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Stuttgart, 16. Dez. (Jubiläum.) Am gestrigen Tage waren es 25 sZahre, seit das Han­delsgesetzbuch in Württemberg eingesührt wurde und mit ihm die Handelsgerichtsordnung in Kraft trat, welche erstmals die Grundsätze der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, sowie die Mitwirkung von Laien (Handelsrichtern) im Civilprozeßverfahren in Würt­temberg zur Geltung brachte. Zur Feier dieses Tages versammelten sich die jetzigen und früheren Mitglieder der Kammer für Handelssachen, die jetzi­gen und früheren Vorsitzenden derselben zu gemein­schaftlichem Mahl im Hotel Marquardt. Se. Exz. der Herr Justizminister, der Herr Präsident des K. Landgerichts nnd der Vorstand der Handels- und Gewcrbckammer wohnten der Feier als Gäste bei.

s Die Bewegung gegen Zulassung der Jesuiten im deutschen Reiche zieht immer weitere Kreise. Aus Stadt und Bezirk Göppingen ist z. B. neuestens eine Eingabe an den Reichstag mit über 5000 Un­terschriften abgegangen. In Augsburg sprach der Bürgermeister Fischer in einer aus Protestanten und Katholiken gemischten Volksversammlung unter gro­ßem Beifall sich dahin aus, daß im Interesse des ferneren friedlichen Zusammenlebens zwischen Pro­testanten nnd Katholiken auch diese, soweit sic den Frieden wollen, eine Rückkehr der Jesuiten nimmer­mehr wünschen können. Auch widerstreite es schnur­gerade dem Sinne des Dreibunds, auf dessen unge­störtem Bestand der Friede ruht, wenn Deutschland den geschworenen Feinden des geeinigten Italien seine Grenzen öffnen, denjenigen, deren politisches Ideal eingestandenermaßen darin besteht, die Haupt­stadt Nom wieder an den Papst zu bringen.

Vorläufige Ergebnisse der Volkszählung: Baiersbronn 5906, Gaildorf 1736, Horb 2200, Künzelsan 2896, Lausten a. N. 3792, Münsingen 1699 Einwohner.

Zum Inkrafttreten der Altersversicherung. Daß auch Schneiderinnen, Näherinnen, Wasch- und Scheuerfrauen der Alters- und Invalidenversicherung unterliegen, dürfte noch nicht genügend bekannt sein. Es kann denselben durch Beschluß des Bundesrats oder für den Bezirk einer Versicherungsanstalt sta­tutengemäß gestattet werden, ihre Beiträge im Voraus selbst zu entrichten. In diesem Fall aber steht ihnen nach § 111 des betr. Gesetzes ein An­spruch 'auf Erstattung der Hälfte des entrichteten Beitrages gegen denjenigen Arbeitgeber zu, welcher die Versicherte zuerst beschäftigt.

Verjährung von Forderungen betreffend. Mit dem 1. Januar 1891 verjähren alle vor dem I. Januar 1887 entstandenen Forderungen, welche dem täglichen Verkehr bezw. der Befriedigung der gewöhn­lichen Lebensbedürfnisse ihr Dasein verdanken: so Forderungen der Fabrikanten, Kauflente, Handwerker, Wirte und Kostreicher für Beherbergung und Ver­köstigung, Arbeiter und Dienstboten wegen rückstän­digen Lohnes, Frachtführer für Frachten, Lehrer, Schriftsteller und Nerzte re. für Honorar, Forderun­gen aus periodischen Leistungen, aus ständigen For­derungsverhältnissen, Pacht, Mietsgeloer re.

Karlsruhe. DieB. Pr." berichtet: Unser Mitbürger Herr Berger reiste vor ca. 14 Tagen in Begleitung seiner Gattin nach Berlin, um das neue Heilmittel zu versuchen. Ec wurde an Dr. Levy verwiesen, welcher gleich fragte, ob er reich sei; für eine Einspritzung forderte er 300 ^ Der Kranke glaubte sich auf die erste Einspritzung besser zu fühlen, ließ sich nochmals eine Einspritzung geben und zahlte wieder 300 ^ dafür, dieser folgte eine dritte, für welche nur noch hundert ^ verlangt wurden. Nach der dritten Einspritzung bekam der Kranke starkes Fieber und es wurde zu Herrn Dr. Levy gesandt, an seiner Stelle kam ein Assistenz­arzt und forderte für diesen einfachen Besuch 50 Herr Berger starb. Als Herr Dr. Levy hörte, daß sein Stellvertreter für den Besuch 50 ^ ver­langt habe, habe er gesagt:W.'s! dieser Schwind­ler!" Die Sache wurde durch Berliner Blätter bekannt und der Ehrenrat Berliner Aerzte erkun­digte sich persönlich bei der Witwe über die nähe­ren Umstände, woraus Dr. Levy die empfangenen 700 -/-k für die dre: Mffpritzungen der Witwe wieder einhändigte.

Kommerzienrat S e dl m.a h e r in München spen­dete anläßlich seiner gT "-"iizcit 20 000 ^ dem Stadtarmenfonds zur soforti­

gen Verteilung.

