2
Friedensbürgschaft; um so mehr Mß ihn das Volk von seinen dazu berufenen Vertretern im Reichstag erwarten.
* Eine in Ostelsheim zirkulierende Adresse für die Militärvorlage wurde von 94 Bürgern unterzeichnet.
Stuttgart, 28. Dez. Kaiser Wilhelm hat folgende Ordensauszeichnungen verliehen: den K. Kronenorden 2. Klasse: den Obersten v. Sarwey (8. Jnf.-Reg.), v. Gleich (s Is suite des 2. Drag.-Reg. und Kommandeur der 2. Kavallerie-Brigade) und Freih. v. Röder (Ul.-Reg. Nr. 19); ferner den roten Adlerorden 4. Kl. den Majoren Göz (8. Jnf.- Reg.), Eisenmann (ö lg suite des württ. Fuß-Art.-Bat. Nr. 13, kommandiert beim Fuß-Art.-Reg. Nr. 10) und v. Bayer-Ehrenberg (Ulanen-Reg. Nr. 19), sowie den Rittmeistern Andres in demselben Regt, und v. Entreß-Fürsteneck (Ul.-Reg. Nr. 20), und dem Premier-Lieut. Bieber, persönl. Adjutanten des Prinzen Wilhelm von Württemberg.
Stuttgart, 1. Jan. Die Bewegung der Sammlung von Petitionen an den Reichstag um Annahme der Militärvorlage im Ganzen und möglichst rasch, welche vor den Christfesttagen von dem konservativen Verein in Württemberg eröffnet worden ist, nimmt, nachdem die großen Verkehrsstörungen beseitigt und die Festzeit vorüber, tagtäglich größere Ausdehnung an. Von allen Landesteilen wird um Zusendung gedruckter Exemplare der Petition gebeten, von welchen bereits verschiedene mit zahlreichen Unterschriften versehen wieder zurückgekommen sind. Interessant sind die Begleitschreiben schon deswegen, weil sie Auskunft über die im Volke herrschende Stimmung geben. In einem solchen aus einer Oberamtsstadt heißt es: „Auf derselben stehen die Namen mehrerer Herrren, die der Volkspartei angehören. Von den angesehenen Persönlichkeiten der Stadt, die gerade anwesend und erreichbar waren, fehlt kein einziger." In einer zweiten heißt es: „Die Mehrzahl der Unterzeichneten (weitaus) sind Katholiken, darunter Stockultramontane." Ein anderes Begleitschreiben schließt: Es ist in der That betrübend, daß in einer solchen Situation, in welcher gleichsam das Vaterland ruft, die widerspenstigen Parteien im Reichstage ihre Pflicht gänzlich vergessen zu haben scheinen." In einer Landgemeinde haben die bürgerlichen Kollegien, der Militär- und Veteranenverein unterschrieben. Die Absendung der Petitionen an den Reichstag wird am Mittwoch, den 5. Januar, abends, erfolgen, und werden alle diejenigen Petitionen, welche bis zu diesem Tage mittags in Stuttgart unter der Adresse Eduard Elben einlaufen, noch befördert werden und wird dringend um Einhaltung dieses Termins gebeten. Da jedoch nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten ist, daß eine Entscheidung im Reichstage vor der zweiten Woche des Januars erfolgen wird, so wird am Samstag, den 8. Januar, eine zweite und letzte Sendung abgehen, womit alle Petitionen, welche bis zu diesem Tage mittags einlaufen, nach Berlin befördert werden.
Weinsberg, 59. Der hier bestehende Vaterländische Verein hielt am Montag in Eberstadt bei zahlreichster Teilnahme der Mitglieder unter dem Vorsitze des Oek.Rat Mühlhäuser seine Jahresversammlung. Hauptgegenstand der Verhandlung war die Militärfrage. In überzeugender Weise wurde die Notwendigkeit der Regierungsvorlage dargethan, das unpatriotische Gebühren der Kommissionsmehrheit im Reichstag scharf getadelt und hierauf einstimmig beschlossen, sich der von Stuttgart aus angeregten Petition an den Reichstag anzuschließen und in verschiedenen Orten des Oberamts Listen zur Unterzeichnung derselben aufzulegen.
Freiburg, 28. Dez. Die Weihnachtswoche hat mit ihren schweren Schneestürmen die Festesstimmung etwas niedergedrückt und das Weihnachtsgeschäft stark beeinträchtigt. Der Schaden, welchen Schnee und Eis in unseren Wäldern, in größeren Privatgärten und öffentlichen Anlagen angerichtet hat, ist schrecklich, in seiner Tragweite noch kaum zu übersehen. Arge Verwüstungen hat das Wetter namentlich in den schönen Anlagen des Waldsees angerichtet; in wie weit auch die Reben bei der Kalamität in Mitleidenschaft gezogen, läßt sich zur Zeit noch nicht beurteilen. Kein Wunder aber, daß die Weihnachtsstimmung, ohnehin durch die bedrohlichen politischen Aussichten gedrückt, dieses Jahr nicht so recht zum Durchbruch kommen konnte.
