sein, daß die Mehreinnahme aus der ersten Klasse nicht die Hauptsache wird, sondern daß die mittleren und unterenÄetriebe die dringende nötige Entlastung erfahren." An der Berliner Börse war man über Herr Miguels Pläne sehr verstimmt; das ist aber ein Beweis, daß dieselben wirklich Nutzen bringen können, und nicht blos oberflächliche Erfolge, wie die Börsensteuer mit ihren geringen Erträgen.
Professor Koch wird, wie die „Nat.-Ztg." meldet, nach Ablauf seines Fericnurlaubs in einem Berliner Krankenhause sein auf dem Aerztekongreß verkündetes Mittel gegen Tuberkulose versuchen. Bisher hätten sich die Versuche auf Tiere beschränkt.
lieber die Brochüre für die deutschen Arbeiter, welche am 1. Oktober vor allen Fabriken verteilt werden sollte, ist jetzt Aufklärung geschaffen. Der Wille besteht, aber das Geld fehlt. Der Verfasser ist ein Berliner Schriftsteller, welcher die preußische Regierung um Bezahlung der Druckkosten ersucht hat. Da er aber abgewiesen ist, wartet er darauf, ob ihm von anderer Seite finanzielle Unterstützung gewährt wird.
Schweiz.
Bern, 1l. Sept- Im Kanton Tessin ist infolge der Weigerung der konservativen Regierung, die Abstimmung über die vom Volke verlangte Verfassungsrevision anzuorden, heute mittag ein Aufstand der Liberalen ausgebrochen. Die Erhebung erfolgte gleichzeitig in Lugano und Bellinzona. In Lugano wurde die Polizei entwaffnet, die Statthalterei und das Gefängnis besetzt, Regierungspräsident Respini verhaftet. Zn Bellinzona wurden drei Staatsräte verhaftet, darunter Capella und Granella, das Zeughaus ohne Widerstand und nachmittags auch das Regierungsgebäude besetzt. — Der Bundesrat trat alsbald zu einer Sitzung zusammen. Als eidgenössischer Kommissar ist Nationalrat Künzli nach dem Schauplatz der Erhebung abgereist und aus Bern sind zwei Bataillone dahin abgegangen.
Bern, 14. Sept. Die Nachrichten aus Tessin lauten heute beruhigender. Die provisorische Regierung,hat sich gestern Abend aufgelöst, die am 12. d. M. in Bellinzona gefangen genommenen Personen sind gestern in Freiheit gesetzt worden.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, II. Sept. Das Fremdenblatt bezeichnet den 30. September als den Tag der Ankunft Kaiser Wilhelms in Wien. Im übrigen ist bis jetzt kein Programm festgestellt.
Wien, I I. Sept. Seitens der Stadt Wien wird dem deutschen Kaiser Wilhelm bei seiner am 30. Sept. erfolgten Ankunft in Wien ein großartiger Empfang bereitet werden. Die Bevölkerung wird vom Bürgermeister aufgesordert werden, die Häuser zu beflaggen und zu schmücken.
Wien, 11. Sept. Heute Vormittag ist der Industrie-Palast des Ausstellungsgebäudes im Baumgarten eingestürzt. Glücklicherweise befand sich kein Arbeiter in der Nähe.
Frankreich.
Man schreibt in Paris von einer Wiederaufnahme des Boulanger-Prozesses. Durch die jüngsten Enthüllungen über den General sind auch eine Reihe von Personen blosgestellt, welche zusammen mit Boulanger konspiriert haben. Diese Leute sollen nun ebenfalls wegen Hochverrates vor den Staatsgerichtshof gestellt werden.
Italien.
Rom, 12. Sept. Hier geht das Gerücht, der erst 1892 ablaufende Allianzvertrag Italiens mit Deutschland und Oesterreich sei kürzlich auf weitere 5 Jahre von 1892 an verlängert worden. Man bringt hiermit die Verleihung des Gcoßkreuzes des Stephansordcns durch den Kaiser von Oesterreich an den italienischen Botschafter in Wien, Nigra, in Verbindung.
Belgien.
Brüssel, 13. Sept. Der Pariser Presse zufolge ist Graf Herbert Bismarck gestern abend daselbst angekommen, um Vorbereitungen für einen Aufenthalt seine Vaters in Südfrankreich zu treffen. (?)
Belgische Justiz. Ein Brüsseler Blatt erzählt: Zwei Franzosen waren im vorigen Jahre in erster und zweiter Instanz verurteilt worden, weil sie in Ostende Hazardspiele veranstaltet haben. Als sie nun in diesem Jahre wiederkehrten, um ihr Geschäft daselbst zu betreiben, wurden sie des Landes verwiesen. Der Justizminister aber war so gütig, die Ausweisung für die Dauer der Ladezeit aufzuheben.
Rußland.
