62 . Jahrgang.

Uro. 8.

Amts- uml IntekkigenMatt für äen Aezir^.

Erscheint Sie««t«g, Sonnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 20. Januar

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die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Amtliche Bekanntmachungen.

Calw.

Zleichstags-Wahl.

Mit Verfügung vom 17. d. M. hat das K. Ministerium des Innern angeordnet:

Nachdem durch Kaiserliche Verordnung die Vornahme der neuen Wahlen zum Reichstage auf

den 21. Februar 1887

anberaumt worden ist, so wird unter Beziehung auf die vorbereitende Anordnung vom 14. d. M. (Amtsblatt des Ministeriums des Innern S. 17) verfügt, daß die öffentliche Auslegung der ausgestellten Wähler­listen in sämmtlichen Gemeinden des Königreichs am Sonntag, bk» 23. d. M. zu beginnen hat.

Zu Wahlkommissären werden die hienach ernannten Beamten bestellt:

VIF. Wahlkreis

Oberamt Calw Oberamtmann Flaxland in Calw.

Herrenberq

Nagold

Neuenbürg.

Demgemäß werden unter Hinweis auf die Vorschriften des Wahlge­setzes für den Reichtag und des Wahlreglements (Regierungsblatt von 1871 Beil. 1 S. 1 13) sowie auf den Ministerial-Erlaß vom 2. Dezember 1873 (Ministerial Amtsblatt S. 265239), dessen Teinünbestimmungen, abgesehen von dem veränderten Datum, auch für die bevorstehende Wahl gelten, den Ortsvorstehern folgende Weisungen ertheilt, für deren genaue Befolgung dieselben verantwortlich sind:

1) Cs ist dafür zu sorgen, daß die Wählerlisten am Tage vor dem Beginn der öffentlichen Auslegung, also am 22. d. M. Vorläufig ab- geschlossen und zu diesem Behufe von dem Gemeinderath, beziehungsweise Theilgemeinderath unter Beisatz von Ort und Dalum beurkundet werden, wie dies aus der Be­lehrung auf der Rückseite der Wählerliste ersichtlich ist.

Bei diesem vorläufigen Abschluß der Listen, welche beide genau mit einander übereinstimmen müssen, ist eine Liste alsHauptexemplar", die andere alsZweites Exemplar" zu bezeichnen.

2) Die nach Vorstehendem beurkundeten Listen sind in sämmt­lichen Gemeinden vonSonntag, den23. d. M., an min­destens 8 Tage lang zu Jedermanns Einsicht auszulegen.

3) Daß an diesem Tage (23. Januar) die öffentliche Auslegung der Listen beginnt, ist unter Angabe des Lokals, in welchem die Auslegung stattfindet, vorher und spätestens am 22. d. M. auf ortsübliche Weise öffent­lich bekannt zu machen. Diese Bekanntmachung hat zugleich zu ent­halten, daß nur Diejenigen zur Theilnahme an der Wahl berechtigt sind, welche in die Liste ausgenommen sind, (Wahlgesetz § 8) und daß, wer die Liste für unrichtig oder unvollständig hält, dies innerhalb 8 Tagen vom 23. d. M. an, also bis zum Montag, den 31. d. M., diesen Tag eingeschloffen, bei dem Gemeinderath oder der von diesem hierzu ernannten Person schriftlich anzuzeigen oder zu Protokoll zu geben, auch die Beweismittel, falls solche nicht auf Notorität beruhen, bcizubringcn habe. (§ 3 des Reglements.)

Zum sofortigen Anschlag dieser Bekanntmachung am Rath- Haus wurden den Ortsvorstehern gedruckte Plakate zugesendet.

Wo diese, wie auch jede spätere, die Wahl betreffende Bekanntmachung durch Einrückung in eine Zeitung erfolgt, ist ein Exemplar der betreffenden Zeitungsnummer der Wählerliste beizuschließen.

4) Am 24. d. M. hat bei Vermeidung eines Wart­boten von allen Ortsvorstehern die Anzeige bei dem Oberamt einzulaufen, daß

a. beide Wählerlisten vorläufig und in vorgcschriebener Weise abgeschlossen worden sind,

b. die angeordnete Bekanntmachung bezüglich der Auslegung der Liste recktz eilig (spätestens am 22. d. M.) und vollstän-

. dig erlassen worden ist.

o. die Auslegung der Wählerliste am 23. d. M. begonnen hat.

5) Falls Einsprachen gegen die Wählerliste vorgebracht werden, so sind solche von dem Gemeinderath, in zusammengesetzten Gemeinden vom Gesauimtgemeinderath nach entsprechender sachdienlicher Verhandlung zu entscheiden. Diese Entscheidung. sowie die Eröffnung derselben an die Be­theiligten hat gemäß 8 3 des Reglements spätestens innerhalb 3 Wochen, von Beginn der Auslegung der Wählerliste an gerechnet, also spätestens am Sonntag, den 13. Februar d. I. zu erfolgen. Ist die Liste zu berichti­gen, so ist genau nach § 4 Abs. 1 des Reglements zu verfahren. Ergeben sich Streichungen, so ist der in Spalte 2 der Listen eingetragene Namen zu durchstreichen und in Spalte 11 die Beurkundung nach Vorschrift des For­mulars (Reg.-Bl. 1871 Beil. 1 S. 13) zu geben; ergeben sich Nachträge, so sind solche nach S. 14 dieses Formulars zu fertigen und ist der Abschluß in der daselbst bezeichneten Weise zu beurkunden.

