noch immer nicht gewachsen, und man fragt sich all­gemein, wie das möglich sei. Und ebenso allgemein ist hieraus die Antwort, daß Hie Verwaltung der französischen Marine gar vieles zu wünschen übrig lasse. Seit zehn Jahren bemängeln sämtliche Re­ferenten des Marine-Budgets diese Verwaltung und deren Maßnahmen, und sic stimmen in dem Urteile überein, daß dieselbe nicht besser arbeite als zur Zeit Ludwigs XIV. Auch der gegenwärtige Marine- Referent in der Kammer. Brisson, wiederholt die Klagen seiner Vorgänger und ist bemüht, bei der Budgetkommission einen umfassenden Reformplan durchzusetzcn, dem zwar der Marineminister wider­strebt, von dem jedoch die öffentliche Meinung einen Fortschritt der Marine erhofft. Die Ausgaben für die Marine betragen jährlich 200 Mill. Frcs., aber von dieser Summe wird nur der geringste Teil für die Flotte selbst verwendet. Der größte Teil der­selben wird in den Arsenalen und Werkstätten in ziemlich unnützer und wohl auch unlauterer Weise verbraucht.

Paris, 2. Aug. Admiral Gervais erhielt das Großkreuz des Änneuordcns. Ferner wurden 32 Ossiziere dekoriert.

Paris. Seit dem Bahnunglück von St. Mande will niemand mehr in die ersten und letzten Wagen eines Zuges Ansteigen. Alles drängt sich in der Mitte zusammen. Auf dem Bahnhofe von St. La- zare kam es gestern sogar zwischen zwei Personen, deren jede den letzten Platz eines in der Mitte be­findlichen Wagens besetzen wollte, zum Faustkampfe.

Cherbourg, 1. Aug. In der Mairie fand ge­stern feierlicher Empfang der Offiziere der hier vor Anker liegenden russischen, griechischen und amerika­nischen Kriegsschiffe statt. Der Maire begrüßte die Offiziere und wies auf den Empfang des französi­schen Geschwaders in Kronstadt hin, der die franzö­sisch-russische Freundschaft besiegle. Nach einer Er­widerung des Kommandanten des russischen Kreuzers Admiral Korniloff toastete der Präfekt von Cher­bourg auf eine Vereinigung der französischen, der griechischen und der amerikanischen Nation. Der Präfekt der Seestation, Admiral Lespos, verlas ein Telegramm, worin es hieß, das russische Volk und die russische Marine seien mit ihrem ganzen Herzen in Cherbourg.

Aus Paris: Dem französischen Minister des Auswärtigen, Herrn Ribot, wurde offiziell ange­zeigt, daß der König Alexander von Serbien etwa um den 13. Aug. in Paris eintreffen und dort etwa 14 Tage verweilen wird.

Belgien.

Brüssel, 4. Aug. Die Königin war gestern abend zum Besuch der wahnsinnigen Kaiserin Char- lotte von Mexiko nach dem Schloß Bouchoute ge­fahren, begleitet von der Prinzessin Klementine. Die Kaiserin hatte im Beisein der Königin eine schwere Nervenkrisis, welche die letztere derart auf­regte, daß sie, nach Schloß Lacken zurückgekehrt, plötzlich nach Tisch einen Nervenanfall bekam. Gleich­zeitig trat ein Schlaganfall ein. Gleich darauf ver­fiel die Königin in emen Zustand der Bewußtlosig­keit. Die Aerzte erklärten die Königin als außer Gefahr.

Rußland.

Die Deutschen in Rußland. Die rus­sische Regierung sucht um jeden Preis die Ausländer, d. h. ganz insbesondere die Deutschen, los zu werden. Ausländern, welche sich in Rußland niedergelassen und Grundeigentum erworben haben, ist aufgegeben worden, sich binnen einer kurzen Frist als Russen naturalisieren zu lassen, widrigenfalls sie das Land zu verlassen hätten. Gleichzeitig aber werden, wie denDaily News" aus Odessa gemeldet wird, die Gesuche um Naturalisation von Ausländern systema­tisch abgelehnt. In Folge dessen werden auf Grund eines neuerlichen Befehls der Gouverneur von Kiew, Podolien und Volhynien zahlreiche, in den südwest­lichen Provinzen ansässige Oesterreicher, österreichische Polen und Deutsche gezwungen sein, Rußland zu verlassen.

Amerika.

Aus New-Jork wird gemeldet: Am Freitag abend griffen 50 italienische Arbeiter der Nordwest­bahngesellschaft in Wayne (Virginien) ein allein­stehendes Haus an, ermordeten und verstümmelten sämtliche Bewohner und brannten deren Besitzungen nieder. Die Italiener waren von einem Gegner ge­

dungen und vorher betrunken gemacht. Die Umwoh­nenden traten zusammen und lynchten viele der Italiener. _

Klrinerr Mitteilungen.

