in der Fremde durch einen ehrbaren Wandel Ehre zu machen, die Gottesfurcht, das Gottvertrauen und die Pflichttreue unserer 2 neudeutschen Kaiser Wil­helm I. und II. sich zum Muster zu nehmen, die tägliche Morgen- und Abendandacht nicht zu ver­säumen, in Ermanglung einer Kirche und Predigt den Sonntag mit christlicher Lektüre zu feiern, und sonst in Fleiß, Sparsamkeit, Mäßigkeit, Ehrlichkeit und Verträglichkeit mit einander zu wetteifern. So­weit aber der Eine oder Andere aus Mangel an Selbstbeherrschung diesen guten Vorsätzen uritreu wer­den wollte oder sollte, so stehen der Gesellschaft noch andere Vorbeugungs- beziehungsweise Schutzmittel zu Gebot. Fürs Erste sorgtein besonderer Para­graf dieses Vertrags für den Ausschluß rückfälliger Hnrdenspringer aus der Herde. Sodann wird sie ihre Liebe zu Weib und Kind, sowie die Fürbitte dieser in die Fremde begleiten. Die Herren Pfarr- gemeinderäte aber möchte Einsender dieses (der seiner­seits diese Leute mit Mahnbriefen und mit unserem Gesellschafter" versehen will) bitten, sich gleichfalls dieser Zugvögel durch Zusendung christlicher Blätter, und ihrer Familien durch Beratung und Tröstung anzunehmen. Endlich fehlt es dieser Gesellschaft zwar leider an einer Kirche, aber in ihrer Waldeinsamkeit glücklicherweise auch an der in der Heimat so über­reichen Gelegenheit, einen zu großen Teil ihres Loh­nes zu ihrem und ihrer Familie Nachteil zu ver­trinken. Den sichersten Maßstab für ihren dortigen Tagesverdienst wie für ihren dortigen Lebenswandel werden uns aber die Ersparnisse liefern, die sie alle 6 Wochen nach Hause zu senden versprachen, um ihre Frauen und Kinder für die halbjährige Tren­nung vom Gatten und Vater soweit dies durch Geld möglich ist zu entschädigen. Hoffen wir jedenfalls, daß das Kapital christlichen Glaubens u. christlichen Lebens, das Familie, Schule und Kirche auch in den Köpfen und Herzen dieser Leute nieder­gelegt, seine guten Früchte tragen, und daß ein Mit­bürger, der etwa bei einem Ausflug nach Straßburg diese Kolonie mit einem Besuche überrascht, die Ih­rigen und uns alle mit einer guten Botschaft er­freuen werde.

** Nagold, 6. Mai. Am l. Mai fand hier eine Lehrlingsprüfung statt. Zu derselben hat­ten sich drei Lehrlinge von hier und Rohrdorf cin- gefunden, nämlich der Zimmerlehrling Gottlieb Gutekunst von hier (Lehrmeister: Werkmeister Benz), der Schreinerlehrling Albert Wieland von Rohrdorf (Lehrmeister: Schreiner Müller) und der Schneiderlehrling Jakob Holzapfel von Rohrdorf (Lehrmeister: Schneider Seeger daselbst). Die praktischen Arbeiten, welche von mehreren hiesigen Meistern geprüft und als tüchtig befunden worden waren, bestanden in dem Modell eines Stockwerks, einer hübschen Kommode und einem Paar fertiger Beinkleider. Die theoretischen Fragen der visitieren­den Meister wurden gut beantwortet. Bei den Schul­fächern, über welche mehrere Lehrer der Fortbildungs­schule prüften, stellte es sich heraus, daß diejenigen Lehrlinge, welche bis zum 17. Jahre an der Fort­bildungsschule teilgenommen hatten, sehr erfreuliche Kenntnisse an den Tag legten. Dienstag den 6. Mai abends 6 Uhr erhielten die geprüften Lehrlinge in Gegenwart der Visitatoren und des Gewerbe­schulrats unter passender Ansprache des Vorstandes, Helfer Finckh ihre künstlerisch ausgeführtcn Diplome, deren Besitz ihnen jederzeit Zutritt in bessere -Werk­stätten verschaffen wird.

