chen habe, nämlich, wenn dies geschehe, auf Grundlage des gemeinen Rechtes mit den gegnerischen Parteien und der Regierung zu unterhandeln. Es kommt nur darauf an, wie viele Gesinnungsgenossen Herr v. Vollmar hinter sich hat, die diesem Pro aramm rückhaltslos beipflichten und in demselben Sinn zu wirken geneigt sind. Wir möchten die Zahl derselben nicht zu hoch veranschlagen.
Bamberg, 8. Juni. Beim Exerzieren fand in Folge falschen Kommandos ein Zusammenstoß zweier Schwadronen Ulanen statt. Einige Ulanen wurden schwer, mehrere leicht verwundet. Ein Mann erhielt einen Lanzenstich in den Hals.
Bei dem Empfang der Deputation der Bamberg er israelitischen Gemeinde äußerte Erzbischof Schork, er bedaure aufs Tiefste den Antisemitismus und werde ihm entgegentreten.
Darmstadt, 6. Juni. Heute trat die „Evangelische Landessynode" in die Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Aufhebung der Accidenzien der evangelischen Geistlichen ein. Derselbe bestimmt, daß künftig sämtliche Geistliche die Annahme von Gebüh ren und Geschenken für Amtshandlungen verboten ist. Synodaler Hallwachs hebt hervor, daß nicht nur die zuständigen, sondern auch die nicht zuständigen und daher zur Amtshandlung nicht verpflichteten Geistlichen hiervon betroffen werden. Letzteres gehe weit, entspreche indessen einem Wunsch der Geistlichen. Bei der Abstimmung wird die allgemeine Verpflichtung der Geistlichen größerer Gemeinden zur Amtshandlung abgelehnt', dagegen den nicht zuständigen Geistlichen die Vornahme derselben gestattet. Findet eine solche statt, so ist eine Gebühr in den Kirchenfonds zu entrichten. Im Uebrigen sind die Gebühren und Geschenke beseitigt. Kirchenbuchauszüge und Stammbäume sind fernerhin zu bezahlen. Für Haustaufen, wo solche nicht vorgeschrieben sind, können größere Kirchengemeinden eine Gebühr festsetzen. Ein Antrag, für auswärtige Eheschließungen, Haustrauungen und kirchlichen Beerdigungen von Kindern unter 6 Jahren eine Gebühr erheben zu lassen, wird abgelehnt.
Aus Friedrichsruh wird gemeldet, daß Fürst Bismarck in diesem Jahre nicht nach Kissingen gehe, überhaupt von irgend einem Kurgebrauch ab- sehen wird, da sein Gesundheitszustand so vortrefflich ist, daß für ein Verlassen des Sachsenwaldes kein Grund vorliegt.
Leipzig, 4. Juni. Bei der Abstimmung der Leipziger Buchdruckergehilfen über die Kündigung des Tarifs stimmten 1592 für und 142 gegen Kündigung des Tarifs. Der Tarif wird also gekündigt und ist somit der erste Schritt zum beabsichtigten allgemeinen Lohnkampf, der unter Umständen schon demnächst beginnt, gethan.
Die „Franks. Ztg." schreibt: Das gleichmäßige Einerlei des Bochumer Steuerprozesses, die aktenmäßige Feststellung, daß gerade die steuerkräftigsteu Bürger zu gering, oft nicht einmal auf den vierten Teil ihres Einkommens eingeschätzt waren, wurde am fünften Tage der Verhandlungen, in geradezu sensationeller Weise unterbrochen. Gegen den ange- sehensten Kläger, den Geheimen Kommerzienrat Baare, erhob der Verteidiger des Angeklagten, Fusangel, die gravierende Beschuldigung, der Bochumer Verein, dessen Direktor Herr Baare ist, habe seit vielen Jahren bei Lieferung von Schienen und Lokomotiv- achsen systematisch Fälschungen zu betrügerischen Zwecken begangen und Herr Baare habe darum gewußt, sich also mitschuldig gemacht. Die Stempel, mit denen die Eisenbahnverwaltungen die Schienen und Achsen zu kennzeichnen pflegen, die ihre Ingenieure für feylerfrei befunden haben, sollen auf dem Bochumer Verein durch einen eigenen Graveur nach- ^emacht und diese Falsifikate sollen benutzt worden ein, um die als nicht fehlerfrei ausgeschiedenen Schienen und Achsen zu stempeln und dadurch lieferbar zu machen. Diese betrügerische und zugleich, weil die Betriebssicherheit der Bahnen gefährdende, auch gemeinschädliche Manipulation ist nicht neu, sie hat vor etlichen Jahren bereits einmal die Gerichte beschäftigt und zu Verurteilungen von Ingenieuren eines Werks in Osnabrück geführt. Es ist uns noch in Erinnerung, daß man auch damals versuchte, eme Mitschuld der Verwaltung festzustellen, wofür aber der Beweis nicht erbracht werden konnte. In dem Bochumer Fall ist Herr Baare direkt als Mitwisser bezichtigt worden; die Kläger behaupten, ausreichen
des Material zu besitzen, um diese Beschuldigung be weisen zu können, die, falls es sich so verhalten sollte, Herrn Baare mit zahlreichen Beamten und Arbeitern des Bochumer Vereins auf die Anklagebank bringen würde. Zunächst wird die Staatsanwaltschaft das Material zu prüfen haben; von dieser Prüfung hängt es ab, ob die Aufsehen erregende Denunziation, die die Verhandlungen des Steuer- Prozesses so dramatisch gestaltete, zu einer Anklage werden wird, die natürlich die Staatsanwaltschaft ex otlloio erheben müßte. Der Gerichtshof hat die Beleidigungsklage Baare's gegen Fusangel auf dem Steuerprozeß ausgeschieden und vertagt; es konnte nach Lage der Sache den von dem Beklagten angebotenen Beweis für die Stempelmanipulationen nicht ablehnen, durfte aber andererseits auch von Herrn Baare nicht verlangen, daß dieser sofort in die Sache eintrete. Bei der Stellung, die Herr Baare persönlich einnimmt — er ist Mitglied des Staatsrats — muß man der weiteren Entwicklung der Angelegenheit mit höchster Spannung entgegensehen."
