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laufen, nicht gerechnet. Oesterreich.Ungarn schuldet Deutschland mehr als 3 Mil­lionen Mark in Papieren. England hat einen nahmhaften Teil seines Besitzes an russischen Staatspapieren in den letzten Jahren abgestoßen und größtenteils nach Deutschland verkauft. Deutschland ist jetzt neben Holland der einzige größere Markt für russische Papiere. Es ist dies eine große Gefahr für den deutschen Nationalwohlstand selbst dann, wenn es nicht zwischen Deutschland und Rußland, sondern nur zwischen Oesterreich und Rußland einen Zusam­menstoß gibt; denn die Course aller dieser Papiere würden gewaltig sinken und ungeheures Geld verloren gehen. Die deutschen Börsenherren werden künftig die russischen Papiere weniger hätscheln dürfen.

Oesterreich.

Wien, 13. Nov. Der König von Dänemark telegraphierte an die Sobranje, daß er unter den gegenwärtigen Umständen seinen Sohn zur Aufnahme der Wahl zum Fürsten von Bulgarien nicht ermächtigen könne. Die Regentschaft demissionierte infolge dieser Antwort.

Frankreich.

Marseille, 11. Nov. Während des gestrigen Tages hauste ein orkanartiger Gewittersturm, der großen Schaden im Golf von Gascogne an- gerichtet hat. Im hiesigen Hafen war der Verkehr eingestellt, und die Schiffe konnten nicht auslaufen. Der Strand von Lacorniche, sowie die an dem­selben gelegenen Gärten und Promenaden wurden überschwemmt. Mehrere kleine Goöletten litten Schiffbruch und die Ketten vieler im Hafen verankerter Schiffe rissen. Fast die ganze Riviera ist von den Meereswogen bespült. Bei Vallauris ging die mit Thonwaren beladene BriggHirondelle" vollständig zu Grunde. Auf der Bahnlinie Marseille-Lyon-Genf wurden an vielen Stellen die Bahndämme zerrissen und die Brücken weggeschwemmt. Der Verkehr ist unterbrochen. Soldaten und Pompiers arbeiten überall, ihre Anstrengungen sind aber fruchtlos. Das Elend ist unbeschreiblich. Der hiesige Generalrat votierte 25,000 Fr. für die Hilfsbedürftigen.

Spanien.

Aus Madrid wird gemeldet, daß Stürme zwei Tage lang die telegraphischen Verbindungen unterbrochen haben; viele Schiffbrüche, namentlich von Fischerbooten und Küstenschiffen, sind vorgekommen.

216 Soldaten und Unteroffiziere sind wegen Beteiligung an dem Madrider Septemberaufstande zu lebenslänglicher Einschließung, drei zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

GagsS-Weuigkeiten.

Calw, 15. Nov. Die gestern von der hiesigenConcordia" im Dreiß'schen Saale veranstaltete musikalische Unterhaltung hatte sich eines überaus zahlreichen Besuches zu erfreuen. Das 10 Nummern umfassende Programm wurde rasch und im allgemeinen recht befriedigend abgewickelt. Eröffnet wurde das Konzert durch die wohlbekannte Ouvertüre zuDon Juan", vierhändig gespielt von den Herren Ehr. Staig er und Vinyon. Wir hätten lieber gesehen, wenn ein Männerchor den Reigen des Programms begonnen hätte, um so die Zuhörer so recht die Macht und die wunderbar ergreifende Gewalt des Gesangs erfahren zu lassen. Auch hätten wohl mehr als nur 4 Chöre in das Programm ausgenommen werden dürfen, umsomehr da der Verein ein Gesangverein ist und sich mit seinen Leistungen wohl hören kaffen durfte; das Programm hätte an reicherer Abwechslung entschieden gewonnen. Schon mit dem ersten ChorIm Maien" von Billeter, einer einfachen, aber sehr ansprechenden Komposition, zeigte der Verein, daß er über ein gutes Stimmmaterial verfügt, gut geschult ist und die musikalischen Bezeichnungen oft ganz gelungen zum Ausdruck zu bringen weiß. Ein Fort­schritt gegen früher ließ sich leicht erkennen; dies zeigte sich auch in den fol­genden ChörenHeil Dir, Heil mein Vaterland" von Speidel,Am schwarz und blauen Bande" von Burkhardt undWas uns eint als deutsche Brüder" von Mendelssohn. Sämtliche Chöre waren mit wohlverdientem Beifall begleitet

biete» man erreicht Nichts, ich weiß es. Heirate Elisabeth, mein Junge ich .vermache Euch Beiden, was ich besitze Du sollst das Testament haben, sobald es Ler Notar schickt. Sind wir nun versöhnt

Statt aller Antwort reichte er ihr die Hand, und so standen sie beide einen Augenblick stumm nebeneinander, vielleicht zum ersten Male, seit er lebte, im Herzen ganz einig.

