Stuttgart, 23. Nov. (Deutsche Partei.) Heute wurde hier im Museum eine aus fast allen Landesteilen zahlreich besuchte Versammlung von Vertrauensmännern der deutschen Partei abgehalten. Die Verhandlungen, deren Vorsitz Dr. v. Göz führte, begannen mit einer Klarlegung des Standes des Parteiorgans, dann wurden die neuen Satzungen der Partei genehmigt und Organisationsfragen besprochen und Mitteilungen über die Bildung neuer Bezirksvereine gemacht. Schließlich kam auch die Verwaltungsreform-Vorlage zur Sprache. Was die Frage der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher an- bclangt, so beschloß man, daß dieselbe keine Parteifrage, sondern eine offene sein soll. — Den Verhandlungen folgte ein gemeinsames Mittagessen.
Stuttgart, 23. Nov. Eröffnung des Arbeiterheims. Heute wurde das neue Arbeiter- Heim in der Hensteigstraße eröffnet, ein in seinem Aeußern sich sehr schmuck, man möchte sagen prunkvoll ausnehmendes Gebäude. Dieses neue Arbeiter- Heim ist mit Hilfe des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen aus dem ehemaligen Arbeiterbildungsverein hervorgegangen. Es enthält außer einem großen Festsaal, Restaurationsräumen rc. auch Wohnungen mit 160 Betten, einfach aber nett eingerichtet, wo den Arbeitern Gelegenheit gegeben ist, für 5 Mark monatlich Unterkunft zu finden. 138 Betten sind jetzt schon besetzt. Auch sehr zweckmäßig eingerichtete, für den Fortbildungsunterricht der Arbeiter bestimmte Räume find vorhanden, ferner Lese- und Spielzimmer. Alle Räume sind elektrisch erleuchtet. Dem heutigen Einweihungsakt wohnten zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten bei. Auch der Minister v. Schund war anwesend. Die Festrede hielt Hofrat Pfeiffer, welcher neben dem Reichstagsabgeordnetcn Geh. Com.-Rat Gustav Siegle u. A. einer der Hauptstiftec des Arbeiterheims ist, welches seinen Zweck, das sittliche und materielle Wohl der Arbeiter zu fördern, zweifellos in vollem Maße erfüllen wird.
Aus allen Teilen unseres Landes liest man von Hochwassern, z. B. Cannstatt, Eßlingen, Waiblingen, Murrhardt, Heilbronn, Tübingen, Wild- bad, Freudenstadl, fFriedrichsthalWer mußte die Feuerwehr ausrückenl, Geislingen, Hall, Crailsheim, Heidenheim und Ellwangen. — Auch außerhalb Württembergs werden aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands, sowie aus Böhmen Ueberschwemmun- gcn gemeldet.
Wildbad, 24. Nov. Bei der heute stattgehabten zweiten und letzten Versteigerung des Hotel Frey kam dasselbe in den Besitz des Herrn Wilhelm Großmann, jun., Sohn des W. Großmann zum Löwen, um den Preis von 190 000 ^ samt Inventar.
11 lm, 24. Nov. Wie schon kurz berichtet, war der Zuzug von Fremden auch zu den heutigen Versammlungen des Katholikentags ein ganz enormer. Die Sonderzüge haben deren wohl an die 16 000 gebracht. Zur Bewältigung des Andrangs hielt das Konnte im Saa'e des kath. Gcscllenhauses und im Gasthof zum „Greifen" heute je 2 Nebenversammlungen in denen die früher schon erwähnten Redner abwechslungsweise auftraten. Als aber trotzdem ein größerer Teil der Eingetroffenen hätte wieder nach Hause reisen müssen, ohne einen der Redner gehört zu haben, entschloß man sich zur Abhaltung einer weiteren Versammlung heute nachmittag um Uhr im Raume des Privatreithauses. Dort sprachen noch Oberbürgermeister llntcrsee über die Sozialdemokratie und Bankdirektor a. D. Probst über die Orden. Letzterer brachte zum Schluß noch ein Hoch auf Seine Heiligkeit den Papst, den deutschen Kaiser, auf den König Karl und den Bischof Hefele aus, worauf einer den Versammelten den bewährten Führer der Katholiken Württembergs, den „schwäbischen Windlhorst", Bankdirektor a. D. Probst hochleben ließ. Mit den heute abend ab^egangenen Zügen ist die größere Zahl der Teilnehmer am 1. württ. Katholikentage wieder nach Hause gereist. — Nach einem heute abend zirkulierenden Gerüchte soll von protestantischer Seite die Abhaltung eines Prote- stantentagcs in Anregung kommen.
