warte den Verlauf der Dinge ruhig ab, und wenn es auch den streitenden Parteien so ginge, wie den berühmtenzwoen Löwen", die sich gegenseitig bis auf die Schwänze auffraßen.

Berlin, 29. Febr. Die Adresse an Herrn v. Bennigsen ist von Maler Röhling meisterhaft aus­geführt. Sie hat folgenden Wortlaut: Gott erhalte Kaiser und Reich! Ihrem langjährigen Führer und Freunde, dem Begründer des Nationalvereins und Wegbahner zur wiedererrungcnen Einheit der Nation, dem deutschen Patrioten ohne Furcht und Tadel, dem Volksvertreter und Staatsmann von festem Sinn, klarem Blick und sicherm Schritt, dem Vorbild in allen bürgerlichen Tugenden und echter Ritterlichkeit, Rudolf v. Bennigsen, widmen dieses Gedenkblatt am 2öjährigen Stiftungsfeste der nationalliberalen Partei in herzlicher Verehrung und Dankbarkeit. -

Die nationalliberalen Mitglieder des Reichstags und des preußischen Landtags.

Berlin, den 28. Februar 1892.

Berlin, 1. März. Abgeordneter Singer (Soz.) brachte gestern im 4. Reichstagswahlkreise die Stra­ßentumulte mit der bekannten Stumm'schen Rede in Verbindung und warnte die zielbewußten Arbeiter vor der Beteiligung. D>e Resolution betonte, die Berliner Arbeiter seien nicht so wahnsinnig, sich als Versuchsobjekt des kleinkalibrigen Gewehrs vorzu­gehen. Für die Maifeier wurde eine 7gliedrige Kom­mission gewählt.

Berlin, l. März. Dem Reichstage ging der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Straf­bestimmungen wegen Kuppelei zu. Verschärft wer- den die Strafen wegen Vermietung an Prostuierte; der Entwurf enthält eine Strafandrohung gegen den Ehemann einer Prostituierten; für Zuhälter ist Zucht­hausstrafe, Verlust der Ehrenrechte, Polizeiaufsicht und lleberweisung an die Landespolizeibehörde zu­lässig. Ferner werden unsittliche oder anstößige Schaustellungen von Schriften und Abbildungen, gröbliche Verletzung des Schamgefühls und Sittlich- keitsgefühles, Mitteilungen aus Gerichtsverhandlun­gen, deren Oeffentlichkeit im Interesse der Sittlich­keit ausgeschlossen ist, mit strengen Strafen bedroht.

Berlin, l. März. Der heutige Besuch des Reichstages führte den Beweis, daß die gestrige Debatte über die chronische Bejchlußunfähigkeit der Versammlung leider völlig vergeblich war. Wie wir hören, haben die Vorstände der Fraktionen er­neut eine Aufforderung an die Mitglieder gerichtet, ihrer Pflicht eingedenk zu sein und sich pünkilich im Reichstage einzufinden. Wie viel das helfen wird, muß dahingestellt bleiben.

Berlin, 3. März. Der Reichstag hat die Genehmigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Ab­geordneten v. Münch wegen Beleidigung nicht erteilt.