Iseuicceton. <«°-hdru>r

Verlorene Ehre.

Noman von W. Koffer.

(Fortsetzung.)

Ich konnte es nun wagen, auf den gebahnten Straßen zu bleiben; es gingen Gensdarmen und Polizisten an mir vorüber, ohne Verdacht zu schöpfen. Noch wenige Stunden, dann war der Zielpunkt erreicht und der Rest meiner versteckten Pretiosen mußte das Weitere thun. Aber Gott wollte es anders. An der Schwelle der Rettung brach ich zusammen, ein heftiges Fieber hatte mich ergriffen, der Schmerz in der Brust war unerträglich, ich taumelte und konnte mich kaum bewegen. Mit dem Aufwand der letzten versagenden Kräfte kroch ich in ein Gebüsch, an dessen inneren: Rande eines jener vielen stehenden Gewässer des Flachlandes sich ausdehnte und wo ich, auf den Wurzeln einer alten Eiche sitzend, im Spiegel der ruhigen Flut mein Gesicht voll heimlicher Furcht betrachtete. Es glich vollständig einer Leiche. Mehrere Riale versuchte ich zu gehen, aber immer umsonst; ich fiel wieder zurück auf das Moos und blieb endlich mit geschlossenen Augen halb wachend, halb träumend liegen. All' die Bilder der letzten wechsclvollen Zeit zogen an meiner Seele vorüber, ich erinnerte mich voll Schauder jener furchtbaren Anklage, die gegen mich ausge­sprochen war, ich versuchte es, um der drohenden Schande willen, den Entschluß des Selbstmordes zu fassen, aber jedesmal, so oft »nein Blick das fülle schwarze Wasser traf, hielt mich ein unbesiegbares Grauen vor der That zurück.

Wie lange dieser quälende Zustand dauerte, ist mir unbekannt geblieben vielleicht mehrere Tage und Nächte, vielleicht nur eben so viele Stunden. Das Erste, was an mein Ohr schlug, waren verworrene Stimmen, einige Männer sprachen unter einander, ein alter Schäfer mit Strickzeug in der Hand befühlte meinen Puls und schüttelte den Kops; ich selbst lag in einer Art Erstarrung, die sogar den Gedanken an Flucht und Entdeckung gefesselt hielt. Erst als Gensdarmen hinzukamen und als

man mich auf einem Ackerwagen in das nächste Torf brachte, ging mein Zustand in das Delirium des Nervenfiebcrs über.

Ich sollte als Gefangene entlarvt und rettungslos wieder erwachen."

Tie unglückliche Frau hielt ihr Gesicht mit beiden Händen verborgen. Jetzt begann das eigentlich Schwere und Schändende des Bekenntnisses, jetzt mußte sie die wissentlich, in voller Absicht begangene Schuld gestehen. Minutenlang schwieg sie horchend, innerlich zitternd, ob nicht der Man» an ihrer Seite das Wort der Vergeb­ung sprechen würde.

Kein Laut kam über seine Lippen; er zog sich verletzt und empört zurück vor­dem Gedanken einer Verbindung mit ihr.

Ich wurde vor Gericht gestellt", fuhr scheu und zagend die junge Frau fort, ich wurde in der Stadt, die mich in Glanz und Ehren gesehen, zu sechsmonatlicher Zuchthausstrafe verurteilt und wie gewöhnlich von der großen Menge fast gesteinigt. Ihr Vater war ein Bankerotteur und Selbstmörder sie ist eine Diebin! So machen sie es!" Im Gefängnis erfuhr ich, daß Viktor zu ö Jahren verurteilt worden sei. Wir hatten ausschließlich von gestohlenem Gelde gelebt, er selbst besaß keinen Pfennig Vermögen, die Erzählung von seiner Familie war ein Märchen, sogar seine Vergangenheit zeigte schon verschiedene Bestrafungen. Ich erschrak anfänglich wohl, aber schon sehr bald tröstete es mich, daß ich nun, von ihm befreit, seinen Blicken entschwinden konnte, ohne jemals eine Entdeckung fürchten zu muffen. Ich wollte nach Amerika gehen und dort unter neuen Verhältnissen ein neues Leben be­ginnen. Während meiner Haft hatten mehrere Freunde zusaminengesteuert, uni mir wenigstens einige Kleidungsstücke und das notwendigste Geld zu verschaffen. Ich verließ Hamburg an einem dunklen Herbstabend und wollte so weit als möglich nach Süddeutschland reisen, um dort, wo mein Name unbekannt ivar, für den Augenblick ein Unterkommen zu finden und mir die zur Auswanderung erforderliche Summe in Ehren zu verdienen. Jetzt konnte ich mich getrost für eine Näherin oder Köchin aus­geben man hatte aus Barmherzigkeit im Zuchthause der ganz Verlassenen, Ver­lorenen gestattet, sich alle diese Kenntnisse anzueignen, man hatte dort nachgeholt, was früher mein Vater aus mißverstandener Liebe bei Sette gelassen, und mich zur