Essen, 8. Juni. Gegen den Geheimrat Baare wird kein Strafverfahren auf Grund der Denunzia-
Stempeln auf minderwer- da sich die Beschuldigung
Die Kaiserin Friedrich bei Homburg belegenen
tion betr. Fälschung von tigen Scheinen erhoben, als grundlos erweist.
Homburg, 6. Juni, hat in der Nähe ihres
Schlosses Friedrichshof eine Ruine gekauft und dieselbe zu einem Krankenhaus einrichten lassen. Aus Soden und Homburg sind Krankenschwestern zur Pflege berufen. Die Kaiserin Friedrich selbst widmet dem von ihr ins Leben gerufenen Institut und testen Insassen die denkbar eingehendste, liebevollste Sorgfalt.
Berlin, 5. Juni. Die „Post" enthält die be- timmte Angabe, daß Rußland einen französischen Allianzvorschlag ablehnte. Nach Mitteilungen aus guter Quelle wäre das Allianz-Anerbieten Frankreichs vor mehr als Monatsfrist in Petersburg ge teilt worden, und zwar unter dem Eindrücke der Gerüchte über einen Zarenbesuch in Berlin und über die Einleitung deutsch-russischer Handelsvertragsverhandlungen. Man wollte in Paris Klarheit über die Lage gewinnen und, wenn möglich, der Gefahr der Isolierung Frankreichs Vorbeugen. Nach längerem Zögern erfolgte, der Abneigung des Zaren gegen bindende Entschlüsse entsprechend, die Ablehnung des französischen Antrags. Diese Ablehnung scheint in schonendster Form erteilt worden zu sein.
Berlin, 6. Juni. Der sozialdemokratische „Vorwärts" rechnet heraus, daß unter der Herrschaft der Kornzölle der Preis der Tonne Roggen jetzt glücklich bei 213 ^ angelangt sei und nur noch um 6 hinter dem mittleren Preise des Hungerjahres 1816/17 zurückstehe. Berücksichtigt man nun, was der „Vorwärts" wohl weiß, aber seinem Publikum säuberlich verschweigt, daß das Geld vor 70 bis 80 Jahren gut und gerne den dreifachen Wert hatte als jetzt, so müßte, um der Unterstellung des „Vorwärts" , daß Hungersnotpreise vor der Thüre stehen, eine annähernde Rechtfertigung zu verleihen, die Tonne Roggen heute statt mit 213, mit rund 600 ^ bezahlt werden. Und selbst wenn man von dem Sinken des Geldwertes gegen früher absehen wollte, wäre die Rechnung des „Vorwärts" immer noch gefälscht, weil sie den enormen Aufschwung des Durchschnittseinkommens der arbeitenden Volksklassen im Jahre 1891 gegen 1816/17 außer Betracht läßt. Ueberdies ist immer und immer wieder die alte Wahrheit zu erinnern: Dem Volk ohne Arbeit und Verdienst ist auch das billigste Brot noch zu teuer, während von den bei reichlicher Arbeitsgelegenheit reichlich verdienenden Arbeitern selbst hohe Lebens- mittelpreise mit Leichtigkeit getragen werden.
Die Erklärung, womit der Reichskanzler von Caprivi den Ansturm auf die Gctreidezölle abwehrte, findet auch in der öffentlichen Meinung Englands Beifall. Unter anderen äußert die „St. James Gazette" folgendes: „Die Aufhebung der Getreidezölle wäre einer Ueberschwemmung Deutschlands mit fremdem Weizen und der Vernichtung vieler Tausende von landwirtschaftlichen Kleinexistenzen gleichkommend. Und während die Getreidepreise nahezu auf das Niveau der Produktionskosten heruntergegangen sein würden, hätte der Brotkonsument nicht den geringsten Nutzen davon gehabt. Was
wir schon so oft und nachdrücklich betonten: ein mäßiger Getreidezoll macht dem Konsumenten nicht das Mindeste, dem einheimischen Produzenten sehr vieles, ja alles aus."
