62. Jahrgang.
Aro. 7.
Amt8- unä Intekkigenzökatt sür äen Rezirkr.
Lrscheint Iieurta-, ps»«er»t«> L Ka«»ta«.
Die EinrückungSgebühr beträgt S ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 18. Januar 1887.
AbonnementspreiS halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 80 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70
AmtticHe WekanntmacHirrigen.
Calw.
An die Ortsvorsteher.
Vorbereitungen lür ä»e Aeirbstugswubk betr.
Zu Folge Erlasses des K. Ministeriums des Innern vom 14. d. M. (Staats-Anzeiger Nro. 121 sind tue für die bevorstehenoen neuen ReichstagS- wahlen erforderlichen Einleitungen alsbald zu treffen und ergehen in Folge hievon an die Gemeindebehöroen folgende Weisungen:
1. Die Ortsvorsteher haben unverzüglich dafür zu sorgen, daß die Wählerlisten nach Vorschrift des Wahlrcglements H 1 ff, (Reg.-Bl. von 1871 Nr. IS. 5) in doppelter Anfertigung angelegt werden.
Die hiefür erforderlichen Forwularien gehen den Ortsvorstehern morgen mit der Post zu.
2. Für jede Gemeinde und bei zusammengesetzten Gemeinden für jede Parzelle ist eine abgesonderte Wahlliste zu fertigen.
3. Die Listen sind unter Leitung und Aufsicht des Gemeinderaths (Theilgemeinderaths) durch den Oilsvorstehei (Anwalt) unter Zuziehung des Gemeindepflegers zu entwerfen und am Tage vor dem Beginn der öffentlichen Auslegung (s. Z. 6) vorläufig abzu schließen. (S. Z>ff. 2 der Belehrung auf der Rückseite des Titelbogens.)
4. In die Wählerliste sind alle rm Wahlbezirk ihren Wohnsitz habenden Angehörigen des Deutschen Reichs, welche das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben und nicht, nach den Bestimmungen des H 3 des Wahlgesetzes von der Wahl ausgeschlossen sind, aufzunehmen.
Für die zum aktiven Heer gehörigen Militärpersonen ruht das Wahlrecht.
Die Namen der Wähler sind genau in alphabetischer Ordnung aufzuführen und fortlaufend zu oummenren.
5. Die beiden Listen-Ex mplare müssen selbstverständlich genau mit einander überernstimmen und ist > as eine als „H a u p t e x e m p l a r" , das andere als „z w e i t e s ^Ex e m p l a r" zu bezeichnen.
6. Die öffentliche Auslegung der Listen darf nicht erfolgen, ehe der Tag des Beginns dieser Auslegung vom K. Ministerium des Innern bekannt gemacht worden ist, worüber weitere Verfügung folgen wird.
Der Vollzug der Anlegung der Listen ist von sämmt- lichen Ortsvor st ehern
unfehlbar bis Samstag, den 22. d. M., hierher anzuzeigen.
Den Ortsoorstehern wird noch besonders zur Pflicht gemacht, bei den auf die Reichstagswahl bezüglichen Geschäften mit aller Sorgfalt und Pünktlichkeit zu Werke zu gehen.
Die einzusendenden Berichte, wie alle Schreiben in Reichstagswahlangelegenheiten sind als portopflichtige Dienstsache zu bezeichnen (nicht zu frankiren).
Den 17. Januar 1887. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
Calw.
An -ie Ortsvorsteher.
Die Ortsvorsteher werden beauftragt, binnen 3 Tagen hierher anzuzeigen, ob und welche Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen der im Jahre 1884 für die Neichstagswahlen bestellten Wahlvorsteher und ihrer Stellvertreter (Wochenblatt von 1884 Nr. 21) einge- trrten sind, ob die damals bestellten Personen auch bei der bevorstehenden Neichstagswahl diese Funktionen wieder übernehmen können, verneinenden Falls welche Personen (unter genauer Bezeichnung ihres Namens, Standes und des etwa von ihni bekleideten öffentlichen Amts) an ihrer Stelle berufen werden könnten?
Dabei können etwaige Wünsche über Zuteilung einzelner Gemeinden zu einem benachbarten Wahlbezirk, oder über Trennung von einem solchen geltend gemacht werden.
Der Bericht ist abgesondert von dem heute einverlangten Bericht über dre Anlegung der Wählerlisten zu erstatten.
Den 17. Januar 1887. K. Oberamt.
__ F l a x l a n d.
Die WorMnde der HemeindegerichLe,
welche mit der diesbezüglichen Anzeige im Rückstand sind, werden erinnert, unverweilt hieher zu berichten:
1) in wie vielen Fällen wegen als unbestritten eingeklagter Geldforderungen das Schuldklagverfahren vor dem Vorstand des Gemeindegerichts in dem abgelaufenen Jahre stattgefunden hat,
2) wie viele bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in dem abgelaufenen Jahre bei dem Gemeindegericht angefallen sind und wie viele derselben durch Entscheidung, wie viele in anderer Weise erledigt worden sind.
