61. Jahrgang.
Aro. 150.
Amts- unll Intelkigenzbkatt für äen Uczirli.
MM
Erscheint Dienst«-, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile in Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag, äen 23. Dezember 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 „4 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Rbonnement-Einkaäung.
Wir bitten unsere verehrt'. Leser um Erneuerung Ihrer Avonnements noch vor dem Jahreswechsel, damit in der Zusendung keine Unterbrechung stattfindet.
Das Wochenblatt hat auch in diesem Jahre wieder eine wesentliche Zunahme der Zahl seiner Leser zu verzeichnen und bietet die bedeutende Auflage bei Bekanntmachungen jeder Art Garantie weitgehendster Verbreitung. Auch im nächsten Jahre werden wir fortfahren unsere Leser über alle Interesse verdienenden Vorkommnisse auf dem Lausenden zu erhalten und *aden zum Abonnement wiederholt freundlichst ein. Die Redaktion und Expedition des Calwer Wochenblatts.
Amtliche Wekanntmachimgen.
Calw.
An die Ortsvorsteher L VerwaLtnngs-Aktnare.
Durch die Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 26. v. M. (Reg.'Bl. S. 371) ist die Umlage des Gebäude-Brandschadens für das Kalenderjahr 1787 in der Weise bestimmt worden, daß bei den Gebäuden der 3. Klasse, welche die Regel und die Grundlage für dis Berechnung des Beitrags in den Höheren und niederen Klaffen bildet (Königliche Verordnung vom 14. März 1853 K 12 o), der Beitrag von Einhundert Mark Brand- verficherungs-Anschlag
neun Pfennig
zu betragen hat.
Ferner ist durch genannte Verfügung angeordnet worden, daß je die Hälfte der Umlage auf 1. April und 1. August nächsten Jahres an die Brandveisicherungskasse einzuliefern ist.
Die betreffenden Beamten werden deßhalb angewiesen, in Gemäßheit der bestehenden Vorschriften für den rechtzeitigen Abschluß der Katasterrevi- sionsgeschäfte und der Umlage in den einzelnen Gemeinden zu sorgen und die zu fertigenden Heber sichten spätestens auf den
1. Februar 1887
hierher einzusenden.
Den 21. Dezember 1886. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
JerrilleLon.
Verlorene Ehre.
Roman von W. Koffer.
(Fortsetzung.)
.Sie sind wahnsinnig!" bebte es über ihre erbleichten Lippen.
Elisabeth hatte sich langsam erhoben.
„Wahnsinnig? — noch nicht, Fräulein Herbst, aber ich werde es, wenn Sie mich nicht retten. Sie lieben meinen Mann, Sie fürchten, ihm wehe zu thun — deshalb schweigen Sie! — O ja, Sie lieben ihn, ich fühle es im innersten Herzen! — Jetzt dürfen Sie frohlocken! Ihre Rache war furchtbar!"
Anna hob plötzlich die Hand.
„Ich liebe ihn, sagen Sie? — Bei dem heiligen Namen Gottes, es gibt keine Stunde, die mich anklagt, Frau Hartmann!"
„Das glaube ich Ihnen — ja ich glaube es, Sie sind gut und unschuldig — aber Ihr Herz, Ihre Seele gehören ihm. Sie können für ihn in den Tod gehen, nicht wahr? Sie würden ihm folgen bis in den fernsten Winkel der Erde, seine Stimme ist Ihnen Musik, seine Gegenwart das Leben?"
Anna hielt beide Hände auf ihrer Brust gefaltet.
„Und das Alles wäre Liebe — wenn doch nie zu irgend einer Stunde ein frevelhafter Wunsch in mein Herz kam? — Frau Hartmann, dann ist wenigstens solches Gefühl ohne Schuld, ist kein Verrat gegen Sie!"
Elisabeth legte fast scheu ihre Fingerspitzen auf den Arm des jungen Mädchens.
