Der

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

W 58.

Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag. Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägcrlohn) 80 in dem Bezirk 1 ^t,

außerhalb des Bezirks 1 20 Monats­

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Donnerstag 22. Mai

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wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 --t, bei mehrmaliger je 6 «>. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei auf- gegeben sein.

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Amtliches.

Nagold.

An vie Gemeinderäte,

Straßenunterhaltungsauswand betreffend.

Durch Finanzgesetz vom 2. Juli v. I. für die

E R-gbl. S. -°z ff.

ist zum Zweck der finanziellen Entlastung der Ge­meinden und Amtskörperschafteu aus dem Vermögen der Restverwaltung unter anderem bestimmt die Summe von 100000 für Staatsbeiträge au die Korporationen zu Unterhaltung der Korporations­straßen in dem Etatsjahr 1890/91.

Die Formularieu für die bezüglichen Liquida­tionen werden Ortsvorstehern mit der morgigen Post zugehen.

Das Obcramt erwartet, daß auf die Herstel­lung der Liquidationen die größte Sorgfalt verwen­det wird und werden die Ortsbehörden insbesonders auf den ihnen im Scparatabdruck zugehenden Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 5. Mai d. I. Ziff. 5026 hingewicsen.

Die gefertigten Liquidationen sind zuverläs­sig bis

6. Juni d. I.

hieher vorzulegcn.

Den !9. Mai 1890.

K. Oberamt. Or. Gugel.

K Oberamt Nagold.

Aushebung der: Militärpflichtigen.

Gemäß Z 69 Ziffer 6 der Wehrordnung wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß die diesjährige Aushebung der Militärpflichtigen am 15. und 16. Juli d. I. stattfinden wird. Die Zeit, zu welcher die einzelnen Militärpflichtigen bei der Aushebung zu erscheinen haben, wird denselben später noch speziell eröffnet werden.

Zugleich wird darauf hingewiesen, daß An­träge auf Zurückstellung oder Befrciuung vom ak­tiven Dienst im Aushebungstermin nur noch ange­bracht werden können, soserne die Veranlassung zur Reklamation erst nach Beendigung des Musterungs­geschäfts entstanden ist und daß solche Gesuche spätestens im Aushebungstermin anzubringen sind. Auch genügt eine ausschließlich mündliche Rekla. mation nicht, ein Erscheinen von Anverwandten u. s. w. im Aushebungstermin ist somit wertlos, wenn nicht vorher eine schriftliche Reklamation vorliegt. Des Weiteren wird darauf aufmerksam gemacht, daß «remals Familienverhältuisfe halber eine Designie­rung zum Train mit kurzer Ausbildung stattfindet und daß diesbezügliche Gesuche zu unterlassen sind.

Den 21. Mai 1890.

K. Oberamt. vr. Gugel.

TagesNeuigkeiten.

Deutsches Reich.

Vom oberen Wald, 20. Mai. (Korr.) Letzten Samstag war der Staatstechniker für das Wasser­versorgungswesen, Baurat Ehmann von Stuttgart in Begleitung von Oberamtmann vr. Gugel wieder in verschiedenen Gemeinden des B^irks (Beuren, Fünfbronn), welche er schon im Okt. v. I. in Trink­wasserversorgungsangelegenheiten beraten hatte. Wie wir vernehmen, ist die Wasserversorgung für die Ge­meinde Fünfbronn nach den Plänen des Baurats Ehmann endgiltig beschlossen. Die Anlage der

Wasserleitung wird diesen Herbst noch in Angriff genommen. Die Gemeinde wird von einer etwa 1300 Meter vom Ort entfernten, hinter dem Zuber­hof gelegenen Quelle mit Trinkwasser versorgt. Die Anlagekosten werden blos 910 000 ^ betragen.

Salzstetten, OA. Horb. Beim Beginn der zehnten Schlafwoche öffnete das schlafende Mädchen vor ca. 8 Tagen wieder die Augen. Das Bewußt­sein ist bei ihm, wie dasD. V." vernimmt, voll­ständig wieder zurückgekehrt. Leider fehlt immer noch die Sprache, auch besitzt die Kranke nicht die Kraft, das Bett längere Zeit zu verlassen.