** Nagold, 6. Mai. Aus den im heutigen Gesellschafter angekündigten Vortrag, der von Pfar­rer Otto Becher von Hugsweier bei Lahr in Ba­den über die Jünglingsvereinssache am heutigen Mittwoch abends 8 Uhr im Zellcrsaale gehalten werden wird, erlaubt man sich nicht nur die Jugend sondern auch Elkern und Lehrmeister hiemit noch be­sonders aufmerksam zu machen.

Stuttgart, 2. Mai. Nach tagclangcn Debatten ist die Kammer der Abgeordneten endlich mit den Beratun­gen über di« Äbä derungcn zum Steucigcsctz von 1852 zu Ende gekommen. Ter Hauptstreitpunkt war derjenige, ob die Erben zur Nachzahlung des dreifachen Betrages der vom Erblasser nicht entrichteten und nicht verjährten Steuer ver­pflichtet sein sollen, oder nur zu der einfachen Nachzahlui»g. Der Sieg, wenn auch nur mit ganz geringer Majorität (42 gegen 40 Stimmen) blieb schließlich auf Seiten des Ent­wurfs und das Stcucrtriplum ward akccpiicrl Eine beson­ders milde Auffassung gegen dolosc Erben trat bei dem hohen Hause durch Annahme eines von dem Abg. Gröber ei,«ge­brachten Antrags ein, der dahin ging, daß, wenn die un­terlassene Anmeldung der Dctraudation eines Erblassers durch o e Erben zwar nach Ablauf der gesetzlichen Frist er­

folgte, jedoch noch bevor das Vergehen angczejgt wurde, nachgeholt oder berichtigt wird, Straflosigkeit eintretcn soll Da durch die vielen Nachträge zu unserem Steuergcsetz von 1852 dieses selbst für Rechtsgelchrte unklar geworden ist, so hatte der Abg. Ebner einen Antrag eingebracht, welcher um die Nenredaktion der seither ergangenen Abänderungen und die Unterstellung derselben unter eine erneute ständische Beschlußfassung bat. Dieser Aulrag wurde angenommen obwohl sich der Finanzminister energisch dagegen anssprach, wohl befürchtend, daß bei der milden Auffassung, welche das hohe Haus dolosen Steuerzahlern gegenüber hat cintrctcn lassen, die neue Beratung des Gesetzes noch weitere Abschwä chungen desselben herbeiführen könnte. Die Regierung scheint froh zu sein, daß die neu vorgeschlagenen Acndcrnngen des Gesetzes unter Dach und Fach gebracht worden sind.

Stuttgart, 3. Wlai. Wie wenig Sympathie das gestern zu Ende beratene Steuergesetz hat, ging aus der heute darüber erfolgten Endabstimmungen hervor, bei wcl cher dasselbe nur So Stimmen auf sich vereinigte, während 30 Abgeordnete sich dagegen erklärten. Die heute erfolgte Beratung des AuSführnngSgesetzcs zu dem Reichsgesetz über die Jnvaliditäts- und Altersversicherung ging glatt von statten. Minister v. Schund nahm dabei Anlaß, sich über die sozialpolitische Gesetzgebung im allgemeinen zu verbreiten und die Schaffung eines neuen landwirtschaftlichen Berufs katastcrs in Aussicht zu stellen. Im allgemeinen ging ans der Debatte hervor, daß die sozialpolitische Gesetzgebung, bei welcher es allerdings bis jetzt nur immer zahlen heißt, in Württemberg noch nicht besonders populär ist. Es betonten dns insbesondere die Freiherren v. Ellrichs Hausen, v Hermann und v. Wöllwarth. Der letztere meinte, es müsse die Pflicht jedes Patrioten sein, in Beziehung auf die sozialpolitische Gesetzgebung aufklärend zu wirken. Man müsse auch schon die Heranwachsende Jugend in den Fort­bildungsschulen darüber aufklärcn, sonst verkrache die ganze Gesetzgebung. In Beantwortung dieser Klagen meinte Mi­nister v. Schmid, daß eine Revision des Krankcnkasscngc- setzcs in nicht zu weiter Ferne stehe. Was das vorliegende Ansfllhrungsgesctz anbclangt, so ermächtigt dasselbe n. a. die Gemeinden zur Besorgung der Geschäfte, welche die Durch­führung-der sozialpolitischen Gesetze mit sich bringen, einen eigenen Beamten anzustellcn. Die Commission hatte daraus Anlaß genommen, die Negierung zu bitten, sie möge den Ge­meinden an Stelle der Staatsbeiträge eigene Einnahmequel­len eröffnen, worauf der Minister des Innern auf die Re­form unserer Staatsstcuer vertröstete. Als der Minister heute Mitteilungen über die Verwendung der einen Million Mark Staatsbeitrag an die Gemeinden zum Ban von Nachbar- schaftSstraßcn machte, rief der richtige und weise Vcrteünngs- modus, den man hat eintretcn lassen, allgemeine Genngthnnng hervor

