ziehung Besserungen bringen. Darauf wird die Weitcrbera- tung auf Montag 1 Uhr vertagt.

Das erste Petitionsverzeichnis ist im Reichs­tage erschienen. Verschiedene Petenten bitten um Aufhebung des Impfzwangs; Tabakpflanzer in ver­schiedenen Orten ersuchen um Einführung des Ta- bakmonopoles oder um Ermäßigung der Tabaksteuer unter gleichzeitiger Erhöhung des Tabakzolles. Sehr viele Petenten ersuchen um Abänderung des Patent­gesetzes. Gewerbegerichte und Handelskammer wün­schen Abänderungen des Arbeiterschutzgesetzentwurfes. Ferner sind Gesuche eingegangen um Herabsetzung der aktiven Militärdienstzeit.

Berlin, 18. Mai. Der württembergische Ministerpräsident Dr. Mittnacht begiebt sich von hier aus zunächst zu kurzem Besuche zum Fürsten Bis­marck nach Friedrichsruh.

Der Aufenthalt des Kaisers in Rußland ge­legentlich der russischen Manöver wird sich, wie die Kölnische Zeitung" erfährt, auf höchstens eine Woche beschränken. Die Angabe, daß der Kaiser nach den Manövern noch weitere Reisen durch Ruß­land, nach Moskau re. machen werde, ist unbegründet.

Wegen der Feier des l. Mai sind in Berlin so viele Metallarbeiter entlassen worden, daß behufs Unterstützung derselben bereits mehrere tausend Mark verbraucht sind, obwohl diese Unterstützungen gering ausgefallen sind, denn es hat jeder Verheiratete 6 jeder unverheiratete 4 ^ erhalten.

Major Licbert vor dem Kaiser. Den Hamb. Nachr." wird geschrieben: Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Ostafrika mußte sich Major Liebert sofort zum Kaiser begeben. Es war dies gelegentlich der Besichtigung in Spandau. Der Vertreter des Reichskommissars wurde sofort vom Kaiser zum Mittagsmahl geladen, und erstattete bei demselben in ungezwungener Weise ausführlichen Bericht über die ostafrikanischen Verhältnisse. Der Bericht hatte für den Kaiser einen solchen Reiz, daß er Liebert zwei Tage darauf ins Palais befahl zum Thee, wozu dieser alles Material, Pläne, Kar­ten, Tabellen über Handel, Klima, Unterbringung der Truppen, Gesundheitszustand und Organisation mitbringen mußte. Der Kaiser äußerte u. A., er würde gern eine Kompagnie Wißmann'scher Suda­nesen nach Berlin kommen lassen. Der Anblick einer solchen Mustertruppe werde manches Vorurteil be­siegen. Major Liebert schilderte die Sudanesen als eine militärische Kaste, die unverbrüchlich an ihrem Kriegshandwerk festhält. Die Sudanesen seien vor­zügliche Soldaten, sobald sie unter guter Führung ständen, kräftig, treu, mutig, ausdauernd. Unter den Wißmann'schen Truppen befänden sich noch Leute, welche gegen unseren Moltke, als er noch in der Türkei war, gefochten hätten, alte Männer, die allen militärischen Strapazen gewachsen wären, und bis zum Tode Soldaten blieben. Die Sudanesen seien die Landesknechte des Orients, trennten sich aber nur sehr ungern oder gar nicht von ihren Weibern, die ebenso häßlich wären, wie die Männer schön. Wollte der Kaiser eine Kompagnie Sudanesen nach Berlin kommen lassen, so müßte er, meinte Major Liebert, die Weiber mit in den Kauf nehmen. Das schien dem Kaiser aber bedenklich, er ließ den Plan fallen schon der damit verknüpften Kosten wegen. Die Angaben, daß unter den Sudanesen Sol­daten seien, die schon gegen Moltke gefochten hätten, beruht wohl auf einem Irrtum. Seit der Schlacht bei Nisib (1839) sind mehr als 50 Jahre ver­flossen, und wenn die Sudanesen damals 20 Jahre alt waren, könnten sie heute wohl kaum noch Kriegs­dienste thun.

Fürst Bismarck soll infolge der Kunde, daß er seine Denkwürdigkeiten herauszugeben beab­sichtige, von verlockenden Vcrlagsofferten, namentlich von amerikanischen und englischen, förmlich über­schüttet worden sein. Er soll sich beeilt haben, alle solche Anträge vorläufig als gegenstandslos abzu­lehnen. Auch hat er sich, nach derSaale-Ztg.", geweigert, einige ausländische Verleger, welche ihm ihr Gesuch mündlich vortragen wollten, zu empfangen.