Deutscher Reichstag. Am Sonnabend hatte der Reichstag die zweite Beratung des Marinectats begonnen. In der Montagssitzung teilte Präsident v. Lcvetzow im Hin­blick auf den andauerno schwachen Besuch des Hauses mit, er werde fortan nur noch solche Urlaubsgesuche bewilligen, welche mit durchaus zwingenden Gründen motiviert seien. Hieran knüpfte sich eine längere Keschäftsordnungsdebatle, in welcher verschiedene Vorschläge zur Abhilfe gemacht wurden. Besonders dringend wurde der Wunsch nach einer Bermeidung des Zusammentagens von Reichstag und preußischem Land­tag ausgesprochen. Ein definitives Resultat hatte diese Er­örterung nicht weiter. Hierauf wurde die zweite Beratung des Marineetats fortgesetzt. Die Budgetkommission hat hier­bei verschiedene erste Raten für neue Fahrzeuge gestrichen. Reichskanzler Graf Caprivi bat um Bewilligung der neuen Sänffe, weil dieselben im Interesse des Handels doch nicht entbehrt werden konnten. Zudem würden die Schiffsbaulen auch vielen Arbeitern Brot geben. Abg. Graf Ballestrem (Etc.) dankte dem Reichskanzler für seine Erklärungen. Die Ccntrumspartei wird vis zur dritten Beratung überlegen, was sie bewilligen kann, für heule aber für die Kommissions­anträge stimmen. Abg. Jedscn (natlib.) un.> Hahn (kons.) empfehlen im Interesse eines sicheren Schutzes des deutschen Handels die Bewilligung, während Abg. Rickert (freis.)-.Lie- selben im Hinblick auf die hohen Mariueansgabcn bekämpfte, cb.nso Abgg. Hcorle (Demokrat), Barth und Richter (freist). Für die Genehmigung der Forderungen verwandten sich im Znieresse der durchaus erforderlich.n Stärkung der heimischen Seemacht und des Schutzes unseres Handels der Staatsse­kretär Holtmann, sowie die Abgg. v. Bennigsen (natlib.), v. Schenk (sreikons.) Hierauf wurde die Weilcrberatung des Marinectats auf Dienstag l Uhr v.nagt.

Belterreich-Ungarn.

Wien, 1. März. Die Verwaltung der öster­reichischen Wasfensabrik in Steyr hat mit Bulgarien einen neuen Lieferungsverlcag für 50 000 Mann- lichergewehre und 6000 Karabiner abgeschlossen-

Wien, 1. März. Bei der heutigen Brolver- teilung an bedürftige Arbeiter erschienen nahezu

6000 Männer, in dem anderen Stadtteile fast 6000 Weiber. Je 4000 wurden mit Brotlaiben versehen. Zwei Verhaftungen fanden statt, sonst kein Zwischen­fall. Die eingeleitete Geldsammlung verspricht ein bedeutendes Ergebnis.

Wien, I. März. Heute liefen namhafte Spen­den für die Arbeitslosen ein. Erzherzog Wilhem, Adolf Schwarzberg, Großhändler Trebilsch geben je 1000, Rothschild 15,000 Gulden. Der Bürgermei­ster lehnte die Kooperation zu dem sozialdemokrati­schen Komitee, das Sammlungen angeregt hatte, ab, lud aber angesehene Bürger zum Eintritt in ein Kontrol-Komitee ein.

Frankreich.

Paris, 29. Febr. Das Kabinet Loubet wird allgemein unfreundlich ausgenommen und ihm eine nur kurze Dauer vorausgesagt. Heftige Kammersze­nen werden erwartet.

Paris, 2. März. Laur ist nunmehr befriedigt. In seiner Wochenschrift schreibt er:Constans ist heute zu Boden gestreckt. Das genügt mir."

Paris. 3. März. Der Malin enthält Skan- dalznschriften von Armeelieferungen. Vor elf Monaten seien 800,000 Paar Soldakenschuhe für den Fall' einer Mobilisierung als vollständig unbrauchbar fest- gestellt worden. Die Stiefelsohlen, halb Papier, seien zerfallen. Die Berwaltungsbeamten haben bis­her den Kriegsminister verhindert, die schlechten Vor­räte durch bessere zu ersetzen. Fceycinet sei ohnmächtig gegenüber dem Widerstande der Administration; er sei jedoch entschlossen, diese eine Mobilisierung ge­fährdenden Zustände vor die Kammer zu bringen.

Spanien.

Barcelona, 2. März. Die Polizei entdeckte heute eine Verschwörung von Anarchisten, welche angeblich beabsichtigten, ein Konsulatsgebäude in die Luft zu sprengen. Die Rädelsführer der Anarchisten sind verhaftet.