München, 2. Mai. Vorgestern legten etwa 200 Schuhmachergehilfen die Arbeit nieder. Bon 300 Meistern haben 65 die Forderung der Gehilfen lOstündige Arbeitszeit und einen Mindestlohn von 2 -4L angenommen. Die seit einem Jahre beste­hende Lohnbewegung der Malergehilfen ist durch Entgegenkommen der Meister beendet. Die letzteren bewilligten 42 -ff für die Stunde und eine östün- digc Arbeitszeit.

In Hamburg feiern wegen Beteiligung an der Maifeier gegen 10 000 Arbeiter.

Berlin, 6. Mai. Der Reichstag wurde so­eben vom Kaiser eröffnet. Die Thronrede hofft, der Reichstag werde bedeutsame Fragen der Lösung entgegenführen, vornehmlich den Ausbau des Arbci- terschutzcs. Die Ausstandsbewegung veranlaßte die Prüfung der Frage, ob die Gesetzgebung innerhalb der bestehenden Staatsordnung berechtigten Wünschen der Arbeiter Rechnung trägt. Die Vorlage wird die Sonntagsruhe, Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, Schutz für Leben, Gesundheit und Sitt­lichkeit, Vorschriften für jugendliche Arbeiter, die weitere bessere Regelung der gewerblichen Schieds­gerichte behandeln. Die Militärvorlage wird ange­kündigt zur Herstellung gleicher Machtverhältnisse. Die dauernde Erhaltung des Friedens sei das un­ausgesetzte Ziel der Regierungen. Es sei gelungen, bei allen Staaten das Vertrauen zu der Zuverläs­sigkeit dieser Politik zu befestigen.

Kaiser Wilhelm H. und das Sozialistenge­setz Bei dem Festmahl nach Schluß der Verhand­lungen des preußischen Staatsratcs befragte der Kaiser einen seiner Gäste über seine Wirkung hin­sichtlich des Sozialistengesetzes und er erhielt die Antwort, dasselbe sei im höchsten Grade nachteilig, verbittere die Arbeiter, vermehre die Sozialdemokra­ten, und wenn ein unmaßgeblicher Rat gestattet sei, so gehe derselbe dahin, das Sozialistengesetz ohne Sang und Klang am 30. September ablaufen zu lassen. Darauf erwiderte der Kaiser:Das ist ganz meine Meinung!" Ob dieser Meinung die Haltung des neuen Reichskanzlers entsprechen wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Bisher hat man von einer Sozialistcnvorlagc für den neuen Reichstag nichts vernommen.

Berlin, 5. Mai. Reichskanzler v. Caprivi präsidierte der heutigen Sitzung des Bundesratcs, in welcher die Kolonialvorlage behandelt

In längerer Rede entwickelte der Reichskanzler seine kolonialpolitischen Ansichten, wobei er ausführte, er sei weder Optimist noch Pessimist, könne aber ver­sichern, daß in der Kolonialpolitik sich nichts ändern werde.