Für st Bismarck über die russischen Di­plomaten. Der Berliner Korrespondent derNowoje Wremjä", Herr Lwoff, war jüngst nach Friedrichsruh cingeladen, beim Diner waren 10 Personen anwe­send, darunter der deutsche Gesandte in Madrid, Baron Stumm, Herr v. Ohlendorfs nebst Tochter und mehrere russische Damen. Fürst Bismarck äußerte, Rußland besitze gute Diplomaten, beispiels­

weise Schuwaloff und Murawieff, obwohl der Ber­liner Botschafter bisher seinen alten militärischen Traditionen treu geblieben sei. In Berlin sei über­haupt jeder Diplomat, nur kein Lärmmacher am Platze, da alle Interessen Rußlands nicht in Berlin, sondern in Wien concentriert seien, in Wien liege der eigentliche Knoten, dorthin müsse man sehen.

Ueber seine Unterredung mir dem Fürsten Bismarck berichtet jetzt Herr des Houx im Pari­serMatin". Für uns von größerem Interesse ist folgendes: Fürst Bismarck sagte über den letzten großen Krieg, es sei nur die Schuld Frankreichs gewesen, daß es zum Kriege gekommen wäre. Die Erwerbung von Elsaß-Lothringen sei für Deutsch­land seiner eigenen Sicherheit wegen notwendig ge­wesen. Seine bekannte auswärtige Politik vertrat der Fürst entschieden und meinte, die Unterhaltung der heutigen großen Armeeen sei ja kostspielig, im Interesse des Friedens aber nötig. Er schloß die Unterredung mit den Worten:Ich habe mein gan­zes Leben lang für die Einheit Deutschlands gekämpft. Deutschland sieht heute mit Sicherheit der Zukunft entgegen, gleichviel ob ich im Amte bin oder nicht." Herr des Houx sagt, Fürst Bismarck sei jedenfalls ein großer Deutscher. Das müsse auch ein Franzose einräumen.

Spandau, 19. Mai. Eine Anordnung der Staatsfabriken verbietet den in denselben beschäftig­ten Arbeitern, Geldsammlungen für die streikenden Arbeiter zu veranstalten.

Die Kaiserin Friedrich stattete am Sonn­tag nachmittag der Kaiserin Eugenie in Wies­baden einen Gegenbesuch auf deren neulich? Visite ab- Schweiz.

St. Gallen, 19. Mai. In Balgach (im Reinthal gelegen) sino gestern Nachmittag 28 Wohn­häuser und 16 Stallgebäude niedergebrannt.

Frankreich.

Letzten Montag wurden in Paris auf dem Finanzministerium 117 000 Frcs. gestohlen. Ein Angestellter des Credit Lyonnais hatte des Mor­gens auf dem Ministerium für 400 000 Fr. Zins­scheine hinterlegt. Als er des Nachmittags zurück­kam, um das Geld zu erheben, wollte man ihm nur 283 000 Fr. auszahlen. Er wies aber seinen Em­pfangsschein vor, und es wurde festgestellt, daß ein Päckchen mit Zinsscheinen entwandt worden war.

Boulanger hat jetzt selbst seine Sache verlo­ren gegeben, er hat die Auflösung des boulangistischen Wahlkomitees in Paris angeordnet.

Italien.

Mailand, 18. Mai. Die sonst stets gut unterrichteteGazzetta Piemontese" meldet aus Spezzia, daß daselbst demnächst König Humbert mit dem Präsidenten Carnot Zusammentreffen werde; es seien bereits Vorbereitungenzum Empfang getroffen. (?) Belgien.

Brüssel, 18. Mai. Im Laufe der Beratung des außerordentlichen Budgets erklärte der Kriegs­minister infolge der mit den Kanonen belgischen Fabrikats gemachten zufriedenstellenden Erfahrungen, es werde künftig keine Kanone mehr im Auslande bestellt werden.

Spanien.

Madrid, 18. Mai. Die Streiks in der Pro­vinz Biskaya nehmen an Ausdehnung zu. 40000 Arbeiter feiern.

Madrid, 19. Mai. Folgen der Streiks. Aus Barzelona werden in Folge der letzten Arbei­terunruhen ..zahlreiche kaufmännische Bankerotte ge­meldet. Auch viele Fabriken haben wegen der Un­möglichkeit, auf die Forderungen der Arbeiter einzu­gehen, den Betrieb geschlossen oder die Schließung in Aussicht gestellt. (Eine Reaktion wird und muß folgen.)

Bulgarien.

Sofia, 19. Mai. Der Metropolit Konstantin von Vranca, der die Bereisung seiner Diözese dazu benutzt hm, um aufreizende Reden gegen die Regie­rung zu halten, ist als Gefangener nach Vranca zurückgcbracht worden.