Die spanische Wehrkraft umfaßt 502 Ge­nerale, 534 Oberste, 962 Oberstlieutenants, 2014 Kom­mandanten, 5242 Kapitäne, 7576 Lieutenants und 3869 llnterlieutenants, also im ganzen ein Heer von 20,699 Offizieren.

Italien.

Rom, 1. März. Der Papst beantwortete die Glückwünsche der Kardinälc in längerer Ansprache: Das eben errichtete Denkmal Innozenz' III. erinnere an die Ideen, welche die Thaten dieses Papstes be­seelten, an die Befreiung des heiligen Landes und die Unabhängigkeit der Kirche. Letztere sei ein un­wandelbares Gesetz, dem alle Papste gehorchten. Auch er verfolgte das gleiche Ziel mit geringerer Thatkraft aber mit gleichem Eifer. Die Aufgabe sei schwierig. Dte gesellschaftlichen Einrichtungen haben den christlichen Geist nachgerade erstickt. Man ver­sucht, den christlichen Namen anszulöschen, die Kirche hat aber eine Kraft, welche die Welt noch nicht ge­nügend kennt. Er werde seinen Weg weiter wandeln und der schwierigen Aufgabe den Rest seiner Kräfte weihen.

Rom, 2. März. Papst Leo XIII. hat an die besten Komponisten Europas und Amerikas ein Rund­schreiben gerichtet, um ihre Ansicht über eine ernsthafte Umwandlung der .Kirchenmusik zu hören. Die jetzige Kirchenmusik findet der Papst zu lustig und theatralisch.

Sch w e d e n - N o r w e g e n.

Christiania, I. März. Die hiesigen Sozial­demokraten beschlossen in einem gestern abgehaltencn Meeting, mit allen Mitteln ans die Auflösung der schwedisch-norwegischen Union und die Errichtung einer demokratischen Republik Norwegen hin zu ar­beiten. Advokat Mayer (Sozialist) warnte vergeb­lich von einer so unzeitgemäßen Resolution.

Bclgie n-H o Hand.

Brüssel, 2. Marz. In letzter Nacht brachen Diebe in ein hiesiges Bankhaus ein und raubten zahlreiche Wertpapiere im Werte von mehreren 100000 Francs. Das anstoßende Hotel des Ministers De- bruyn wurde ebenfalls ausgeraubt.

Griechenland.

Der König von Griechenland hat sein Mini-? sterium auf eigene Faust entlassen und ein neues geschaffen. Natürlich große Aufregung! Griechen­land ist wie unter der bayc. Dynastie so auch unter König Georg stets von Parteiungen zerrissen ge­wesen. In den letzten Jahren lösten sich regelmäßig Trikupis und Delijannis in der Ministerpräsident­schaft ab. Trikupis, ein besonnener Staatsmann,

suchte innere Reformen durchzusühreu, namentlich die Finanzen zu verbessern; er erlag jeweils dem Odium der Steuererhöhungen und der Zurückvämmung der nationalen Aspirationen, z. B. bei den Aufständen auf Kreta. Das Ministerium Delijannis war stets chauvinistisch und brachte d e Finanzen des Landes an den Abgrund. Auch der jetzige außergewöhnliche Schritt des Königs dürfte in er,ter Linie durch die verzweifelte Lage der griechischen Finanzen, die nicht weit vom Staatsbankerott entfernt ist, veranlaßt sein.

Das neue Ministerium ist gebildet und hat den Eid abgelegt. Der Ministerwechsel wurde vom König vorgenommen, weil derselbe eine weitere Ver­schlechterung der Finanzlage befürchtete. Griechenland ist nämlich genötigt, den Zusammenbruch seiner bis­herigen Finanzpolitik zu offenbaren. Dank der dort­igen Mißwirtschaft besitzt dieses, unentwickelte Land von 2,2 Millionen Einwohnern eine öffentliche Schuld von 726 Mill. Drachmen (Frauken) auf den Kopf. Dabei betragen die Einnahmen noch nicht 100 Milli­onen, und von ihnen sind zur Verzinsung und Tilgung der schuld noch etwa 40 Millionen abzuziehen!

