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Wien, 16. Dezbr. Der Kaiser Wilhelm schrieb an den Zaren, er möge die im Interesse des Friedens sehr convenable Candidatur des Prinzen von Coburg acceptiren. Aus Sofia wird gemeldet: Des Prinzen von Coburg Candidatur befriedigt sehr. Man bezeichnet ihn als Candidaten Bul­gariens. Bulgarien verständigte Lobanoff von der Candidatur des Prinzen von Coburg und bat ihn, Mitteilung davon nach Petersburg zu machen und deren Aufnahme anzuzeigen. (Frkf. Ztg.)

England.

London, 15. Dezbr. DerTimes" wird aus Wien gemeldet: Die bulgarische Deputation trug dem Prinzen Ferdinand von Coburg die bulga­rische Fürstenkrone an. Der Prinz erwiderte, er müsse zunächst den öster­reichischen Kaiser consultiren, er habe jedoch Grund für die Annahme, der österreichische Kaiser, sowie der Zar würden seine Candidatur billigen.

Hcrges-Werrigkeiterr.

Stuttgart, 17. Dezbr. (Kanariensport.) Auf der am 12., 13. und 14. Dezbr. d. I. zu Schwenningen a. N. abgehaltenen III. großen Aus­stellung des Süddeutschen Kanarienzüchterbundes wurde die Kollektion der vom hiesigen Kanarienklub ausgestellten Gesangskanarien mit der höchsten Auszeichnung, dem >. Preis, bedacht. Die betreffenden Preisvögel werden bei der am 1. und 2. Januar 1887 stattsindenden Ausstellung des Vereins 'zu hören sein. Ein anderer hiesiger Kanarienzüchterverein, Kanaria, ver­anstaltet am nächsten Sonntag und Montag in einem Saale des Königsbaues wieder eine Ausstellung (die 24ste) veredelter Kanarien, die in feinen Harzer Rollern und Pariser Trompetern bestehen wird.

Heilbronn, 15. Dezbr. In Großgartach verunglückte heute ein Mühlzimmermann, der beauftragt war, im Wasserhaus eine Schutzschranke um das Wasserrad zu machen. Wahrscheinlich rutschte er auf dem nassen Boden aus und fiel unter das Rad; denn als aus einmal das Werk stillstand und man nachsah, fand man den Zimmermann tot mit gebrochenem Rück­grat unter dem Rad.

WerrnischLes.

EntsetzlichesUnglück auf demDampferW e st e rn- lani^Antwerpen-Newyork. Sechs Tote, 16 Verwun­dete. Von einem Cajüten-Passagier auf gen. Dampfer, welcher von Calw nach Newyork zurückkehrte, wird uns als Bericht ein Ausschnitt aus der N.-P. StaatSztg.:

DieWesternland", Kapitän Rändle, war am 20. Novbr. mit 643 Paffagieren, davon 69 in der Kajüte und 574 im Zwischendecke, von Ant­werpen abgefahren und hatte eine verhältnismäßig gute Fahrt, bis sich am 27. Novbr. ein heftiger Nordweststurm erhob, welcher im Laufe des Nach­mittag« an Stärke zunahm. Plötzlich ergoß sich eine mächtige Woge mit solcher Gewalt über den Bug des Dampfers, daß sie das über dem Zwischen­decke befindliche Oberdeck dicht vor dem vorderen Steuerhäuschen vollständig durchschlug. Eine Anzahl von Zwischendecks-Passagieren sahen dort mehreren Matrosen zu, welche mit der Vornahme einer Arbeit beschäftigt waren. Ge­rade auf diese dicht bei einander stehenden Menschen ergoß sich die gewaltige Woge, welche die Trümmer des durchgeschlagenen Oberdecks mit sich forttrug; vier Matrosen wurden sofort gelobtet, zwei Zwischendeckspassagiere so schwer verletzt, daß sie nach kurzer Zeit starben, und sechzehn andere Leute mehr oder minder schwer verwundet. Wie sich der traurige Vorfall ereignete, ist am Besten aus den Angaben der Augenzeugen zu ersehen. Kapitän Rändle gab darüber die folgende Erklärung ab:Unsere Fahrt ist durch dieses Er­eignis eine der traurigsten in der Geschichte der Gesellschaft geworden. Eine Erklärung des Vorfalles zu geben, ist nicht möglich; derselbe ist einfach nicht zu erklären. Er trug sich am Samstag den 27. Novbr., um 3 Uhr 30 M. Nachmittags zu. Die See ging hock, doch war meiner Ansicht nach keine

ihr jener traurige Scheinfriede, der allen äußeren Zwist, aber auch jede tiefere Innig­keit der Beziehungen nusschließt. Sie verkehrten freundlich mit einander, im Herzen aber waren beide unglücklich, und mehr und immer mehr flüchtete Julius, ohne es selbst zu wollen oder zu wissen, mit Allem, was er dachte und fühlte, zu ihr, die ihn verstand, die geistig zu ihm gehörte im reinsten und doch gefährlichsten Sinne des Wortes. Er fragte sich auch zuweilen, ob darin ein Unglück liegen könne, aber dieser Gedanke beleidigte ja das herrliche, untadelige Mädchen, dessen bloße Nähe schon jede unlautere Empfindung ausschloß. Es war lächerlich, was Elisabeth fürchtete wes­halb ging sie nicht mit ihm und überzeugte sich von der Unhaltbarkeit ihres Verdachtes?