Dresden, 22. Nov. In der ersten Sitzung des im Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Gesetz vorgesehenen Ausschusses der Versicherungsanstalt für das Königreich Sachsen wurde annähernd sest- gesteUt, das; bei Inkrafttreten des Gesetzes im Kö
nigreich Sachsen eine Million Versicherungspflichtige vorhanden sein würden. Zur Aufbewahrung der Quittungskarten der Versicherten, sowie für die Geschäfte der Anstalt soll in der Neustadt ein eigenes Gebäude errichtet werden.
Berlin, 23. Nov. Der Kaiser hat der Königin-Witwe von Holland telegraphisch sein Beileid ausgesprochen. Prinz Albrecht, Prinzregent von Braunschwcig, wird den Kaiser bei der Beisetzung des Königs vertreten.
Berlin, 25. Nov. Bei dem gestrigen parlamentarischen Diner beim Reichskanzler v. Caprivi unterhielt sich der Kaiser nach Tische besonders mit Finanzminister Dr. Miguel und Herrn v. Rauchhaupt, ohne den nahesitzenden Windthorst besonders zu beachten. Der Kaiser äußerte unter anderem, daß alle dogmatischen Zänkereien ihm abhold seien. Er tadelte die Unfruchtbarkeit der sozialdemokratischen Kongresse und derjenigen Politiker, die zur Mitwirkung bei der positiven Fortentwicklung der Gesetzgebung der Staatsverwaltung nichts leisteten und sich auf eine zersetzende Kritik beschränken. In Bekämpfung der umstürzlerischen Bestrebungen müsse man mit Umsicht und Energie weiter Vorgehen.
Die Anhänger des Herrn Stöcker in Berlin wollen für diesen ein eigenes Gotteshaus bauen, welches den Namen Friedenskirche erhalten soll.
Berlin, 22. Nov. (Abgeordnetenhaus.) Abg. Richter greift die Steuervorlagen heftig an und vermißt alle Grundlagen eines Finanzplans. Finanzminister Miguel erwidert: Die Regierung ist bestrebt, im Norden, Osten, Süden und Westen Alle gleich zu belasten und zu entlasten, während Richter versucht, künstliche Interessengegensätze aufzurichlen. Ich halte es für wichtiger in der jetzigen Zeit, das mobile Kapital schärfer zu treffen, das immobile zu entlasten. Ich werde der Ermäßigung der Steuersätze über 3000 nicht entgegen sein, soweit nur irgend die Finanzlage es gestattet. Der Minister sucht die Ausführungen Richters Punkt für Punkt zu widerlegen und weist schließlich aufs entschiedenste die Aeußernng Richters zurück, daß er (Miguel) ein nationalliberaler Minister sei. Die Vorlagen zeigen nirgends eine Parteipolitik. Er werde nichts thun, was nicht im Interesse der Gesamtheit sei, und was nicht beitrage zur Kräftigung der Monarchie. Dazu erhoffe er die Mitarbeit aller Besonnenen. Ohne diese Hoffnung würde er nicht auf seinem Platze stehen. (Lebhafter Beifall.)
Berlin, 24. Nov. Der Reichstag wird am 2. Dez., nachm. 2 Uhr, eröffnet. Auf der Tagesordnung steht: Die erste Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Vereinigung Helgolands mit dem deutschen Reiche, die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Controls des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen. Der Reichs- haushalts-Etat von 1891 bis 1892 wird in kürzester Zeit den Mitgliedern mitgeteilt und alsbald auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Berlin. Der Bundesrat hat, wie schon berichtet worden, der Verordnung wegen Inkraftsetzung des Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Gesetzes seine Zustimmung erteilt. Die Veröffentlichung der Verordnung steht unmittelbar bevor und ist damit jeder Zweifel an dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 189l beseitigt. Versicherungspflichtig sind außer Gewerbegehilfen, Dienstboten rc. auch solche Personen, welche bei einzelnen Budiken tagcweis arbeiten, wie Schneiderinnen, Waschfrauen rc. In diesen Fällen hat dasjenige die wöchentliche Versi- cherungsgebühr zu entrichten, bei weichem zuerst in der Woche gearbeitet wird. Bersicherungspflichtig sind ferner die Lohnschreiber der Rechtsanwälte, Privatschreibcr von Beamten, die Kanzlei-Hilfskräfte der Behörden, soweit sie nicht als Pensionberechtigte Beamten augestellt sind.
Bei 16 Armeekorps der preußischen Armee- Verwaltung sind nach einer Mitteilung des „Rcichs- anzeigers" in diesem Sommerhalbjahr vom Hitzschlag befallen worden 82 und gestorben 10 Mann. Bei den Herbstübuugen >m August und September 48 respektive 4 Manu. Nur der Aufbietung aller Vorsicht und Anwendung der schnellsten Hilfe ist es zu verdanken, wenn die Zahl der Hitzschlagstodesfülle verhältnismäßig gering geblieben ist.
Berlin, 24. Nov. Gutem Vernehmen nach ist die Bereitung der Koch scheu Lymphe gegenwärtig in gutem Gange. Eine Veröffentlichung über'die
Zubereitung derselben darf, bevor die Herstellung im Großen nicht gesichert ist, schwerlich erwartet werden.
