wenn das Wahlresultat zu übersehen ist. Namentlich macht Bismarck seine definitive Entschließung ab­hängig von der allgemeinen Aufnahme seiner Kan­didatur.

Die Reichstagskandidatur des Fürsten Bismarc! im Wahlkreise Geestemünde ist nach allen Berichten hierüber durchaus nicht sosehr ernsthaft zu nehmen. Wie es scheint, liegt dem Fürsten daran, zu zeigen, wie groß seine Popularität in der Bevölkerung ist; daran, praktisch ein Mandat als Berufsparlamen­tarier auszuüben, denkt er nicht. Es hat also Nie­mand nötig, sich darüber den Kopf zu verbrechen, was geschehen würde, wenn der erste Kanzler des Reiches im Reichstage als einfacher Abgeordneter erscheinen würde. In zahlreichen Städten werden Vorbereitungen für die Feier des Geburtstages des Fürsten am I. April getroffen. Pfälzische Bismarcks­freunde wollen dem Fürsten Bismarck zu seinem Geburtstage am l. April einen goldenen Pokal und eine Sendung edelster pfälzischer Weine verehren. Eine Abordnung, an deren Spitze der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Dr. Buhl steht, soll das Ge­schenk demnächst überreichen.

Berlin, 12. März. Der Abgeordnete Windt- horst ist nicht unbedenklich an einer Lungenentzündung erkrankt. Gestern abend war er ohne Besinnung.

Berlin, 12.MäiH. Das BefindenWindthorst's ist gegen morgen etwas besser, eine Gefahr ist jedoch noch nicht ausgeschlossen. Der Kaiser fuhr vor­mittags vor und erkundigte sich persönlich nach dem Befinden des Patienten.

Das Wolff'sche Bureau meldet, daß gutem Ver­nehmen nach der Kaiser das Rücktrittsgesuch des Kultusministers genehmigt habe und ein Berliner Korrespondent meldet: Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahre, ist der Oberpräsident der Provinz Posen und Vorsitzende der Ansiedelungskommission Graf v. Zedlitz-Trützschler zum Kultusminister er­nannt worden.

Frankfurt a. M., 12. März. Der Berliner Korrespondent derFrkf. Ztg." meldet: Der politische Kern von Herrn v. Goßler's Rücktritt ist folgender: Das Zentrum verlangte seit länger als Jahresfrist seine Beseitigung, und mit Dr. Miquels Eintritt war die Sache eigentlich entschieden; denn Miquel wünscht, und zwar mit Erfolg, das Zentrum zu einer Regie­rungspartei heranzuziehen. Dazu aber mußte Herr v. Goßler beseitigt werden. Das Volksschulgesetz ist mit ihm definitiv beseitigt.

Berlin, 11. März. Das Berl. Tagbl. meldet aus Paris, es konstituiere sich ein neues Komite für Beschickung der Berliner Ausstellung.

Berlin. (Deutscher Reichstag.) Am Montag wurden die Forderungen für den Bau zweier Pan­zerschiffe zur nochmaligen Prüfung an die Budget­kommission zurückgewiesen. Alsdann wurde der Rest des Marine-Etats mit den von der Kommission vor­geschlagenen Abstrichen genehmigt. In erster Lesung beraten wurde alsdann der Gesetzentwurf über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches, sowie das internationale Ueberemkommen, betreffend den Eisenbahnfrachtverkehr. Beide Vorlagen gingen nach kurzer Debatte an eine Kommission von 21 Mit­gliedern über.

Berlin, 11. März. Die Budgetkommission des Reichstags nahm mit 19 gegen 4 Stimmen den Antrag Manteuffels an, je eine Million als erste Baurate für die Panzerfahrzeuge8" undII" zu bewilligen, desgleichen den Antrag Rickert-Ballestrem, wonach die im Etat 90/91 für die Kreuzerkorvette L" bew.lligte erste Rate von 2 300 000 in Wegfall kommt und als erspart nachzuweisen ist.

Frankreich.

Die französischen Maler sind in eine Sack' gasse geraten und werden deshalb jetzt von ihren eige­nen Landsleuten kräftig verhöhnt. Sie haben erklärt daß sie nicht nach Berlin gehen würden, während ihre Bilder sich bereits in Stuttgart befinden, wo sie auf der dortigen internationalen Gemälde-Ausstellung zu fehen sind. DerFigaro" macht sich darüber lustig, daß einige jener Pariser Maler, deren Bilder sich jetzt in Stuttgart befinden, gegen die Beschickung der Berliner Ausstellung protestiert haben.Sie hatten vergessen," schreibt derFigaro",daß Stuttgart in Deutschland liegt."

