Werrrrifchies.
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Heilbronn, 3- Nov. Die Abrechnung üön öerS finanzielle- LrgrKniS des im Juli d. I. hier abgehaltenen 21. Schwäbischen Liede r-ßestes liegt jetzt vor. Nach derselben stehen den Einnahmen mit 26.232 Aus» gaben in der Höhe von 29.804 gegenüber, sonach beträgt das Defizit 3572 Das letztere wird in der morgigen Gemeindevatssitzung aus die Stadtkafse übernommen werden, da schon vor dem Fest beide Kollegien« sich zur Uebernahme eines Fehlbetrags auf die Stadtkasse geneigt erwiesen haKsn. Aus der Abrechnung ist noch von Interesse, daß das Fest vsn 3948 Sängern besucht war, der höchsten bis jetzt erreichten Zahl. An den beiden Festtagen (Sonntag und Montag) wurde der Festplatz einschließlich der Sänger vsn 13—14,000 Personen besucht. Die Einnahmen an Eintrittsgeldern beliefen sich im ganzen auf 19,320— Die Drahtseilbahn der hiesigen- Zuckerfabrik, durch welche die direkte Beförderung der Zuckerrüben vor» Güterbahnhof nach der Fabrik ermöglicht wird, ist seit dem Beginn der Campagne ununterbrochen im Gange und befördert täglich zwischen 3000 unk» 4000 Ztr. Obwohl sie bis jetzt nicht aus Personenbeförderung eingerichtet ist, wird sie doch hin und wieder von blinden Passagieren benützt. Zu diesen zählen verwegene Knaben, die an den Pfeilern emporklettern und sich ein? Strecke weit durch die Luft beiöidern laßen. Dabei kann es aber Vorkommen, daß einer oder der andere das Aussteigen am diesseitigen Neckarnfer verpaßt und nun seine Landung nur am jenseitigen Ufer, auf der Endstation, bewerkstelligen kann, wo seiner aber ein Emprang harrt, der ihm fürr künftig eine derartige Lufttour gründlich entleiben dürfte.
Friedrichshafen, 2. Nov. Die neuen Wartesäle und Restaurationslokalitäten unseres Bahnhofs gehen nächster Tage ihre« Vollendung entgegen, währenddem die anderen neuen Bauten für die Güterexpedition,, Dampfschiff-Inspektion, Elsenbahnkaffe und Zollrevision schon vor längerer Zeit bezogen werden konnten. Die R-stauration soll erst im kommenden Jahr» in Betrieb kommen, und zwar wird nun auch im Parterre des Bahnhof» Gebäudes, mit der Front geuen den Hafen, ein Buffet errichtet werden; die Restauration im ersten Stock hat eine Terrasse (wie in Rorschach) gegen dB» Hafen, die architektonisch sehr bübsch ousgebaut ist. Das gapze Gebäude H eine Zierde des hiesigen Hafens.
Mainz , 3.' Nov. Der Balbierer Bechter von Kreuznach, de-r in der Nacht vom 24 —25. Oktober den Schuhmacher Blitz durch einen Re- voloerschuß ums Leben brachte und dann, als er auf der Flucht von einer großen Menschenmenge verfolgt, ergr ff n und barbarisch mißhandelt wurde, liegt im Hospital schwer krank am Wundfieber darnieder. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.
Straßburg, 1. Nov. Dem B. T. wird gemeldet: Nachdem der Pfarrer Sabouret in Vionville bei Gravelotte kürzlich zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er in der Kirche französische patriotische Lieder hatte obsingen lasten, ist derselbe nach Frankreich flüchtig geworden. Am Freitag drangen nun fünf Knaben in den ver- laffenen Pfarrhof und bemächliaten sich einer Granate, die bei einem Mutter- Gottesbilde aufgestellt war. Die Granate krepierte, zwei Knaben wurden tödlich verletzt.
Hannover, 3. Nov. Die Scharlach- und Diphteritis- Epidemie hat ihren Höhepunkt überschritten und die städtische Bevölkerung atmet erleichtert auf. Nach den jüngsten Bekanntmachungen war eine sehr starke Abnahme der ErkrankungS- und Todesfälle eingetreten. Die schlimmste Woche war die dritie Okioberwoche, in welcher insgesamt 256 Erkrankungen und 38 Todesfälle angemelvet wurden. Es werden nun bald die Schulen wieder beginnen können, womit das städtische Leben in seine gewohnten Geleise zurückkehrt. Die Folgen der Epidemie werden indes noch lange empfunden werden und das wird einen'Stachel bilden zu energischem Vorgehen in der Hebung unserer sanitären Zustande.