Das Gymnasium in Kassel, dessen Bänke Kaiser Wilhelm II. als Prinz geziert hat, ist durch die vielbesprochene Rede seines ehemaligen Zöglings über die Mängel nnd Aufgaben des höheren Schul­unterrichts hart mitgenommen worden. Es sprang in die Augen, daß gewisse allgemeine Vorwürfe, die der Kaiser gegen die Gymnasialbildung erhoben hat, sich aus die eigenen Erfahrungen stützten; er hat aber außerdem ganz direkt für die Uebcrbürdung mit häuslichen Arbeiten, für die mechanische Anfertigung lateinischer Aufsätze und besonders für einen auffallend lückenhaften Unterricht in der Geschichte die Anstalt verantwortlich gemacht, der er seine Bildung ver­dankt. Es sind inzwischen dem von so hoher Stelle angegriffenen Gymnasium in der Presse Verteidiger erwachsen, die bestätigen, was man von Anfang an vermuten konnte, daß die Beobachtungen und Erin­nerungen des Kaisers nicht ganz den Thatsachcn entsprechen, und daß der ehemalige Schüler, nament­lich wenn er unter den besonderen Verhältnissen eines Thronerben die Schule besucht hat, doch nicht immer ein kompetenter Beurteiler der Lehrer und des Lehrplans ist. Es ist vor allen Dingen nach­gewiesen worden, daß die sehr auffällige Behauptung des Kaisers über den ganz unzulänglichen Unterricht in der preußischen Geschichte auf dem Kasseler Gym­nasium sich dadurch erklärt, daß Prinz Wilhelm die Anstalt zwei Monate früher verlassen, das Geschichts­pensum also nicht ganz durchgenommcn hat. Der Lehrer, welcher den Kaiser auf dem Kasseler Gym­nasium in Geschichte unterrichtet hat, Herr Dr. Hart­wig, jetzt in Frankfurt a. M., gehört der Berliner Schulkonserenz als Mitglied an und man erzählt, daß dieser Herr entschlossen war, an der Hand des Lehrplans ans den Schuljahren *dcs Prinzen Wil­helm in einer Sitzung der Konferenz den irrtümlichen Behauptungen des Kaisers entgegenzutretcn. Dazu ist es aber nicht gekommen, durch Herrn Hinzpeter ist der Kaiser überzeugt worden, daß seine Äuße­rungen über das Kasseler Gymnasium mcht zutreffend waren. Er soll darauf selbst an Herr Dr. Hartwig einen Brief gerichtet haben, der diesen der Aufgabe enthob, sich und die Anstalt, an welcher er Lehrer war, zu rechtfertigen. Außerdem aber hat, wie auch in einem der Protokolle desNeichsanz." berichtet worden ist, Herr Hinzpeter in der Konferenz dem Kasseler Gymnasium das Zeugnis ausgestellt, daß es seine Aufgabe voll gelöst habe, wie ja sein eige­ner kaiserlicher Zögling beweise. Diese zuerst auf­fällige Erklärung Hinzpeters ist also nicht, wie mau zunächst annehmen mußte, im Gegensatz zum Kaiser, sondern mit dessen Einverständnis erfolgt.

Berlin, 18. Dez. Die Kaiserin ist gestern abend von einem gesunden Prinzen glücklich entbunden worden.

Berlin, 18. Dez. In der gestrigen Schluß­sitzung der Schulrcformkonfcreuz erklärte der Kaiser, seine Aeußernngcn in der Eröffnungs­sitzung seien mißverstanden worden. Ferner hob derselbe hervor, daß die Hohenzollern immer mit Erfolg an der Spitze der Zeitbestrebungen gestanden seien; nur dem König Friedrich Wilhelm IV. sei dies nicht gelungen. Der Kaiser befand sich gestern im Opernhaus?, wo derTannhäuser" ge­geben wurde, als die Entbindung der Kaiserin erfolgte. Der Kaiser verließ das Haus und ließ dem Publikum nach dem Schluffe des zweiten Aktes die erfreuliche Mitteilung von der Bühne machen.

Personen, welche in letzterer Zeit mit dem frü­heren Reichskanzler verkehrt habe», sprachen sich darüber aus, wie ruhig der Fürst geworden sei. Er läßt wohl seinem kaustischen Humor in der Unter­haltung die Zügel schießen, ist aber höchst sparsam mit Mitteilungen aus seiner früheren Thätigkeit. Sein Befinden ist das beste.

Wie aus Hamburg gemeldet wird, geriet der Gepäckwagen des Fürsten Bismarck bei Schwar- zenbcck in Brand und mußte ausgesetzt werden. Der Fürst kam nun deshalb in Friedrichsruh ohne Gepäck an.

Berlin, 17. Dez. Fürst Bismarck ist mit sei­ner Gemahlin, dem Grafen Wilhelm v. Bismarck und dem Grafen und der Gräfin Rantzau heute nachmittag 5°/t Uhr hier auf dem Stettiner Bahn­hof eingetroffen und von dem zahlreich versammelten Publikum, welches den GesangDeutschland, Deutsch­land nbxr alles" anstimmte, enthusiastisch begrüßt

den.

