Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Overamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag. Donners­tag nnd Samstag, und kostet vierteljährlich hier . (ohne Trägerlohn) 80 in dem Bezirk 1 4,

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Donnerstag 18. September

Jnsertivnsgebüyr für die Ispattige Zeile aus ge-

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Die Sozialdemokratie nach dem 1. AKLoöer.

Die deutsche Arbeiterzeitung enthält folgende be­achtenswerte Bemerkungen:

lieber die Frage, wie die Sozialdemokratie ihre Agitation nach dem 1. Oktober einrichten will, wird folgendes bekannt. Zunächst ist, wie schon öfters hervorgehobcn, eine große Vermehrung der sozial­demokratischen Presse geplant, es werden nach dem 1. Oktober über 100 sozialdemokratische Blätter er­scheinen; die Zahl der Blätter, die vor dem Sozia­listengesetz erschienen, war bei weitem nicht so groß.

Um dieGenossen" fortwährend zu beschäftigen, soll die Agitation für die Wahlen der Einzelland­tage, soweit Erfolge hier überhaupt zu erwarten sind, und ferner für die Stadtverordnetenkollegien mit dem größten Eifer in die Hand genommen wer­den In den Vertretungen einer größeren Anzahl Städte, namentlich im Königreich Sachsen und den thüringischen Staaten sitzen bereits seit einer Reihe von Jahren Sozialdemokraten, in Magdeburg ist kürzlich der erste Sozialdemokrat für das Kollegium gewählt, in einer Anzahl Städte, so in Leipzig, sind bereits die Vorbereitungen für diese Wahlen stark gefördert.

Was die Wahlen für die Einzellandtage aube- trifst, so liegen die Verhältnisse für die Sozialde­mokraten nur in Preußen ungünstig; Königreich Sachsen hat unter 80 Abgeordneten bereits 8 So­zialdemokraten, im Großherzogtnm Hessen haben die Sozialdemokraten vor wenigen Wochen zu ihren beiden alten Sitzen in Mainz noch einen neuen dritten, in Offenbach-Laud errungen; im Königreich Bayern waren die Sozialdemokraten auch schon nahe daran, in die Zweite Kammer einzuziehen. In den thüringischen Staaten sitzen in den Einzel­landtagen ebenfalls schon eine Anzahl Sozialdemo­kraten, überraschend leicht ist ihnen im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt am 1. September ein Er­folg geworden. Im 10. Wahlkreise daselbst ist Genosse" Apel mit 412 Stimmen gewählt worden, während auf die beiden Gegenkandidaten nur 159 bezw. 109 Stimmen sielen.

Auf gewerkschaftlichem Gebiete soll vor allen Dingen der Ausbau der Zentral-Ausstandskommis- sionen gefördert werden; sodann ist eine Art Ver­bindung dieser Kommissionen geplant, eine große Arbeitervereinigung soll somit geschaffen werden. Die internationalen Beziehungen sollen stärker ge­pflegt, eventuell neu angebahnt werden, speziell nach England, Dänemarck, Belgien, Holland hin.

Auf dem nächsten internationalen Kongreß in Brüssel, auf dem sicherlich die Frage der Achtstun­denbewegung eine hervorragende Rolle spielen wird, werden die deutschen Sozialdemokraten zweifellos in großer Stärke antreten.

Wie gesagt, die Sozialdemokratie entfaltet eine ungemeine Rührigkeit; dringend notwendig ist es deshalb, daß die bürgerlichen Parteien die Hände nicht in den Schoß legen. Geradezu gewaltige An­strengungen macht die Umsturzpartei auf dem Ge­biete des Preßwesens.

