61. Jahrgang.
Aro. 136.
Amts- unä JatestigenMatt für äea Aezirsi.
erscheint Aienstag, Jouuerstag L Samstag.
im Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile Bezirk, sonst 12 H.
Zamstag, äen 20. November 1886,
Adonnementspreis halbjährlich 180 durch die Post bezogen im Bezirk 2 «4L 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 «4L 70 H.
AmtLiche WekcrnntmcrcHungen.
Calw.
Au die Gerueindebeamlen, Güterbuchsbeamlen und Verwaltungs-Aktuare.
Nachdem nunmehr sämmtlichen Gemeinden des Oberamtsbezirks die neuen Orts-, Grund- und Gefall-Steuer kataster auSgesokgt worden sind, werden die Weisungen des Erlasses vom 11. d. M. (Wochenblatt Nro. 133) hiemit auf sammtliche Gemeinden des Bezirks ausgedehnt mit dem Anfügen, daß die Anzeigen über den Beginn der Geschäfte, beziehungsweise die Programme über die hiesür in Aussicht genommenen Termine bis zum 27. d. M. hier einzukommen haben und die Fortgangsberichte von da ab je innerhalb 4 Wochen einzusenden sind.
Gleichzeitig werden die Geschäslsmänner veranlaßt, in der ersten Anzeige die von ihnen übernommenen Gemeinden und den Tag des abgeschlossenen Geschäftsvertrags wie das Datum der höheren Genehmigung des letzteren namhaft zu machen.
Den 19. November 1886. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
'MoLitifctze Wcrchrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 17. Nov. Dem Bundesrat ist die vorige Voilage betreffs Errichtung eines orientalischen Seminars in Berlin wieder zugegangen.
— Der Fürst von Mingrelien wurde von den Mächten acceptiert. Es gilt als gewiß, daß Rußland Bulgarien nicht occupiert.
O e st e r r e i ch.
Wien, 17. Nov. Aus Varna wird gemeldet: Seit einigen Tagen ist eine Erkaltung der russisch-türkischen Beziehungen eingetretrn. — Aus Odessa meldet man: Dem hiesigen panskavistischen Organ zufolge reist Kaulbars nächster Tage nach Petersburg ab, um das Ergebnis seiner Mission zu berichten.
Belgien.
— In einem belgischen Blatte, der „Resorme", wird bei der Besprechung eines angeblich vor der Tdür stehenden deutsch-französischen Kriegs
folgende Behauptung aufgestellt: die Vergrößerung des Gebiets „ist das Ziel der Deutschen, und es gibt keine patriotische Studentenveisammlung, wo man nickt in den Reden von dem Tage spräche, an dem Deutschland das, was es seine natürliche Grenze nennt, die Maas, erobert haben werde, wobei es sich zufrieden geben werde, Belgien das Departement du Nord zu geben." Schwerlich ist je einmal in irgend einer deutschen „Studentenversammlung" von solchen Dingen die Rede gewesen.
Bulgarien.
Sofia, 17. Nov. Am 17. November, am Jahrestage der Schlacht bei Slivnitza, wird eine Demonstration für Fürst Alexander erwartet.
Gages-Weirigkeiten.
— (Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 16. d. Mts. die erledigte Hauptlehrstelle an Klasse VI des Gymnasiums in Hall dem Präzeptor a. D. Profefforatskandidaten Ganzenmüller in Cannstatt unter Verleihung des Titels eines Professors auf der 8. Stufe der Rangordnung, in Gnaden übertragen.
-j- Vom Wald. Am Samstag, den 13. d. M., nachmittags 2 Uhr» versammelte sich eine Anzahl Lehrer der Bezirke Calw und Nagold im Ochsen zu Zwerenberg. Es hatte die Versammlung den Zweck, dem scheidenden Sckullehrer Decker von Gaugenwald eine Abschiedsfeier zu bereiten. Schullehrer Hahn von Zwerenberg wünschte in einer Rede, daß der Beförderte in Oberhausen bei Reutlingen seines Herzens Wünsche erfüllt sehen möge. Schullehrer Hahn von Oberkollwangen toastierte auf den scheidenden Kollegen in einem Gedicht. Man gedachte auch der zahlreich anwesenden Lehrersrauen und ließ sie hochleben. Unter Absingen der herrlichen Lieder: „Hab' oft im Kreise der Lieben rc.", „Wer hat dick du schöner Wald rc.", „Nun zu guter Letzt rc." verlief die Feier zu allgemeiner Befriedigung. Schullehrer Decker dankte am Schluffe gerührt für die ihm so freundlich, unerwartet bereitete Feier und lud die Kollegen zu baldigem Besuch nach Oberhausen ein. Mögen Kollege Decker und seine liebe Fcau samt Töchtercken in rhrem neuen Heim gut angekommen sein und möge es ihnen dort bester gefallen, als in dem langweiligen Gaugenwald.