Die gestern abend stattgehabten Versammlungen der Sozialdemokraten in sämtlichen Berliner Reichstagswahlkreisen, um Einspruch gegen Getreidezölle zu erheben, verliefen ohne jeglichen Zwischenfall. In sämtlichen Versammlungen wurden Protest- Resolutionen angenommen.
Die „Deutsch-Sozialen Blätter" schreiben: „Von grundsätzlicher Wichtigkeit ist ein jetzt bekannt gewordener Erlaß der preußischen Regierung zu Münster, wonach es jüdischen Lehrern untersagt ist, den Unterricht im Deutschen und in der Geschichte zu erteilen, da diese Disziplinen von jüdischen Lehrern „nicht in der rechten Weise gelehrt werden könnten."
Nach der „Deutschen Bauzeitung" wird das Baugewerbe im Jahr 1891 für die Krankenversicherung mit 2 600 000 für die Unfallversicherung mit 8 400 000 für die Alters- und Invaliditäts- Versicherung mit 2 200 000 ^ belastet.
Die Vertragsverhandlungen mit der Schweiz nehmen einen minder günstigen Fortgang. Die Schweizer-Unterhändler erhöhen ihre Ansprüche und bezeichnen die aiigebotenen Konzessionen als nicht ausreichend, obschon ein günstiges End-Resultat nicht bezweifelt wird. Eine Verzögerung des Abschlusses ist aber voraussichtlich. Inzwischen sind die Verhandlungen mit Serbien so weit gediehen, daß der Beginn der Konferenzen in naher Aussicht steht. Die serbischen Delegierten treffen voraussichtlich bereits in der nächsten Woche ein.
In der „Nat.-Ztg." schreibt Graf Neina in Dresden: „Nachdem die „Spcrrgelder" nun der katholischen Kirche gegeben worden sind, ist es Pflicht der Protestanten, nun ihrerseits auf Erfüllung gerechter Wünsche zu dringen! Die evangelische Kirche Preußens ist im Laufe dieses Jahrhunderts um nahezu 200 Millionen zu kurz gekommen. Niemand denkt an deren Rückerstattung. Nicht Neid, verletztes Gerechtigkeitsgefühl ist es, was uns zur Aeußerung zwingt. Auf „Rom" sind unbegrenzte Rücksichten genommen worden, der Protestantismus ist arg „geschädigt" worden. Das ist Thatsache." (Die Reina sind eine anhaltische Familie; Graf Rudolf war preuß. Hauptmann.)
Auch ein Zeichen der Zeit. Der Kassier der sozialdemokratischen Partei, Abg. Bebel, veröffentlichte kürzlich im „Vorwärts" eine Quittung über die bei ihm im Mai eingegangenen freiwilligen Beiträge zum sog. Maifond. Recht bezeichnend ist in der Quittung folgender Vermerk: „Revolutionäre Konfirmanden zu Alt- und Neu-Gersdorf, erzogen durch Pastor M., 7,15 ^ü"
Die überseeische Auswanderung nimmt wieder zu. Nach dem letzten Monatshefte zur Statistik des deutschen Reiches sind im April d. I. über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam 22 407 deutsche Auswanderer befördert gegen 13 949 im April 1890.
Bcfterreich-Ungarn.
Wien, 7. Juni. Auf dem Getreidemarkt ist eine weichende Tendenz wahrzunehmen. Die Bemühungen der Hausse, die Welt an eine bevorstehende Mißernte glauben zu machen, sind an der Festigkeit der deutschen Reichsregierung gescheitert; trotzdem die Zölle bleiben, sind die Preise zurückgewichen; ein Beweis, wie das Publikum ausgebeutet worden wäre, wenn die Anschläge der Getreide- und Börsenjopper von Erfolg gekrönt gewesen wären. An der gestrigen hiesigen Getreidebörse war das Angebot von Weizen sehr stark, dagegen fehlte es an Kauflust; die Preise stellten sich um gute 50 Pf. billiger als vor acht Tagen. Korn war ebenfalls stark ausgeboten, ebenso Hülsenfrüchte.
Wien, 8. Juni. Eine Versammlung von 3000 Setzergehilfen beschloß die Fortsetzung des Streiks.
Graz, 5. Juni. Oberst Graf Hartenau ist an einem Magenleiden schwer erkrankt. Der Patient verträgt fast keine Nahrung, drei Aerzte behandeln ihn.
Die ungarische Polizei hat nach hartem Kampfe in der Pußta eine 50 Mann starke Räuberbande gefangen genommen. Viele schwere Verbrecher waren unter den Arrestanten.
Italien.
Rom, 7. Juni. In der vergangenen Nacht