100 sozialdemokratische Zeitungen, welche nach dem 1. Oktober erscheinen werden, sollen die Arbei­terbevölkerung unausgesetzt bearbeiten und ihnen die sozialdemokratischen Lehren und Grundsätze einimpfen, den gewaltigen Wert, welche die Presse als Agita­tionsmittel hat, wissen die sozialdemokratischen Agita­

toren voll zu schätzen. In Berlin werden Sammel­stellen für gelesene sozialdemokratische Zeitungen errichtet, massenhaft sollen dieselben namentlich auf die Dörfer geworfen werden, die Landbevölkerung soll für die sozialdemokratischen Lehren gewonnen werden.

Wir gehören nicht zu den Heulmeiern, wir er­warten den sozialdemokratischen Ansturm mit großer Ruhe, aber freilich das Bürgertum muß sich mehr und mehr als es bisher geschehen, aufraffen, agitie­ren; die Zeit des Abwartens ist vorbei. Heute heißt esalle Mann auf Deck!" ,

Die Sozialdemokratie scheut keine Mühe und Kosten; auch vom Feinde soll man lernen, an Opfer­willigkeit und Opfermut leisten die Sozialdemokraten wahrlich Großes, namentlich ist ihnen keine Aus­gabe zu groß, wenn es gilt, ihrer Presse die weiteste Verbreitung zu schaffen, sie bis in die entlegenste Hütte zu tragen. Was die Sozialdemokratie hier vollbringt, sollte für die bürgerlichen Parteien ein Ansporn sein, darum rufen wir ihnen nochmals zu:

Alle Mann auf Deck".

Hages-Nerngkeiten.

Deutsches Reich.

** Nagold, 15. Sept. Zur Feier des jährli- lichen Bezirksmissionsfestes, welches letzten Sonntag nachm, von 1*/r4 Uhr hier stattfand, hatten sich wohl auch der herrlichen Witterung wegen zahlreiche Teilnehmer eingcfunden. Mit einem ge­mischten Chor und einem von der Festgemeinde an­gestimmten Missionslied begann die Feier. Helfer Finckh sprach das Eingangsgebet und hielt die Er­öffnungsrede, an welche sich der Jahresbericht an­schloß. Das Evangelium des Sonntags (Luk. 12, 1321) wendete der Berichterstatter auf die Mission an, indem er durchführte, daß der reiche Mann da­selbst ein Bild der Heidenwelt sei, welche ohne das Evangelium zugrunde gehen müsse und verloren werde. Daher sei die Christenheit bestrebt, derselben nach Christi Befehl das Wort Gottes zu bringen. Man könne zwar auch Mission treiben in der Absicht, den Heiden eine bessere Bildung und Gesittung zu verschaffen, also zu ihrer Kultivierung beizutragen, letzteres komme aber mit dem Christentum von selber. Die Mission werde eigentlich nur betrieben von sol­chen Leuten, die nach dem Text reich in Gott seien. Geld sei allerdings auch viel nötig, wenn man be­denke, daß Basel allein 133 Missionare mit 88 Frauen in seinem Dienst habe. Es kommen aber die nötigen Gaben, die lauter freiwillige sind, all­jährlich zusammen. Der Bezirk hat im letzten Jahre beigesteuert : zur Kollekte, an der sich sämtliche Orte des Bezirks beteiligen, 3 344,46 okk; in die allge­meine Kasse flössen: 2051,36 worunter von Altensteig-Stadt und einigen umliegenden Orten 396,36 Näheres hierüber wird der zu ende des Jahres erscheinende Jahresbericht enthalten, der jedermann zu geböte steht. Die Arbeitsvereine, die sich mit Spinnen, Stricken und Nähen für die Mis­sion beschäftigen, hatten auch ihren guten Fortgang. Solche Vereine sind in Nagold, Altensteig, Bösingen, Egenhausen, Hochdorf, Nothfelden, Sulz und Ueber- berg. Schließlich wird noch Me betrübende Mittei­lung gemacht, daß der vor 2 Jahren hier ordinierte Missionar Aretz in Kamerun vom Fieber hingerafft worden sei. Missionar Hesse von Calw, welcher statt des in Berlin beschäftigten Kameruner Missio­

nars Münz auftrat, knüpfte an die Worte an: Die Erde ist des Herrn und was darin ist, der Erdbo­den, und was darauf wohnet (Ps. 24,1). Er machte interessante Mitteilungen über Kamerun, das seit