Weilderstadt, 15. Novbr. Am heutigen Viehmarkt waren zugesührt: 250 St. Ochsen, 560 St. Melk und Sckmalvieh, 1376 St. Milchschweine, 84 St. Läufer- und fette Schweine. Der Ochsenmarkt
Jeuicl'eton. «Nachdruck
Verlorene Ehre.
Noma» von W. Koffer.
(Fortsetzung.)
„Schon Ihre erste Behauptung hat sich glänzend bewährt", hieß es. „Unsere Kranke ist nicht vollkommen blind, sie erkennt größere Gegenstände und kann in nächster Nähe z. B. auch die Umrisse Ihrer Finger oder einer andern scharfbegrenzten Gestalt deutlich unterscheiden."
Wie sehr sich der Doktor für diese Kranke interessierte, bedarf keiner Schilderung. Einige Wochen vor der Hochzeit erklärte er sogar, die Uebersiedelung hierher sei notwendig, worüber er mit der jungen Dame selbst sprechen und ihren Gesundheitszustand untersuchen müsse.
„Ich reise morgen, Lisa", sagte er. „Dann ist Alles abgethan, und wir haben Hochzeit und Ausflug vor uns, ohne mit irgend welchen Besorgnissen zu Hause gefesselt zu bleiben. Denkst Du nicht auch, mein Mädchen?"
Aber sie schüttelte den Kopf so erschreckt, als habe er von einem entsetzlichen Unglück gesprochen.
„Lieber, guter Julius, das darfst Du mir nicht zu Leide thun!" hörte er kaum verständlich ihre leise bittende Stimme. „Es kann ja dabei auf einige Tage nicht ankommen — bleib', bis wir verheiratet sind!"
„Um dann sogleich wieder an die Angelegenheiten dritter Personen denken zu müssen, Lisa? — Vierzehn Tage lang kann ich die Sache nicht hinausschieben."
„Dann laß uns lieber die Hochzeitsreise aufgeben", sagte sie halb verzweifelt.
„Aber weshalb denn, Kind? Ich begreife Dich nicht. Du sprichst, als wollte ich, anstatt ein paar Stunden abwesend zu sein, mindestens den halben Erdball umschiffen. Was fürchtest Du? Woher entspringt diese sonderbare, durch Nichts motivierte Unruhe?"
Elisabeth hörte deutlich die ungeduldige, ja halb und halb verdrießliche Färbung seines Tones, ihr ganzer Körper zitterte, als er jetzt etwas bestimmter als sonst wohl hinzusetzte:
„Zu Hause bei sich möchte der Arzt von den Nerven der Frauen mindestens verschont bleiben."
Wie ihr Herz schlug, wie das Blut sich siedend heiß durch alle Adern ergoß!
„Bist Du mir böse, Julius?"
Der Ton voll Todesangst traf ihn gleich einem Vorwurf.
„Vergib", rief er gutmütig, „aber — wahrhaftig, wenn man schon ein halbes Dutzend nervöser Frau Rätinnen und gelangweilter alter Fräulein täglich ex otüeio anzuhören und alle ihre Nichtse zum Etwas zu stempeln hat, dann kann man aus der Haut fahren, sobald sich dergleichen Schrullen auch zu Hause einnisten wollen. Nun sag' mir in Gottes Namen rund heraus, Mädel, — willst Du die Hochzeitsreise lieber aufgeben ?"
„Gewiß nicht!" antwortete sie, noch immer zitternd. „Gewiß nicht, Julius, aber bleib während dieser beiden Tage hier, es kann Alles zu Grunde c^hen — Alles zerstört werden in einer einzigen Stunde. Du weißt ja. Lieber, zwischen Lipp' und Kelchesrand, waltet dunkler Mächte Hand — ich bitte Dich, bleib' hier."
Er schüttelte den Kopf.
„Dieser Grund — oder Ungrund — ist der einzige, den Du in's Treffen zu führen hoffst, Mädchen? Diese dunklen Mächte, welche, nebenbei gesagt, gar nicht existieren, soll ich so sehr fürchten, um mich auf sieben bis acht Stunden von Dir zu trennen?"
Ihr farbloses Gesicht wurde noch blässer, als vorhin.
„Julius, es gäbe keine dunklen Mächte?" fragte sie halblaut.
„Doch!" antwortete er sehr ernst. „Aber sie sind in uns selbst, nicht außer uns. Wessen Gewissen rein und wessen Absichten redlich sind, der kann auf diesem Wege keinen Gespenstern begegnen."
„Elisabeth's Kopf sank in ihre Hand; sie wagte es nicht, auch nur ein einziges