L ü r k e i.

Konstantinopel, l. März. Inder Vorstadt Skutari sind 5 Bulgaren, die der Anstiftung der Er­mordung Vulkowitschs verdächtig erscheinen, verhaf­tet worden. Die türkische Regierung setzke 5000 Francs für die Ergreifung des Mörders aus.

Sofia, 26. Febr. Der Tod des diplomatischen Agenten Vulkowitsch in Konstantinopel bedeutet für Bulgarien einen schweren Verlust:. Herrn Vmkomitsch war es in erster Linie zu danken, "daß die bulgarischen Beziehungen zur Pforte sich seit mehreren Jahren in der erfreulichsten Weise vertrauensvoll und zuver­lässig gestaltet haben.

Afri k a.

Aus Afrika. Major Wißmann ist von seiner Nilreise nach der Suoangrenze wieder in Kairo ein- gelroffen. Es wirs sich nun seyr bald entscheiden, ob und wann seine Dampser-ELpedilion nach oem Viktoriasee von statten gehen- wird.

Slkillere Mitteifllluge n.

* Guter Rat. Lasset beiDlacht die Thüren gut in die Klinke fallen, bamit-Ar nicht durch oas Knarren derselben aus dem Schlafe geschreckr, ui der' Meinung, es habe ein Einbrecher sich ins Haus geschlichen, wie kürzlich in A. geschehen.

In Rottenburg sollen d.uCrLieustmädchen aus­gemacht haben, künftig m keinem Hause zu dienen, in welchem die Wasser.citung nicht eingerichtet ist und das Wasser in die Küche Klixsert wird.

Eßlingen, 26. Febr. Letzten Mittwoch stellte sich in der Herberge zur Heimat ezn Handwerksbursche von sehr Niedlicher Gestalt ein. Derselbe maß 2 Meter und 6 Zentimeier und hatte ein Gewicht von' 2^/s Zentner. Da nun eine Bettstelle von dieser: Länge nicht vorhanden war, so Mußten 2 Mairatzen auf den Boden gehegt und aneinander geflogen, werden; erst dann konnte daS^oakskind sich zur Ruhe legen.

Lille, 26. Febr. In Sainte-Colombe liegt seit acht Tagen ein 22jähriges Mädchen in totähn­lichem Schlummer. Die Schlafende wurde ms Kran­kenhaus gebracht, wo sie mit Milch künstlich ernährt wird. Sie ist vollständig unbeweglich, scheint aber die Gespräche ihrer Umgebung zu verstehen.

Ein Unverbesserlicher. Das auf den New- Jorker Millionär Russe? Sage verübte Bombenalten­tat hat den alten Geizhals nicht freigebiger gemacht. Verschiedene Personen, welche ihm bei jener Kata­strophe Dienst leisteten , und selbst dabei Beschädi­gung erlitten, warten noch vetgeblich auf Schadlos­haltung oder Schmerzensgeld. . Doch jetzt kommt aus Newyork die wunderbare Kunde: der Apotheker O'Conuell in Broadway Nr. 82 hatte den Millio­när Russell Sage und dessen Gehülfen nach dem Norcroß'schen Dynamitattentat in seiner Apotheke verbunden und verpflegt, und dabei baare Auslagen zum Betrage von 15 Dollars gehabt. Jetzt nach Verlauf von mehr als'4 Wochen hat Sage sich be­wogen gefühlt, dem freundlichen Apotheker die ver­auslagten 15 Dollars zurückzuerstatten. Er ließ O'Conuell in sein Komptoir rufen und plauderte einige Minuten freundlich mit ihm; da griff er in die Hosentasche, zog daraus ein Zehndollars- und ein Fünsdollars-Goidstück hervor und überreichte beide O'Connell mit den Worten^Ich habe oft ge-