Yro. 153

61. Jahrgang

Amts- unll Intekkigenzbkatt sür äen Aezir^.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Eimückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Freitag, äen 31. Dezember 1886.

Abonnementspreis halbjährlich 1 *4 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

! ganz Württemberg 2 70 H.

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A-onnement-Einia-ung.

Wir bitten unsere verehrt. Leser um Erneuerung Ihrer Abonnements noch vor dem Jahreswechsel.

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An der Jahreswende.

Von Karl S l e l t e r.

Das alte Jahr: ein abgehärmter Greis, Verbraucht, verwünscht und dann zuletzt vergessen! Das neue: keck, als ob es schon den Preis Bei seinem Eintritt in die Welt besessen!

Und doch ists Winter' Lchnecgesild und Eis,

Die Hoffnung auf den Frühlingsflor vermessen. Wie könnt' es anders, könnt' es besser sein,

Wo Stürme wechseln mit dein Sonnenschein!

Weil allzuleicht Enttäuschung bringt das. Ende,- Hofft nur diü Jugend noch, das Alter klagt,

Wie rücksichtslos jedwede Jahreswende An ihm vorüber zu dem Ziele jagt.

Bringt sie den Frieden, bringt sie Ariegesbrände? Umsonst wird das Orakel heut befragt;

Zweideutig kann es immer nur belehren: Vergangnes wird im Aünftgen wiederkehren!

Gerüstet sein, ist aller Weisheit Ilern Und dann das Rammende mit Würde tragen; Wer wollte für der Menschheit Wohl nicht gern An jedem Lebenstag das Höchste wagen? Verhüllen Wolken auch den Hoffnungsstern,

Einst muß ja doch der Helle Morgen tagen!

Und nun, du thatenlustigcs neues Jahr,

Mach' alles Gute, was wir wünschen, wahr!

Jeuicceton. <N«hdru-

Verlorene Ehre.

Roman von W. Köffer.

(Fortsetzung.)

„Viktor", rief sie, „und das — könntest Du thun?"

Er nickte voll grausamer, rachsüchtiger Freude.

„Ja — das könnte ich thun, verlasse Dich darauf."

Sic mochte ihn kennen und mochte wissen, daß er Wort halten werde. Kaum ihrer Sinne mächtig, öffnete sie den Schrank in der Ecke.

„Das ist das Geschmeide — Diamanten, Gold — Alles, aber gib mir den Brief!"

Er versteckte zuerst das Schriftstück und lies; dann die gebotenen Pretiosen Nachfolgen.

„Ich kann mich wirklich von dem Erinnerungszeichen einer kurzen, schönen Periode des Glückes nicht trennen, teuerste Emilie", sagte er sarkastisch. „Das kost­bare Blättchen bleibt in meinem Besitz. — So! für heute wäre ich versehen. Das klebrige ist in Deinen Händen am sichersten verwahrt. - Auf Wiedersehen! Augen­blicklich brauche ich den vortrefflichen Herrn Doktor, Deinen Gemahl, nicht zu in­kommodieren."

Er grüßte leichthin und verließ dann das Zimmer, während die junge Frau horchend stehen blieb, uni erst, als sich hinter ihm die Thür geschlossen hatte, erleichtert aufzuathmen.

Jetzt war sie allein.

Ihr Blick voll Grauen streifte das leere, dunkle Gemach und haftete zuletzt an dem Schrank, dessen Schätze sie teilweise verschenkt hatte.

Verworrene Bilder kreuzten blitzartig das fiebernde Hirn.

AnrMcHe WekannLmachirngen.

Calw.

Bekanntmachung, ketr. )ie Kranken­versicherung -er Arbeiter.

Gemäß § 8 des Reichs-Gesetzes über die Krankenversicherung der Ar­beiter vom 15. Juni 1883 und § 9 der Vollz.-Vers. zu diesem Gesetz vom 1. Dez. 1883 wurde der ortsübliche Taglohn gewöhnlicher Arbeiter vom Oberamt für die einzelnen Gemeinden des Bezirks für das Kalenderjahr 1887 in nachfolgender Weise festgesetzt:

Gemeinden.

Erwachsene Arbeiter

Jugendliche Arbeiter

männliche

weibliche

männliche

weibliche

1. Calw.

^ L

2. —

1. 40

.. M Z

1. 20

L

— 90

2. Aqenbach.

1. 80

1. —

1. —

— 80

3. Aichhalden.

2. —

1. 20

1. 50

— 90

4. Altbulach.

2. —

1. 30

— 60

— 50

5. Altburq.

1. 70

1. —

1. 20

— 80

6. Althenqstett.

1. 80

1. 40

1. 20

1. —

7. Bergorte.

2. —

1. 20

1. 50

— 85

8. Breitenberg.

1. 70

1. 10

— 90

- 90

9. Dachtel.

1. 80

1. 10

— 80

— 60

10. Deckenpfronn.

1. 75

1. 30

1. 10

— 90

11. Dennjächt.

2. -

1. 40

1. —

— 70

12. Embera.

2. —

1. 50

1. 50

1. —

13. Ernstmühl.

2. —

1. 20

1. —

— 80

14. Gechingen.

2. 30

1. 60

1. 20

- 75

Sie konnte ein Fenster eindrücken noch vorhandene Silbersachen mußten vorher anderweitig versteckt werden - dann waren Diebe hier gewesen und der Ver­lust erklärt. Sie besaß auch Vorrat, um Viktor's ferneres Schweigen zu erkaufen.

— Er würde ja wiederkommen, bis Nichts mehr seine Habsucht reizte — immer wieder

— sie kannte ihn zu genau.

Und wenn Alles, auch das Letzte, dahingegeben war — was dann ?

Die Klingel unterbrach ihren Gedankengang. Julius kam nach Hause und wunderte sich nicht wenig, seine Frau mitten in; Zimmer wie eine Bildsäule regungs­los stehen zu sehen. Ihre Arme hingen schlaff herab, ihre Hand war, als er sie freund­lich ergriff, schwer und kalt wie Blei. Elisabeth sprach keine Silbe.

„Lisa", sagte er, an das Unstäte ihres Wesens, an die plötzlichen, unvermit­telten Uebergänge schon gewöhnt, „Lisa, weshalb brennt kein Licht ? Bist Du krank?" Die junge Frau nickte, sie wagte es nicht, ihren Kopf an seine Brust zu legen. „Ich bin krank, Julius — ja, ja!"

Aber als er sie fürsorglich in seine Arme schloß pnd sie zum Lopha führen wollte, da schüttelte sie den Kopf.

„Laß mich doch, Julius - laß mich — ach, welche Wohlthat, wenn ich sterben könnte!"

Das bittere Weh des Tones verwundete sein Herz. Er wußte es ja, ihre bange Frage von vorhin, das bebende, angsterfüllte: „Hast Tu mich noch ein klein wenig lieb?" war ohne Antwort geblieben!

Auch jetzt schwieg er — es wurde an diese»; Abend kein Wort weiter gesprochen.

Anna hatte die Stellring als GouveraiG, welche ihr durch Julius' Vermittel­ung angeboten worden war, angenommen, und ordnete jetzt ihre bescheidene Garde­robe, um so schnell als möglich nach Norddeutschland abzureiscn. Vielleicht war es besser so, obgleich sie doch beschlossen hatte, nicht ohne Abschied die Stadt zu ver­lassen. Ein Lebewohl, das ihm keine Adresse verriet, eine Versicherung nie endender, unwandelbarer Verehrung — das konnte keine Siinde genannt werden.

Mochte er Alles durchschauen — um so eher würde er sie verstehen.