Paris, 10. März. Bekanntlich läßt Deroulede Medaillen mit dem Bildnisse von Jeanne d'Arc prägen, um die Helden zu belohnen, welche gelegent­

lich der Anwesenheit der Kaiserin Friedrich das Va­terland gerettet haben. DerSoleil" bemerkt hiezu: Die Stellung Derouledes in Frankreich ist höchst merkwürdig. Dieser Teufel von einem Menschen, der immer in Feuer ist, bildet ein Hauptrad in der republikanischen Staatsmaschine. Er gehört der Re­gierung nicht an. allein er ist eine Art Regierung für sich. Er hat seine Minister, Beamten und Sol­daten. Jetzt verteilt er sogar Orden. Er hat einen Staat im Staate gegründet. Die Regierung mag Deroulede nicht, schont ihn aber. Sie verhandeln mit ihm, wie eine Macht mit einer andern. Nimmt die Politik eine schlechte Wendung, sofort fragt man sich: Was wird Deroulede thun? Wird er interpel­lieren? Wird er zum Volke herab steigen? Wird er schweigen? Man schickt außerordentliche Gesandte zu ihm, um seine Stimmung zu ergründen. Ein Stirnrunzeln dieses Heldey scheint das Zeichen eines Gewittersturmes zu sein. Ist sein Gesicht heiter, so beruhigt man sich. Selbst sein untadliger Ueber- zieher ist Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit, da in seinen Falten Krieg oder Frieden verborgen sind. Bis jetzt hat der große Mann seine ungeheure Macht noch nicht benutzt, um dem Frieden Frank­reichs den Krieg zu erklären. Wir sind ihm sehr dankbar dafür, denn iu diesem Falle müßte ihm die Regierung und das Volk folgen.

Paris, 11. März. Zum erstenmale seit 1870 wurde ein deutscher Professor Prof. Rindfleisch in Würzburg als Mitglied der Akademie de Medicine gewählt.

Nach Meldungen aus Paris hat jetzt der dor­tige Arzt Dr. Lay die Behandlung von Schwind­süchtigen mit dem von Prof. Liebreich in Berlin entdeckten Mittel in größerem Maßstabe begonnen. Die Erfolge sollen besser sein, als bei den Versuchen mit dem Koch'schen Tuberkulin. Ob das Liebreich'sche Mittel eine definitive Heilung bringt, vermag aller­dings heute noch Niemand zu sagen.

Paris, 11. März. DerTemps" meldet aus Tunis: In Menzel bei Gabes ist die Synagoge eingestürzt; zahlreiche Kinder wurden verschüttet; bis­her wurden 4 Leichen aufgefunden.

Italien.

Rom, 10. März. Am Sterbebette des Prinzen Jerome Napoleon fand eine erschütternde Szene statt; der Vater verweigerte hartnäckig dem Prinzen Viktor den Empfang, worauf der Sohn sofort das Hotel verließ.

Rom, 11. März. Prinz Viktor ist von seinem Vater gestern abend empfangen worden.

Rom, 10. März. Seit einigen Tagen erregt eine Meldung ungeheures Aufsehen, welche die italie­nischen Unterbehörden in Massaua, namentlich den Carabinirie-Lieutenant Livraghi, einer ganzen Reihe von Morden beschuldigt. Angeblich sind Hunderte von Eingeborenen auf meuchlerische Weise beseitigt worden und Livraghi und Genossen, welchen die Ausübung der Polizei in Massaua zustand, berei­cherten sich an dem Vermögen ihrer Opfer. Die An­gelegenheit wird nunmehr die Gerichte beschäftigen; denn Livraghi ist in Lugano verhaftet worden.

Serbien.

Belgrad. Der Staatsanwalt hat gegen Gara- chanin infolge der von König Mrlan erhobenen Beschuldigung bereits die Klage angestrengt. Der Ex-König erklärt, er sei seit 1887 im Besitz eines eigenhändigen Briefes, welchen Garaschanin an seine an dem Mordversuch der Markowitsch unschuldige Verwandte Lenka Knitschanin geschrieben, die später auch im Gefängnis erdrosselt gefunden wurde. In diesem Briefe sagt angeblich Garaschanin wörtlich: Ich freue mich, daß du jemanden gefunden hast, der die That verübt, und bedaure nur, daß es ein Weib ist. Möge ihre Hand nicht zittern." Der Brief war mit G. unterschrieben, kurz vor dem Mordversuch datiert und wurde unter den Papieren der Ermordeten aufgefunden.

England.

Aus London wird berichtet: Die Königin Vik­toria tritt die Reise nach der Riviera am 23. d. M. an. Kaiserin Friedrich wird bereits am 18. nach Deutschland zurückkehren.

London, 10. März. Die Deligierten der gegen >0000 Mitglieder zählenden Bergmannsföderation von Nordwales beschlossen auf einer gestern abend in Wresham abgehaltenen Versammlung, die Bill Pickards in Betreff des achtstündigen Arbeitstages

zu unterstützen und sich den Beschlüssen der nächsten internationalen Pariser Konferenz zu fügen.

Eine gestern erfolgte Explosion des Konden­sators in der Eisengießere von Dixon in Glasgow hat über 40 Opfer gefordert, deren meiste furchtbar verstümmelt sind.

