läßlich seines Rücktrittes berührt. Der Fürst äu­ßerte, daß er in seinem Baterlande am härtesten be­urteilt worden sei. Die Parteien seien glücklich, daß sie ihn nicht mehr zu fürchten brauchen. Der Fürst erklärte, daß er mehr als jeden Anderen Herrn von Caprivi als den besten deutschen General schätze» nur bedaure er, daß dieser sich jetzt mit Politik be­fassen müsse. Uebrigens werde der neue Kanzler weder nach innen noch nach außen den Typus der bisherigen Politik im allgemeinen abändern. In Europa sei die politische Lage klar und (durchaus friedlich. Was die soziale Frage anbetrifft, so hielt es der Fürst für unmöglich, jemals die Menschen mit ihrem Loose zufrieden zu machen. Die Sozialisten seien nicht im Stande, ihre Versprechungen zu ver­wirklichen. Die Zugeständnisse, die man ihnen mache, würden sie nicht vom Wühlen abbringen. Bismarck erkannte an, daß es unter den sozialistischen Führern immerhin Personen von großer Begabung gebe, wie Liebknecht, aber ihr System sei eine Narrheit. Schließ­lich bemerkte der Fürst, daß er niemals die Vorur­teile gewisser Kreise gegen die Franzosen geteilt habe. Im Gegenteil habe er ihre zahlreichen glänzenden Eigenschaften stets anerkannt.

Wiesbaden, 29. Mai. Der Statthalter Fürst Hohenlohe, der heute nachmittag hier ein­getroffen ist, stattete nach derA. Ztg." um Vz7 Uhr der Kaiserin Eugenie einen Besuch ab.

Oesterreich-Ungarn.

Prag, 30. Mai. Der Führer der alttsche­chischen Abgeordneten, Rieger, erhielt einen Droh­brief des Inhalts, er werde erschossen werden, falls der Ausgleich zu stände komme.

Pest, 29. Mai. Infolge her Ausplünderung des Schlosses des Grafen Kornisz entdeckte die Po­lizei eine große weitverzweigte Räuberbande, bei welcher sogar wohlhabende Bürger beteiligt sind.

Frankreich.

Paris, 29. Mai. Gras Bismarck ist, nach­dem er alle möglichen Interviews, d. h. Anzapfungs­versuche von Reportern, standhaft abgewiesen, nach Frankfurt a. M. abgereist. Einige Blätter veröffent­lichen angebliche Unterredungen mit dem früheren Staatssekretär, aber man sieht, daß das Zeug er­funden und zusammenkombiniert ist. Es hat des­halb kein Interesse, darauf einzugehen.

Paris, 29. Mai. Die Polizei verhaftete heute früh 15 russische Staatsangehörige, bei denen zahlreiche Schriftstücke sowie Explosivstoffe mit Be­schlag belegt wurden. Die Verhaftung erfolgte auf Grund zahlreicher Einkäufe derselben bei Chemika­lienhändlern.

Das Pariser Petit-Journal veröffentlicht die Unterredung eines Redakteurs mit dem Sozialisten- führer Liebknecht. Letzterer erklärte, die Sozialdemo­kratie sei nicht mehr revolutionär, sie erwarte alles von der Zeit und Propaganda. Liebknecht kündigte eine heftige Angriffsrede an, die er im Reichstag gegen Bismarck halten werde. Die elsaß-lothringische Frage könne erst dann gelöst werden, wenn einst Deutschland und Frankreich eine föderierte Republik geworden seien. Die soziale Politik des Kaisers bedeute einen ungeheuren Fortschritt. Alles sei bes­ser geworden, ein versöhnlicher Geist beherrsche alle Parteien. Die Lage der sozialdemokratischen Partei sei gut. Der Kaiser werde, wenn er so fortzufahren wüßte, einer der größten Fürsten der Geschichte werden, die ihn als Reformator und Wohlthäter der Menschheit bezeichnen werden. Die Leute glau­ben an seine Ehrlichkeit und Entschlossenheit, den hohen Aufgaben seiner Stellung sich ganz zu widmen.

Ein Unwetter, das am Pfingstsonntag nachmittags 4 Uhr über Paris und Umgegend aus­brach und zwei Stunden währte, richtete derKöln. Ztg." zufolge großen Schaden an. Es fielen Ha­gelkörner von der Größe eines Eies. In Suresnes, Argenteuil, Courbevoie, Zlsniöres u. s. w. ist fast "die ganze Obst- und Weinernte vernichtet. Spanien.

Ein spanisches Konnte für die Feier des 400- jährigen Jahrestages der Entdeckung Amerikas be­schloß die Abhaltung einer Weltausstellung in M a- drid für den Sommer 1892.

Madrid, 29. Mai. DieKöln. Volksztg." b.richtet: Ein Dienstmädchen ermordete zwei Kinder und vier andere Personen, weil seine Herrschaft ihm nicht erlaubte, die Stiergcfechte zu besuchen.

Rußland.

Warschau, 30. Mai. Der Polizeimeister wies 84 Ausländer aus, darunter 30 Preußen und 26 Oesterreicher.

