gesetzes vom 1. Juni 1891 in eingehender Weise zu besprechen, und an der Hand desselben die bei uns vorliegenden Verhältnisse zu betrachten. Er führte u. a. aus, daß zwar den Oberämtern bezüglich Fest­setzung der Verkaussstundeu an Sonntagen von den höheren Behörden gewisse sachdienliche Direktiven gegeben seien, hauptsächlich dahin gehend, daß eine einheitliche Verkaufszeit im ganzen Äezirke zu Stande kommen solle, müsse aber trotzdem zugeben, daß für Wildvad andere Verhältnisse vorliegen und daß das­selbe auf alle Fälle während der Badezeit nicht den übrigen Gemeinden gleichgerechnct werden könne; er sei deshalb bereit, den Wünschen der hiesigen Jnte- ressemen, soweit cs bei ihm stehe, Rechnung zu tragen und möge man ihm hierüber geeignete Vorschläge machen. Als seitens der Anwesenden verschiedene Fragen über die Auslegung des obigen Gesetzes durchgesprochen, emigte man sich nach längerer De­batte dahin, baß süc unsere Badestadt kn den Monaten Oktober bis Apnl die, nne rn den übrigen Gemeinden des Bezirks, voraussichtlich festzusetzende Stunden von 80z bis 90z llhr und 1 l bis 3 llhr, für die Badc- saison (1. Mai dis l. Okt.) aber die nach dem Ge­setze mögliche größte Zeitdauer von 10 Stunden, nämlich von 79 Uhr und 11-7 Uhr, Platz greifen soll und daß ebenfalls 4 Wochen vor Weihnachten und Ostern eine Erweiterung bis aus 10 Stunden stattfinden möge. Hieraus versprach Herr Oberamt­mann Hofmanu, diese Wünsche, soweit es ihm nur möglich sei, zu erfüllen, und für dieselben einzutreten. Der VereinSoorstand sprach sodann zum Schlüsse dem Hrn. Oberamtmann seinen Dank aus, für seine Bereitwilligkeit, mit welcher er den Wünschen der Anwesenden entgegengekommen und forderte dieselben auf, ihm durch ein Hoch ihren Dank zum Ausdruck zu bringen, was mit Begeisterung ausgenommen wurde.

Rottweil, 3. Febr. Bon der Strafkammer II wurde heute nachmittag der wegen Diebstahls an dem türkischen Offizier Mnstapha Bcy in Oberndorf verurteilte Bäckergeselle Pius Entreß von Rotten­burg freigesprochcn. Bemerkenswert ist, daß der Verteidiger felbst anerkannte, daß in dem der erst­maligen Verurteilung vorgelegenen, inzwischen durch die Verurteilung eines arideren, des wirklich Schul­digen, veränderten Thatbeftand für die frühere Ver­urteilung zureichende Gründe enthalten gewesen seien.

Urach, 4. Febr. In dem benachbarten Trail- fingen ist die dem Bauern Münz gehörige Scheuer samt Wohnhaus abgebrannt. Brandstiftung wird vermutet.

Stuttgart, 1. Febr. DemStuttgarter Turn­verein" ist die Einrichtung eines Damenturnens ge­lungen, um die so wohlthätigen Wirkungen des Tur­nens auf die Lungen, das Herz, die Nerven u. s. w. auch der Damenwelt zu teil werden zu lassen. Die Hebungen werden von dem in weiten Kreisen als Turnlehrer bekannten Reallehrer Keßler geleitet.

Stuttgart, 4. Febr. Da nach neueren Unter­suchungen außer allem Zweifel steht, daß die Tuber­kulose durch Absonderungen der Kranken übertragen wird, erläßt das Ministerium des Innern an die untergebenen Behörden verschärfte Vorschriften zur Vermeidung der Infektionsgefahr, insbesondere werden fortab die Fabrikinspektoren dafür zu sorgen haben, daß in den Fabrikräumen die neuen Vorschriften, Aufstellung von Spucknäpfen, möglichst häufige Rei­nigung der Fabrikräumlichkeiten, und endlich Belehrung des Fabrikpersonals über die Gefährlichkeit der Krank­heit, pünktlich befolgt werden. Desgleichen weist das Ministerium des Innern die untergebenen Ober- ümter an, für den im laufenden Jahre erfolgenden Zusammentritt der Vertreter der Gebäudebrandver- sicherungsanstalt die Wahl eines Vertreter für das einzelne Oberamt zu veranlassen.

