weibliche Jugend wird sich, wie die im letzten Kriege, die Pflege der Kranken und Verwundeten angelegen sein lassen. In Kriegszeiten braucht man nicht nur betende, sondern auch helfende Hände. Die gegenwärtige Lage des Vaterlandes ist eine ernste, da sich zu dem alten Erbfeind im Westen gegenwärtig noch ein zweiter im Osten gesellt, der mit dem ersten Brüderschaft zu schließen im Begriffe ist. Da gilt es, das Schwert blank und das Pulver trocken zu halten und des Wortes eingedenk zu bleiben: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! Es soll aber auch unser Gelübde und fester Entschluß lauten: Wir alle wollen Hüter sein! Ja, wir wollen Gott um seine Hilfe bitten und ausrufen: Gott segne und schirme unser liebes deutsches Vaterland, Kaiser und Reich! — Nun folgten die üblichen Gesänge und Deklamationen der Schuljugend. Zum Schluß stimmte die Versammlung die „Wacht am Rhein" an. Die Bewirtung der Kinder, das Wettspringen derselben um Preise, die Anstrengungen der fünfzig Knaben am Kletterbaum, die Turnproben des Turnvereins und die Spiele der Irrend verliefen in schönster Ordnung. Eine beson- ere Freude bereitete noch das Aufsteigenlassen eines großen Luftballons, dem viele kleine Ballone vorangegangen waren und nachfolgten. Die Musik spielte eifrig und ließ manche schöne Weise erschallen; auch der Liederkranz stimmte mehrere pa- triotische Lieder an. Um 7 Uhr sang die Jugend: Preisend rc., worauf sie in die Stadt zurückbegleitet wurde und am Rathause mit dem Absingen von : Lobe den Herren, o meine Seele rc. verabschiedet wurde. Die Vereine zogen kurze Zeit nachher mit Musik in die Stadt. Möge durch diese schöne Feier der Patriotismus unserer Stadt wieder einen neuen Aufschwung nehmen, daß sie nicht nur sei und bleibe eine gut württemberaische, sondern auch eine ächt deutsche Stadt!
Stuttgart, 1. Sept. Finanzminister Dr. v. Renner hat in Anbetracht seines noch immer leidenden Zustandes einen weiteren Urlaub für den Monat September erhalten. Mit der Stellvertretung ist wie bisher Finanzdirektor v. Zeyer betraut.
Stuttgart, 2. Sept. Am 21. d. M. wird von hier aus ein Pilgerzug zur Ausstellung des heil. Rockes nach Trier abgelassen.
Wie wir hören, ist Ludwig Pfau, über dessen Ehrentag wir erst kürzlich berichteten, vorgestern von einem Hunde angefallen und in die Wange gebissen worden. Die Bißwunde war so bedeutend, daß sie zugenäht werden mußte; indessen ist der Zustand des Dichters ein derartiger, daß man seine baldige Wiederherstellung erhoffen darf.
Friedrichshafen, 31. Aug. Das Befinden Seiner Majestät des Königs hat sich im Laufe der letzten Augustwoche im ganzen befriedigend erhalten, die Erholung schreitet zwar langsam, aber in letzter Zeit glücklicherweise ohne ernstliche Unterbrechung vorwärts.
In der Nacht vom Samstag auf Sonntag fiel bei Station Ermetzhofen der Linie Würzburg- Ansbach ein Bremser von seinem Sitz herab und wurde vom Zug tot gefahren. Er wurde erst später ausgesunden, nachdem in der Nacht noch einige Züge über ihn hinweggefahren waren.
Von der Trierer Wallfahrt. Die Katholiken der Diözese Trier sind nunmehr fast alle zum heiligen Rock gewallfahrtet. Bereits sind mehrere Prozessionen aus der Diözese Metz eingetroffen, von denen die größte, aus der Stadt Metz selber, Herr Bischof Fleck führte. Die Pilger wurden von Herrn Bischof Dr. Korum vor dem Dome empfangen und in dem Gotteshaus mit einer Ansprache begrüßt. Der deutsche Bischof Dr. Korum hielt diese Ansprache an Pilger aus einer deutschen Stadt in französischer Sprache! Dabei befanden sich unter den Metzer Pilgern, deren Bischof selbst den urdeutschen Namen Fleck führt, sicherlich sehr zahlreiche Altdeutsche, welche ja die Hälfte der Metzer Bevölkerung bilden. Welch' eigenartigen Eindruck muß es auf diese deutschen Wallfahrer gemacht haben, als sie in dem trierischen Dom von dem trierischen Bischof durch eine Predigt in der Sprache des Erbfeindes begrüßt wurden! (Kaum glaublich!)
Der Glückwunsch, welchen der Kaiser von Kiel aus telegraphisch dem Kaiser Franz Joseph von Oesterreich zu dessen Geburtstag am 18. August übersandte, hatte, wie nachträglich bekannt wird, folgenden Wortlaut: „In treuer und aufrichtiger Freund-
l schaft sende Ich Dir zu Deinem Geburtstage Meine innigsten Glück- und Segenswünsche. Gott schirme und erhalte Dich zur Freude Deines Hauses, sowie zum Heile Oesterreich-Ungarns und seiner Völker."