Aber laß doch das Testament, Tante", sagte er endlich.Du kannst hundert Jahre alt werden."

Fräulein Haberland schüttelte den Kopf.

Seit ich den Brief erhielt, liegt es mir sonderbar schwer auf der Brust", ver­setzte sie, und als er darüber Näheres hören wollte, wehrte sie ihm.Laß das nur ich glaube, dagegen besitzt die Wissenschaft kein Mittel."

Sie waren nun verlobt; in allen Blättern hatte die Anzeige gestanden, und von allen Seiten kamen Briefe und Glückwünsche.

Als der Erste erschien Walter mit seinem blonden, glückstrahlenden Bräutchen.

Sagte ich Dir nicht, daß Du besiegt werden würdest, alter Junge?" Ein prachtvolles Mädchen, Deine Braut!" Meine arme Helene erscheint neben ihr wie das Wiesenblümchen neben der Centifolie. Werdet Ihr bald heiraten?"

So schnell als möglich!" versetzte der Doktor.Ich denke. Du thust dasselbe."

Nun der Wechsel bezahlt ist, ja. O, mein Himmel, welche Zeit liegt hinter mir! Wäre Deine Tante unerbittlich geblieben, dann hätte mich diese Stadt nicht wiedergesehen. Helene weiß es. Mußtest Du meinetwegen viel Schlimmes erfahren, alter Junge?'

Der Doktor lächelte.

Doch schließlich mehr Gutes", antwortete er.Wir können jetzt die unlieb­same Geschichte vergessen."

Bis auf Eines daß nämlich der Spitzbube immer noch ungestraft umher­läuft. Er muß von hier fortgegangen sein."

Eigentlich bin ich diesem Manne zu vielen Dank schuldig, um ihm nicht alles Gute zu wünschen", sagte er.Ohne seinen Griff in die fiskalischen Banknoten hätte

Elisabeth beharrlich geschwiegen und die Einwilligung wäre nie erreicht worden. Möchten ihm die Götter doch Siegfrieds berühmte Tarnkappe verleihen, damit er unbehelligt verschwinde. Vergiß ihn, die Sache ist erledigt."

Nie!" schwor energisch der junge Aristokrat.Bei Gott, nie! Ich will den Tag erleben, wo dieser Schurke unter meinen Fäusten zittert."

Julius lächelte, er gehörte zu den Menschen, die in ihrer eigenen, gewöhnlich eng begrenzten Welt für sich leben, und kleine Störungen von Außen her so schnell als nur möglich zu vergessen suchen. Das Geld an und für sich ließ ihn gleichgültig, daher empfand er gegen den Räuber desselben auch nicht jenen glühenden Haß, der seinen Freund durchströmte, namentlich jetzt, wo diese ganze Zukunft in schönerem, hellerem Licht erglänzte.

Noch vor Beginn des Frühlings sollte die Hochzeit gefeiert werden. Mama schien förmlich wieder aufzuleben vor Freude; die kleine lauschige Wohnung im Hinter­hause füllt sich Stück nach Stück mit den bescheidenen Mobilien, die Julius und Eli­sabeth von des Doktors eigenem kleinem Verdienst zusammen einkauften, und die Tante Josephine mit einem seltsam rührenden Geschenk ausgeschmückt hatte.

Als vor dreißig Jahren Ernst Herbst ohne Abschied davonging, lag in mehreren Koffern des Mädchens Aussteuer an Silber und Leinen für die bevorstehende Hoch­zeit fertig da, um dann eingeschlossen, um selten nur wieder hervorgezogen zu werden selten, wie der Mensch ein teures Grab zu besuchen pflegt, in den Stunden ernst­ester Weihe, mit schweren, brennenden Thränen.

Jetzt erhielt das Alles die langentbehrte Bestimmung, verblichene Bänder fielen von ganzen Dutzenden altmodisch geformter Löffel, ein reicher Schatz an Tafelgerät und Schmuckgegenständen, kam zu Tage, und wohlerhaltener Damast füllte die Räume. Tante Josephine sah mit einem stillen Lächeln diese Zeugen ihrer glücklosen, zertre­tenen Jugend.

Freuet Euch darauf", sagte sie leise,versäumt keine Stunde, in der Eure Herzen feiern können."