Ein ganz gewaltiger Schneesturm hat ganz England, Schottland und Irland heimgesucht, wobei eine sehr strenge Kälte, bis zu 17 Grad, herrschte. In Nordwales sind 4000 Schafe vom Sturm über­rascht und umgekommen. Die Telegraphenverbindung ist vielfach gestört.

Amerika.

New-Aork, 8. März. Eine Depesche aus Jnquique meldet, die Truppen der Congreßpartei hätten die Regierungstruppen bei Pozo al Monto, 25 Meilen von Jnquique, geschlagen. Die ganze Provinz Tarapaca sei jetzt in der Verwaltung der Congreßpartei. Die Ruhe in Jnquique sei wieder hergestellt.

New York, 9. März. Ein Orkan in den chi­nesischen Gewässern vernichtete 27 Schiffe, wobei 300 Menschen ums Leben kamen.

Ueber die Revolution in Chile, die nun bald 2 Monate dauert, treffen stetig widersprechende Nach­richten ein, doch mehren sich neuerdings die Anzei­chen, daß die Insurgenten die Oberhand behalten. Wie traurig es auf Seiten der Regierungspartei aussieht, zeigt u. a. die Nachricht, daß drei Bataillone der Regierungstruppen in der Nähe von Pisagua ihre eigenen Offiziere erschossen, sich für die Revo­lution erklärt und sich dann den Aufständischen an­geschlossen haben. Nach in Berlin eingegangenen Meldunen haben chilenische Schiffe, offenbar solche der Aufständischen, am 28. v. Mts. den Hafenplatz Arica in Blokadezustand versetzt.

In Buenos-Aires und ganz Argentinien ist die finanzielle Lage eine ganz verzweifelte. Wenn nicht noch in letzter Stunde ein Wunder passiert, ist der allgemeine Staatsbankerott fertig.

Ein Telegramm derTimes" aus Buenos Aires besagt: Einem halbamtlichen Berichte zufolge erschossen drei Bataillone des 4. Regiments der Re­gierungstruppen in der Nähe von Pisagua ihre eigenen Offiziere und erklärten sich für die Revolution.

Afrika.

Bei Di na am Niger in Afrika hat ein heftiger Kampf zwischen den französischen Truppen und den Eingeborenen stattgefunden. Die Ersten hatten !I Tote und mehrere Verwundete, die Letzteren an 600 Toten.

Rußland.

Die Kaiserin von Rußland wird, wie der Kölnischen Zeitung" aus St. Petersburg berichtet wird, nach Griechenland reisen, um ihren kranken Sohn, den Großfürsten Georg, zu sehen, der von Algier nach Korfu gehen soll. Die Krankheit des Großfürsten besteht in einer Neigung zur Schwind­sucht in Folge einer verschleppten Lungenentzündung.

Wie derKölnischen Zeitung" aus Paris ge­meldet wird, soll die Gemahlin des Großfürsten Sergius von Rußland, die zweite Tochter des Großherzogs von, Hessen, welche, seit sechs Jahren verheiratet, bisher'ihren lutherischen Glauben bewahrt hat, gesonnen sein, nunmehr zur griechisch-orthodoxen Kirche überzutreten. _

Handel und Berlehr.

Stuttgart, 2. März. (Landesproduktenbörse. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, daher., 21.25 bis 21.50, dto. rumSn. ^ 22.75, Weizen, Land, 19.40, Dinkel 14, Haber prima 16.50.

Stuttgart, 2. März. (Mehlbörse.) Suppengries 33.50-34, Mehl Nro. 0 X 34-34.50, Nro. 1 ^ 32. bis 32.50, Nro. 2 30.5031, Nro. 3 ^ 28.5029.50,

Stro. 4 2525.50, Kleie mit Sack 9.80 per 100 Kilo.

Ulm, 10. März. Die heute zu Ende gegangene Tuch- und Ledermesse hat, betreffs des letzteren Artikels, zufrieden­stellende Resultate ergeben, während dieselben in Bezug auf elfteren gleich Null sind. Es stelltt sich mehr und mehr heraus, daß die Abhaltung einer Tuchmesse keinen Wert mehr besitzt und die Marktkommission dürfte demgemäß bei der Stadtvertretung beantragen, die Messe fernerhin nurmehr auf Leder zu beschränken. Früher, als in Göppingen noch ein halbhundcrt Tuchmacher ihr Gewerbe betrieben, stand die Ulmer Tuchmesse in hoher Blüte, nachdem nun aber kaum ein halb Dutzend Tuchfabrikanten in Göppingen mehr arbeiten und die sächsische Tuchmanufaktur dominierend auf den Markt drückt, hat die hiesige Messe in diesem Artikel alle Bedeutung verloren. ___

Hiezu das Uuterhaltuugsblatt Nr. 11 u. eine Beilage.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser'scheu Buchdruckerei-