Bulgarien.

Sofia. Panitza hat auf die Frage des Prä­sidenten, ob er sich schuldig fühle, eine Verschwörung gegen den Staat zum Zweck des Sturzes der Re­gierung angezettelt zu haben, unumwunden mit Ja geantwortet. Er behauptete, von Motiven des Pa­triotismus geleitet gewesen zu sein und auf eigene Faust gehandelt zu haben. Alle die jungen Offi­ziere, die mit ihm auf der Anklagebank säßen, seien unschuldig, desgleichen die Zivilisten. Seine wahren Mitschuldigen seien hier im Saale nicht anwesend.

Sofia, 30. Mai. Es ist als sicher anzusehen, daß Panitza begnadigt resp. seine Todesstrafe in Gefängnis umgewandelt wird.

Amerika.

Newyork, 29. Mai. Aus Alabama kommen beunruhigende Nachrichten über eine große Aufre­gung unter den Negern wegen Auspeitschung eines Negerweibes durch weiße Männer. Die Agitation führte eine Anzahl blutiger Zusammenstöße herbei. Eine weitere Depesche behauptet sogar, der Anfang eines Rüssekrieges sei bevorstehend.

In Nordamerika wird ein allgemeiner Jndianerkrieg erwartet. Aus New-Iork meldet man, daß unter den Indianern große Aufregung herrscht; sie verbreiten das seltsame Gerücht, ein großer Häuptling werde demnächst auferstehen und ganz Nordamerika für die Indianer zurückerobern. Die Regierung bereitet Truppensendungen nach dem We­sten vor. Ob die hier ausgesprochenen Befürchtun­gen übertrieben sind, muß die Zukunft lehren, That- sache aber ist, daß in den sogenannten Reservatio­nen, d. h. in denjenigen Gebieten, welche den In­dianern von.der Regierung der Vereinigten Staa­ten von Nordamerika als Wohnsitz überlassen wor­den sind, große Not herrscht. Ein etwa ausbrechen­der Krieg würde also weniger ein politischer Kampf sein, als vielmehr einen Streit ums Brot bedeuten. Es ist unbestreitbar, daß die Indianer von der Vereinigten-Staaten-Regierung sehr schlecht behan­delt sind. In dem ihnen überwiesenen Gebiet sind die Indianer wesentlich auf Ackerbau angewiesen, denn Wild ist nicht mehr vorhanden, aber zum Ak- kerbau fehlt es den Rothäuten fast an allen Gerä­ten und in der allerletzten Zeit erst haben sie Pflüge erhalten. Die Politik der Uankees geht ganz offen­bar dahin, die Indianer auszurotten und dies Ziel ist zum erheblichen Teil schon erreicht worden. Man will nun ein Ende machen und darum werden die Indianer dermaßen gedrangsalt, bis sie am Ende ihren Besitz verkaufen. Dann aber verschwinden sie spurlos unter den Kolonisten.

Kleinere Mitteilungen.

Stuttgart, 22. Mai. Ein Fall von prinzi­pieller Bedeutung ist kürzlich hier entschieden worden. Ein Dienstmädchen, welches hier bei einem Beamten diente, verließ plötzlich ohne Aufkündigung den Dienst, weil die Frau vom Hause angeblich ihr vorgewor­fen hatte, sie esse zu viel. Auf Anzeige der Polizei wurde das Mädchen in 2 ^ Strafe genommen. Das Mädchen aber forderte gerichtliche Entscheidung und wurde freigesprochen.

Großa spach, 26. Mai. Anläßlich des Selbstmordes eines 70jährigen Mannes, schreibt man demMurrthalb.", zeigte es sich, wie auch in un­serer Gegend, der Aberglaube in schrecklicher Gestalt noch unter dem Volke wurzelt. Wurden doch die Strümpfe des Selbstmörders begehrt, um Zierde eines Stalles zu werden, und auch der Strick, wel­cher dem Erhängten am Halle gelassen wurde, fand über Nacht einen Herrn.

Bühl, 22. Mai. Dem K. Forstwächter Gog wurde heute das seltene Jagdglück zu teil, 9 junge Füchse aus einer nnterschwemmten Klinge im Staats­wald Bühlerwald herauszunehmen. 3 Stück Junge entkamen noch. Gewiß eine Seltenheit 12 Junge von einer Zucht.

Vom Allgäu, 2l. Mai. In einer Gemeinde war eine Familie 2 Jahr und 1 Tag ansässig und erhält jetzt von der Gemeinde jährlich 400 ^ ge­setzliche Unterstützung. Zur Ablösung dieser Last macht das theure Familienoberhaupt jetzt den ernst­lichen Vorschlag, die Gemeinde solle ihm durch Ab­

schlagszahlung und Bürgschaft verhilflich sein zum Ankauf eines Anwesens im Wert von 56,000 ^

Nach demD. Volksbl." hat Pfarrer Wäch­ter von Heisterkirch aus Lonrdes berichtet, vor sei­nen Augen sei ein Wunder an einer barmherzigen Schwester geschehen. Dieselbe kam blind in Lourdes an und kehrt sehend nach Hanse zurück. Der Jubel der Anwesenden sei ein unbeschreiblicher gewesen.