Berlin, 1. Sept. Der Sultan sandte anläßlich des Ablebens Rüstow Pascha's an Kaiser Wilhelm ein Beileidstelegramm, das mit folgenden Worten schließt: „Majestät würden mich zu außerordentlichem Dank verpflichten, wenn Sie aus den Reihen Ihres so herrlichen Osfizierkorps einen erwählen wollten, den der scharfe Blick Ihrer Majestät als fähig erkannt haben, den uns Allen zu früh Entrissenen zu ersetzen und dessen Werk sortzuführen."
Berlin, 2. Sept. Der Kaiser ist mittelst Sonderzuges in Begleitung des Reichskanzlers, der Generaladjutanten und des Gefolges um 6*/, Uhr zu den österreichischen Manövern abgereist. Die Kaiserin begleitete den Kaiser auf den Bahnhof, wo ein großer Teil der Hofgesellschaft anwesend war.
Die Getreidezufuhr nach Berlin ist zur Zeit so stark, daß nach Bekanntmachung der Eisenbahnverwaltung wegen Ueberfüllung der Getreidespeicher des Schlesischen Bahnhofes eine bahnamtliche Entladung ankommender Getreidewaggons nicht mehr stattfinden kann.
Die Getreidepreise haben in den letzten Tagen an der Berliner Produktenbörse eine Ermäßigung erfahren. Für den laufenden Monat September haben sie sich für Weizen auf etwa 231, für Roggen auf etwa 235 gestellt. Das sind noch immer ungewöhnlich hohe Preise, und auch die Abnormität des Verhältnisses zwischen dem Weizen- und dem Roggen-Preise dauert fort, aber im Vergleich zu den Zuständen, wie sie Mitte August waren, ist eine gewisse Beruhigung eingetreten. Im Osten dauern die Korntransporte auf den Bahnen an; die gewaltigen Quantitäten Getreide, welche vor dem 27. August aus Rußland nach Deutschland gebracht sind, lagern zum Teile noch in den deutschen Zollstationen und werden nach und nach erst in das Innere verfrachtet.
Es ist angekündigt, daß die Neuordnung des Einjährig-Freiwilligenwesens schon Ostern 1892 in Kraft treten soll. Die Hauptneuerung besteht bekanntlich darin, daß fortan auf keiner Schule mehr das Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis „ersessen" werden kann, sondern ausnahmslos von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht wird.
Das „Mil. Wochenbl.", welches sich schon vor einiger Zeit für die Beseitigung des Schleppsäbels bei der Kavallerie ausgesprochen hatte, tritt jetzt auch energisch dafür ein, daß der Säbel bei der Feldartillerie in Wegfall kommen und bei sämtlichen Batterien, Unteroffizieren, Fahrern und reitenden Kanonieren durch ein kurzes Seitengewehr ersetzt würde. Der Säbel bilde für den Artilleristen bei allen Dienstverrichtungen ein Hindernis, und die den Gebrauch des Säbels betreffenden Bestimmungen des Exerzierreglements gingen fast ohne Ausnahme lediglich darauf hinaus, die Schwierigkeiten, welche der Säbel seinem Träger mache, in möglichst zweckmäßiger Weise zu beseitigen. Der Kanonier der reitenden Batterie solle bestimmungsmäßig diese Waffe sogar ganz oblegen, wenn er an seinen eigentlichen Dienst, die Bedienung seines Geschützes geht. Die Bestimmung des Reglements, daß die Ausbildung mit dem Säbel sich nur so weit ausdehnen solle, daß der Mann die Waffe gebrauchen kann, ohne dabei das eigene Pferd zu verletzen, kennzeichne hinlänglich den Wert, welchen der Säbel für den Artilleristen hat, d. h. er solle ihn grundsätzlich in der Scheide lassen, und für den Fall, daß er sich einmal zum Ziehen verleiten läßt, müsse er wenigstens sein Pferd schonen. Daß er sich den Feind damit vom Halse zu halten, oder ihn gar niederzuhauen in der Lage kommen könnte, diese Möglichkeit habe man anscheinend ins Auge zu fassen für notwendig nicht erachtet, und das mit vollem Zug und Recht, denn die Gelegenheit dazu werde ihm wohl nicht so leicht geboten. Wenn es aber zum Gebrauch der Handwaffe kommen sollte, im Quartier oder beim Eindringen des Feindes in die Batterie, würde der Revolver, mit dem die Artillerie jetzt ausgerüstet ist, bessere Dienste leisten, als der lange Säbel, der in einem engen Raum und zwischen den Geschützen nicht zu gebrauchen ist.
Besterrrich-Ungarn.
Wien, 31. Aug. Infolge erschütterter Gesundheit wird Ende Oktober Schmerling die Präsidentenstelle am obersten Gerichtshöfe niederlegen. Sein
Nachfolger wird der frühere Minister Professor Stremayr. Schmerling, seit 20 Jahren Führer der Deutschliberalen im Herrenhause, scheidet nunmehr von seiner politischen Laufbahn.
