Berliner Schloß stattgehabten Fahnenweihe brachte Kaiser Wilhelm II. folgenden Trinkspruch aus: ,?ro ßloria et xatria.« Das ist die Ueberschrift für den heutigen Tag. Es ist heute ein Tag des Gedenkens und Rückblicks. Wenn Ich heute für unser ganzes Land spreche, so thue Ich dies in der Erinnerung, daß am 18. April dereinst jener tapfere Wittenberger Mönch sein großes Wort sprach:Hier stehe ich, ich kann nicht anders!" Der erste, welcher dem un­erschrockenen Mönch Interesse entgegenbrachte, war ein Kriegsmann. Georg Frundsberg, der Luther zurief: 'Mönchlein, Mönchlein, Du thust einen schweren Gang!" Und Gott hat ihm diesen Gang gesegnet zum Heile unseres Volkes und besonders unserer Heimat. Manch ähnlichen Gang hat unser Volk und unser Haus, und mit ihm die preußische Armee gethan. DerAchtzehnte" ist stets ein Tag des Gedenkens für uns gewesen und wird es bleiben. Am 18. Januar war Preußen ein Königreich, am 18. April 1864 war es, als die preußische und österreichische Armee einem tapferen Feinde gegen­überstanden und ihm seine Verschanzungen entrissen! An diesem Gedenktage habe ich heute den Regi­mentern neue Fahnen und Standarten verliehen. Mögen die Regimenter ihrer Tradition treu bleiben und ihrer Geschichte gerecht werden : ,Lro xloria et xatria!« Mit Gott für König und Vaterland. Ernste Zeiten sind es, in denen wir leben. Deshalb wollen wir unsere Fahnen und Traditionen Hochhalten, ein­gedenk der Worte und Thaten eines Albrecht Achilles. In diesem Sinne bringe ich Meiner Armee und den heute von Mir beliehenen Regimentern ein drei­fachesHoch!"

Sicherem Vernehmen derMagdeb. Ztg." zufolge hat Fürst Bismarck das Gut Schönhausen seinem Sohne Herbert, Varzin seinem Sohne Wilhelm überlassen.

DeutscherReichstag. Sonnabendsitzung. Diezweite Beratung des Arbeiterschutzgesetzes wird bei den Bestimmun­gen über die Beschränkung der Frauenarbeit fortgesetzt. 8 137 lautet nach den Kommisstonsbeschlüssen: Arbeiterinnen dürfen in Fabriken nicht in der Nachtzeit von Uhr abends bis östz Uhr morgens und am Sonnabend, sowie an den Vorabenden der Festtage nicht nach Sstz Uhr nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre darf die Dauer von 11 Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von 10 Stunden nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause ge­währt werden. Wöchnerinnen dürfen vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt. Abg. Dr. Schädler (Ctr.) beantragt im Interesse des Familienlebens der Arbeiter, daß die tägliche Arbeitszeit verheirateter Arbei­terinnen nicht mehr als zehn Stunden betragen soll. Han­delsminister von Berlepsch erklärt, daß der Antrag nach dem Resultat der stattgefundenen Erhebungen für die verbündeten Regierungen unannehmbar sei. Abg. Schädler zieht hierauf seinen Antrag zurück. Abg. Hirsch (freis.) empfiehlt ebenfalls, sich mit den Kommissionsbeschlüssen zu begnügen, damit das Zustandekommen des ganzen Gesetzes nicht gefährdet werde. Abgg. Ulrich (Soz.) und Payer (Demokrat) treten dagegen für einen zehnstündigen Arbeitstag für verheiratete Arbeiterinnen ein, ebenso Abg. Bebel (Soz.) Gch.-Rat Königs betont, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen durchaus nicht so ausgedehnt fei, wie von den Vorrednern angenommen werde. Abgg. Müller (natlib.), Gutfleisch (freis.), beantragen, daß Arbeite­rinnen über :6 Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittags­pause aus der Fabrik zu entlassen sind, sofern diese Panse nicht mindestens Istz Stunden beträgt. Hiermit wird der ß 137 angenommen und H 138, welcher Kontrolbestimmungen enthält, wird debattelos genehmigt.

Die Verhandlungen über die Zuckcrsteuervor- lagc haben eine derartige Zerfahrenheit der Interessen und Meinungen ergeben, daß in dieser Session des Reichstags ein positives Ergebnis in dieser Ange­legenheit kaum zu erwarten ist. Herr v. Maltzahn erklärte, daß für die Regierung nur das Gesetz Wert habe, welches sofort einen erheblichen Mehrertrag liefere. Gelinge das nicht, so müsse die Sache aus unabsehbare Zeit vertagt werden.

Berlin, 20. April. DiePost" schreibt: Ge­genüber der in den letzten Tagen bemerkten Beun­ruhigung der öffentlichen Meinung ist es Pflicht, mitzuteilen, daß in der Mitte der Vorwoche von maßgebendster Seite die Versicherung gegeben worden ist, daß der Friede weniger denn je bedroht und das Verhältnis mit Rußland so gut sei, wie es seit langer Zeit nicht gewesen.