Neuenbürg, 19. Mai. Wir haben neulich be­richtet, daß eine Bauersfrau in Salmbach, OA. Neuenbürg, Mutter von 9 Kindern, durch Erhängen ihrem Leben ein Ende gemacht habe. Inzwischen aber haben sich Zweifel an der Möglichkeit des Selbstmords erhoben, unv nunmehr ist nach dem Schw. M." der Mann der Verstorbenen nebst einer Tochter und zwei Söhnen verhaftet, da sie in dringendem Verdacht stehen, dieselbe ermorde zu haben.

Stuttgart, 20. Mai. Der König von Württemberg überwies dem Centralkomitee zur Errichtung eines Bismarck-Denkmals in der Reichshauptstadt 1 0 0 0 ^6.

Der Vorsitzende des Naturheilvereins, Herr L. Viereck, schreibt denMünch. N. N.":Vom hochw. Herr Pfarrer Kneipp in Wörishofen bin ich autorisiert, zu erklären, daß die in derPresse" verbreitete Nachricht, wonach ihm seitens des Ordi­nariats in Augsburg nahe gelegt worden sein soll, seine Wasserkuren einzustellen oder wenigstens auf ein Minimum zu beschranken, aus der Luft gegriffen ist." (Die Nachricht, die in denM. N. N." zuerst enthalten war, wurde auch von uns angezweifelt und deshalb mit einem Fragezeichen versehen. Red.)

In der Privatwohnung eines Schuhwaren­fabrikanten in Mainz wurde während der Abwesen­heit desselben eingebrochen und aus dem Kasscn- schrank 10 000 Mark in Staatspapieren und Bar­geld gestohlen.

Der große Streik der Hamburger Werftarbei­ter hat mit einer völligen Niederlage der Arbeiter geendet. Die Letzteren haben nicht das Geringste von ihren Forderungen erreicht.

Der Reichsanzeiger veröffentlicht den Wortlaut der Rede, welche der Kaiser vor seiner Abreise aus Königsberg in der dortigen Börse gehalten hat. Wir heben folgende bezeichnende Sätze daraus her­vor:Es ist meine Pflicht, und so lange ich es kann, werde ich dafür sorgen, daß dem Lande der Friede erhalten bleibt. Dies ist besonders wichtig für die Ackerbautreibende, die Landbevölkerung. Der Ueber- zeugung lebe ich aber auch, und ich fteue mich, daß es hier hervorgehoben worden ist, daß gerade das Bewußtsein, daß jeder einzelne Unterthan, jeder ein­zelne Preuße, Mann für Mann zu seinem König stehend, wenn es Not thun sollte, alles zu opfern bereit ist, dem preußischen Könige die Kraft giebt, mit Zuversicht diese Friedensworte reden zu können. Er ist im Stande, den Frieden aufrecht zu erhalten, und ich habe das Gefühl, daß denjenigen, die den Frieden umzustoßen wagen sollten, eine Lehre nicht erspart bleiben wird, welche sie in hundert Jahren nicht vergessen werden. Oft sind Versuche gemacht, die Interessen der Landwirtschaft, die in dieser Pro­vinz eine so hervorragende Bedeutung haben, zu­rückzudrängen. Es sind auch Strömungen da, welche

leider die Achtung vor dem Ackerbau und der Land­bevölkerung nicht mehr haben. Ich freue mich aber, es sagen zu können, daß ein Umschwung schon ein­getreten ist, denn einer unserer bedeutensten Parla­mentarier hat mich noch diesen Winter versichert, daß er, obgleich er früher anderer Ansicht gewesen, zu der festen Ueberzeugung gekommen sei, daß das Heil für die Zukunft unseres Landes in einer festen, sicher fundierten Bauernschaft liege. Meine Herren, das ist auch meine Ansicht, und ick, spreche als König von Preußen: Ich werde stets das Beste Ihrer Provinz im Auge und für Ihre Bedürfnisse ein warmes Herz haben. Sie müssen nur Geduld haben, wenn nicht alles sogleich geschieht. Das jaber verspreche ich Ihnen, an der Provinz rühren lasse ich nicht und sollte es doch versucht werden, so wird meine Souveränität als ein rovksr cks Kronos sich dagegen setzten.