Petersburg, 14. Sept. In hiesigen politischen Kreisen spricht man die Erwartung aus, daß der Kaiser Wilhelm, da er von den friedlichen Absichten des Zaren jetzt überzeugt sei, den Kaiser von Oester reich veranlassen werde, die Balkan-Politik mehr mit den Interessen Rußlands in Einklang zu bringen.
Türkei.
Konstan ti nopel, 11. Sept. Der armenische Bischof von Tadjad, Oscanian, wurde gestern von einem jungen Armenier überfallen und durch seinen Messerstich am Arm verwundet. Der Bischof konnte entfliehen. Die Ursache des meuchlerischen lieber falls ist eine Zeugenaussage des Bischofs, wodurch Verurteilungen von Armeniern wegen des Kirchen tumultcs in Kumkapu erfolgten. Der Thäter ist bekannt, aber unauffindbar.
Kleinere Mitteilungen.
Calw, 10. Sept. Gestern wurde der Restaurateur des hiesigen Schießhauses von seinem sonst sehr wachsamen und treuen Hunde gepackt und gebissen. Die Wunden an beiden Oberschenkeln und an einem Arm waren 6 om tief. Durch Zuhilfe kommen eines in der Nähe sich mit Oehmden beschäftigten Metzgers gelang es, den wahrscheinlich mit Tollwut behaftet gewesenen Hund unschädlich zu machen, worauf er erschossen wurde.
Laup heim, 10. Sept. In Bußmannshausen diess. Oberamts, verunglückte ein öjähriger Knabe auf gräßliche Weise. Derselbe spielte mit einem geöffneten alten Regenschirm. Er stürzte in denselben und stieß eine Stahlschiene so heftig ins rechte Auge, daß er bewußtlos zusammensank. Nur mit Gewalt konnte die Schiene entfernt werden. Das unglückliche Kind kam nicht mehr zum Bewußtsein und starb nach 4 Tagen.
In Heiningen führte ein Knecht am Samstag 3 aneinander gehängte Wagen mit Oehmd ein. Er ließ einen 6jährigen Knaben auf dem Sattelpferde reiten. Während der Knecht am hintersten Wagen etwas zurecht machte, fiel der Knabe vom Pferde und sämtliche Wagen giengen über ihn, so daß er tot auf dem Platze blieb. Der Knecht wollte den Jungen unter den Rädern des 2. Wagens hervorziehen, stürzte dabei und geriet selbst unter die Räder, die ihm beide Beine abdrückten.
Aus Ellwangen wird berichtet, daß infolge der guten Ernte die Brotpreise zurückgegangen seien. Der 4pfündige Laib Roggenbrot, welcher bisher 54 kostete, koste jetzt nur noch 50 Pf.
Berlin, 10. Sept. Eine Hochstaplerin stand dieser Tage in der Person der geschiedenen Frau Marie Henriette Johann Redieß, geb. Franke, hier vor Gericht. Die Angeklagte hat schon früher unter dem Namen Gräfin Reday eine Rolle gespielt. Sie hatte seiner Zeit einen Schlossergesellen geheiratet, der einen Anspruch auf den Namen eines Grafen Reday zu haben glaubte, worüber er aber vom Gericht eines Besseren belehrt worden ist. Der Schlosser war etwa 12 Jahre jünger als sie, was ihr aber nichts ausmachte; übrigens traf sie das Abkommen mit ihm, daß beide sich alsbald nach der Hochzeit wieder trennen. Als Gräfin Reday hat sie nun großartige Schwindeleien verübt, die ihr in Wien 2 Jahre Kerker, verschärft durch Fasten, einbrachten. In Berlin wurde sic im Jahre 1884 ebenfalls wegen großer Schwindeleien, bei welchen es sich um die Summe von 16 000 ^ handelte, zu 3 Jahren 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach überstandener Strafe hat sie ihr Gewerbe von neuem ausgenommen und eine Reihe von armen Leuten ins Unglück gestürzt. Sie erzählte denselben, daß die betreffenden Sparkassen, wo sie ihr Geld angelegt, bald zu Grunde gehen müssen, und versprach ihnen, 8 Proz. Zinsen zu zahlen. So schwindelte sie der Frau eines Maurers ihre Ersparnisse im Betrag von 1850 ^ ab, einem Dienstmädchen ihre ganzen in 25 Jahren zurückgelegte Notgroschen in der Höhe von 2500 und ähnliche Summen verschaffte sie sich noch in mehreren anderen Fällen. Ein 25jähriger Oekonom und Reservelieutenant, der sich wegen Heiratsvermittlung an sie wandte und auch ein Darlehen von 225 von ihr erhielt, mußte ihr dafür Wechsel ausstellen, die der Vater des jungen Mannes in der Höhe von 8000 später eingelöst hat, um seinem Sohne den Offiziersrock zu retten. Die Angeklagte, die sich mit großem
Raffiniment zu verteidigen wußte, wurde zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Endlich! In Berlin hatten die Fleischprcise in der letzten Woche eine Höhe erreicht, daß die Sache wirklich recht unbehaglich wurde. Die Staatsregierung hat das eingesehen, denn es ist jetzt die Erlaubnis zur Einfuhr ungarischer Schweine nach dem Berliner Viehhof gegeben, allerdings unter strengen veterinärpolizeilichen Vorschriften, die sich indessen in einigen Tagen berücksichtigen lassen. Durch das Entgegenkommen der Regierung wird wenigstens den übertriebenen hohen Preisen eine Ende gemacht werden.
