulden und außerdem ist ihnen Versorgung ihrer Hinterbliebenen bei etwaigem Todesfall zuge- sichcrt. Heute sind mehrere Erkrankungen auf der Straße unter verdächtigen Umständen vorgekommen.
Frankreich.
Aus Paris wird geschrieben: Der heiße Sommer hat das Gute, daß das deutsche Bier hier wiederum zu Ehren kommt. In den ersten sechs Monaten wurden in Paris 8193 Hektoliter deutsches Bier mehr eingeführt, als im Vorjahr, wogegen das französische Bier nur eine Zunahme von 2635 Hektolitern zeigt. Seither ist die Einführung noch ungleich mehr gestiegen, da erst seit Juli große Hitze herrscht, welche allem Anschein nach bis Ende August und selbst bis in den September hinein, dauern wird. Die großen deutschen Bierhäuser auf dem Boulevard stellen abends Tische und Stühle weit hinaus vor die Nachbarhäuser, bieten daher Raum für 600—1000 Gäste. Ader trotzdem ist es stets schwer, einen Stuhl zu erhaschen. Dabei dauert der Andrang bis tief in die Nacht.
Rouen, 26. Aug. Es wurden 200 choleraartige Erkrankungen im Barnethal und Dieppredalle, 70 in Oissell festgestellt, die letzteren 20 verliefen tätlich. Das Entstehen der Epidemie wird dem Seine- Wasser zngeschneben.
Französische Zustände. Pariser Blätter melden: „Ein Angestellter der Nordbahn hat sich das Leben genommen, weil er Vater eines dritten Kindes geworden. Die Nordbahn schickt jeden Angestellten fort, welcher mehr als zwei Kinder hat." Selbstverständlich ist eine solche Nachricht nicht leicht zu prüfen. Jedenfalls hat die Verwaltung irgend einen anderen Grund in Bereitschaft, um die Entlassung des An- gestellten zu rechtfertigen. Thatsache aber ist, daß dergleichen vorkommt. Bei manchen Verwaltungen, Betrieben und Anstalten wird sehr darauf gesehen, daß die Angestellten wenig oder keine Kinder haben. Deshalb ist die Nachricht über das Verfahren der Bahn wenigstens glaublich.
Banquier Bernau wurde wegen betrügerischen Bankerotts verhaftet. Die Passiva betragen eine Million.
Belgie n-H o l l a n d.
In Havre sind seit dem 30. Juli bis 24. Aug. 365 Cholerafälle, darunter 104 mit tödlichem Aus--' gang, festgestellt worden. Ganz cholerasrei ist Pa-^ ins auch nicht; doch versichern die Aerzte, es sei nicht die asiatische Cholera.
Italien.
Der „Messagero" kündigt für deu Pilgerzug nach Rom 45000 italienische, 18000 spanische, 14000 -s französische, 13000 österreichische, 3000 deutsches " 4000 belgische und holländische und 2000 amerika-