Der gestohlene Bart. In Berlin so schreiben dortige Blätter ist zwar nichts vor den Langfingern sicher und Dinge von höchstem Gewicht wissen die Herren mitunter mit der nämlichen Ge­schwindigkeit und Geschicklichkeit verschwinden zu lassen, wie etwa ein Portemonnaie, eine Uhr oder einen Brillantring. Daß jedoch jemandem der Bart ge­stohlen wird, möchte denn doch zu den Dingen ge­hören, die man selbst in einer Weltstadt alsnoch nicht dagewesen" bezeichnen darf. Es war ein prächtiges Zeichen von Würde und Männlichkeit, der bis zur Brust herabwallcnde Bart des herr­schaftlichen Kutschers Karl G.! Und nun so leicht­sinnig dieses kostbare Gut aufs Spiel zu setzen! Aber Müßiggang ist aller Laster Anfang und Karl, der, weil seine Herrschaft auf dem Lande ist, seit vier Wochen absolut nichts zu thun hat, Karl halte das nun nahende Ende seiner Ferien am letzten Montag etwas ausgiebig gefeiert. Schweren Hauptes setzte er sich in der Nähe seines Heims im Tiergarten auf eine Bank und entschlummerte sanft. Was weiter geschehen, davon hat Karl keine Ahnung. Er weiß nur, daß ein plötzlicher, am Kinn und Wangen ganz ungewohnt verspürter Windeshauch ihn jäh erweckte und daß die ob dieses nicht gekannten Gefühls nach der betreffenden Stelle tastende Hand das Entsetzliche entdeckte: Bis auf wenige traurige Ueberreste war sein Bart verschwunden! Man hatte ihn dem Schla­fenden gestohlen! Wer der Dieb gewesen, dürste wohl ewig dunkel bleiben.

In Berlin ist eine junge Dame, welche neue rote Strümpfe getragen und vermutlich am rechten Fuß eine kleine Kratzwunde gehabt hat, derartig schwer erkrankt, daß sich eine Amputation des Fußes nötig machen wird.

Im Bärenzwinger. Eine ungeheuer auf­regende Szene spielte sich vor einigen Tagen im Tiergarten des Lincoln-Parks zu Chicago ab. Hier hatte sich eine fremde, aus Minneapolis kommende Familie vor dem Zwinger der braunen Bären po­stiert, und der Vater hob ein kleines Mädchen von etwa drei Jahren über die Brüstung der Umzäunung hinaus, damit es die Tiere in der Tiefe besser beob­achten könne. Plötzlich zerriß das Kleid des Kindes und das Letztere fiel aus den Händen des Vaters in den fünfzehn Fuß tiefen Käfig hinab, glücklicher­weise auf den Rücken einer der Bestien, die erschrocken zur Seite sprang, so daß das Kind unbeschädigt auf den felsigen Grund hinabrollte. Ein Schrei des Entsetzens rang sich aus der Mitte der Zuschauer, um sogleich dem tiefsten Schweigen Platz zu machen, denn schon fesselte ein neuer Vorgang aller Blicke. Mit einem mächtigen Satze hatte der Vater des Kin­des sich über die Brüstung geschwungen und sprang ohne Besinnen in den Käfig hinab. Im nächsten Moment hatte er das Kind vom Boden aufgerafft und war, die Kleine auf der Linken, in der Rechten als einzige Waffe einen Spazierstock, in eine Ecke geflüchtet. Nun brach draußen unter den Zuschauern und Beamten die wildeste Aufregung los und wie gewöhnlich vergingen in der allgemeinen Aufregung lange, lange Minuten, bevor etwas zur Rettung der Gefangenen unternommen wurde. Der Wärter war nach dem zehn Minuten weit entfernten Direktions­gebäude gelaufen, um eine Schußwaffe zu holen, das Publikum umgreiste heulend den Käfig und suchte die Bären, vier ausgewachsene Tiere, durch das Wer­fen von Steinen einzuschüchtern. Einer der Bären näherte sich den Gefangenen bis auf zwei Schritte und erhob sich brummend, da traf ihn ein wohlge­zielter Stockhieb auf die Schnauze, so daß er er­schrocken zurückprallte. Allein auf die Dauer hätte diese Art der Verteidigung kaum einen Erfolg ge­habt, denn nun kamen auch die anderen, inzwischen dreister gewordenen Bestien brummend näher. In diesem Augenblicke erblickte der bedrängte Mann auf dem Boden eine mit einem Haken versehene Stange, die von außen nicht zu erlangen war; diese ergriff er, schlug den Haken in die Kleider des Kin- des und reichte das Ende der Stange den hundert Händen, die sich ihm hoch oben entgegenstreckten. Während das Kind losgehakt, und die Stange von neuem gesenkt wurde, entstand im Käfig ein wilder Kampf. Der Verunglückte war auf ein Felsstück ge­

klettert und hielt mit dem Mute des Verzweifelnden die Bären von sich ab, die nunmehr in höchster Wut ihm buchstäblich die Kleider vom Leibe rissen. End­lich aber gelang es ihm, den Haken der Stange zu erfassen und sich emporziehen zu lassen. Als der Wärter mit seiner Flinte eintraf, waren Vater und Kind bereits in Sicherheit.