6 Jahren in den Besitz des deutschen Reiches gekom­men sei. Die Basler Missionare dort haben ihre Arbeit von den Baptisten übernommen. Leider ist das Klima sehr ungesund, so daß im ganzen schon

7 Missionare gestorben sind. Viel Schwierigkeit hat man dort wegen des Branntweins, besten Einfuhr von der Basler Mission nimmer geduldet werde. Schließlich erzählt Redner noch vom Kongostaat mit seinen 40 Mill. Einwohnern, auf welchen der König von Belgien, dem er zugeschrieben wurde, schon 20 Millionen Mark verwendet habe. Die Europäer wollen den schwarzen Einwohnern dieses Landes gute Sitten bringen, die Sklaverei abschaffen und dieselben fürs Christentum gewinnen. Es seien be­reits 25 Missionsstationen dort vorhanden mit 100 Arbeitern aus verschiedenen Ländern. Ein Haupt­hindernis der Missionsarbeit sei auch hier außer der schweren Sprache der Branntwein. Missionar Diez, der älteste der Basler Missionare, der, 39 Jahre in Indien thätig war und noch einmal dahin gehen will, sprach über 2 Kor. 5. Er redete vom Alten, das vergangen, und vom Neuen, das angebrochen sei. Indien mit seinen 250 Millionen Einwohnern habe den lebendigen Gott verlassen und sich zu den Götzen gewendet. Die Einwohner des Landes seien dadurch lieblose Geschöpfe geworden, sie haben keinen inneren Halt, leben in Greueln dahin und werden von großer Todesfurcht geplagt. Nehmen sie das Christentum an, so werde alles neu bei ihnen. Es komme zum rechten Verhältnis zwischen Mann und Frau, die schrecklichen Menschenopfer samt dem Ka­stenwesen hören aus. Deshalb sei es Pflicht der Christen, den Heiden das Rettungsseil des Evange­liums zuzuwersen, damit sie sich Christo unterwerfen. Abends war von 7*/»9 Uhr im Zellersaal eine Nachfeier, bei welcher Dekan Schott und Mis­sionar Diez noch manche eingehende Mitteilungen über die Mission machten. Das Festopfer betrug 300 Mark.

Wildbad, 14. Sept. Zu Ehren des Dr. Pe­ters fand am Freitag abend im K. Badhotel ein Banket statt, bei dem Stadtschultheiß Bätzner den Forscher bewillkommte. Dr. Peters toastierte auf die Stärkung der nationalen Einheit zwischen den deutschen Stämmen durch gemeinsame Kulturarbeit in der Fremde. Indem er dann auf seine Expedi­tion näher einging, bestätigte er die Mitteilung der Allg. Ztg." über das feindliche Vorgehen Jacksons gegen ihn in Uganda. Peters fügte hinzu, daß er demnächst die betreffenden Dokumente veröffentlichen werde. Msr. Livinhac habe ihm versprochen, ihm eine Abschrift des Jackson'schen Briefes vom König Mwanga mitzubringen. Fabrikant Wittum, Mitglied des Kolonialvereins in Pforzheim, brachte in be­geisterten Worten ein Hoch auf Dr. Peters aus, der mit einem Hoch auf den Kolonialverein er­widerte.

8.6.8. Stuttgart, 15. Sept. Der gehässige Partei­standpunkt, welchen die Volkspartei dem Gesetzent­wurf über Verwaltungsreform entgegenbringt, beginnt allmählig immer erheiternder zu wirken. Während die demokratischen Blätter Beobachter, Neuer Alb- bote, Ulmer Zeitung, Frankfurter Zeitung u. s. s. ahnungslos von vermeintlichen Triumpsen in ihrem demokratischen Agitationskampfe gegen die Regierung