— Als sehr zuvorkommender Angeklagter erwies sich dieser' Tage der- ArbcMr Wilhelm Franz Schüler in Berlin, der sich wegen Diebstahls- vor drv III. Strafkammer des Landgerichts I zu verantworten Halde;: denn mit emrr gewissen Freudigkeit bekannte er sich in allen Teilen schuldig. — Präs.: „Sne sind schon neunmal wegen Diebstahls vorbestraft, und zwar ... Angekl. ßunt erbrechend)-: „Lieber Herr Präsident, lassen Sie't man jut sind, und spMwn Se sich die Mühedenn ich kenne meine Strafen janz nach der Reihe." — Präs.r „Bekennen Sie sich denn für schuldig?" — Angekl.: „Na versieht sich; ich bin ja nach allen Richtungen hin schuldig." — Pbäs.: „Sie haben also dem Feldwächter Lehmann, der Ihnen ein Nachtquartier gewährt hatte, vier Kaninchen gestohlen?" — Angekl.: „Liebster Herr Prä« i sivent, wak soll ick armes altes Huhn denn weiter machen. Seh'n Se hier,
! mein janzer linker Arm is mir gelähmt, arbeten kann ick nich, Geld besitze ^ ick aber ooch nich 'ne Kleinigkeit, Hunger habe ick derbe jehabt — also wat ! bleibt mir denn übrig, als zu stehlen um wieder tns Jesängnis zu kommen."'
>— Präs.: „Haben Sie die Kaninchen verkauft?" — Angekl.: „Ja woll, for 50 Pfennige." — Präs-.:: „Für alle vier?" — Angekl.: „Ach Jotte doch,. ^ eens war ja schon dot k" — Der Staatsanwalt bringt trotz der vielen Vor- - strafen noch einmal die Bewilligung mildernder Umstände in Vorschlag und -beantragt 1>/z Jahre Gefängnis. — Präs.: „Angeklagter, haben Sie noch -etwas anzuführen?" — Angekl : „I bewahre!! Bloß wenn ick bitten dürste,. ! daß Se mir nich noch wat davon abhandeln und dann möchte ick meine ! Strafe ooch jleich antreten." — Der Gerichtshof erkannte auf 1 Jahr Gefängnis und Ehrverlust auf 2 Jahre.
Zum TWMchutzx
Calw, 4. Nov. Daß es allezeit böse Buden gibt, die eine Freude daran haben, irgend ein Thier, das ihnen in den Weg lauft, zu quälen und zu mißhandeln, ist eine leidige Erfahrung, die schwerlich jemals aus der Weltverschwinden wird. Ich halte es aber dieser bedauerlichen Thatsache gegenüber für eine dringliche Pflicht eines jeden Thierfreundes, insbesondere aber der Mitglieder des Thierschutzvereins, jeder an Thieren verübten Rohheit- energisch entgegenzutreten und den Mifselhäter de« strafenden Hand zu über«, weisen, sei es im Wege der Schuldisceplin oder amtlicher Behandlung. Vielleicht trägt die Veröffentlichung eines empörenden Falles von Bosheit und Rohheit dazu bei, daß. der oder vielmehr die Thäter der verdienten Strafe verfallen. Heute früh kam eine Taube an mein Fenster geflogen, welcher ein 2 cm. breiter Riemen von rolhem Saffian derart um den Hals genäht war, daß der untere Schnabel hinvurchgestreckt, und ein Theil des Halsbandes also über der Zunge hindurchgezogen war, so daß das Thier den Schädel nicht schließen konnte und sicherem Hungertode entgegen gieng, wenn es dem von mir benachrichtigten Besitzer nicht endlich gelungen wäre, das arme Thier zu fangen und von seiner qualvollen Halsumschnürung zu be» freien. Es ist kaum anders denkbar, als daß mehrere Buben bei dieser Handlung von raffinirter Thiei quälerei zusammengewirkt haben und sollte es nicht ganz unmöglich sein, dieselben in irgend einer Schule zu entdecken. Viel» leicht dient diese Veröffentlichung aber auch als Warnung für diejenigen, denen solch strafbare Bosheit im Herzen sitzt.
E. Ho rischer.
Gottesdienste am Sonntag, den 7. November.
Vom Turme: Nro. 263. VormitiagS Predigt: Hr. Helfer Braun. Feier des heit. Abendmahls. Um 11 Ukr im Vercinöhaüs: Abendmahlsfeier für Leidende, Hr. Dekan Berg. Abendpredigt um b Uhr im Bercinshaus: Hr. Dekan Berg..
Kottesäienst« in ä-r Metkoäistenkapekk- am Sonntag, den 7. November. Morgens '/-t0 Uhr, abends 8 Uhr.