Berlin, l. Mai. (Wiedereinführung des alten Seitengewehrs.) Die Infanterie des deutschen Heeres wird lt.Allg. Ztg.", binnen kurzem das früher von ihr geführte lange Seitengewehr oder Faschinenmesser wieder zu ihrer Ausrüstung als blanke Waffe zählen. Wenn auch in dieser Hinsicht noch keine Ordre des Kaisers veröffentlicht ist, so geht diese Veränderung in der Jnfantcriebewaffnung zweifellos aus der ergangenen Anweisung hervor, daß die Truppenteile der Infanterie sofort mit der Anfertigung von Säbeltaschen alten Modells zu be­ginnen haben.

lieber das neue Reichstagsprüsidinm ist der Post" zufolge jetzt eine Verständigung erzielt. Er­ster Präsident wird Herr von Levetzow (kons.) wie­der, erster Vizepräsident Graf Ballestrcm (Ctr.), zwei­ter Vizepräsident Professor Häncl (?) (frcis.) °

Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstages wird außer einem Arbeiterschutzgesetz auch noch einen Antrag zum Unfallversicherungsgesetz, sowie einen Antrag auf Aufhebung der Kornzölle einbringen.

Das sozialdemokratische Berliner Volksblatt feiert den Verlauf des 1. Mai u. A. folgendermaßen: Alljährlich werden von nun an die Proletarier- aller Länder ihr Maifest abhaltcn. Die Vorurteile werden allmälig verschwinden, der Widerstand wird überwunden werden. Und wenn längst schon aridere Feste der vorandringenden Zivilisation erlegen sind, wird von einer freien glücklichen Menschheit in Frieden und Eintracht noch gefeiert werden, der erste Mai, der Maitag der Arbeit!"

Eine wunderliche Erscheinung im diploma­tischen Verkehr hebt diePost" hervor. Dieselbe schreibt nämlich:Bei allen deutschen Staaten sind preußische Gesandte beglaubigt, nur im Fürstentum Reuß älterer Linie nicht. Mit diesem steht Preußen in keinem geregelten diplomatischen Verkehr, denn auch der Fürst von Reuß älterer Linie hat keinen Vertreter in Berlin beglaubigt."

Belgien.

Brüssel, 6. Mai. Die Lage im belgisch- ranzösischen Grenzgebiet ist unverändert; die Zahl er Streikenden beträgt 150 000.

Frankreich.

Paris, 4. Mai. -Man erwartet für die heu­tigen Gemeinderatswahlen einen glänzenden Sieg der Republikaner, allerdings in der radikalsten Schattierung, und die Vollendung der Niederlage der Boulange". Dieses Geschwür am Leib der stanzösischcn Republik dürfte damit definitiv be­seitigt sein.

Amerika.

San Francisco, 3. Mai. (Per Kabel.) Es haben hier 1200 Tischler und 750 Mühlenar- Iieiter die Arbeit eingestellt. Dieselben fordern den Mündigen Arbeitstag.

Afrika.

Ueber London wird berichtet, daß Reichskom- miffar Wißmann die noch von den Aufständischen icsetzt gewesene Stadt Kilwa nach heftigem Bom- brrdement eingenommen hat. Wegen der bekannten Ermordung mehrerer deutschen Beamten in Kilwa wird der Ort uiedergebrannt werden. Bana Heri hat bereits seinen Wohnsitz wieder in Saadani ge­nommen und leistet dem dortigen deutschen Stations­chef gute Dienste.

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Nürnberg, 3. Mai. (Hopje».) Marktware I 5055, do II -« 4045, III .« 20 -25, Hallertau Siegel­gut -4c 7o- 75, mittel 61-65, Hallertau ohne Siegel prima 6268, mittel 5060, Württembergcr I 5560, do. II 40-45, Badischer .« 4555, do. III 30-40. Auslese erzielen 5 -4c mehr,

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