Werrnifchtes.
— Der ungewöhnlich starke Schneefall hat zur Folge gehabt, daß im Reichsland, und zwar besonders in Lothringen, die Wölfe aus den Wäldern in die Nähe der Dörfer ziehen. Eine Abnahme dieser Tiere macht sich nicht bemerkbar, trotzdem deren jährlich 40 bis 50 erlegt werden, die sich immer wieder aus den französischen Ardennen ergänzen.
— Durch die Berichte der Kongoerforscher ist es bekannt geworden, daß es im Kongobecken mehrere Stämme von Zwergen gibt. Schon als Schweinfurth 1870 das noch unerforschte Kongogebiet durchstreifte, erblickte er zu seinem Erstaunen bei Munza, dem König der Monbuttus, einen Greis von 1,50 m Höhe. Unter den Seinen, so versicherte man ihm, sei dieser ein Riese; einige Tage später sah Schweinfurth noch mehrere Zwerge, und als er zum benachbarten König von Munza, Mumeti kam, erblickte er «in ganzes Regiment von Zwergen. Alle mit kleinen Lanzen und Pfeilen l bewaffnet. Keiner höher als 1,50 m. Alle kriegerischen Aussehens. Die Zwerge gehörten zum Stamme der Akkas, die weiter südlich Hausen, deren Gebiet aber noch kein Weißer betreten hat. Es gelang Schweinfurth, den König Mumeti nach Schenkung eines Jagd-Hundes zu bewegen, ihm «inen 17jährigen Akka, 1,34 m hoch, zur Mitnahme nach Europa zu überlassen. Der Zwerg Nsevoue begleitete ihn in der That nach Europa, starb aber unterwegs schon in Berber. Seitdem hört man wiederholt von Zwergen, auch der Missionar Grenfeld hat bei der Erforschung des Tschonopa Zwerge gesehen; aber die Zwerge in ihren eigenen Behausungen zu schauen, ihre Thätigkeit zu beobachten, überhaupt Genaueres zu ermitteln, das ist erst jüngst dem deutschen Kongoagenten vr. Ludwig Wolfs, welcher als Begleiter des Lieutenants Wißmann und durch die Erforschung des Sankurru sich einen Namen gemacht hat, gelungen. Bei seiner kürzlichen Anwesenheit in Brüssel Hat er über die Zwerge des Kongostaats einen ebenso anziehenden wie ausführlichen Bericht erstattet. Die Brüsseler Gazette veröffentlichte kürzlich den Bericht. Als vr. Wolfs sich zum Häuptling Lonkengo, dem König der Batouba, nach besten Wohnsitz begab (er liegt nordwestlich von der Station Luluaburg), da sah er plötzlich ganze Dörfer mit kleinen Männern und Weibern bevölkert, keiner höher als 1,40 in. Ihre Hütten sind in den Lichtungen in der Mitte der Wälder, welche dieses ganze Gebiet bedecken, aufgebaut; die Hütten sind rings um die Behausung des Häuptlings errichtet, so daß jeder Bezirk sein Dorf von Zwergen für fick besitzt. Auch bei dem König Lonkengo fand vr. Wolfs einen Stamm von Zwergen. Alle Zwerge dieses Gebiets heißen Baiua; sie widmen sich ausschließlich der Jagd und Ernte des Palmenweins. Meist leben die Zwerge für sich; bisweilen verbinden sie sich jedoch mit den großen Rassen. Es werden hin und wieder zwischen den Bahubas und Batuas Ehen geschloffen. Die Zwerge klettern mit außerordentlicher Geschicklichkeit auf die höchsten Spitzen der Palmbäume, um deren Saft einzusammeln; vortrefflich verstehen sie es, für das Wild Fallen zu erfinden und zu stellen, wie es zu überraschen. In körperlicher Hinsicht sind sie durchaus wohlgebildet. Ihre Höhe beträgt durchschnittlich 1,30 m; ihre Hautfarbe ist braungelblich, weniger dunkel als die der größeren Raffen. Ihr Haupthaar ist kurz und wollig. Kein Batua hat einen Bartwuchs, auch kein Akka. Nach den Aussagen der Eingeborenen sollen im Norden Zwergstämme vorhanden sein, die langes Barthaar am Kinn haben, das sie mittelst einer Fettmasse in Strähnen gedreht tragen. Alle diese vereinzelten Zwergstämme bilden keine Völkerschaften mehr; sie sind heute inmitten größerer Völkerschaften zerstreut und sind die Ueberreste einer Rasse von Ureinwohnern.
