61 . Jahrgang.

Wro. 135 .

Amts- unä IntelligenMatt für äen Aezirü.

Erscheint Iieurtag, Z»ö««er»tag L Samstag.

im Die Einrückungsgebühr beträgt 9 -H p. Zeile Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 18. November 1886

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'Aotttische WcrchvicHterr.

Deutsches Reich.

Berlin, 15. Novbr. Der Börsen-Kourier meldet aus Schwerin das dort als befttmmt auftretevde Gerücht, Prinz Heinrich, der zweite Sohn des deutschen Kronprinzen, werde sich demnächst mit der Herzogin Elisabeth Alexandrine, der ältesten, 1869 geborenen Tochter des verstorbenen Grobherzogs Friedrich Franz, aus dritter Ehe mit der Großherzogin Marie Karoline, Prinzessin von Schwarzburg- Rudolstadt, verloben.

Berlin, 15. Nov. Der Kanzler ist nach der Besprechung mit dem Kaiser soeben nach Friedrichsruh abgereist.

Berlin, 15. Nov. Nach dem Gesetzentwurf betr. die Feststellung des Reichshaushaltsetats 1887/88 sind die Ausgaben festgesetzt mit 750,946,885 -M, davon 631,345,194 fortdauernde, 119,601,691 einmalige. Der Besoldungsetat des Reichsbank-Direktoriums beträgt 132,000--LL Es übersteigen die Gesamtausgaben die des Vorjahres um 53,554,816 wovon 10,134,201 ^ auf die fortdauernden, 43,554,8164L aus einmalige Ausgaben entfallen. Nach Ausscheidung der durchlaufenden Positionen, der durch außerordentliche Einnahmen Deckung findenden Ausgaben und der zur Auszahlung an die Bundesstaaten gelangenden Erträge aus den Zöllen, der Tabaksteuer und der Stempelabgabe, durch welche die Höhe der Matrikular- beiträge so wenig, wie der Abschluß des Reichshaushaltsetats berührt wird (was zusammen 248,483,161 -4L gegen 227,906,3044L des Vorjahres ergibt). So beziffern sich für 1887/88 die fortlaufenden Ausgaben auf 455,732,0964L, die einmaligen aus 46,731,628 --Ä-. zusammen 502,463,724 -4L, was gegen das Vorjahr ein Mehr ergebt: bei den fortdauernden Ausgaben 12,457,691 -4L, bei den einmaligen 20,520.268 -4L, zusammen 32,977,959 -4L Dieser Betrag erhöht sich in Folge des Ausfalls bei den Einnahmen auf 33,176,541 welche durch Erhöhung der Matrikularbeiträge zu decken sind.

Kiel, 14. Nov. Wie derAllg. Ztg." in einer Korrespondenz von der Ostseeküste gemeldet wird, sollen jährlich eine bestimmte Anzahl von Negern.als Freiwillige auf der deutschen Flotte angenommen und in Deutschland miütärisch ausgebildet werden, um dann Heimzukehren und in den Stationen als Matrosen, Polizeisoldaten rc. weitere Dienste zu leisten. Diese Nachricht entbehrt, wie uns von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, jeder Begründung. Die drei Kamerun-Neger, welche im vorigen Jahre auf derHansa" waren, sind auch nicht in ihre afrikanische Heimat zurückgekehrt, umauf den dort stationierten Kriegsschiffen weiter fortzudienen", sondern einfach entlassen und nach Hause befördert worden. ----- . t . , ^_ , - .

JeuicLeton. «Nachdruck °nb°t-n.)

Verlorene Ehre.

Roman von W. Köffer.

(Fortsetzung.)

Die Kranke lag mit gefalteten Händen, und wenn sie jetzt ihre Schwester an­sah, dann lächelten Beide. So viel Sonnenschein, so viel Frieden als in dieser Zeit voll seligen Einverständnisses, hatte das alte Haus nie zuvor geboren.

Nur in Elisabeth's Herzen nagte der Wurm, der nicht stirbt. Es war ihr wie ein Sakrilegium, als sie die Geschenke von Tante Josephinens Aussteuer berührte. Mit welch' freundlichem Vertrauen wurden sie gegeben, und wie schrecklich täuschte sich die alle Dame!

Wieder sah das bleiche Mädchen in den Spiegel, aber jetzt voll heimlicher Un­ruhe. Kein Zug ihres Gesichts durfte den Zustand der Seele verraten, sie hatte frei­willig die Maske angelegt und mußte sie nun tragen bis zur letzten Stunde.

Welche Foltern, wenn zuweilen im Zwielicht des scheidenden Tages die alte Tante neben ihr saß und nach Einzelheiten forschte, nach der Todesstunde des Vaters, und nach dem, was er mit seiner Tochter von ihr selbst und von der Vergangenheit gesprochen wenn sie Lüge nach Lüge ersinnen mußte und das fiebernde Hirn mar­tern, um sich auf Alles zu erinnern, auf das von gestern und das von heute der kleinste Widerspruch konnte das Gewebe von Schuld und Trug enthüllen. Welche Foltern, welche namenlose Qualen duldete die Unglückliche!

Und so kam der Tag, an dem die Legitimationspapiere der beiden jungen Leute den Behörden zur Prüfung vorgelegt werden mußten.