Cannstatt, 3. Febr. Die hiesige Zöppritz'sche Brauerei wurde heute samt Inventar von Bier­brauereibesitzer I. G. Grüner aus Fürth um 600 000 Mark angekauft.

La »fen, a. d. Eyach, 3. Febr. An der Straße von hier nach Dürrwangen wurde gestern früh ein Geschrrrhändler, ein gegen 60 Jahre alter, ziemlich gebrechlicher Mann, aus dem Killerthal erfroren aufgefunden.

Ulm, 6. Febr. Gestern Abend entgleiste auf dem hiesigen Güterbahnhof beim Rangieren ein Güter­zug, wahrscheinlich in Folge Versagens der Contre- dremse. 3 Waggons sind umgestürzt und teilweise zertrümmert.

München, 5. Febr. Nach denNeuesten; Nachr." wurden 3 Unteroffiziere des Leibregiments wegen übler Behandlung der Soldaten entlassen.

Frankfurt a. M.. 2. Febr. Nach einer Mit­teilung derMagd. Ztg" hätte die SteucrklärungH hier ein Mehr von 30s Mill. an Einkommensteuer^ ergeben. Aus Düsseldorf wird gemeldet, daß dort,H wo bisher nur 5 Millionäre als solche Steuer be-^ zahlten, nach der Selbsteinschätzung sich nicht weniger; als 105 (!) Millionäre, darunter 46 Thaler-Millio- näre ergeben haben.

Danzig, 6. Febr. Das österreichische Kriegs­schiffschiffNajade", welches kürzlich von hier nach. Pola ausgelaufen ist, ist mit 35 Mann Besatzung! vermutlich verloren. 1

Die deutsche Armee verlor im Nov. 1891 durch! den Tod 117 Mann, davon 20 durch Selbstmord.;

Anläßlich der Veröffentlichung des Erlasses desz sächsischen Thronfolgers über die Soldatenmißhand-f langen veröffentlicht dieRordd. Allg. Ztg." einen! kaiserliche» Erlaß vom 6 Febr. 1890, welcher iifi Fällen fortgesetzter Mißhandlungen einen Bericht der^l kommandierenden Generale an den Kaiser über die" erfolgten Bestrafungen vorschreibt.

Vom neuen Bolksschulgcsetz. NachdcrSchles. Ztg. wäre das preußische Staatsministerium bereit in der Frage der Privatschulen den Mittelparteien erhebliche Konzessionen zu machen. Es handelt sich aber bei den Differenzen ja vor allein um die Uebcr- wachung des Religionsunterrichts durch die Geistlichen. Gegen das Gesetz erläßt auch der Vorstand des deutschen Pcotestantenvereins einen sehr scharfen Auf­ruf. In Berlin sind zahlreiche weitere Proteste ein­

gegangen.