Er stritt nicht mehr mit ihr, es war ihm lieb, daß sie jetzt fast immer schwieg überdies näherte sich die Kur ihrem Ende, und wenn Anna späterhin als Musik- llehrerin oder Gouverante irgend eine Stellung fand, dann war zwischen ihm selbst und ihr jede Brücke abgebrochen, lind alle diese grundlosen Aufregungen hatten plötz­lich ein Ende. Vielleicht ging sie ja ganz von hier fort.

Er fühlte doch, daß ihn der Gedanke erschreckte. Ihre Stjmme nicht mehr zu hören, nicht mehr mit Anna in der Dämmerstunde philosophwren und Ansicht tauschen gegen Ansicht, ivie er es jetzt seit Monaten gewohnt war was gab es, bas in seinem Leben diese Lücke auszufüllen vermochte?

Aber so schlimm brauchte es nicht zu werden. Er ging zu ihr und bat sie, sich noch zu schonen; er wollte von Pflichten, von Arbeit und Verdiensten Nichts hören, und als sie einst halb weinend, halb lächelnd sagte, daß er den Betrag seiner Rechnung ganz bescheiden in kleinen Raten erhalten werde, da faßte und drückte er beinahe leidenschaftlich ihre Hand.

Anna, wie konnten Sie mich so verletzen! Bin ich ein Krämer, dem man rnit der Rechten Geld gibt, während die Linke Waaren in Empfang nimmt?"

Sie schüttelte den Kops.

Habe ich das je gedacht? Eine Waare wird mit dem erlegten Groschen ganz bezahlt, Ihnen aber wollte ich außer dem Gelde auch noch einen Teil meiner Seele geben, eine Dankbarkeit und Verehrung, die nur mit dein Leben selbst enden werden."

Gefahr vorhanden. Es wehte eine frische Brise, und das Schiff arbeitete gut. Unter dem Oberdeck am Buge befand sich gerade eine ziemliche Anzahl von Seeleuten und Paffagieren. Plötzlich stürmte eine Woge gegen den Dampfer an und nahm bei ihrem Näherkommen die Gestalt einer mächtigen Wasserhose an. Es war ein Anblick, wie man ihn auf dem Ocean wohl Nicht häufig haben kann. Wer aber einmal etwas Derartiges gesehen hat, vergißt es für sein ganzes Leben nicht mehr. Ich bin nicht im Stande, diese Erscheinung zu erklären. Diese Waffermasse näherte sich, einen großartigen Anblick gewährend, rasch dem Schiffe, uno als sie dieses traf, zitterte und schwankte das Schiff, als wäre es ein Spielzeug. Dann ergoß sich die Wassersäule über das Deck. Schmerzensgeschrei ertönte, doch konnte ich für eine Weile nichts sehen, da das Fahrzeug vollständig von der salzigen Flut überströmt zu sein schien. Kaum war dieselbe vorübergerauscht, als ich be­merkte. daß die dicken Eisenstangen und Platten des Vorderdecks vollständig zertrümmert waren. Unter den Trümmern bot sich ein gräßlicher Anblick. Die Macht der Woge hatte vier Matrosen sofort getödtet. Ihre Leichen waren entsetzlich verstümmelt. Nahe von ihnen lagen zwei Passagiere tödt« sich verletzt und eine beträchtliche Anzahl anderer Verwundeter an verschiede­nen Plätzen des Raumes, wohin sie vom Wasser fortgetragen worden waren. Das Schiff wurde von keiner weiteren Welle mehr getroffen. Die Trümmer wurden so rasch als möglich sortgeschafft und der Schaden, so gut es ging, ausgebessert. Die vier erschlagenen Seeleute wurden gegen Abend nach See­mannsart bestattet. Unfälle wie dieser sind so selten, daß es begreiflich ist, daß der traurige Vorfall auf jeden auf dem Schiffe Befindlichen den tiefsten Eindruck machte."