Italien.
Rom. Nach übereinstimmenden Meldungen der Blätter erkannte der Ministerrat, teils infolge hohen Wunsches, teils angesichts der allgemeinen Lage, die Unmöglichkeit an, weitere Ersparungen im Kriegsund Marine-Etat einzuführen, ferner die Notwendigkeit, die Revision einiger Steuern vorzunehmen.
Crispi über Fürst Bismarck. Der ehemalige italienische Ministerpräsident Crispi, der sich in Genf besuchsweise aufhält, hat dort im Gespräch geäußert, er würde den Fürsten Bismarck, seinen alten Freund, gerne besucht haben, aber bei dem Fürsten machten sich die Jahre schon bemerkbar, und darum sei er fortgeblieben. Crispi bedauerte übrigens den Rücktritt Fürst Bismarcks ungemein.
Frankreich.
Daß die seltsamen Vorgänge der jüngsten Zeit hin und wieder den Spott der Franzosen selbst herausfordern, kann nicht überraschen. So ironisiert der „Figaro" den in Paris jetzt herrschenden Paroxys- mus der Raffenverherrlichung mit folgenden „falschen Nachrichten": Gestern nachmittags überraschten einige Polizisten, ohne etwas dazu gethan zu haben, ein verdächtig aussehendes Individuum, welches am Boulevard des Italiens die Auslage eines Geldwechslers erbrach. Dieser Mann, ein gewisser Polyle K . . ., genannt Bille de Zinc, erklärte vor dem Kommissar, er habe sich nur russische Banknoten verschaffen wollen, um sie einzurahmen. Sofort entlassen, war er Gegenstand einer enthusiastischen Ovation. „Rührendes Beispiel patriotischer Verzweiflung." Ein Krüppel, der in Folge einer schrecklichen Verstümmlung sich nur, auf ein mit vier Rädchen versehenes Brett gel unden, sortbewegen konnte, hat sich gestern selbst getötet. Der arme Teufel hat seinem Leben ein Ende gemacht, weil es ihm absolut unmöglich war, die russische Hymne stehend anzuhören.
Amerika.
Newyork, 2. Sept. Der „Newyork Herold" berichtet aus Valparaiso : Zwei Regimenter der Regierungstruppen, welche von Coquimoo nach Talca- huano verlegt worden waren, revoltierten, als sie die Nachricht von der Niederlage Balmaceda's erfuhren, töteten sämtliche Offiziere und setzten sich, unterstützt von etwa 4000 Kohlenarbeitern, in den Besitz der Stadt. Sie begingen die gröbsten Ausschreitungen, plünderten die Häuser und Verkaufsläden und steckten dieselben in Brand.
Afrika.
Der Reichskommissar Wißmann ist in Zanzibar angelangt. Er hat Material bei sich zum Bau einer Pferdebahn, mit welcher sein Dampfer nach dem Viktoriasee befördert werden soll. Eine 800 Mann starke Schutztruppe nimmt er mit; insgesamt wird seine Karawane 1000 Mann zählen. Nach Berichten aus Kismaya herrscht Ruhe an der Somaliküste. Die britisch-afrikanische Gesellschaft schließt Verträge mit den Häuptlingen der benachbarten Stämme.
Handel und Verkehr.
Stuttgart, 3. Sept. Kartoffelmarkt: Zufuhr 6t>0 Ztr. Preis 3 70 4 bis 4 30 pr. Ztr. Krautmarkt:
Zufuhr 3500 Stück Fildcrkraut, Preis 16 bis 18 pr. 100 Stück. Württ. Mostobst (meist Birnen) 100 Ztr. Preis 3 Mark 50 Pf. bis 4 ^ pr. Ztr.
Hebels Rheinländischer Hausfreund 18S2 Preis 30 4. (Verlag von I. Lang in Tauberbischofsheim) ist als einer der ersten nächstjährige» Kalender soeben erschienen. Inhaltlich ein ächtes Volksbuch, ist dieser Kalender in seiner Ausstattung ein kleines Kunstwerk; — zieren denselben doch nicht weniger als 51 gute Bilder. Mit einer echten Hebcl- schen Neujahrspredigt tritt der Rheinländische ins neue Jahr ein. Rosegger, der unvergleichliche Erzähler eröffnet den unterhaltenden Teil mit einer prächtig geschriebenen Dorfgeschichte. Eine trefflich geschriebene Abhandlung der französischen Revolution, zweite Hälfte, mit 17 Bildern verleiht dem vielseitigen Kalender einen besonderen Wert. Als einer der besten deutschen Volkskalender wird der Rheinländische wieder seinen Weg durch die Welt finden und überall als willkommener Hausfreund seinen Platz behaupten.
Hiezu das UuterhaltuugSblatt AL 36 u. eine Beilage.
Briefkasten 8.—r. Wenn selbst Götter vergebens gegen Dummheit kämpfen, so wird eine satyrische Ballade wohl keine erfolgreichere Wirkung haben. Einen andern Zweck kann wohl die Ballade nicht haben.
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck und Verlag der G- W. Zaiser'schen Buchdruckerei.