Gieb mir Deine Dokumente gleich mit, Liebe", hatte der Doktor gesagt. Du besitzest doch hoffentlich alles Notwendige?"

Gewiß!" antwortete, auf diese Frage längst vorbereitet, das Mädchen.Ich werde Dir die Scheine holen."

Belgien.

Brüssel, 15. Nov. Die Congo-Regierung erhielt eine Depesche, welche einen Ueberfall der wichtigen Station Stanley- Falls durch die Araber meldet. Die Station mußte geräumt werden. Der Kommandant derselben, Lieutenant Dubais, ertrank ans der Flucht.

England.

London, 16. Nov. DieTimes" meldet aus Petersburg, die Rede Kalnoky's habe die Wirkung gehabt,, daß die Abberuf­ung Kaulbars', die in wenigen Tagen erfolgen sollte, verschoben wurde, damit der Anschein vermieden werde, als gebe Rußland den öster­reichischen Drohungen nach.

Bulgarien.

Tirnowa, 13. Nov., 11 Uhr vorm. Soeben wurde in der Sobranje das endgiltigs Absagetelegramm des Königs von Dänemark vorgelesen. Stam - bulow und Mutkurow gaben in Folge, ihre Entlassung. Sie begründeten diese Entlassung damit, daß unter den heutigen Verhältnissen andere Persön­lichkeiten dem Lande ersprießlichere Dienste leisten könnten. Fr. I.

Aus Tirnowa wird gemeldet: Kaulbars verlangt vie Absetzung Mutkuroff's. DieRegierungwilldieseNote nicht beantworten. Viele Arretierungen fanden in den Militärkasernen statt. In der Sobranjesitzung am Samstag beleidigte Stojanoff die Diplomaten, indem er sagte, die Vertreter Europas haben es nicht der Mühe wert erachtet, sich selbst herzu­bemühen, sondern schickten blos ihre Schreiber. Infolge dessen verließen die Diplomaten den Saal.

Gages-Weuigkeiterr.

Ludwigsburg, 14. Nov. Im nahen Osterholzwäldchen und dem angrenzenden zu der Markung Asperg gehörigen Grunde hat gestern Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar ein größeres Treibjagen ge­halten, bei welchem 64 Hasen, 1 Fuchs und eine Wildkatze erlegt wurden. Eine größere Anzahl Herren vom Zivil- und Offiziersstande aus Stuttgart und Ludwigsburg haben an der Jagd teilgenommen.

Cannstatt, 14. Nov. Das allgemeine Interesse in hiesiger Stadt nimmt gegenwärtig eine Glasbläserei und Glasspinnerei im Saale des Bahnhofhotels C. Mertz in Anspruch. Täglich von 10 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends werden dort Experimentalvorstellungen in der Kunst des Glasblasens und Glasspinnens gezeigt. Vor den Augen des Publikums

Sie freute sich des kurzen Weges in ihr eigenes Zimmer, der Pause vor dem letzten Schritt. Etwas wie die undeutliche Vorstellung, daß jetzt auch das Gesetz getäuscht werde, irrte durch ihr Bewußtsein. Was war das neben all' dem Andern, Schlimmem?

Der Dollar wog in seiner Hand die alte lederne Brieftasche.

Gewiß ein Familienstück", sagte er,noch aus Deutschland mitgebracht in die australischen Wälder! Sieh' nicht so blaß und so wehmütig drein, mein herziges Mädchen! Du hast eine Heimat wiedergefunden, eine, die Du nimmer verlieren kannst; komm', wir wollen heraussuchen, was ich brauche."

Er zog sie zu sich, und während ihr Kopf an seiner Schulter lag, durchblät­terte er die Familienpapiere jener blonden Toten, die damals mit ihrem Blute den Kies des Steinbruchs purpurn gefärbt. Elisabeth's große Augen sahen starr ins Leere. Es war ihr, als höre sie das Plätschern und Murmeln der schwarzen Wasser­rinnen, als müsse sie in diesem Moment wieder den leblosen Körper nehmen und aus das höhere Ufer tragen der eigenen schweren Versuchung einen Damm zu ziehen. Alle Bilder jener Schreckensstunde entrollten sich schauerlich klar ihren Blicken.

Elisabeth Georgie Anna", las behaglich der Dollar,eheliche Tochter des Farmers Emst Robert Herbst von Stonehill und seiner Frau Lizzy Emma, gebo­rene Scott! Da hätten wir also den Taufschein. Und dies hier ich sehe schon, es ist die Sterbeurkunde."

Er nahm ein anderes Papier, wobei ein leichteres Blättchen zu Boden fiel, jenes Netz, unter dem die getrockneten Blumen lagen.

Von Mama's Grab" las er halblaut.Pardon, Liebe! Ich konnte nicht ahnen, was da verborgen zwischen dem Uebrigen steckte. Du bist früh und schwer geprüft worden, armes Herz!"

Er küßte zärtlich ihre nassen Augen.

Weine nicht, Schatz! Das Leben soll, soweit es in eines ehrlichen Mannes Kräften steht, für Dich jetzt schön und glücklich werden."

Elisabeth suchte seinen Blick, um ihre feinen Lippen zuckte es kaum merklich.

Es ist mir, so oft Du von unserer Hochzett sprichst, als muffe ich Dich jetzt