— Der Hungerkün stier Merlatti in Paris beginnt sich allmählich zu erholen und erklärt, daß er nun wieder seinem früheren Berufe nachgehen werde. Er annonciert in den Journalen, daß er um den Preis von 300 Fr. ein lebensgroßes Brustbild, um den Preis von 500 Fr. eine lebensgroße Figur male. Die Bestellungen liefen massenhaft ein, und da er sich vorsichtigerweise überall eine entspreche Anzahlung ausfolgen läßt, ist er auf mindestens fünf Jahre hinaus reichlich mit gut bezahlter Arbeit versorgt.
Während seines Fastens hat Merlatti nichts gemalt als ein Selbstportrait, welches nach übereinstimmender Ansicht der Pariser Kritiker insofern charakteristisch ist, als er sehr viel Hunger und sehr wenig Talent verrät.
— Ausgerechnet! Wie viele Nadelstiche sind zur Fertigstellung eines Winterrocks erforderlich? Diese Frage wurde dieser Tage in Wien gelegentlich einer Wette entschieden, welche der Schneidermeister B. proponiert hatte, nachdem er behauptet, daß mehr als 40,000 nötig wären. Ein Schneidergeselle wurde mit der Anfertigung des Kleidungsstückes betraut und eine Kommission von Sachverständigen hatte mit Genauigkeit die Stiche zu zählen und darüber zu wachen, daß keine unnützen Stiche gemacht werden. Das Ergebnis war folgendes: Vorder-, Hinter- und Seitenteile zusammennähen 4780 Stiche, Kragen 8063, Kragen annähen 1763, Knopflöcher 2520, Aermel nebst Fütterung derselben 980, Taschen 924, Absteppen des Seiden- sutters und der Watte, sowie Einnähen derselben 17,863, unterer Saum 2726 im Summa 39,619 Nadelstiche.
Gut definiert! In Wien wurde bei einer Abendgesellschaft "einem Herrn ein junger Mann als „Doktor" vorgestellt. Beim Essen fügt es der Zufall, daß sie nebeneinander zu sitzen kommen. Sie sprachen über irgend ein Thema und aus der Unterhaltung kann der Herr nicht klug werden, ob er es in seinem Vis-s-vis mit einem Doktor der Medizin oder einem Doktor der Rechte zu thun habe. Er rückt daher dem Mann mit der haarscharfen Frage an den Leib: „Was sind Sie für ein Doktor, machen Sie kurzen oder langen Prozeß?"
Gemeinnütziges.
Zur Beachtung. Prof. vr. Neßler in Karlsruhe, die in weiten Kreisen bekannte Autorität in Behandlung des Trauben- und Obstweins, schreibt in Nr. 52 des badischen landw. Wochenblatts: „Ihr an der Luft schwarz werdender Aepfelwein läßt sich mit Milch ganz gut schönen. Die Milch stellt man gleich nach dem Melken an einen kalten Ort, damit sie nicht sauer wird, rahmt sie ab und mischt ein Liter mit einem Hektoliter Obstwein. Nach 2 Tagen ist letzterer klar und wird nach weiteren 8 Tagen ab- gelaffen. Bei irgend schleimigem Obstwein ist dieses Verfahren nicht zu verwenden".
Da man auch bei uns vielfache Klagen über das Schwarzwerden des Obstmostes hören kann, dürfte es sich sehr empfehlen, eine Probe mit diesem Verfahren, wenn auch vorerst mit kleineren Quantitäten zu machen.
L. u.
Litterrcrvisches.
— „Herzenskrisen" ist der Titel des neuestens Romans von W. Heim- bürg, mit welchem die Gartenlaube soeben ihren neuen Jahrgang eröffnet. In einer Ansprache an ihre Leser kündigen die Redaktion und Verlagshandlung eine wesentliche Vermehrung des Lesestoffs und der Illustrationen, aber Beibehaltung des seitherigen Preises an. Die Billigkeit des letzter» ist in Anbetracht des Gebotenen in der That erstaunlich. „Das Beste zu billigstem Preise" — dieser von der Gartenlaube seit ihrem ersten Erscheinen vor 34 Jahren unverrückt festgehaltene Grundsatz erklärt die enorme Verbreitung unseres gelesensten deutschen Familienblattes.
Kgt. Standesamt Katrv.
Vom 18. bis 30. Dezember 1886.
Gestorbene:
18. Dezember. Hedwig Georgine Christiane Gaßner, Tochter des Heinrich Gaßner Kaufmanns hier, 3'/« Jahre alt.
24. , Elisabeths Widmann, ledige Näherin, 72 Jahre alt.
28. . Christian Wanner, Stricker, 3b Jahre alt.
30. , Ludwig Fedcrhafs, Kaufmann, 60 Jahre alt.