„Warum hat sich Professor Koch die Bereitung des Schwindsuchtheilmittels selbst Vorbehalten ?" „Weil viele Köche den Brei verderben würden." (Ulk.)
Verschiedene Aerzte haben versucht, die Zusammensetzung des Koch'schcn Mittels zu ergründen. Alle Mühe war indessen umsonst.
Berlin, 24. Nov. Die Regierung wird wahrscheinlich 2 Millionen ^ zur Förderung der Ko loschen Entdeckung fordern, wovon eine Million als Dotation für Professor Koch, eine Million für Unterstützung bezw. Einrichtung von Heilanstalten bestimmt ist.
Der dirigierende Arzt der Heilanstalt für Lungenkranke in Falkenstein am Taunus, Dr. Dett- weiler, äußerte über das Koch'sche Heilmittel, die gewaltige Kraft des Mittels komme Lungenkranken je nach dem Stadium des Leidens unbedingt zu Gute. Das neue Mittel werde im Verein mit der bisherigen strengen Behandlung in der Anstalt die Zahl der auch schon bisher geheilten schweren Fälle bedeutend steigern. Geschlossene Anstalten für Lungenkranke werden jetzt aber erst recht notwendig werden, die Kur werde kürzer, billiger und erfolgreicher sein. — Die Zahl der Aerzte, welche zum Studium der Koch'schcn Heilmethode nach Berlin gekommen sind, hat die Zahl 5000 schon überschritten. Behandelt werden etwa 2000 Kranke von den Aerzten, welchen Koch von seinem Mittel hat geben können.
Professor Koch über seine eigene Entdeckung. Die „Times" veröffentlicht einen Bericht über die Unterhaltung eines englischen Arztes mit Professor Koch, im Verlaufe, welcher Letzterer die bisherigen Ergebnisse seines Heilverfahrens zusammeufaßte. Er sagte: „Bezüglich der Wirkung des Mittels auf Lungenschwindsucht sehen wir, wie folgt: „Ich habe 20 Patienten, welche ich persönlich behände,! und welche die Stadien der Krankheit stufenweise darstellen. Bei 15 demselben sind die Bazillen aus dem Auswurf gänzlich verschwunden. Allgemeines Aussehen und Stimmung der Kranken haben sich gebessert. In den übrigen 5 Fällen ist leider nicht das mindeste Anzeichen vorhanden, daß der Verlauf der Krankheit aufgehalten worden ist. Dies sind Fälle, in welchen ich bereits große Kavernen in den Lungen vorgefunden halte. Husten und Röcheln in der Kehle sind fast unvermindert, die Anzahl der Bazillen im Answurf ist gleich geblieben, während alle diese Symptome in den andern Fällen verschwanden. Natürlich kann noch nichts als endgültig betrachtet werden, da meine erste Injektion an menschlichen Wesen erst vor 70 Tagen erfolgte. Ich hoffe gute Ergebnisse in allen Fällen, wo die vitalen Organe noch intakt sind".
Hamburg, 24. Nov. Infolge eines Beschlusses des Vereins der Tabak- und Zigarren-Fabrikanten schlossen heute 26 Tabakfabrikeu von Hamburg, Altona, Ottensen und Wandsbcck. 3000 Arbeiter sind ohne Beschäftigung. Der „Hamb. Corresp." giebt als Grund an, die Zigarrensortierer der Fabrik „Langhaus" hätten die Entlassung der dem Freundschaftsklub nicht angehörendcu Sortierer gefordert. Andererseits wird die Forderung einer Lohnerhöhung um 20 pCt. als Grund angegeben.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 25. Nov. Aus Prag wird geweidet: Der Hochwasserschaden in Karlsbad ist bedeutend. Das Goethe-Denkmal ist fortgeschwemmt worden. Mehrere Leichen wurden aufgefunden. Die Wiederherstellung der Schäden wird Monate erfordern. Bürgermeister Knoll ist aus Schreck über die angerichteten Verwüstungen plötzlich gestorben. Mehrere Zuckerfabriken stellen ihren Betrieb ein. (Der M. Allg. Ztg. meldet man aus Karlsbad, 24. Nov.: Die Tepl steht 4 Meter über dem Normale; das Haus zum „Cafebaum" ist eirrgestürzt, 4 Brücken und alle Boutiquen auf der Alten und Neuen Wiese sind weggerissen, die Gas- und die Wasserleitungen sind zerstört. Der Schaden ist riesig.)
Ans Krakau wird berichtet: Bei der Genie- dircktion sind wichtige Festungspläne entwendet worden. Ein des Diebstahls verdächtiger Schreiber wurde verhaftet.
Frankreich.
Paris, 24. Nov. Nach hier vorliegenden Nachrichten ist Boulanger von London nach Jersey zurückgekchrt.