Hoffen wir inzwischen, daß der Schaden sich in der Folge als nicht so erheblich erweisen möge, wie es den Anschein hat, und vor Allem, daß die drohenden Wolken, die den politischen Horizont umhüllen, sich im neuen Jahr verteilen mögen!
Regensburg, 27. Dez. Ueber einen bei der Firma Hauser-Deg- ginger dahier stattgehabten traurigen Vorfall wird dem Regensb. Tgbl. folgendes Nähere mitgeteilt: Das Verhältnis zwischen dem Reisenden Wagner und Hrn. Degginger war von Seite des Elfteren bereits gekündigt. Nach kaufmännischem Gebrauch vollständig richtig handeln, sah sich Hr. Deginger veranlaßt, mit seinem Reisenden Abrechnung zu halten, welcher von Seite des Wagner herrührende Zwistigkeiten zu Grunde lagen. Selbstverständlich stellte Hr. Degginger seinen Reisenden über letzteren Punkt zur Rede und tadelte dessen Handlungsweise. Wagner verging sich seinem Chef gegenüber in Aeußerungen, die man nicht näher bezeichnen will, und um Weiterem vorzubeugen, verließ Hr. Degginger das Komptoir und verfügte sich in den mittleren Teil seines Verkaufsladens. Wagner eilte Hrn. Degginger nach, denselben mit bösen Schimpfreden weiter belästigend, und als Hr. Degginger den Aufdringling durch die Worte: „Lassen Sie mich jetzt in Ruhe" abzuwehren suchte, zog Wagner einen Revolver und feuerte 3 wohlgezielte Schüsse auf seinen Chef ab. Eine Kugel streifte den Arm, die apdere den Rücken und die dritte, welche in die Hüfte eindrang, konnte bis heute noch nicht entfernt werden.
Köln, 29. Dez. Der Reisende Otto Meyer aus Hamburg, der gestern mittag aus der Suche nach seinen Effekten war, die man ihm im Wartesaal des Bergisch-Märkischen Bahnhofes gestohlen hatte, liest abends im Restaurant zu seinem Erstaunen in den Blättern die Notiz, daß er plötzlich in einer Wirtschaft am Buttermarkt am Herzschlag verschieden sei. Er eilt in die Wirtschaft, woselbst sich Folgendes ergibt: Ein Herr, der es sehr eilig hatte, war morgens mit Koffer und Paletot am Büffet erschienen und begehrte einen Cognac. Nachdem er solchen getrunken und einen Thaler zur Zahlung hingelegt hatte, fiel der Gast zur Erde und war eine Leiche. Die Polizei rekognoszierte nach Maßgabe der bei dem Verstorbenen befindlichen Papiere denselben als „den Reisenden Otto Meyer aus Hamburg". In Wirklichkeit aber war der Tote nur der Dieb, und der wirkliche Meyer zog vergnügt mit seinen wiedergefundenen Effekten von dannen. Die Hast und Eile, mit welcher der Spitzbube das gestohlene Gut in Sicherheit bringen wollte, haben ihm ohne Zweifel den raschen Tod gebracht.
Leipzig, 29. Dezember. Nachdem die Stadt Chemnitz in einer Petition an den Reichstag für Annahme der Mi l i t ä r v o r I a g e sich ausgesprochen, wird morgen auch hier im Krystallpalast zu demselben Zweck eine öffentliche Versammlung stattfinden. Der Advokat Schreck in Dresden und der Fabrikant Starke in Mittweida haben ihren Austritt aus der deutschfreisinnigen Partei erklärt; an den Kundgebungen für Annahme der Militärvorlage beteiligten sich Viele, die bisher mit dem Fortschritt gingen. Im Königreich Sachsen herrscht, abgesehen von der großen Zahl Sozialisten, eine gesunde politische Strömung, welche, angespornt durch das leuchtende Beispiel des Königs, an Ausdehnung gewinnt.
Breslau, 1. Jan. Infolge neuer Schneeverwehungen sind bei sämtlichen hier mündenden Bahnlinien wiederum Verkehrsstörungen eingetreten, die Züge kursieren mit stundenlangen Verspätungen. Gegenwärtig dauert starker Schneefall fort.
— In Philadelphia ist am 27. d. das neue Tempeltheater abgebrannt. Das Feuer brach in der „Schreckenskammer" in dem hinter dem Theater befindlichen Museum aus ünd die Flammen griffen rasch um sich. Die Gesellschaft hielt eine Probe der Oper „Little Tycoon", als das Feurr ausbrach, und sie rettete sich mit genauer Noth. Mehrere Personen mußten mittelst Leitern aus dem Fenster herabsteigen. Die einstürzenden Mauern töteten drei Feuerleute und verletzten mehrere andere. Eine Dampffeuerspritze explodierte, wodurch mehrere benachbarte Gebäude beschädigt wurden. Der angerichtete Schaden wird auf 300 000 Dollars geschätzt. Das Theater war eines der schönsten in Philadelphia.
