Breslauer Trinkspruch des deutschen Kaisers giebt die Anregung zu einer ungeheuren Vereinigung, einem mächtigen Kartell: Staat, Herrscher und Bür­gertum sollen sich gegen den Umsturz verbünden; der Monarch erblickt im Gegensatz zu dem jüngsten Katholikentage in der Kirche nicht die einzige Macht, welche die Gesellschaft vor der sozialen Revolution retten könnte, sondern nur die mit dem Bürgertum verbündete Krone bietet ihm eine Siegesgewähr."

Während der großen Manöver in Schleswig- Holstein kamen zum erstenmale Zeltbahnen aus was­serdichtem Stoff von gelbgrüner Farbe zur Verwen­dung, die über den Mänteln getragen wurden. Diese Zeltbahnen entsprechen einer in der russischen Armee schon vor Jahrzehnten getroffenen Einrichtung. Die Zelte der Russen dürften sich von den deutschen im Wesentlichen dadurch unterscheiden, daß die Zelte dort für 6, bei uns aber für 20 Mann bestimmt sind.

Breslau, 17. Sept. Kaiser Franz Joseph ist heute mittag 1 Uhr hier eingetroffen. Der Mo­narch wurde am Bahnhofe vom Generalfeldmarschall Grasen Moltke und vom Oberpräsidenten v. Seyde- witz empfangen und von der Bevölkerung jubelnd begrüßt. Im Schlosse wurde der kaiserliche Gast von der Kaiserin herzlich bewillkommt und nahm am Diner mit der Kaiserin Teil. Sodann fuhr er um

3 Uhr nach Rohnstock ab. Die Kaiserin hat um

4 Uhr, von einer dichtgescharten Menge mit unge­heurem Jubel begrüßt, die Rückreise nach Potsdam angetreten,

Rohnstock, 17. Sept. Kaiser Franz Josef ist nachm, halb 5 Uhr hier eingetroffen, von Kaiser Wilhelm am Bahnhof erwartet. Die Monarchen umarmten und küßten einander wiederholt. General v. Caprivi und Graf Kalnoky begrüßten einander ebenfalls herzlich. Der König von Sachsen ist um halb 6 Uhr abends auf Schloß Börnchen bei Rohn­stock eingetroffen.

Berlin, 16. Sept. Heute Abend fand in Berlin Ost eine große Volksversammlung statt, die sich mit dem Austritt aus der Landeskirche beschäf­tigte. Stadtverordneter Vogtherr (Sozialist) be­gründete vor 2000 Männern und vereinzelten Frauen die Notwendigkeit der Religionslosigkeit. Die Rede war wenig tief angelegt, erregte aber trotzdem Bei­fallsstürme. Tischler Krause betonte drastisch die Widersprüche der religiös sein wollenden Bour­geoisie. Oanä. tbeol. Regehly widersprach, von teilweisem Zischen unterbrochen, mutig den Vor­rednern. Als bei Erwähnung Jesus Christus, als des Stifters des Christentums, ein Tumult ausbrach, löste der Polizeilieutenant auf Grund des allgemei­nen Landrechts die Versammlung auf.

Berlin, 17. Sept. Wißmann kehrt jetzt als Reichskommissar nach Afrika zurück, da die Neure­gelung seiner Stellung erst nächstes Frühjahr er­folgen soll.

DiePost" tritt den Meldungen englischer Zei­tungen entgegen, Deutschland habe in seinem ostaf­rikanischen Schutzgebiet freien Sklavenhandel gestat­tet. Deutschland wolle die Sklaverei unterdrücken; das könne aber, wie es von vornherein beabsichtigt gewesen, nur langsam und unter Schonung der be­stehenden Rechtsverhältnisse geschehen. Den Sklaven­jagden und dem Sklavenraube sei schon ein Ende gemacht, die Abschaffung der Sklaverei könne sich nur im Laufe der Zeit ermöglichen lassen. Daß Verbote nichts nützen, zeige sich auf der Insel San­sibar. Dort habe der Sultan die Sklaverei aufge­hoben, aber trotzdem finden nach wie vor Sklaven­märkte statt.