Calw, 16. Januar 1887. > K. Amtsgericht.
O.-A.-R. Frommann.
JeuiLLeLon. <N-chdru-
Verlorene Ehre.
Roman von W. Köffer.
(Fortsetzung.)
Diese Worte weckten mich aus der Erstarrung, welche immer noch meine Sinne gefangen hielt. Auch mir selbst drohte die höchste Gefahr.
In meiner Hand lag das Juwelenkästchen. Ich schlich mich, Tuch und Huj vom Bett raffend, unhörbar über den teppichbelegten Corridor und hinunter in die Loge des Portiers. Das Geschmeide blitzte dem erstaunten, verlegen blickenden Menschen entgegen.
„Ich gebe es Ihnen, wenn sie mich verstecken können, bis die Polizisten fort sind."
Einen Augenblick zögerte er, überschlug vielleicht den Wert seiner Stellung und den der Diamanten, aber er verwendete doch von den funkensprühenden Schätzen keinen Blick mehr, und endlich streckte er die Hand aus.
„Da hinein!"
Hinter seiner Loge befand sich eine Art von dunklem, niederem Verschlag, angefüllt mit Gerümpel und Haufen alter Teppiche; ich verkroch mich und zählte athem- los die Sekunden, horchte in Todesangst auf jeden Laut. Nur noch wenige Minuten vergingen, dann wurde Viktor an der Loge vorübergeführt und die Stimme des Polizisten beauftragte den Portier, mich selbst, wenn ich etwa versuchen sollte, das Hotel zu verlassen, auf der Stelle seinen wachehaltenden Collegen auszuliefern.
Der Schimmer meiner Edelsteine hatte seine Wirkung gethan.
„Die gnädige Frau pflegte an jedem Morgen auszugehen", sagte er, „ebenso heut«. Sie ist nicht anwesend."
Die Polizisten berieten flüsternd. Einige transportierten ihren Gefangenen in die bereitstehende Droschke, andere kehrten zu den oberen Räumen des Hotels zurück und visitierten jeden Winkel; dann lcunen Me die Treppe wieder hinunter.
„Der Vogel ist richtig ausgeflogen, Portier! Kümmern Sie sich um gar Nichts — oben befindet sich eine Wache."
Der Mann antwortete etwas, und dann wurde es still auf dem Flur. Nach einer Viertelstunde öffnete sich die Thür meines Gefängnisses und ein bleiches, erschrockenes Gesicht sah hinein.
„Jetzt beeilen Sie sich, Bladame — aber um Himmelswillen verraten Sie mich nicht. Ich wäre sonst ein ruinierter Mensch!"
Was ich ihm geantwortet habe, ist mir nicht mehr erinnerlich; er schob mich förmlich vor sich her, um nur so schnell als thunlich von mir befreit zu werden. Nach einer Minute stand ich auf der Straße und war nun vogelfrei — dem Verhängnis überliefert. In meiner Tasche befand sich noch eine ziemliche Summe Geldes. Ich wollte Bremen zu erreichen suchen, und von dort das Ausland; meine Brosche, meine Ringe und Ohrringe konnten noch mehr als eine Thür öffnen, mehr als einen Blick von mir abwenden. Aber bis zur Bahn zu gelangen, war schwer. Ich versteckte mich nach stundenlangem Marsch in der Nähe einer ländlichen Station und beobachtete den Perron. Zwei Polizisten hielten Wache. Eine trostlose Nacht im Freien folgte dem Tage voll erschöpfender Auflegung. Mich fror, ich fieberte und war krank, mühsam schleppte ich mich zum zweiten Male zur Bahnlinie. Hier befand sich ein Gehölz, ich konnte im Schutze eines Tannendickichts bis nahe an die freie Fläche Vordringen. Auf dem Bahnhof war Niemand.
Da erklangen ganz in meiner Nähe Stimmen.
„Emilie Bredow?" sagte die eine. „Ich habe Sie sehr gut gekannt — ein hübsches Mädchen, aber schlecht erzogen. — Der Vater war ein Narr, sie beherrschte ihn von jeher. Also jetzt fandet man steckbrieflich auf die, welche einst für Hamburgs reichste Erbin gehalten wurde? — Wie doch das Schicksal spielt!"
Mir schlug das Herz in der Brust.
Jetzt sah ich den Sprechenden, einen älteren Herrn, dessen ich mich auf den ersten Blick erinnerte, und dann den anderen, einen Gensdarmen. Dieser Letztere entfaltete ein Zeitungsblatt, in welchem meine Person auf das Eingehendste beschrieben war, sogar das Kleid und der Hut, Alles. Während er die Einzelheiten vorlas-