Der Verfasser derErnsten Gedanken", Oberst­lieutenant v. Egidy, gedenkt in Berlin eine große Pfingstversammlung abzuhalten, zu der jedoch nur diejenigen Zutritt erhalten werden, welche als Ge­sinnungsgenossen zu thatkräftiger Mitarbeit bereit

sind. DieErnsten Gedanken" sind bereits in 16 Sprachen übersetzt und gehen in Hunderttausenden von Exemplaren über die ganze Welt.

Die seit langer Zeit mit bitterer Not kämpfenden schlesischen Weber hatten sich bekanntlich vor einiger Zeit mit einer Jmmendiateingabe an den Kaiser gewandt. Am 16. d. M. ist ihnen nun vom Han­delsminister darauf Bescheid erteilt worden, in welchem ihre traurige Lage anerkannt wird. Das zur all­mählichen Beseitigung der chronischen Not empfohlene Hauptmittel ist dasselbe, welches von Kennern der Verhältnisse stets als das allein Richtige betont worden ist: Einführung neuer Erwerbszweige in die Weberdistrikte. Das ist es aber gerade auch, wovon die Weber durchaus nichts wissen wollen.

Das Koch'sche und Liebreich'sche Heilmittel. Die Universitätsklinik in Bonn hat die Versuche der Behandlung der Tuberkulose mit dem Koch'schen sowie mit dem Liebreich'schen Mittel eingestellt.

In Berlin ist jetzt ein Büchelchen erschienen, das den absoluten Reiz der Neuheit beanspruchen darf. Es ist einKochbuch von einem Junggesellen für einen Junggesellen."

Berlin. Der Wißmann-Dampfer ist nunmehr im Bau vollendet. Er ist ganz aus deutschem Stahl gebaut, ist 26 Meter lang, 5 Meter breit und 2,6 Meter tief von Deck bis Kiel. Das Gesamtgewicht beläuft sich auf 95 000 Kilogr. Zur Beförderung von Saadani bis an den Viktoria-Nyanza sind mindestens 3600 Träger erforderlich und 4 bis 5 Monate Zeit. Bei 40 ^ Trägerlohn für den Tag belaufen sich mithin die Kosten für den Transport von der Küste bis zum Viktoriasee auf 160 000 bis 200 000^. Von Europa gehen als Begleiter mit: Der Kapitän, der Erbauer, 2 Zimmerleute, 3 Kessel­schmiede, von Saadani noch der Führer und 2 Kesselschmiede.

Für das Offizierskorps der deutschen Ar­meen wird,' der Krzztg." zufolge, die Einführung eines grauen Paletots an Stelle des bisherigen schwarzen in Aussicht genommen. Es ist gerade die graue Farbe gewählt worden, weil dieselbe sich schon als praktisch bewiesen hat.

DieVoss. Ztg." und dieNat.-Ztg." bringen die Nachricht von der nahe bevorstehenden Aufheb­ung des Einfuhrverbots für amerikanische Schweine und Schweinefleisch. DieVoss. Ztg." knüpft daran die Mahnung, wegen der hohen Fleischpreise mit der Maßregel nicht unnötig zu zögern.

Geestemünde, 20. April. Die Stichwahl im 19. hannoverschen Wahlkreise ist auf den 30. April anberaumt worden.

Die Flaggen der Schiffe, welche einst die Deutsche Flotte" bildeten und 1852 unter den Hammer kamen, befinden sich, wie derHamb. Kour." mitteilt, in Detmold. Bis auf einige Exemplare sind diese Flaggen in einer Hand vereinigt; der Neffe des einstigen reaktionären lippischen Ministers Hannibal Fischer kaufte sie bei der berüchtigten Flotten-Auktion, die sein Oheim damals trotz der Entrüstung des deutschen Volkes ausführte. Der Neffe hat die Flaggen vor der Vernichtung bewahrt. Der jetzige Besitzer ist der Kabinetssekretär Fischer a. D. in Detmold.

Nach den bis jetzt abgeschlossenen Ermittelungen hat der Vorsteher der Reichsbanknebenstelle in Neiße 312 000 ^ unterschlagen. 180 000 ^ entfallen davon auf die Reichsbank, an der übrigen Summe sind zum Teilkleine Leute" beteiligt.

Befterreich-Ungarn.