Kaum hatte man alle Verletzten, welche zum größten Teil Arm-, Bein- und Rippenbrüche davon getragen hatten, im provisorischen Hospitale unter­gebracht, als sich dort ergreifende Scenen abspielten. Die auf dem Schiffe befindlichen Angehörigen derselben fanden sich nämlich ein, um Erkundigungen nach deren Befinden einzuziehen. Die Kajütenpassagiere leisteten alle mögliche Hülfe und sammelten 2000 Franken, welche unter die Verwandten der Tobten und Verletzten verteilt wurden. Kapitän Rändle stellte den Aerzten Harloch und Cohn sämtliche Vorräte des Dampfers zur Verfügung.

Als ein Berichterstatter dieses Blattes gestern den DampferWestern­land" besuchte, hatte er reichlich Gelegenheit, sich eine klare Vorstellung von der Gewalt der Sturzwelle, welche den Dampfer getroffen, zu machen. Das eingeschlagene Oberdeck war aus vierzölligen Brettern hergestellt, welche von mächtigen Eisenstangen und eisernen Platten getragen wurden. Die Woge durchschlug das Oberdeck in der ganzen Breite des Dampfers auf eine Länge von 29 Fuß. Neun Effenstangen und 16 Platten wurden auf die unter dem Oberdecke stehenden Menschen herabgeschleudert und es ist beinahe ein Wunder zu nennen, daß diese nicht sämtlich getödtet wurden. Der an dem Dampfer angerichtete Schaden wird auf etwa Dollar 5000 veranschlagt.

Kgl. Standesamt ßakw.

Vom 9. bis 10. Dezember 1886.

Geborene:

9. Dezember. Anna, Tochter des Karl Maier, Bahnwärters hier.

10. Sophie, Tochter des August Kleindienst, Appreteurmeisters hier.

Gestorbene:

10. Dezember. Wilhelm Otto Rauscher, Sohn des Friedrich Rauscher, Weichen­wärters hier, 13 Wochen alt.

Gottesdienste am Sonntag, den 19. Dezember 1886.

IV. Advent.

Vom Turme Nro: 8-t. Vorm.-Prcdigt Hr. Helfer Brau n. Christenlehre mit den Söhnen. Bibelstunde, um d Uhr im Vereinshaus, Hr. Dekan Berg.

. Thomasfeiertag, den 2t. Dez.

Vorm.-Predigt im Vereinshaus, Hr. Helfer Braun.

Gotteräieafte ia äer Metkoäistenkapekke am Sonntag, den 19. Dezember.

Morgens i/z10 Uhr abends 8 Uhr.

Er hielt immer noch ihre Hand.

Auf die aber das Geld gleichsam einen Fleck brächte, Anna! Oder sind Sie zu stolz, eines Mannes Wissen und Können, seine besten Seelenkräste wie eine Art Geschenk hinzunehmen?"

Und als sie Nichts antwortete, da zog er sie zu sich und küßte ihre Augen.

Sprechen Sie nicht vom Gelde, Anna!" Daß ich es von Hinz und Kunz nehmen muß, um zu leben, ist für mich schon eine Art von Bleigewicht, dessen Schwere empfindlich drückt. Ihnen gegenüber könnte mich der Gedanke rasend machen. Wir sind zwei gute Kameraden nicht wahr? und wollen es bleiben bis an's Ende?"

Sie nickte ihm zu.

Ja", sagte sie einfach,bis an's Ende!"

Nach diesem Tage wurde er doch vorsichtiger. Es hatte ihn erschreckt, die Gefahr so nahe zu sehen. Anna war ein Kind, ein unschuldiges, reines Wesen sollte er mit ihrer Ruhe gewissenlos spielen?

Und wieder sagte er sich:es geht ja Alles zu Ende gleich einem Sommer­nachtstraum!" Aber der Gedanke that weh er wußte es.

Elisabeth beobachtete ihn unausgesetzt. Seine Seele gehörte der Andern. Mit ihm in engster Vereinigung lebend, hatte sie ihn geistig doch verloren. Er vergaß, daß sie existiere, er bemerkte es kauin, ob ihn Vorwürfe oder mürrisches Schweigen empfingen. Sogar Tante Josephine war schon aufmerksam geworden. Sie erriet, was ihn beschäftigte, und ließ durchblicken, daß er gegen seine Frau Rücksichten zu beachten habe.

Die interessante Patientin ist ein junges, schönes Mädchen," sagte sie einmal. Laß nicht daraus ein Gerede entstehen, Julius!"

Er nahm die Warnung sehr ungnädig auf.Sie ist ein Engel, Tante Fin- chen!" hatte er hervorgesprudelt.Sie steht hoch über allem Weibergeschwätz. Wer es wagen sollte, sie auch nur mit einem Worte zu beleidigen, den würde ich empfind­lich züchtigen darauf kannst Du Dich verlassen."

(Fortsetzung folgt.)