DerReichsanzeiger" sagt in Betreff der Probe­veranlagung der Gewerbesteuer: Die vom preuß. Finanzminister vorgenommene neue Veranlagung er­folgte ohne Rücksicht auf die Betriebsarten nach Maßgabe des Ertrages und des Anlage- und Be­triebskapitals in 4 Klaffen. Von Klasse 2 bis 4 findet eine entsprechende steigende Entlastung statt, insbesondere für Kleinhändler, Handwerker und Fuhr- leute. Dem gegenüber stehe eine stärkere Heran­ziehung der Großbetriebe, deren Inhaber selbst die Notwendigkeit der Reform anerkennen würden. Auch sollten sehr leistungsfähige, derzeit nicht besteuerte Gewerbebetriebe, wie Theater, Konzerte rc. heran­gezogen werden. Erst weitere Probeveranlagungen würden eine endgiltige Entscheidung ermöglichen.

Die Berliner Sozialdemokraten haben in einer Versammlung beschlossen, in welcher der Abgeordnete

Singer zur Ruhe und Mäßigung ermahnte, daran hinzuwirken, daß an den politischen Versammlungen auch Frauen teilnehmen. Weiter soll der Berliner Magistrat ersucht werden, den Bürgersaal des Rat­hauses zum Empfange der auf Grund des Soziali­stengesetzes aus Berlin ausgewiesenen Personen her­zugeben, und endlich wollen die Sozialdemokraten am letzten September abends von 6 Uhr ab zur Feier des Ablaufes des Sozialistengesetzes illuminier ren. Wenn aus alldem blos etwas wird.

Auf dem am Moutag in Halle eröffneten deut scheu Bergarbeitertage wurde von allen Mitgliedern betont, daß eine bessere Organisation der Bergleute eintreten müsse. Der Bergmann Richter-Aschersleben that die Aeußerung:Jeder vernünftige Arbeiter Müsse Sozialdemokrat sein," was der Vorsitzende mit den Worten zurückwies, die Aeußerung gehöre nicht hierher.

Die Reichs- und die preußische Staatsregierung beschäftigt sich eifrig mit Aufstellung von Plänen und Entwürfen von Arbeiterwohnungen auf ihren Arbeitsstätten. Betreffende Geldforderungen sollen schon in den nächsten Etat eingestellt werden.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 17. Sept. Die Morgenblätter begrüßen die Kaiserzusammenkunft aufs sympathischste. Das Fremdenblatt" sagt: Die häufigen und herzlichen Begegnungen zeigten aller Welt, daß das deutsch­österreichische Bündnis in voller Kraft dastehe und sich immer fester einwurzele. Auch der neue Reichs­kanzler verfolge die alte Bahn der Friedensliebe. Frankreich.

Paris, 16. Sept. DieFrance" meldet, der preußische kommandierende General des XIII. Ar­meekorps, General der Kavallerie von Alvcnsleben, wolle sich nach seinem Rücktritt nach Nizza zurück ziehen.France" hofft, daß die französische Regie­rung diesenetwas verdächtigen Gast" überwachen wird. (!)

Die russisch-französische Waffenbrüderschaft, d. h. in sxo, ist wieder einmal bei einem Militärbankett, das am Sonntag aus Anlaß der französsischen Herbstmanöver in Jonzal stattgefunden hat, von den berufensten Vertretern der französischen Armee ge­feiert worden. Nachdem General Gallifett, wie üb­lich , die Friedensliebe Frankreichs betont hatte, brachte der frühere Kriegsminister General Ferron einen Trinkspruch auf dieSchwesterarmee" auf das russische Heer" aus. Der anwesende russische Haupt­mann Kabaloff, an dessen Adresse die Aufmerksam­keit gerichtet war, beeilte sich natürlich mit der Ver­sicherung, daß die Gefühle der Freundschaft auf Ge­genseitigkeit beruhen. In allen diesen Kundgebungen liegt für uns der erfreuliche Beweis, daß in beiden Ländern der Gedanke, für alleinige Rechnung und Gefahr einen Krieg zu unternehmen, so gut wie aus­geschlossen ist. Damit ist zwar der Friede noch nicht verbürgt, aber es ist immerhin ein Moment, welches die Kriegsgefahr nicht unbeträchtlich vermindert.

lieber das rauchlose Pulver, welches bei den Manövern im Norden Frankreichs zum ersten­mal zur Anwendung kam, schreibt ein Berichterstat­ter desMatin": Beim Gewehrschuß war von Rauch nichts bemerkbar, selbst wenn von ganzen Compagnien und Bataillonen Schnellfeuer oder Salven abgegeben wurden. Beim Geschützfener sieht man nur ganz wenig Rauch, und auch da nicht immer, es hängt das von dem Hintergrund ab. Der Feuerschein dagegen ist weithin sichtbar, er zeigt also die Stellung der Batterien an. Dem Berichterstatter fiel ferner auf, daß das rote Käppi und die roten Hosen die Linien-Jnfanterie auf große Entfernungen kenntlich machen. Auf eine Bemerkung, die er darüber einem General machte, sagte dieser:Ich glaube, daß sie in diesem Jahre ihr letztes Manöver mitmachen."