Ungeachtet aller offiziösen Beschwichtigungen will eine gewisse unruhige Stimmung über die auswär­tige Lage nicht weichen. Zu den Dingen, welche diese Beunruhigung hervorgerufen haben, ist neuerdings der Umstand gekommen, daß der Kaiser von Oester­reich in der Thronrede jede Erwähnung des Drei­bundes vermieden hat, woraus ungünstige Schlüsse auf den Fortbestand desselben gezogen werden. Da­bei gehen Gerüchte, daß über die Verlängerung des letzteren eben jetzt verhandelt werde, doch auf den Wunsch Italiens mit einem Zusatz, welcher die rein defensive Tendenz des Vertrages noch stärker, als bisher, hervortreten lassen würde. Andere Nach­richten sprechen wieder von einer Dreikaiserzusam­menkunft im Herbst auf den österreichischen Hof­jagden, zu welchem Erzherzog Franz Ferdinand d'Este den Zaren neulich in St. Petersburg persön­lich eingeladen haben soll. Eine Nachricht, welche

sicherlich dazu angethan ist, günstig auf die öffent­liche Meinung cinzuwirken, kommt soeben aus Wien. Nach derselben sind durch eine kaiserlich-russische Verordnung wesentliche Erleichterungen im Grenz­verkehr mit Galizien bewilligt worden, welche zu­gleich als ein Beweis friedlicher und toleranter Ge­sinnung gelten dürfen. Uebrigens gehört die poli­tische Schwarzseherei zu den regelmäßigen Frühjahrs­erscheinungen, wodurch ihre Wirkung an und für sich schon wesentlich abgeschwächt ist.

Aus Wien wird offiziell bestätigt, daß nach der jetzt erfolgten Unterzeichnung des deutsch-österreichi­schen Handelsvertrages die beiden Staaten gemein­sam mit der Schweiz und Serbien wegen eines neuen Vertrages verhandeln werden.

Frankreich.

Paris, 19. April. Frau Boulanger klagt gegen ihren Mann auf Trennung des Vermögens, welcher Antrag dadurch motiviert wird, daß der Ge­neral durch seine Verurteilung die Verwaltung des Vermögens seiner Frau verloren hat.

Paris, 20. April. Die Anarchisten verbreiteten gestern an den Kasernen und Forts 50 000 Mani­feste, die zur Meuterei am 1 . 5. Mai auffordern.

DiePariser France" ist jüngst auf den inge­niösen Gedanken gekommen, unter ihren Lesern ein Plebiszit über die Frage:Was soll mit Tonkin geschehen" anzustellen. Sie veröffentlicht jetzt das Ergebnis desselben wie folgt: Von 10 000 einge­laufenen Antworten verlangen 2700 die Räumung Tonkins, und zwar: ohne weiteres 500, mit ver­schiedenen Einschränkungen 1000, um alle Streitkräfte gegen Deutschland verfügbar zu haben 1200; 7300 das Verbleiben in Tonkin: weil die nationale Ehre engagiert 1000, man muß einen großen Schlag führen und endlich Ruhe schaffen 3000, verschiedene Kom­binationen 300, man muß einen General an die Spitze Tonkins stellen 2000, man muß Jules Ferry dorthin senden 1000. Die letzteren 1000 haben offenbar einen schlechten Witz an den Mann bringen wollen, welcher Jules Ferry wehe thun soll. Der letztere wird jedoch darob sicherlich seine Ruhe nicht einbüßen.

Paris. Im Budget-Ausschuß wurde sestgestellt, daß das Defizit Tonkins 25 Millionen beträgt, ob­gleich erst im verflossenen November 18 Millionen zur Regelung der Finanzlage der Kolonie bewilligt worden sind.

Angers, 18. April. Die Direktion der Schie­ferbrüche in Trelaze, wo ein Teil der Arbeiter einen Streik begann, beschloß die Schließung der Arbeits­stätten. Die Zahl der arbeitslos Werdenden be­trägt 2000.

Serbien.

Exkönig Milan von Serbien ist am Sonn­tag früh nach Paris von Belgrad abgereist. König Alexander und die ganze Regierung begleiteten ihn per Bahn. Es heißt, Milan werde sich mit einer vornehmen französischen Dame verloben. Die Kö­nigin Natalie bleibt vorderhand noch in Belgrad.

Sie will nicht! Die Königin Natalie soll nun ebenso, wie ihr früherer Gemahl König Milan, fest versprechen, Serbien zu verlassen. Die eigen­sinnige Frau, deren Trotz ja schon lange bekannt ist, will aber nicht. Die serbische Regierung wird ihr nochmals im ernsten Tone zur Nachgiebigkeit raten; hilft auch das nicht, dann kann Madame Natilie eines schönen Tages außerhalb des Landes fein, bevor sie darüber recht im Klaren ist.

Griechenland.

Die Aufsehen erregende Nachricht, daß die Kron­prinzessin Sophie von Griechenland, dritte Schwester des deutschen Kaisers, nun doch zum griechisch-katho­lischen Glauben übertreten wird, wird bestätigt. Es ist aber unrichtig, wenn gesagt wird, der Konfessions- Wechsel sei schon von früher her in Aussicht genom­men. Im Gegenteil ist der Prinzessin bei ihrer Vermählung ausdrücklich das Recht gewährleistet, beim protestantischen Glauben bleiben zu dürfen. Man wird wohl so lange auf die junge Prinzessin in Athen eingeredet haben, bis sie nachgegeben hat. In Petersburg ist es bei der Großfürstin Sergius ja ebenso gewesen.

England.

Sozialdemokratische Zeitungen machen viel We­sens von einer in London erschienenen Brochüre, in welcher bewiesen sein soll, daß die Arbeitgeber- Vereine die Unterdrückung der Arbeiter-Vereine