(Fortsetzung folgt.)

und wir wünschen dem Verein unter der trefflichen Leitung von Hrn. Lehrer Staiger auch ferneres Gedeihen, denn die Pflege des Gesanges trägt zur Förderung der höheren Bildung unseres Volkes und zur Weckung schönerer Regungen und Bestrebungen in demselben mächtig bei. Außer den Gesamt­chören waren in das Programm noch verschiedene Piecen, welche sämtlich von dem strebsamen Dirigenten auf dem Klavier begleitet wurden, ausgenommen. Hr. Lehrer Deuschle von Altburg zeigte sich in demKünstlerball" als gewandter Violinspieler, auch verfügt derselbe über eine schöne Baßstimme, die in dem StückFünfmalhunderttausend Teufel" zu gutem Vortrag kam. Zwei TenorsoloJa Du bist mein" von Heymann undFahr wohl mein Vaterland" von Abt, gesungen von Hrn. Adolf Staiger in Nagold, wurden der korrekten Tonbildung und des schönen Vortrags wegen sehr dankbar aus­genommen. Endlich verdient noch ein TenorsoloDer Neugierige" von Schubert, gesungen von Hrn. Buck, erwähnt zu werden. Die Stimmung der zahlreichen Zuhörerschaft war sehr animiert und der VereinConcordia" darf mit Befriedigung auf diesen Tag zurückblicken.

Calw, 12. Nov. Wie uns mitgeteilt wird, beabsichtigt der hiesige Liederkr anz" am nächsten Sonntag von nachmittags 4 Uhr an im Saale von Thudium ein Konzert und zwar mit freiem Eintritt für jedermann zu geben. Wir verfehlen nicht, schon jetzt auf diesen zu er­wartenden musikalischen Kunstgenuß aufmerksam zu machen.

Dennach, 9. Nov. Schon seit geraumer Zeit ist in unserem hoch­gelegenen Orte die Frage, wie dem Uebelstande des Wassermangels abzuhelfen wäre, Gegenstand der Erörterung. Hr. Regierungsrat Nestle ist in seiner Eigenschaft als Oberamtmann dieser wichtigen Frage mit Energie näher getreten; ihm gelang es nach den bezügl. Verhandlungen den Beschluß der Gemeinde zur Ausführung einer Quellwafssrversorgung durch Heben des Wassers aus tiefer liegendem Terrain herbeizuführen. Hr. Ingenieur Kröber aus Stutt­gart wurde als beratender Techniker beigezogen und nach dem von ihm aus­gearbeiteten Projekt, welches besonders durch seinen auffallend billigen Kosten­voranschlag und Zweckmäßigkeit die Zustimmung fand, mit der Wasserbe­schaffung aus dem sog. Fingerles. Brunnen betraut. Unter seiner Oberleitung ist das Werk erstellt, konnte am 25. Oktober d. I. eröffnet und durch Hrn. Oberamtsverweser Entreß in entsprechend feierlicher Weise übergeben werden. Der interessanteste Teil des Werkes ist die Pump­station. Ihr fiel die Aufgabe zu, das in zwei Quellschäften gefaßte Wasser des im Berghang oberhalb der Station Rothenbach entspringendenFingerles- Brunnens" hinauf in den Ort zu fördern. Diese Aufgabe ist in einer Weise gelöst worden, welche ihrer Einfachheit, Eigenartigkeit und der soliden Leistung wegen die Aufmerksamkeit anderer wasserarmer Berggemeinden unseres Landes, speziell auch unseres Bezirkes in hohem Grade verdient und sicherlich vielfach Eingang finden wird. Die Wasserkraft der Quelle selbst wird nämlich zum Betrieb des Pumpwerks benutzt, indem ihr Wasser in einer gußeisernen Nöhrenleitung von 10 Centimeter Weite unter Druck einer 36 Meter tiefer in einem solid gebauten Häuschen aufgestellten kleinen hydrau­lischen Maschine zugesührt wird und dieselbe in Bewegung setzt. Diese, dem Erfinder, Hrn. Ingenieur Kröber in Stuttgart patentierte Waffersäulenpumpe" ist hydraulischer Motor und Pumpe zu­gleich, besteht im Wesentlichen aus einem Cylinder, in welchem, vom Wasserdruck getrieben, ein Kolben hin und her geht. Im Innern vollzieht sich vermöge einer sehr einfachen Vorrichtung (ohne Hebel, Kolben, Ventile rc.) die Teilung des eingeführten Wasser in das eigentliche Triebwasser und das zur Versorgung des Ortes bestimmte Nutz wasser. Letzteres wird durch eine zweite Rohrleitung, das Steigrohr, auf die Höhe gepreßt. Der ganze Apparat ist auf einem Steinquader von 1,4 m Länge und 0,7 m Breite montiert und zur Ausgleichung von Druckschwankungen sind neben ihm noch zwei Windkessel angebracht. Das aus der Maschine fließende ver­brauchte Triebwasser gelangt durch einen verdeckten Bodenkanal in's Freie. Der kleine Maschinenraum ist gänzlich trocken und die an den Windkesseln