Deutscher Reichstag. Am Freitag wurde die erste Beratung der neuen Militärvorlage beendet und der Gesetzentwurf einer Kommission von 28 Mitgliedern zur Spe­zialberatung überwiesen. Abg. Liebknecht (Soz.) bekämpfte die Vorlage, weil sie neue Lasten für die Bevölkerung bringe und greift den Fürsten Bismarck und dessen Politik auf das Schärfste an. Der Redner meint, eine so schlechte Regierung, wie die des Fürsten Bismarck, könne Deutschland nie wieder bekommen. Abg. von Kardorff lfreikons.) bedauert diese Aeu- ßerungen; in Deutschland wisse man recht wohl, was man dem Fürsten Bismarck schuldig sei. Von einer Ueberlastung des deutschen Volkes könne man nicht reden, denn in Frank­reich und England würden viel höhere Stenern als bei unS bezahlt. Die Kommissionsverhandlungen würden ja ergeben, ob die neuen Forderungen notwendig seien. Bestehe die Notwendigkeit, so müßten sie auch bewilligt werden. Abg. Hänel (freis.) mißbilligt die Liebknecht'schen Aeußerungcn über den Fürsten Bismarck sehr entschieden und tritt für die Ver­kürzung der Dienstzeit und Schaffung von verantwortlichen Reichsministerien ein. Reichskanzler von Caprivi konstatiert, daß die auswärtige Politik, die er vorgefunden, die glücklichste sei, die man sich denken könne. Es handle sich nicht um die Nähe eines Krieges, sondern um die Schwere eines Krieges, der vorgebeugt werden soll. Der Prozentsatz der Friedens­stärke der Armee sei kein außergewöhnlich hoher, er sei früher schon bedeutender gewesen. Eine gesetzliche Reduzierung der Dienstzeit sei nicht anzuraten, denn die vervollkommnete Waffe verlange eine längere Ausbildung. Vielleicht könnten aber Beurlaubungen in größerem Umfange stattfinden. Ueber den Wert des Septenuates lasse sich streiten: nach seiner An­sicht hänge die Armeebrauchbarkeit nicht davon ab, daß nun gerade auf sieben Jahre die Friedensstärke bewilligt werde. Darauf wird die Vorlage der Kommission überwiesen.

Deutscher Reichstag. Sonnabendsitzung. Das Haus tritt in die erste Beratung des neuen Arbeiterschutz­gesetzes ein; Abg. Schräder (freis.) ist prinzipiell damit ein­verstanden, daß dem Arbeiterschutze größere Aufmerksamkeit zugewendet werde, nachdem die Regierung auf die Verlän­gerung des Sozialistengesetzes verzichtet habe. Einzelne Punkte bedürften freilich noch sehr genauer Erwägung. Redner findet namentlich die Bestimmungen über den Kon­traktbruch als von zweifelhaftem Wert und die Straffestse­tzungen für Streikagitatoren zu hart. Dadurch würde die Streikbewegung eine geheime und erst recht gefährlich wer­den. Abg. Hartmann (kons.) ist mit der Vorlage im Ganzen einverstanden und hält namentlich an den Vorschlägen betr. die Bestrafung des Kontraktbruches und der Streikagitatoren fest. Die Ausschreitungen von Streikenden seien so brutal gewesen, daß hier vollste Strenge walten müsse. Redner hofft, Deutschlands Vorgehen im Gebiete der Sozialpolitik werde auch andere Staaten zur Nachahmung antreiben. Abg. Graf Galen (Ctr.) ist mit dem Gesetzentwurf einverstanden, wünfcht aber nachdrücklich größere Freiheit für die Kirche, damit dieselbe ihren Einfluß im Interesse des sozialen Frie­dens geltend machen könne. Abg. Miguel (natlib.) empfiehlt im Großen und Ganzen die Vorlage zur Annahme. Noch tiefer einschneidende Bestimmungen über den Arbeiterschutz könnten erst getroffen werden, wenn alle übrigen Staaten zu demselben Vorgehen sich bereit erklärt hätten, denn sonst würde die heute schon sehr belastete deutsche Industrie ganz konkurrenzunfähig werden. Die Bestimmungen über den Kon­traktbruch möchte Redner noch ausgesetzt wißen, um erst zu sehen, ob nicht die gewerblichen Schiedsgerichte in dieser Be«