Yro. 134
61. Jahrgang
Amts- uncl IntekkigenMatt für äen Aezir^.
Eri ch eint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
im Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile Bezirk, sonst 12 A.
Dienstag, äen 16. November 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
ArnMcHe WekcrrrntrncrcHrrrrgen.
^oEsche WcrcHvictzten.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betr. die Abhaltung von Unterrichtskursen im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung zu der durch das Gesetz vom 28. April 1885 , betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung im Hus- beschlag zu ermöglichen, finden an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede in Heilbronn, Reutlingen, Hall, Ulm und Ravensburg dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am Dienstag, den 11. Januar 1887, ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einem dieser Kurse sind bis 14. Dezbr. d. I. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzureichen.
Dem Zulassungsgesuch sind in Form urkundlicher Belege beizufügen:
1) ein Geburtszeugnis;
2) der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedhandwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeugnisse hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt unc, von der Ortsbehörde beglaubigt sein;
3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilligungserklärung des Vaters oder des Vormunds;
4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebote stehen werden;
5) eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wiro, die der Staatskasse erwachsenden Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (K 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, den 6. November 1886. Werner.
Berlin, 12. Nov. Heute zweifelt wohl Niemand mehr daran, daß die Anwesenheit des Fürsten Bismarck Hierselbst durch die Lage der auswärtigen Angelegenheiten bedingt ist. Der Reichskanzler fühlt offenbar das Bedürfnis, in der gegenwärtigen Lage die Geschäfte selbst mit seiner sicheren Hand zu leiten und die nötigen Verhandlungen persönlich zu führen. Der Fürst hat seine Geschäfte in vollem Umfange ausgenommen; außer den Konferenzen mit dem Kronprinzen und anderen politisch hervorragenden deutschen Persönlichkeiten hatte der Reichskanzler auch schon Besprechungen mit einigen fremden Botschaftern. Von der anfänglichen Angabe, wonach der jetzige Aufenthalt des Fürsten in Berlin nur zwei Tage dauern sollte, ist jetzt nicht mehr die Rede und es scheint durchaus unbestimmt, wann die Abreise erfolgen wird. Ueber die Auffassung der Lage und der Stellung Deutschlands zu den schwebenden Fragen gibt u. a. auch eine Zuschrift Aufschluß, die der „Pol. Corr." von hier zugeht. Danach hat in den maßgebenden deutschen Kreisen die Thronrede an die österreichisch, ungarischen Delegationen einen ausgezeichneten Eindruck gemacht; in diesen Kreisen teilt man die Hoffnung des Kaiser-Königs Franz Joseph, daß es gelingen werde, den Frieden zu erhalten. Geschöpft wird sie aus den notorisch friedlichen Absichten der drei Kaiser und ihrer Regierungen. Es liegt in der Natur der Orientsragen, welche in die verschiedensten Interessensphären eingreifen und ein« sehr empfindliche Seite der großmächtlichen Politik berühren, daß sie bei jedesmaligem Auftauchen sofort eine Atmosphäre voll Beunruhigung verbreiten, und daß ihre Lösung sich schwierig und langwierig gestaltet, weil sie mit sehr großer Vorsicht auszuführen ist. Das berechtigt aber nicht zu pessimistischen Auffassungen; vielmehr besteht mit vollem Schwergewichte die Thalsache der friedlichen Absichten aller drei Kaiser. Das Berliner Cabinet glaubt dem Frieden nicht besser dienen zu können, als indem es sich dem Be st reden widmet, divergierende Anschauungen auszugleichen, zwischen wiederstreitenden Interessen zu vermitteln und Mißverständnisse aus dem Wege zu räumen.
— Die „M. Ztg." will genau wissen, daß Fürst Bismarck Berlin am Montag (also gestern) wieder verläßt. „Man höre, daß der Wunsch des Kanzlers dahin gehe, über die auswärtige Politik im Reichstage zu sprechen."
— Rußland schuldet dem deutschen Volk mindestens 2 Milliarden Mark in russischen Slaatspapieren, die anderen Anlagen deutschen Kapitals in russischen Elsenbahnen, die sich auf Hunderte von Millionen be-
JeuicLelon. <N-chdru-
Verlorene Ehre.
Roman von W. Köffer.
(Fortsetzung.)