T ü"r k e i.

Konstantinopel, 18. Mai. DieAgence de Constantinople" meldet: Nachdem die Pforte die letzte russische Note wegen Zahlung der rückständigen Kriegsentschädigung bisher unbeantwortet gelassen hat, richtete der russische Botschafter Nelidow neuer­dings eine Note an die Pforte, in welcher derselbe

verlangt, daß die Einnahmen aus der neuen Finanz­operation vor allem zur Befriedigung Rußlands verwendet werden müßten.

Amerika.

Newyork, 19. Mai. In Havana explo­dierte in einem Kurzwarenmagazin am Samstag abend ein Pulverfaß, wodurch das Haus voll­ständig zerstört wurde. 22 Personen sind tot, dar­unter der Konsul von Venezuela, und 4 Feuerwehr­chefs; gegen 100 Personen sind verwundet. Es herrscht große Bestürzung.

Kleinere Mitteilungen.

Gift der Maiblume. Es dürfte wohl an­gebracht sein, darauf hinzuweisen, daß die Blume, die nach dem Frühlingsmonat bekannt ist, keineswegs so ganz ungefährlich ist. Wir meinen da nicht den angenehmen, aber starken Geruch, der wohl Kopfweh erzeugen kann, wenn man große Sträuße in Schlaf­räumen aufstellt; vielmehr ist die Blume an sich nicht ohne giftige Stoffe. Rach der Revue horticole ! sind die welken Blüten für Geflügel ein scharfes > Gift und beim Menschen wirken die Maiblumen brechenerregend. Sie enthalten nämlich zwei Stoffe, ! die nach der Blume (Lonvallarin mg.jg.1i8 D,.) be­nannt sind, Convallarin und Convallamarin, von denen der erste purgierend, der zweite brechenerregend ^ und verlangsamend auf das Herz einwirkt. Es dürfte ! darum die Sitte, Maiblumen (und viele andere außerdem) beim Spazierengehen im Munde zu tra­gen, als das bezeichnet werben, was sie ist, als ge­fährliche üble Angewöhnung.

Der 15jährige Kaufmannslehrling Julius ^

Moses mann in Berlin ist kürzlich seinem Prinzi­pal mit der Summe von 2500 die er nach der Reichsbank tragen sollte, durchgegangen. Er hatte seinem Prinzipal einen Brief gesandt, worin er ihm mitteilte, er habe von der genannten Summe das Fahrgeld nach Halensee bestritten und einen Revol­ver gekauft, mit welchem er sich erschießen wolle.

Den Rest der Summe werde man in seinem linken Stiefel finden. Jetzt aber ist aus Rotterdam ein Brief des jugendlichen Durchgängers angekommen, worin er seinen Eltern 500 schickt und 'zugleich mitteilt, als er eben den Tob habe suchen wollen, sei vor ihm ein Schwarm wilder Enten aus dem Schilfe emporgesliegcn und dies habe er als einen Fingerzeig des Himmels betrachtet und von der Ausführung des geplanten Selbstmordes Abstand genommen. Wie er nach Rotterdam gekommen, dar­über schweigt er. Mosesmann ist, nebenbei bemerkt, auch Dichter und Verfasser noch ungedruckter Thea­terstücke. Vermutlich wird er, wenn das veruntreute Geld verbraucht ist, wieder nach Deutschland zu­rückkehren.

Der wegen Vatermords in Untersuchung befindliche 42jährige Kaufmann in Winikon (Luzern) hat ein Geständnis abgelegt. Er hat den alten Mann durch 14 Beilhiebe getötet und beraubt; den in einen Sack eingenähten Leichnam verbarg er in dem Schweinctrog eines Nachbarhauses, das er nachts anzündete.

In den Torfstichen von Appelscha ist ein all­gemeiner Streik ausgebrochen, in welchem sich na­mentlich die Arbeiterinnen Hervorthun. Gendarmen gelang es nicht, di: wüthenden Weiber zur Raison zu bringen, so daß Truppen nunmehr die Ordnung aufrecht erhallen müssen.

Handel L Berkehr.

Stuttgart, 19. Mai. Die Mainlesse hat heute Ihren Anfang genommen. Der Warenvorrat ist kein geringe­rer als in früheren Jahren. Von wirklicher Bedeutung ist unter allen Zweigen des Marktes eigentlich nur die in der Gewerbehalle stattfindende Möbelmcsse, die schon in der Frühe gut besucht war. Die Verkäufer halten vorderhand auf ziemlich hohen Preisen. __

Postalisches.

In Zukunft wird der hiesige

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an Sonn- und Festtagen geöffnet sein:

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Verantwortlicher Redakteur S t c i nw a n d e i in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'schen Buchhandlung.