„Erzähle mir jetzt Alles, Julius!" rief halb weinend die alte Dame. „Welche Schulden hast Du außerdem noch? — Großer Gott, der Gedanke könnte mich töten!"
Der Doktor zuckte die Achseln.
„Sei unbesorgt, Tante, es wird sich Niemand bei Dir melden, am allerwenigsten ich selbst. Mama darf natürlich von der Sache nichts erfahren."
„Du sprichst, als lägen die tausend Thaler nur so bereit!" rief erbittert das alte Fräulein. „Womit willst Du bezahlen?"
„Das laß meine Sorge sein. Werde ich ausgepfändet, so kannst Du jedes Stück meiner Einrichtung von Rechtswegen reklamieren — kümmere Dich also um Nichts."
„Und die Schande?" rief sie. „Und Deine kranke Mutter? — Julius, Du handelst wie ein Wahnwitziger ?"
„Das zu beweisen, dürfte Dir schwer werden. Es gibt im Augenblick für mich keinen Ausweg mehr."
„Einen nur!" kam es von den Lippen der alten Dame. „Einen, Julius — wenn Du nämlich weiter keine Schulden besitzest —"
„Und der wäre?" fragte er. „Es ist natürlich so, wie Du voraussetztest, Tante."
„Du könntest heiraten!" entgegnete sie. „Es war von jeher mein Lieblingsgedanke, Dich mit der Tochter der Justizrätin Ollmers zu verloben — auch diese selbst, die Mutter des Mädchens, wünscht Eure Verbindung, und zu dem Allen hat Dich Paulinchen gern. Gehe heute Abend hin, um Dich einzuführen, Julius, — Du hast ja im Hause einen Pattenten — und ich löse morgen Deinen Wechsel ein."
Der Doktor schüttelte den Kopf.
„Wir werden uns über diesen Punkt niemals einigen können, Tante", sagte äußerlich ruhig. „Fräulein Ollmers ist mir bei aller Wertschätzung doch voll- .„mmen gleichgültig, ich kann sie daher auch nicht heiraten. Ueber eine Frage von so schwerwiegender Bedeutung darf nimmermehr das materielle Interesse, und eben so wenig — Pardon, Tante ! irgend eine dritte Person entscheiden."
DaS blaffe Gesicht der alten Dame färbte sich mit plötzlicher Röte.
„So behalte Deine Ideale," rief sie erbittert, „aber erwarte auch von mir dann keine Hilfe. Nur wenn Du gehorchst, bezahle ich den Wechsel, nur wenn Du Dich meinem Wunsche gemäß verlobst, kannst Du darauf rechnen, dereinst mein bischen Armut zu erben. Ich denke, einem vernünftigen Menschen dürfte die Wahl nicht schwer werden."
„Dann halte mich immerhin für unvernünftig, Tante. Und jetzt — haben wir ja wohl Nichts mehr miteinander zu verhandeln, wie mir scheint?"
„Nichts!" erwiderte eiskalt die Dame. „Du kannst jetzt gehen — ich halte Dich nicht länger zurück."
„Bitte", sagte er noch, .laß Maina Nichts hören.
Die Thür öffnete und schloß sich, er war fort, und drinnen im andern Zimmer, wo sie horchend das Ohr gegen die Wand gepreßt hielt, stand schwer athmend Elisabeth, von Felsenlasten befreit und doch jäh erschrocken in ratloser Furcht.
„Tausend Thaler! — Welche Summe!" dachte die horchende Gesellschaftenn. Aber Tante Josephine konnte ja nicht hartherzig bleiben, sie mußte helfen, um jeden Preis. — Der arme Julius! So schrecklich durfte er für sein argloses
Vertrauen nicht bestraft werden! .
Ein plötzlicher Gedanke durchirrte das Bewußtsein der Gesellschafterin; fte fuhr
mit der Hand über die Stirn, wie um ihn zu verwischen.
Da klingelte es, und sie mußte ihren Platz am Bette der Kranken wieder
einnehmen.
Frau Hartmann sah fragend auf.
„Julius war eben im Zimmer meiner Schwester — ich habe es gehört. Wir»
wollte Finchen von ihm?" „
^ „Ich glaube, Fräulein Haberland klagte über starken Kopfschmerz.
„Das ist es nicht! Elisabeth, verschweigen Sie mir etwas?"
Das junge Mädchen glättet, mit zitternder Hand die Kissen.
„Mir ist weder von den: Doktor noch von Fräulein Haberland irgend Etwas erzählt worden, liebe Frau Hartmaun", sagte sie ausweichend.
(Fortsetzung folgt.)