Hlro. 148
61. Jahrgang
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"DoLitifcHe WcrcHrrictzten.
Deutsches Reich.
— Gegenüber den Nörgeleien in der M i l i t ä r k o m m i s s i o n des Reichstags fehlt es in der auswärtigen Presse nicht an spitzigen Bemerkungen. Ein Berliner Korr, der N. Zur. Ztg. sagt: „Wenn die Franzosen und Russen klug sind, greisen sie Deutschland in der nächsten Zeit noch nicht an; denn die Verhandlungen der Militiukommission müssen ihnen die Garantie geben, daß von dem kriegerischen und aggressiven Geiste, der bei ihnen vorhanden ist, in Deutschland auch nicht ein Atom existirt, sondern daß sie ihre Armeen fortdauernd verstärken können, das deutsche Parlament aber durch die dringendsten Anforderungen seiner eigenen Negierung auch nicht im mindesten aus dem Gleichmut gebracht wird. Die liberale Opposition glaubt nicht an die Arithmetik der Negierung, sondern ist überzeugt, daß dieselbe nur ein sehr grundloses, aber eben so unbändiges Gelüste hat, 41,000 Soldaten mit den dazu gehörigen Offizieren einzustellen. Die Diskussion beweist, selbst wenn man die Zahlen der Opposition zu Grunde legt, daß sowohl Frankreich, wie Rußland, jedes einzeln, an Stärke der Armee Deutschlands überlegen ist, Jedermann ist überzeugt, daß beide zusammen über Deutschland herfallen werden, wenn eins den Augenblick für gekommen hält, aber die Kommission bleibt ungerührt."
München, 14. Dezbr. Die A. Ztg. schreibt: Der Prinzregent war kaum von seiner Reise nach Berlin zurückgekehrt, als Allerhöchstderselbe an S- M. den Kaiser Wilhelm ein herzlich gehaltenes Telegramm richtete, worauf der deutsche Kaiser folgendermaßen antwortete: „Wie soll Ich Ihnen danken für Ihr so herzliches und freundliches Telegramm noch vom heutigen Tage, nach Ihrer Rückkehr nach München? Sie haben Sich überzeugen können, wie freudig Ihr erstes Erscheinen nach Uebernahme der Regentschaft bei uns begrüßt wurde uns wie die alten Erinnerungen eines siebenmonatlichen Zusammenlebens in der so wichtigen und unvergeßlichen Kriegszeit Uns von neuem einigte. Möge es immer so bleiben! Ihre herrlichen Worte, gesprochen zu Ihren Unterthanen im Reichstage, sind hoffentlich auf guten Boden gefallen. Wilhelm."
Karlsruhe, 15. Dez. Die Bad. Ldsztg. schreibt in Bestätigung eines vordem eingetroffenen Frankfurter Priv.-Telgrs.: Vorgestern wurde Hierselbst ein junger, etwa LOjähriger französischer Lieutenant, welcher bereits seit sechs Wochen unangemeldet sich in Karlsruhe in der Fasanenstraße aufhielt, wegen dringenden Verdachts der Spionage verhaftet. Derselbe soll Terrainaufnahmen in hiesiger Umgebung gemacht haben, welche wohl vornehmlich auf den Rhein-
Jeuicceton.
Verlorene Ehre.
Roman von W. Koffer.
(Fortsetzung.)
Wie oft, wenn Julius nach Hause kam, empfingen ihn Thränen und Vorwürfe! Wie oft hörte er die bittersten, verletzendsten Worte! Elisabeth sah in Allem eine Beleidigung, sie gab sich dem Ausbruch ihrer Verstimmung rückhaltlos hin, und versank endlich in eine Art von Tiefsinn, der ihnen Mann um so unangenehmer berühren mußte, als auch dritte Personen ihn bemerkten und in ihrer Weise deuteten.
Seine freundlichsten Bitten blieben ohne Erfolg. Er gab die herzlichsten Versicherungen, aber nur um neue Thränen, neue Ausbrüche von Verzweiflung hervorzurufen.
„Laß mich!" antwortete sie auf jede Frage, „Du liebst mich nicht mehr — ich wünsche Nichts, als nur zu sterben."
„Seit wann denn!" fragte er verzweifelt. „Was habe ich gethan, um solche Beschuldigungen zu rechtfertigen?"
Sie warf sich ihm plötzlich zu Füßen und umklammerte seine Kniee.
„Julius schenke mir das Leben — mehr als das Leben — geh' nicht wieder nach der Schützenstraße, und ich will Dir danken, so lange ich athme!"
Er wandte sich ab, innerlich verletzt von dieser Leidenschaft, für die ihm alles Verständnis fehlte. Unbewußt der Tragweite seiner eigenen Gedanken, verglich er mit dem plötzlichen, regellosen Aufflammen und Erkalten der jungen Frau die schöne, maßvolle Ruhe in Anna's Wesen. So fühlte, so empfand er selbst — hier wurde er nur abgestoßen.
„Das ist Dein einziges Unglück, Lisa, der einzige Vorwurf, zu dem Du Dich mir gegenüber berechtigt glaubst?"
Übergang Bezug haben dürften. Unrichtig dagegen ist die Meldung, daß der Verhaftete bei Rastatt Terrainaufnahmen gemacht habe. Der junge Mann ist aus einer der französischen Grenzgarnisonen hierher übergesiedelt und hat einigen Offizieren Anlaß geboten, den aller Wahrscheinlichkeit nach begründeten Verdacht zu schöpfen, daß es sich hier um Spionage handle.