Schweres Kaliber. Der schwerste Mann Englands ist Mr. Thomas Lumley. Er wiegt nicht weniger als 201 Klgr., mißt 2,07 Meter und seine Schenkel haben einen Umfang von 1,30 Meter. Mr. Lumley kann in ein gewöhnliches Eiseubahn- coups nicht einsteigen; da er aber das Reisen liebt und sehr reich ist, hat er sich einen Packwagen ge­mietet, der an die Züge angehängt wird. Ein eige­ner Sessel ist im Packwagen angebracht, und so kann Lumey seiner Reiselust frönen.

B u k a r e st, 27. Mai. Nachrichten aus Bul­garien zufolge dehnt sich die Heuschreckenplage über ganz Süd- und Nordbulgarien in erschreckender Weife aus. Die Heufchreckcn vernichten die ganze Ernte und fressen die Bäume kahl. Die Bevölke­rung steht der Plage verzweifelnd, aber wehrlos ge­genüber. Die Regierung hat noch keine Schritte zur Bekämpfung der Heuschrecken unternommen.

Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. Die Frauen, die vor nicht allzulanger Zeit in der Stadt Edgerton in Kansas in Amerika zu städtischen Beamten gewählt worden waren, haben ihre Posten bereits wieder niedergelegt, da sie bei jeder Gelegen­heit von den Männern kritisiert worden seien! Die Frauen erklären jetzt, daß die Männerwelt Edgertons zu schlecht sei, als daß sic achtungswerte Damen zu Beamten haben könnte!

Infolge des Austritts des Flusses Sefron ist die gleichnamige Stadt in der Nachbarschaft von Fez überschwemmt. Der größere Teil der Stadt liegt in Trümmern, und viele Mauren, sowie 53 Juden sind umgekommeu. In Fez herrscht große Bestürzung. Der Sultan und die angesehensten Ju­den in Fez sandten den durch die Katastrophe in Notstand versetzten Familien Geld und Kleidungsstücke.

Das größte Schulkind der Welt wird wohl in Ricdnann bei Sterzing sein. Das im elften Jahre stehende Mädchen mißt nahezu zwei Meter; es ist die größte Frauensperson des Bezir­kes. Unlängst war ein Schaubudenbesitzer ans Wien gekommen, um dieses Riesenmädchen für seine Bude zu erlangen. Er bot den Eltern jährlich 600 Gul­den an und die vollständige Verpflegung des Kindes, sowie einer Begleiterin. Doch die Eltern ließen sich vom Gelde nicht verlocken, ihrMäderl" in die weit e Welt zu schicken.

Handel öe Berkehr.

Abänderungen der inländischen Postord­nung vom 14. März 1881. Im 8 24Postnachnahme- Senduugen" erkält der Absatz I folgende Fassung:Post­nachnahmen sind im Betrage bis zu vierhundert Mari ein­schließlich bei Briefen und Paketen zulässig." Ebendaselbst sind im Absatz V die Worteohne Abzug übermittelt" zu streichen und an deren Stelle die Worte nächzutragen:nach Abzug der Geldübermittelungsgebühr zngesandt." Die fol­genden Absätze VII bis IX sind zu streichen. Dafür ist zu setzen: VII. Für Nachnahmesendungen kommen au Porto und Gebühren zur Erhebung: t) Das Porto für Briefe und Pa­kete ohne Nachnahme. Falls eine Wertangabe oder Ein­schreibung stattgefunden hat, tritt dein Porto die Versiche­rungsgebühr bezw. Einschreibgebühr hinzu. 2) Eine Vor- zeigegebühr von 10 4. 3) Die Gebühren für Uebermittelung des eingezogcncn Betrages an den Absender, und zwar: bis 5 Io 4, über 5 bis 100 2o 4, über 100 bis 200 30 4, ükcr2oo bis 40) ^kl 404. VIII. Die Vorzeigegebühr wird zugleich mit dem Porto erhoben und ist auch dann zu entrichten, wenn die Sendung nicht cingelöst wird. Vorste- hende Abänderungen treten mit dem 1. Juni 1890 i n Kraf t.

Verfälschte schwarze Seide. Man ver­brenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, ver­löscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hell- bräunlicher Farbe. - Verfälschte Seide fdie leicht speckig wird und brichtj brennt langsam fort, namentlich glimmen dieSchußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff er­schwert,1 und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Das Scidenfabrik- Dspöt von K. llennsberS fK. u. K. HofliefZ -lüiiell versendet gern Muster von seinen ächten Seidenstoffen au Jedermann, und liefert einzelne Roben und ganze Stücke i Porto- und zollfrei ins Haus.

Hiezu Eisenbahnsahrplan. ^

Verantwortlicher Redakteur Lteiuwandel in Nagos». Trucl und

verlas der K. W. Zalfer'schen Buchhandlung in Ziaxald.