Deutscher Reichstag. Mittwochssitzung. Die De­koration betr. die teilweise Verlängerung des vcutsch-spani- sckien Handelsoerirages wird in erster und zweiter Lesung angenommen. Alsdann wird der Antrag des Abg. Graf Dnnhoff (kons.) beraten anf Schaffung eines Heimstäitenge- sctzes für das deutsche Reib. Redner empfiehlt dasselbe als nützlich für den kleinen Landwirt und landwirtschaftliche, wie industrielle Arbeiter. Abg. v. Lar (freist) findet den Gedanken ja recht schön, bezweifelt aber die Möglichkeit einer praktischen Verwirklichung. Avgg Ballestrem (Ctr.) und Grmp (freikons.) stehen dem Anträge sympathisch gegenüber und wünschen nä­here Erörterungen einer Kommission. Der letzte Redner wünscht besonders die Einrichtung von Kolonien für die Arbeiter der Staatsbahnverwaltung. Abg. v. Bennigsen (natlib.) erachtet den vorliegenden Antrag als etwas sehr Unfertiges, meint aber, cs werde sich darauf weiterbancn lassen. Abg. Menger (kons.) erachtet ein Heimstättengesetz, besonders für die Be­wohner der großstädtischen Mietskasernen als empfehlenswert. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antisemit) bezeichnet ein solches Gesetz als nötig, damit nicht die Inden sich weiter in den Besitz von Grund und Boden setzten. Den Sozialdemo­kraten rät Redner, mit ihrem Zukunftsstaate einen Versuch in der Lümburgcr Haide zu machen. Abg. Jordan (freist) be- zcichnet'die Klagen über landwirtschaftlichen Arbeitermangel sehr übertrieben. Wer gut bezahle, könne immer Leute haben. Nachdem noch Abg. Schippe! (Soz.) gegen, Avg. Graf Donglas (freikons.) für den Antrag gesprochen, wird derselbe einer Kommission überwiesen.

Deutscher Reichstag. Donnerstagssitzung. Der Reichstag genehmigte die auf d.m letzten Weltpostkongreß in Wien vereinbarten postalischen Konuciiüonen, nachdem Staats­sekretär von Stephan einen Ueverbiick über die Entwicklung des Weltpostvereins gegeben hatte. Dem Staatssekretär wurde der Dank des Hauses für seine Bemühungen im Interesse der Erleichterung des postalischen Verkehrs ausgesprochen. Das Mandat des Abg. Brünings (natlib.) wurde als durch dessen Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat für nicht erloschen erklärt. Dann wurde die zweite Beratung des Justizetats begonnen. Staatssekretär von Busse erklärte auf eine Anfrage, daß die neue Kommission, welche den ausgcarbeitete» Ent­wurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches nochmals durch» beraten soll, ihre Arbeiten wahrscheinlich bis zum Jahre 1894 beendet haben werde. Darnach wurde die Fortsetzung der Debatte bis Freitag Nachmittag 2 llhr vertagt.

Der Kaiser hat, wie einige Blätter berichten, bei dem Diner beim Reichskanzler die Aeußerung gethan, die Anschauung sei verkehrt, daß die Sozial­demokratie im Einschlummern begriffen sei. Gegen die Umsturzbewegung sei mit Humanität und allge­meiner Menschlichkeit nichts auszurichten; nur eine auf entschiedenem Bekenntnis gegründete Religiosität könne helfen.

Berlin, 3. Feb. Der PariserFigaro" fragte bei Eugen Richter um seine Ansicht über die Abtre­tung oder den Austausch oder die Neutralisierung der Reichslande an. Dieselbe Frage gelangte an andere hiesige Abgeordnete. Richter erwiderte, für ihn existiere eine elsaß-lothringische Frage seit dem Friedensschluß von 1871 überhaupt nicht.

Berlin, 3. Febr. Daß der Finanzminister seine Entlassung nimmt, wird immer wahrscheinlicher. Der Kaiser wünscht ihn im Amte zu behalten und möchte überhaupt nicht, daß das Volksschulgesetz ge-

Zgen das liberale Bürgertum zu Stande kommt. Es Zwird nach Compromissen gesuchr, um de» National- liberalen eine Brücke zu bauen. Diese Bemühnngeu stwerden von Miguel unterstütz:.

) Berlin, 4. Febr. Der Kaiser spendete nach sderBoss. Ztg." aus seiner Privat;chatulle 100 000 ^Mark als Entschädigung au O:e Erden Künzels.

H Berlin. 6. Febr. Der Disciplinaryof er­staunte heute gegen den Grasen Limburg-Sticum we- jgen Veröffentlichung des bekannten Artikels in der »Kreuzzcitung" über die Hanbeisverlräge aus Dienst­entlassung, Verlust der Pension unb des Rechts, den oTit-A Gesandter zu führen.