„Sie sind ein Kind, Fräulein Herbst", sagte sie leise und mit dem sanftesten Tonfall ihrer Stimme. „Sie haben das Leben nur kennen gelernt auf der stillen australischen Farm und durch die Schilderungen eines einzelnen hochgebildeten Mannes: Ihres Vaters. Aber es gibt auch dunkle, fürchterliche Mächte, es gibt im Menschen-
Wotrtifche Wachrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 18. Dez. (Reichstag.) Der Präsident schlägt die Vertagung bis zum 7. Januar vor. Köller wünscht bei da Dringlichkeit der Militärvorlage auch für Montag eine Plenarsitzung. Richter und Windthorst widersprechen. Minister Bötticher erklärt, Windt- horst widerspreche sich selbst, wenn er behaupte, von der Militärvorlage sei alles bewilligt, während er doch heute noch seine Abstimmung von der Prüfung der Finanzfrage in 2. Lesung abhängig mache. Bötticher bedauert namens der Bundesregierungen aufs lebhafteste, daß die Militärvorlage nicht so rechtzeitig zum Abschluß gefördert wurde, daß die Verstärkung des Heeres mit Beginn des neuen Etatsjahres ausführbar wäre. Die zuversichtliche Erwartung des Kaisers, die Volksvertreter würden die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Vorlage im Interesse der allgemeinen Sicherheit anerkennen, habe sich nicht erfüllt. Bötticher wünscht dringendst schleunigste Erledigung. Koller, Marquardsen und Helldorf treten für schleunigste Erledigung der Vorlage ein. Bötticher weist die Behauptung Richters zurück, daß er über die auswärtigen Beziehungen Deutschlands irgendwelche Andeutungen gemacht habe, und wiederholt, daß die Zuversicht des Kaisers, des berufensten Wahrers der nationalen Interessen und des Reichs, getäuscht worden sei. Rickert bestreitet die Verschleppung der Vorlage durch die freisinnige Partei, erklärt einen Zuruf aus den Reihen der Rechten, der das Interesse der Freisinnigen an der Wehrkraft des Vaterlandes bezweifelt, für Verleumdung und wird deshalb zur Ordnung gerufen. Nach weiterer, sehr lebhafter, von Windthor st, Helldorf, Haar mann, Richter,
I Herzen Gewalten, die sich nicht verspotten lassen. Mein Mann liebt Sie um Ihrer Kindlichkeit willen. Er hat seine Seele mir entzogen; er hat mich vergessen, seit er 1 Sie sah. — Das ist die Stärke der Versuchung, die notwendige Folge Ihrer Gegen- ! wart, Ihrer Verehrung für ihn! —
! „Es gibt in uns nichts Göttliches, das unberührt bliebe voin Erdenstaube, es I wächst auch aus dem Reinsten, Edelsten doch die Schuld hervor, eben weil wir Menschen sind weil wir nur den ersten Schritt aber nicht die folgenden zu überblicken vermögen. Wenn mein Mann zu Ihnen mehr Vertrauen empfindet als zu mir, wenn er lieber in Ihrer als in meiner Gesellschaft seine Mußestunden verbringt — und das ist seit Langem der Fall! — können Sie dann immer noch von bloßer dankbarer Verehrung sprechen? Habe ich kein Recht, mich betrogen zu nennen?"
Anna lächelte mit zuckenden Lippen.
„Vater im Himmel", sagte sie leise, „Du siehst in mein Herz, Tu hörst mein« Worte — ich habe nichts Unrechtes gewollt, ich war weit entfenit, an einen Verrat auch nur zu denken!"
Elisabeth trat ihr noch näher.
„Anna", sagte sie bittend mit halberstickter Stimme, „ich stehe vor ihnen als eine Schuldige, eine ehrlose Betrügerin sogar, ich habe mit Absicht und vollem Bewußtsein Ihr Eigentum geraubt, aber doch flehe ich Sie an, vergelten Sie nicht Gleiches mit Gleichem, lassen Sie mir, der Diebin, was mein ist! — Mehr und tiefer, als zu solchem Bekenntnis, kann sich kein Menschenherz in den Staub beugen, inniger und herzlicher bitten kann Niemand — lassen Sie mir, was mein ist!"
Das junge Mädchen reichte ihr die Hand. In den sanften blauen Augen schimmerten Thränen.
„Sagen Sie mir, was ich thun soll, Frau Hartmann — befehlen Sie — ich willige in Alles, ich bitte Gott, daß er mir vergebe."
Elisabeth's Athem flog.
„Tann verlassen Sie diese Stadt, gehen Sie von hier fort ohne ihm zu sagen, wohin!"