Berlin. Dem Reichstag gingen 223 Petitionen für, 681 gegen die Aufhebung des Jesuitenge­setzes zu.

Berlin, 16. Dez. Aus Dr. Lcbbertz' Privat­praxis wird jetzt ein neuer Todesfall nach der Behandlung mit Koch'schcr Lymphe bekannt. Der Sohn des Hrn. Simons aus Elberfeld, welcher vom Abg. Dr. Graf (Elberfeld) Koch zugeführt worden war, wurde von Koch und Libbertz gemeinsam be­handelt. Nach wenigen Injektionen trat der klod unter so eigenartigen Erscheinungen ein, daß Koch selbst erklärte, hier sei der erste Fall, wo mit Si­cherheit anzunehmen sei, daß die Injektionen den Tod veranlaßt hätten.

Das Bildnis des Professors Dr. Koch findet man jetzt schon auf den bekannten gedruckten Kattun- s taschcntüchern. Dieselben werden in Berlin auf dem Christmarkt alsMittel gegen Nasentuberkulose" auSgeboten.

DieHamb. Nachr." fordern zur Vorsicht auf bezüglich des Koch'schen Mittels. Es sei verfrüht gewesen, wenn sich Minister Goßler sofort für die Verstaatlichung des Mittels ausgesprochen habe. Besser wäre es, das haftbare Eintreten des Staates für das neue Mittel so lange zu vertagen, bis volle, durch hinlängliche Erfahrungen verbürgte Klarheit darüber vorliege, was das Mittel wirklich leiste und ob seine Anwendung nicht in irgend einer Weise schädlich wirke.Der preuß. Staat würde weise handeln, wenn er einstweilen noch zögerte, seine Firma", um mit Herrn v. Goßler zu reden, als Bürgschaft auf die Etiquette eines Geheimmittels zu r setzen, von dem man. im günstigsten Falle, sagen il

kann, daß seine Wirkungen noch nicht genügend er- "

probt worden sind, von dem man im großen Gan­zen nur weiß, daß cs Fieber erzeugt, daß Leute s daran gestorben sind und daß die völligen Heilerfolge einstweilen sehr beschränkt zu nennen sind gegenüber den großen Erwartungen, die im preuß. Abgeordne­tenhaus hcrvorgerusen wurden.

Schweidnitz, 14. Dez. lieber das Mittel gegen Diphtheritis des Glogauer Wuudcrmannes Rieger werden folgende Mitteilungen gemacht: Zum Ein­pinseln des Mittels benützt Rieger große Gänse­federn, die sogenannten Posen, die bis ans den ober­sten, weichsten Teil von den Fedcrchcn befreit sind. Das Mittel löst den Belag und wirkt abführend, reizt auch etwas zum Erbrechen; erstere Wirkung soll aber die Hauptsache sein. Nicht eher als 1 Stunde nach der Behandlung darf der Kranke etwas trinken, so sehr er auch nach einem lindernden Trunk ver­langen mag. Der Preis, den Rieger vom Staate für das Heilmittel verlangt, soll ziemlich hoch sein; man spricht von 150 000 bis 200 000 Ein ge­lehrter Arzt erklärt die ganze Sache für Schwindel.

Frankreich.

Der Journalist La Vruyorc erzählt imEclair", er habe Padlewski nach der Ermordung des Ge­nerals Seliwcstrow verborgen gehalten; dann sei er mit ihm über Italien und Triest gereist, von wo Padlewski wahrscheinlich nach Amerika abgesegelt sei. Padlewski habe Seliwcstrow getötet, weil letz­terer die russischen Flüchtlinge zu einem nihilistischen Komplott anstiften wollte, um dem Zaren seinen Eifer zu beweisen. Die Blätter überhäufen La Bruyöre mit Vorwürfen; er habeunpatriotisch" gehandelt, denn er habe den Zaren und Rußland beleidigt. Man streitet darüber, ob La Bruysre verhaftet werden könne, lieber die Beweggründe zu seiner Handlungsweise befragt, erklärte La Brnyore, er habe einen politischen Verbrecher retten und zu­gleich ein außergewöhnliches Reporterstück ausführen wollen. Der Stationschef des Pariser Lyoner Bahn­hofs erklärt übrigens in den Zeitungen den Passus des Berichts für vollständig erfunden, wonach er an La Bruyöre eine Empfehlungskarte an den Stations- ches des Grenzbahnhofs in Modane gegeben haben sollte. Auf der Polizeipräfektur ist man der Ansicht, daß die von La Bruyöre imEclair" veröffentlichten Mitteilungen erfunden seien.

Die Pariser Justizbehörden haben beschlossen, gegen alle Behörden, welche sich an der Begünsti­gung der Flucht des Mörders Padlewski beteiligt haben, einzuschreiten.

Dieser Tage hat der Hundezüchter Schopmann in Paris eine Bernhardinerhündin für 52000 Franks erworben; ein Hund derselben Rasse ist kürzlich für 25 000 Franks verkauft worden.