Schweiz.
Basel, 14. Dezember. Wie überall, so verfolgt man auch in der Schweiz die Vorgänge im deutschen Reichstage mit dem allergrößten Interesse und erkennt die Wichtigkeit der militärischen Vorlagen wie der Erklärungen der militärischen Autoritäten Deutschlands für den Frieden Europa's uneingeschränkt an. Hie und da taucht auch in der schweizerischen Presse die Frage auf, warum Fürst Bismarck sein Wort nicht in die Wagschale werfe und die Situation aufdccke. Darauf geben die „Basler Nachr." in einem interessanten Artikel wohl die richtige Antwort. „Der Augenblick zum Reden", erklärt das genannte Blatt, „ist sicher noch nicht gekommen. Wenn Fürst Bismarck das sagte, was er auf dem Herzen hat, so würde er die Kriegsgefahr, die er nach Kräften zu beseitigen strebt, nur vermehren. Und er hat Vieles auf dem Herzens das dürfen wir unfern Lesern versichern." Das krankhafte Wesen des Zaren, die Unberechenbarkeit desselben ist nach den „B. N." ein ebenso gefährliches Moment in der politischen Situation, wie die unverminderte Begierde der Franzosen nach Rache, die erst dieser Tage in einem Artikel der „France" wieder zum Ausdruck kam. Die „B. N." behaupten, sich auf gute Informationen zu stützen, wenn sie die zögernde Haltung Fceycinet's bei einem Allianzangebot des Zaren als einen der Gründe für Freycinet's Sturz bezeichnen. Der frühere Ministerpräsioent habe den psychologischen Moment zum Abschluß eines russisch-französischen Bündnisses verpaßt und das sei ihm von Boulanger und dessen Freunden nicht vergeben worden. In der Schweizer Presse tritt aber auch die allgemeine Ansicht zu Tage, daß der Friede nichts weniger als gesichert erscheine; es gelte, sich auf schwere Ereignisse gefaßt zu machen. „Die Lage ist ernst", schließt jener Artikel der „B. N." „auch in der Schweiz wird seit den letzten Tagen rüstig gearbeitet, um das noch Mangelnde herbeizuschaffen und Alles auf die Stunde vorzubereiten, wo ihr Eifer und ihre Wachsamkeit eine neue, diesmal voraussichtlich härtere Probe in der Wahrung der Neutralität ihres Gebietes zu bestehen hätte."
Oesterreich.
Wien, 15. Dezember. Die Candidatur des Prinzen Ferdinand von Coburg gewinnt an Ernst. Gestern empfing der Prinz die bulgarische Deputation und er selbst wurde vom Kaiser empfangen. Der Prinz hält sich auch für einen dem russischen Hofe genehmen Candidaten.
In ihren Augen erwachte ein Strahl des früheren Glückes, über ihre Lippen brach ein leiser, erschütternder Schrei.
„Julius, schenke mir das Eine, laß Dich bitten, tausend Mal — geh' nicht wieder zu ihr!"
Er schüttelte den Kopf.
„Glaubst Du mir Deine Liebe zu beweisen, Lisa, indem Du mich beleidigst und iin Herzen auf's Schwerste verdächtigst?"
Sie sah ihn an.
„Keine Ausflüchte, Julius! Du kannst mich nicht täuschen. Wirst Du nie wieder hingehen?"
„Wir wollen ja davon nicht inehr sprechen", versetzte er stirnrunzelnd. „Ich halte Dich für krank, Lisa, — eine andere Erklärung Deines Auftretens gibt es nicht."
Nach dieser Scene folgten Tage, während welcher Beide mit einander nur sprachen, wenn es galt, Mama und Tante Finchen zu täuschen. Was Elisabeth bis jetzt als Deckmantel ihrer wirklichen Furcht benutzt hatte, das gewann mehr und immer mehr feste Gestalt. Sie empfand gegen die Fremde eine quälende Eifersucht.
„Ost, wenn Julius fortging, schlich sie ihm nach und zählte fiebernd vor Unruhe die Minuten, während welcher er sich bei ihrer Feindin befand. Vielleicht sprach diese gerade das verurteilende Wort, vielleicht erfuhr er heute, wer sich nicht gescheut hatte, eine Sterbende zu berauben.
Und dann packte eine ungeheure Angst ihre ruhelose Seele. Sie stand am Fenster bis zu seinem Nachhausekommen, sie überhäufte ihn mit schüchternen, stummen Aufmerksamkeiten und wenn er halb gerührt nur ein einziges freundliches Wort sprach, dann konnte sie wohl leise die Arme um seinen Hals legen und bitterlich weinen so bitterlich, daß er erschrak und wieder voll Besorgnis fragte, ob sie sich krank fühle.
„Und wollte ich selbst so feige handeln, jene Arme zu veranlassen", dachte er seufzend, „wollte ich um des lieben Friedens willen einen ehrlosen Wortbruch begehen, so wäre doch damit noch Nichts erreicht. Elisabeth würde nur den Gegenstand ihrer Eifersucht wechseln, dieser traurige Hang ihres Herzens aber bliebe derselbe."
Er berührte den wunden Punkt nicht mehr; es entstand zwischen ihm und
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