Was man in Berlin Alles leihen kann. Das Leih-Jnstitut-Wesen dehnt sich in Berlin immer mehr aus. Den Möbeln, Pianinvs, Tafelgerüten, Schmuckpflanzen und allem Bedarf für festliche Anlässe, den Fracks und ganzen Ball- und Gesellschaftsanzügen für Herren haben sich nun glücklich auch die Brautkleider zugestellt. Man kann also jetzt ohne große Vorbereitungen „schnell und billig" Hochzeiten feiern.
Das Verfahren mancher Bäcker, welche alte Backware aufweichen und so aus derselben einen Teig Herstellen, der dann mit anderem frischen Teig vermischt und verbacken wird, ist nach den Bestimmungen des Nahrungsmittclgesctzes strafbar. Die neueste Nummer der amtlichen Nachrichten aus dem Reichsgesundheitsamt enthält eine größere Anzahl hierauf bezüglicher strafgerichtlicher Entscheidungen.
Eine originelle Erklärung. Im „Pöß- necker Tageblatt" befindet sich folgendes Inserat: „Erklärung. So lange in Deutschland gerade die reichsten Leute steuerfrei sind, halte ich jede Steuer für eine Ungerechtigkeit und verzichte daher auf das Vergnügen, meinen Mitbürgern als Steuereinschätzer das Geld aus der Tasche zu nehmen. Der hiesige Gemeinderat mag daher einen anderen als Steuereinschätzer an meine Stelle wühlen. Viktor Eberlein."
Da dem Vernehmen nach gegenwärtig der Versuch gemacht wird, der Verwendung von Saccharin bei der Bierbereitung Eingang zu verschaffen, so erscheint cs angezeigt, die Bierbrauer und Wirte darauf aufmerksam zu machen, daß sie sich durOi einen Zusatz von Saccharin behufs Verbessern minderwertigen oder verdorbenen, insbesondere sau gewordenen Bieres für den Fall, daß diese Art i Verwendung des Saccharins den Abnehmern d Biers verheimlicht wird, der Gefahr einer Bestrafung nach Z lO des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 aussetzen.
Der Gruß an den Gerichtsvollzieher. Dem erwarteten Gerichtsvollzieher zum Gruß hatte ein Leipziger Student in seinem Zimmer auf einen in die Augen fallenden Zettel folgende Verse niedergeschrieben :
„Ich weiß, Du kommst, um mich zu pfänden,
Du strammer Bote des Gerichts!
Ich kenn' die Leute, die Dich senden,
Doch diese Leute kriegen nichts;
Zwar Dein Bestreben scheint mir löblich, Pflichteifer treibt so früh Dich her:
Doch glaub mir, Freund, Du kommst vergeblich, Denn hier ist alles öd und leer. —
Sieh' hier eh'mal'gen Reichtums Reste:
Ein Port'monnaie mit nichts darin.
Dort an der Thür hängt eine Weste,
Wenn sie Dir ansteht, nimm sie hin!
Sonst bieten nichts Dir diese Räume,
Die suchend jetzt Dein Blick durchirrt;
Denn Stiefelknecht und Gummibäume Gehören meinem Zimmerwirt.
Du siehst: hier ist nichts fortzuschleppen,
Mich dauert, daß Du Dich bemüht!
Es sind vier unbequeme Treppen!
Geh hin, wo Pracht und Luxus blüt!
Noch ist es früh, genieß den Morgen!
Was nützt es, daß Du länger weilst?
Doch kannst Du, Freund, mir etwas borgen, Leg's hin, eh' Du von dannen eilst!"
Die „Tellsage." Die historische Kritik hat bekanntlich das Auftreten Wilhelm Tells und Geßlers, owie den Rütlischwur als in das Reich der Sage ;ehörend bezeichnet. Den Schweizern ist es schwer gefallen, sich dieses Ruhmesblatt in ihrer Geschichte als bloße Sage vorzustellen. Doch die Kritik ist unerbittlich geblieben und sie hat bereits Früchte gezeitigt. Wie nämlich gemeldet wird, hat die Regierung des Kontons Schwytz angeordnct, daß fortan