Italien.

Mailand, 16. Sept. In Carmagniola ist eine Bauernrevolte ausgebrochen. 600 Bauern stürm­ten das Municipium. Militär ist dorthin abge­gangen.

Kleinere Mitteilungen.

Dem Oberamtsarzt Dr. Palmer in Biberach ist von der Kölner Ausstellung für Kriegskunst und Armeebedarf für den von ihm erfundenen Kranken­wagen ein Ehrendiplom zuerkannt worden.

Ein grauenhafter Brudermord wird aus Freiburg i. Br. gemeldet.

gen hatte ihr kleines Gütchen dem jüngsten Sohn zugedacht, womit der ältere nicht einverstanden war. Die beiden Brüder gerieten darüber in Streit. Als der jüngere zu Bett gegangen war, ergriff der ältere ein Jagdmesser und schnitt dem Schlafenden den Leib auf. Der Tod erlöste den Unglücklichen als­bald von seinen Leiden. Als ob nichts geschehen, ging der Mörder andern Tags an die Arbeit. Bei seiner Verhaftung äußerte der Mörder angesichts der Leiche und der jammernden Mutter:Der hat's verdient."

Eine in Bern lebende Dame, Frau Escher-Welti, hat der Schweizer Eidgenossenschaft unter gewissen Bedingungen ihr ganzes Vermögen von mehreren Millionen Franks behufs Gründung einerGottfried Keller-Stiftung", welche die Förderung bildender Künste bezwecken soll, zur Verfügung gestellt. Der Bundesrat hat sich für die Uebernahme der Stiftung erklärt.

Kairo, 18. Sept. In Massanah sterben an der Cholera täglich durchschnittlich 50 Personen.

Sydny, 16. Sept. Fast sämtliche Arbeiter in den Kohlenbergwerken von Neusüdwales, die Schaf- scheerer und andere Arbeiter der Wollindustrie stellten die Arbeit ein.

Handel L Verkehr.

Remmingsheim, 15. Sept. Heute sollen hier einem Produzenten 260 Pcr Ztr. vergeblich geboten worden sein; es wird im allgemeinen auf höhere Preise gcrcchnei.

Möhringen, 13. Sept. Heute fand der erste Verkauf von Hopfen statt und wurde Herrn Lehrer Nehcr für den Ztr. 200 bezahlt.

In Rotten bürg ist 240 und .«i 20 Trinkgeld Per Ztr., also ^ 260 bezahlt worden. Die berechtigten viel hö­heren Preise werden nicht mehr lange auf sich warten lasten!

Eßlingen, 17. Sept. Obst. Zufuhr 800 Ztr. Preis 4 50 4 bis 5 2o 4 Pr. Ztr. Kraut. Zufuhr

600 St Preis 810 per Hundert.

Verfälschte schwarze Seide. Man ver­brenne ein Mnsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, ver­löscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hell- bräunlicher Farbe. Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen dieSchußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff er­schwert,) und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Das Seidenfabrik- Dspöt von <4. llsmisdsrA (K. u. K. Hoflief.) Aurioli versendet gern Muster von seinen ächten Seidenstoffen an Jedermann, und liefert einzelne Roben und ganze Stücke Porto- und zollfrei ins Haus. _ _

Abonnements-Einladung

auf den

Gesellschafter

mit dem Unterhaltungsblatt:

Das Mauöerstübchen.

Unsere geehrten Abonnenten, die nicht für das ganze zweite Halbjahr abonniert hatten, ersuchen wir, ihre Bestellung für das IV. Quartal (Oktober bis Dezember) sofort bei der bisherigen Bezugsstelle zu erneuern, indem hievon der ununterbrochene Empfang abhängig.

Einer besonderen Empfehlung des Blattes glauben wir uns enthalten zu dürfen, indem dasselbe in seiner Tendenz längst bekannt und die Redaktion durch die stetige Zunahme der Abonnentenzahl eine Ermunterung in ihrer seitherigen Thätigkeit findet.

In Betreff des Abonnementspreises siehe oben am Kopsy des Blattes.

Die Redaktion.

Hiezu das Uuterhaltungsblatt AK 38. u. eine Beilage.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Die Witwe B. in Opfi N-Drilck und Verlag der G. W. Z aiser'schen Luchhandlmig .

t