Haben Sie Katarrh,
Husten, Heiserkeit rc.? so nehmen Sie die W. Voß'schen Katarrhpillen, welche sofortige Besserung bringen. Voß'fche Katarrhpillen sind erhältlich in den Apotheken. Jede ächte Schachtel trägt den NamenSzug vr. meä. Witilinger's.
Fassungslosigkeit des jungen Mädchens dem fremden Bilde gegenüber, ihre offenbare Verlegenheit erschreckten ihn — tausend Vermutungen, eine immer unhaltbarer als die andere, durchirrten seine Seele. Er mußte Gewißheit haben um jeden Preis.
„Anna," sagte er, „sehen Sie mich an! Was wußten Sie von dem Porträt, dessen Existenz ich bisher nicht kannte?"
Aber sie schüttelte den Kopf.
„Nichts! Nichts! — Ich weiß es auch, daß es unrecht war, um diese Blumen .zu bitten — Verzeihen Sie mir!"
Sie wollte hastig das Blatt wieder zusammenfalten, aber er hielt ihre Hand zurück, jetzt erst die Züge des Bildes genauer betrachtend.
„Anna!" rief er bestürzt, „was ist das? Man könnte glauben, Sie selbst, nur 20 Jahre gealtert, zu sehen!"
Das junge Mädchen machte sich am Fenster zu schaffen.
„Glauben Sie das, Herr Doktor? — Ein Spiel des Zufalls natürlich. Ich habe mich bisher —"
Er war ihr nachgegangen und unterbrach jetzt plötzlich den angefangenen Satz. Schon der Ton der Stimme zeigte ihm, daß sie unter den oberflächlichen Worten das Ungesagte verborgen hielt. Unwillkürlich sprach auch er mit größerem Ernst.
„Anna, ist es recht von Ihnen, daß Sie mich zu täuschen versuchen?" fragte
Julius.
Sie wurde bald blaß, bald rot.
„Das thue ich nicht, Herr Doktor — gewiß, o gewiß ich kann nur diese Antwort geben."
„Weil Sie beabsichtigten, mir die Wahrheit zu verschweigen, Anna!"
Und als sie stumm den Blick wandte, da durchfröstelte es ihn wie ein Ahnung der Wahrheit und doch wieder wie eine Unruhe, die er nicht zu beherrschen vermochte.
„Sie haben mir also Nichts mehr zu sagen, Anna?" fragte er nochmals. „Sie achten mich nicht genug, um mir ganz zu vertrauen?"
Ihr Blick voll Thränen suchte den seinen.
„Ich vertraue Ihnen wie man Gott vertraut, Herr Doktor — ich achte Sie höher als irgend einen andern Menschen, aber — es gibt Nichts, das ich Ihnen Mitteilen könnte."
Und da ergriff er plötzlich seinen Hut. Das, was er vorhin gedacht, war jetzt zur Ueberzeugung geworden, sie täuschte ihn vorsätzlich.
„Adieu, Anna", sagte er mit kaum verhehltem Schmerz.
Ein^erstickter Schrei trennte ihre Lippen.
„Großer Gott -— und das soll der Abschied sein?"
„Ich kann nicht anders — Adieu!"
„Gott segne Sie", schluchzte gepreßt das junge Mädchen, „Gott vergelte Ihnen!"
Als er das Zimmer verlassen hatte, sah sie ihm mit gefalteten Händen nach bis seine hohe Gestalt zwischen den Bäumen verschwunden war; dann ging sie zum' Tisch zurück und preßte bitterlich weinend ihre Lippen auf die Blumen von jenem fernen australischen Grabe, das jetzt so weit, so weltenweit von ihr getrennt war.
„Mama, ach Mama, dürfte ich selbst sterben, selbst ausruhen von allen diesen schrecklichen, vergebens durchlittenen Kämpfen!"-- —
Julius ging geraden Wegs nach Hause. In so furchtbarer Aufregung, so ganz außer Stande, seine Gedanken zu sammeln, konnte er keine Krankenbesuche machen. Er bemühte sich, Nichts mehr vorauszusetzen oder selbst enträthseln zu wollen, sein Kopf brannte — mochte nun das Geheimnis in dieser oder jener Weise gelöst werden, ein Unglück, ein schweres Unglück stand ihm bevor — er fühlte es instinktiv.
Die Hausthür war nicht vollständig geschloffen, so, als habe Jemand dieselbe kürzlich hinter sich nur zugelehnt. Er gelangte auf den Flur, ohne zu bemerken, daß die Klingel kein Zeichen gab — gewohnheitsmäßig wandte er sich zunächst zu dem an das Wohngemach grenzenden Besuchszimmer und legte Hut und Handschuhe auf den Tisch. Für heute mußte er sich bei seinen Kranken entschuldigen kaffen.
(Fortsetzung folgt.)