Tante Josephine glaubte den Sinn dieser Worte vollkommen zu verstehen; ein mildes, freundliches Lächeln überzog ihr Gesicht.
„Und wenn ich selbst — ich selbst Dich bitte, hier zu bleiben, liebe Elisabeth?" sagte sie leise, mit klopfendem Herzen. „Vielleicht sehe ich seit diesem Morgen so Manches in anderem, besserem Lichte — vielleicht sollte man die Zukunft immer nur Gott überlassen, anstatt thätig eingreifen und lenken und bestimmen zu wollen. Bleib' ich bitte Dich, Lisa, und wenn Du es vermagst, so sieh in mir eine mütterliche Freundin' eine viel ältere Schwester, die sich treulich bemühen wird, Dein Glück zu sichern und zu fördern. Ja, Dein Glück — es hieße dann, wie es wolle. Bist Du nun zufrieden?"
Aber Elisabeth schüttelte verneinend den Kopf.
„Ich bin nicht gekommen, um den Unfrieden in dies Haus zu tragen", er- wiederte sie schaudernd.
Tante Josephine erhob sich und küßte die Stirn ihrer Schutzbefohlenen.
„Sprecht Euch gegen einander aus, Kinder", sagte sie freundlich, obwohl diese Worte allein dem jungen Mann zu gelten schienen. „Das wird am ersten zum Ziele führen."
Tante Josephine ging hinaus, tapfer den Schmerz bekämpfend, der ihr Inneres zerriß. Was sie dachte, war nur Eines: „Diese wenigstens sollen mich nicht anklagen!"
Und während nun oben am Bette der Kranken die beiden alten Schwestern alle diese aufregenden und inhaltschweren Einzelheiten austauschten, saßen im Besuchszimmer die beiden jungen Leute Hand in Hand, und Elisabeth mußte wiederholen was sie früher der Tante mitgeteilt hatte, dieses Mal jedoch, indem sich ihre Seele empörte gegen den arglosen Bettug. Von dieser Stunde an gab es bis zum Ende
für sie nur noch eine einzige Art der Rettung mit Erfolg und Absicht den geliebter» Mann zu hintergehen.
Wenn es gelang ihn zu täuschen, dann war sie sicher.
Julius hatte den Wechsel und alle Sorgen der letzten viemndzwanzig Stunden vergessen.
„Jetzt bist Du mein!" wiederholte er fortwährend. „Ich denke nicht daran. Dich freizugeben. Du tapfres Herz. Man kann auch den Stolz übertreiben, weißt Du das wohl?"
Was sie litt, schilderte keine Feder.
Am anderen Morgen schien Alles wieder im äußerlich ruhigen Geleise, nur Julius empfand die Notwendigkeit, seiner Tante unter vier Augen zu danken, er schob aber diese Zusammenkunft widerstrebend so lange als möglich hinaus und empfing sehr zufrieden gegen 9 Uhr die ersten Patienten, welche ihn nun auf Stunden an das Besuchszimmer fesselten. Was sollte er der Tante sagen? Zwischen ff>m und ihr war doch kein Ausgleich möglich.
Nachdem der letzte Kranke getröstet die Thür hinter sich geschlossen, klopfte es; Fräulein Haberland stand auf der Schwelle. Sie suchte seinen Blick, ihre Hand streckte sich ihm, Versöhnung bringend, entgegen.
„Wollen wir wieder gute Freunde werden, Julius?"
Jähe Röte flog über sein hübsches Gesicht. War das Tante Josephine, die immer tadelte, immer dominieren wollte?
„Ich bin Dir gestern Dank schuldig geworden, Tante", versetzte er. „Es soll mein aufrichtigstes Bestreben sein, diese Summe sobald als möglich zurückzuzahlen."
Sie sah ihn an.
„Ich hoffte etwas Besseres zu hören, Julius. Sag' mir, liebst Du Fräulein Herbst und glaubst Du an ihrer Teste das Glück des Lebens gefunden zu haben?"
Und er antwortete aus voller Ueberzeugung:
„Ja, Tante!"
„Nun, dann will ich Euch zu Gefallen meine eigenen Wünsche aufgeben", versetzte zitternd die aste Dame. „Es ist nicht gut, dem Herzen Schweigen zu ge-