Heute war der erste September — Julius hatte ihr das Wirtschaftsgeld gegeben, fünfzig Thaler, — damit mußte Viktor sich für den Augenblick begnügen.
Wieder zu Hause angekommen, trug die Unglückliche vom Boden und aus dem Keller das Silberzeug wieder zusammen in den Schrank, den ihre eigene Hand geplündert hatte, um das Märchen vom Einbruch und Diebstahl vorzubereiten — aber was sollte sie fernerhin dem Unersättlichen geben, wenn er durchaus nach barem Gelds verlangte.
Auch die Thür konnte sie nicht verschließen, um ihn auszusperren. Das Dienstmädchen hätte Verdacht schöpfen müssen und außerdem würde Viktor direkt an den Doktor schreiben, würde, sich unter Gott weiß welchem Vorwände Zutritt verschaffen.
Es blieb Elisabeth nichts übrig, als den Kopf zu senken und alles, was kam, ohne Widerstand über sich ergehen zu lassen.
Sie flüchtete, als Julius kam, an das Bett der Kranken, um nur nicht mit ihm allein zu bleiben. Gab es denn nicht einen einzigen Moment, in dem sie ganz sicher war, nicht den Verhaßten plötzlich eintreten und alles verraten zu sehen?
Julius blieb, ehe er ihr folgte, längere Zeit unten, teils um seinen Schatz, das Blatt von Anna's Hand in Sicherheit zu bringen, und dann auch, um jenes seidene Netz mit den Grabesblumen hervorzusuchen und nochmals die Schriftzüge zu vergleichen. Jetzt sah er sie beide bei einander — die Aehnlichkeit war frappierend.
Er legte das Netz in seine Brieftasche; Anna sollte es sehen. Und wäre es auch nur, um für den erneuten Besuch wenigstens einen scheinbaren Vorwand zu besitzen.
Mit sich und dem eigenen Bewußtsein uneinig, war er vielleicht aus diesem Grunde gegen seine Frau nachsichtiger und freundlicher als sonst wohl. Mochte die Zeü Linderung und Ausgleich bringen — er fühlte, daß es fruchtlos sei. Unentwirrbares schlichten, Gestörtes zur Harmonie zurückführen zu wollen.
Sein erster Weg galt am andern Morgen dem Halste in der Schützenstraße. Er nahm unbefangen aus dem Portefeuille das zusammengeschlagene Papier und legte es vor das junge Mädchen auf den Tisch.
„Sehen Sie — das hat meine Frau geschrieben. Ist es nicht sonderbar, wie sehr sich diese und Ihre Handschrift gleichen?"
Anna hatte das Blatt angesehen — sie stützte den Kopf in die Rechte und entzog ihm durch eine geschickte Bewegung vollständig den Anblick ihrer Augen, ja ihres ganzen Gesichtes.
Minuten vergingen. Keine Silbe antwortete sie ihm. Anna hob leise, kaum merklich, mit ihrer Hand das Taschentuch bis zu den zuckenden Lippen.
Schon wollte er voll Erstaunen fragen, weshalb ihr die einfachen Worte so lebhaftes Interesse einflößten, da sah er, daß langsam große Thränen Herabsielen auf die trockenen Blumen, und nun ging das, was er empfand, über in Bestürzung.
„Anna, was haben Sie nur?"
„Nichts, Herr Doktor, Nichts, es ist thöricht von mir, ja sogar Unrecht, aber schenken Sie mir dies Blatt! Nicht das Porträt!" setzte sie rasch hinzu, „nur die Blumen! — es würde mich sehr freuen, sie zu besitzen."
Julius sah sie immer noch fragend an.
„Das Porträt, Anna? — Welches?"
Eine jähe Purpurröte überflutete das hübsche Mädchenantlitz vor ihm; Anna's ganzes Aeußere bot das Bild der höchsten Verwirrung und Bestürzung, ihre Finger zitterten so stark, daß das Papier in denselben knisterte und rauschte.
»Es muß ja ein Porträt darin sein," stammelte sie, ohne einen Blick zu ihm zu erheben. „Ich weiß es — diese Papieickapseln enthalten immer Porträts — man öffnet sie, indem man hier dreht — ach, da ist es ja schon!"
Das Netz verschob sich, und auf der Rückseite desselben oder vielmehr der Unterlage erschien eine Bleistiftzeichnung, den Kopf einer älteren Frau darstellend. Das Bild trug am Rande von der gleichen Handschrift die Worte: „Mama, liebe, liebe Mama!"
Was Julius empfand, das konnte er sich selbst im ersten Augenblick nicht definieren, aber es quälte ihn, es lag auf seinem Bewußtsein wie ein Alp. Die völlige