EineZigeuner Zeitung", das ist das Neueste, das George Smith, derKönig" der englischen Zi­geuner ankündigt. Derselbe will vom I. Oktober ab eine in der Zigeunersprache geschriebene Zeitung unter dem TitelFahrendes Volk" erscheinen lassen. Er rechnet auf 20 000 Abonnenten unter seinen Stammesgenossen. Die Zeitung soll eine Art offi­zieller Anzeiger des Zigeunertums werden; sic wird dieberechtigten Interessen" der Zigeuner vertreten und ausführlich über jedes Ereignis berichten, das dieseParias der Gesellschaft" betrifft. Außervem soll sie die wirklichen Sitten und die einzig richtige Sprache der Zigeuner bekannt geben und dazu bei­tragen, die Vorurteile und falschen Vorstellungen zu zerstreuen, die über das Wesen dieses Nomadeuvolkes selbst in den Kreisen der Gebildeten noch herrschen.

Die älteste Frau Amerika's. Die älteste Frau Amerika's erregt nicht allein ihres Alters, sondern auch ihrer Herkunft und der damit verbundenen Umstände wegen besonderes Interesse. Diese stein­alte Frau, Elizabeth Pottor mit Namen, ist 137 Jahre alt, eine Negerin und lebt zur Stunde noch im Cheat am County, Teneffee, und ist fähig zu gehen, zu hören und zu sehen. Sie ist die Mutter, Großmutter, Urahne und Ur-Urahne von 4439 Per­sonen. Von ihren Kindern, deren sie in 3maliger Ehe 27 gebar, starb das letzte am 9. Juni 1889 im Alter von 94 Jahren. Ihr ältester Sohn, Ras­mus Williams, erreichte das hohe Alter von 106 Jahren. Er starb vor ca. 3 Jahren in Tarboro, N.-C., aber die Mutter überlebte ihn; wie eine Eiche steht sie im Sturm der Zeit, seit vielen Jahren ganz unveränderlich und niemand weiß, wie lange sie noch dem Tode trotzen mag. Ein altes, im Be­sitze der Familie Pottor befindliches, vom 4. April 1824 datiertes Schriftstück lautet:Gekauft von I. Burton eine Frau, die auf den Namen Lizzie hört. Alter 70. Preis 600 Dollars. Bezahlt mit drei Maultieren." Dieses Schriftstück rührt von dem letzten Herrn resp. Eigentümer der Alten her, der indes längst gestorben ist.

Nach einer Meldung aus Mons ist ein 60 Meter hoher Schornstein der Stahlfabrik Providance in Hautmont eingestürzt und hat 18 Menschen unter seinen Trümmern begraben.

Czernowitz, 1. August. Der Spiritusbrenner Gordhagen in Banilla erhielt eine Steuerstrafe von 100 000 fl. Die Spiritusbrenner Landwehr und Ensler erklärten sich wegen der ihnen anläßlich der Unterschleife zucrkannten Geldstrafen für insolvent.

Handel und Verkehr.

Tübingen, 1. August. (W ochen markt.) 1 Pfund Butter 9092 4, 1 Liter Milch 12 4, 1 Pfd. Rindschmalz -6 1.15, Schweineschmalz 60 und 65 4, 2 Stück Eier 11-13 Pf., 1 Ztr. Kartoffeln 4L 6, 1 Bund Kornstroh 30 4, 1 Ztr. Heu 1.50. Brotpreise: 1 achtpfündiger Laib Kernen- brot1.28, Schwarzbrot 4L 1.12. Fleischprcise: 1 Pfd. Mastochsenflcisch 66 4, Rindfleisch 60 4, Kuhflcisch 50 4, Kalbfleisch 60 4, Hammelfleisch 60 4, Schweinefleisch 5456 4.

Rotten bürg, 2. August. 1 Ztr. Gerstenstroh 1 -6, 1 Ztr. Habcrstroh 1 4L 10 4, 1 Ztr. Kornstroh 1 4t: 20 4, 1 Ztr. Heu 1 10 4.

Augsburger 7 fl.-Lose vom Jahre 1864. Zie­hung am 1. August 1891. Gezogene Serien: Nr. 216 230 273 332 348 1314 1386 1628 1715 1747. Die Prämien- Ziehung findet am 1. September statt.

Konkurseröffnungen. Josef Wiedenhöfcr, ver- beir. Bierbrauer von Ellwangen, Pächter der Dreikönigwirt­schaft in Gmünd. Karl Dobler, Drechsler in Oehringen.

Ausverkauf in Buxkin veine Wolke ncrdelfertig ra. 140 Cm. brt. L Mk. 1.75 Pf. p. Meter

zu enorm reduzierten Preisen liquidieren das vorhandene Lager u. versenden jed. beliebige Quantum direkt a. Private. Buxkin-Fabrik-DepSt Osttingsr L 2o., ?rs>ukkurt a. U. Muster unserer reichsten Auswahl umgehend franko.

Druckfehler. In einem Teil der Auflage der letzten Nummer ist über den Stand der städtischen Schuld in Tutt­lingen Reutlingen gedruckt worden, welchen Fehler sich wohl jeder Leser selbst korrigiert haben wird.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandcl in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser'scheu Buchdruckerei