1 Berlin, 6. Februar. Der Zustand des greisen mtal. Botschafters Grafen Launay ist hoffnungslos. ;Der Reichskanzler Gras Caprivl stattete ihm gestern «Aden einen Besuch ab.

s Redakteur Fusangel in Bochum erhielt vom -ersten Staatsanwalt in Essen die Mitteilung, daß stdie Milwisserrschast des Kommerzienrats Baare an Hüen Stempelfälschimgen nach den Aussagen der Jun­ten als erwiesen erscheine, daß jedoch die be:r. Fälle '^verjährt seien und deshalb Sie Anklage nicht ecfol- °gen könne.

< Es verlautet, daß cs Pcosessor Koch gelungen sei, eine wesentliche Verbesserung seines Tuberkulins zu erreichen, welche die besten Hoffnungen zu er­wecken berechtigt sei. Die Veröffentlichung soll schon in kürzester Zeit erfolgen.

Dem Prinzen Friedrich Leopold von Preu­ßen war ein Brillenschmuck Vas erste Geschenk seiner Gemahlin abhanden gekommen. Jetzt soll sich herauSgestellt haben, daß die Brillauiknöpse ver­sehentlich mit der Wäsche aus dem Hanse kamen, und daß die Wäscherin sie beim Finden als gate Beute betrachtete und versteckte. Sie ist verhaftet worden.

I r a n krcl H.

Paris, 4. Febr. Wie verlautet, suhr ber be- ohrseigte Abg. Laur nach Gens, um dorr den in Urlaub befindlichen Minister Constans zu suchen und sich für die erlittene Schmach zu rachen.

Portugal.

Lissabon, 4. Febr. Beschäftigungslose Arbeiter plünderten dre Bäckerläden. Es wurden einige Ver­haftungen vorgenommen.

Italien.

Aus Rom: In der eben erst wieder eröffnten Türmer Universität haben neue Studententumulte stattgesunden. Es wird eine neue Schließung der Hörsäle erwartet.

Bclgir n-H o t l a n d.

Brüssel, 5. Febr. Gestern Äsend um 10 Uhr fand eine sozialdemokratische Versammlung zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts statt. Bolders drohte mit dem Generalausstand und kündigte Kund­gebungen an. Andere Redner drohten mit der Revo­lution, wenn nicht das Wahlrecht bewilligt werde. Später durchzogen 1500 Sozialdemokraten die Stra­ßen, die Carmagnote singend und rufend: Nieder mit dem Pappdeckeikönig! Es wurden keine Verhaf­tungen vorgenommen.

Brüssel, 6. Febr. Aus Teres wird gemeldet: Das Kriegsgericht verurteilte vier Anarchisten zum Tode, alle übrigen Angeklagten wegen Zerstörung von Eigentum zu lebenslänglicher Zwangsarbeit.

Amsterdam, 4. Febr. Aus dem Postwagen des Paris-Amsterdamer Schnellzuges wurden sieb­zehn Wertsendungen im Betrage von 182 000 Frk. gestohle n.

England.

London, 5. Febr. Taucher, welche heute die Eider untersuchten, erklärten, daß das Schiff beschä­digt und gar keine Hoffnung vorhanden sei, dasselbe wieder flott zu machen.

Rußland.

Aus Petersburg: Dem zurückgetretenen Eisen­bahnminister soll jetzt der Minister des Innern folgen, dem die Schuld für die mißlichen Verhältnisse im Innern aufgebürdet werden. Als ob das blos an einem Menschen läge.

Moskau, 4. Febr. Auf Befehl des General- gouvcrneurs Großfürsten Sergius wurdeu 700 arme Judenfamilien ausgewiesen. Der Großfürst lehnte den Empfang einer Abordnung der Judengemeinde, welche um Milderung der Maßregel ersuchte» ab.

Verantwortlicher Redakteur Stcinwandel in Nagold. Druck und Verlag der G- W. Zais er'scheu Buchdruckerei.