Aro. 130
61. Jahrgang
Amts- unll Intekkigenzhkalt für äen Kezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag. f
im Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile ) Bezirk, sonst 12 H. "
Kamstag, äen 6. November 1886.
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! ganz Württemberg 2 70
Arnttiche Wekanntrncrchungen.
Gages-Weuigkeiterr.
Calw.
Staatsbeiträge für die Arbeitsschulen.
Vermöge E. lasses des evangelischen Konsistoriums vom 30. Oktober bis 3. November d. I. Ziff. 14441 sind für die Arbeitsschulen nachstehender Gemeinden die beigesetzten Staatsbeiträge verwilligt und zur Auszahlung an die betreffenden Gemeindepflegen angewiesen worden, was mit dem Anfügen zur Kenntniß der beteiligten Octsbehörden gebracht wird, daß in den Rechnungsbüchern aus das gegenwärtige Ausschreiben, welches die Stelle eines
Agenbach
30
Oberkollbach
25
Altbulach
10 „
Oberreichenbach
30
Altburg
20 „
Ottenbronn
12
Dennjächt
15 „
Simmozheim
15
Holzbronn
18 „
Sommenhardt
12
Möttlingen
20 „
Teinach
40
Monakam
25 „
Unterhaugstett
24
Neubulach
10 „
Unterreichenbach
18
Neuhengstett
15 „
Zavelstein
40
„
Den 5. November 1886.
K. gem. Oberamt. Flaxland. Berg.
^oLitische Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 3. Nov. Der Kaiser nahm vormittags militärische Meldungen entgegen, ließ sich darauf von dem Chef des Zivilkabinets, Geh.- Rat Wilmowski. Vortrag halten und empfing nachmittags den Besuch der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg und Tochter. — Bei der morgigen Sitzung des Bundesrats gelangt u. a. der Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gerichtskosiengesetzes, sowie die Gebührenordnung der Rechtsanwälte zur Vorlage.
Bulgarien.
— 2. Nov. Die Fr. Ztg. meldet aus Tirnowa: Heute findet die Wahlprüfung statt. Zu Beginn nächster Woche schreitet sodann die Sobranjs zur Wahl des Fürsten.
— fAmtlichesZ Durch Beschluß der K. Regierung für den Schwarzwaldkreis vom 2. Nov. d. I. ist die Wahl des approbierten Arztes Dr. Julius Lütje von Hamburg zum Stadtarzt von Liebenzell, Oberamts Calw, bestätigt worden.
Leonberg, 2. Nov. Während anderwärts die Lese im Gang oder schon beendigt ist, trifft man hier an der Kammerz des Herrn Bahnmeisters Schneider jetzt schön blühende Trauben.
Münchingen, OA. Leonberg, 3. Nov. In vergangener Nacht wurde hier Feuerlärm gemacht. Es brannte das größere Anwesen des Bauern Georg Schweizer mit Wohnhaus und Scheuer unter einem Dach. Die großen Erntevorräte gaben dem Feuer reichlich Nahrung, so daß eine Rettung nicht mehr möglich und binnen kurzer Zeit das schöne Anwesen ein Schutthaufen war. Bei dem raschen Verlauf des Brandes konnte nur wenig gerettet werken, doch ist der Abgebrannte versichert. Die Nachbarhäuser, deren Bewohner bereits geflüchtet halten, blieben unbeschädigt.
— Die Eröffnung der neuen Kinzigthalbahn hat gestern bei prachtvollem Wetter stattgefunden. Mit bekränzten Lokomotiven wurde 10 Uhr 25 Min. vormittags die Eröffnungsfahrt ab Freudenstadt angetreten. Im Zug befanden sich Ss. Exzellenz der Ministerpräsident Dr. v. Mittnacht, der Präsident der Generaldirektion der Staatseisenbahnen v. Hofacker, der Direktor der Post v. Weizsäcker, die Abteilungs-Vorstände und andere Mitglieder der Eisenbahndirektion, der Postdirektion, Ministerialräte Mitglieder des Rats und des Beirats der Verkehrsanstalten und Abgeordnete der betreffenden Bezirke. Auf der nächsten Station Loßburg hatte sich die Schuljugend und die Einwohnerschaft ausgestellt, Schultheiß Grünewald hielt eine Anrede an den Hrn. Ministerpräsidenten, worin er die werten Gäste willkommen hieß in Loßburg, wo die blauen Berge der Alb herübergrüßen und das Kinzigthal sich zum deutschen Rheine öffnet. Der Herr Minister erwiderte dankend mit dem Wunsche, daß die Gegend von dem neuen Verkehrsmittel reichen Gewinn ziehe und dasselbe recht fleißig sich zu nutzen mache. Mit einein kräftigen Hoch entließen die Loßburger den Festzug. Gleich herzlich empfangen wurden die Teilnehmer in Alpirsbach, Schenkenzell, Schiltach, Wolfach. Auf der Station Hausach war seitens der badischen Verwaltung ein opulentes Frühstück gerichtet. Hier Reden und Toaste. Eine Stunde später Rückfahrt, Festmahl um 3 Uhr in Freudenstadt im Schwarzwaldhotel.
IserriLLelon. '^druck °«b°t-n.>
Verlorene Ehre.
Roman von W. Koffer.
(Fortsetzung.)
„Kennst Du einen Herrn Wolfs, Julius? — Alexander Wolfs, hier in dieser Stadt?"
„Nein," antwortete er kurz. „Weshalb fragst Tu Tante?"
„Weil ich erfahren will, wer von Euch mich zu betrügen versucht. Du oder er. Da lies! — Solltest Du den Mann wirklich nicht kennen?"
Sie reichte ihm ziemlich unsanft das Blatt Papier, die Copie eines Wechsels, welcher vor dem nächstfolgenden Mittag eingelöst sein mußte.
Ein einziger Blick auf das erblassende Gesicht ihres Neffen zeigte der alten Dame, wie plötzlich und heftig er erschrak.
„Es ist also wahr?" sagte die alte Dame, langsam jedes Wort betonend. „Es ist also wahr? Du leihest von stadtbekannten Wucherern Summen, die größer sind als meine gesammte Jahreseinnahme? Womit, wenn inan fragen darf, gedenkst Du den Mann morgen zu bezahlen?"
Der Doktor hatte mit wahrem Entsetzen erkannt, daß seine bösesten Ahnungen plötzlich Gestalt gewannen. Walter ließ sich in der letzten Zeit nicht mehr blicken, und als er nach acht Tagen hinging, um sich von der Lage der Dinge zu überzeugen, da hieß es, der junge Herr sei verreist und werde erst in einer Woche zurückerwartet.
Er war jedenfalls fortgereist, um Geld aufzutreiben — das war ganz klar. Mit gewohnter Sorglosigkeit hatte er bis zum letzten Augenblick gezögert und dann nicht den Blut gefunden, seinem Freunde Alles zu gestehen. Sogar den Namen des Darleihers lernte der Doktor erst heute kennen.
„Wer hat Dir die Sache mitgeteilt, Tante?" fragte er.
Er sagte es halb unbewußt, vor Aerger knirschend.
„Der Mensch selbst. Tausend Thaler sind keine Kleinigkeit. Er kommt also zu mir, um sich derselben zu versichern. Ich frage Dich nochmals, Julius, mit welchen Mitteln gedenkst Du diese Summe zu bezahlen ?"
Der Doktor warf das Blatt auf den Tisch.
„Dich werde ich nicht um Hilfe bitten, Tante", versetzte er kalt. „Das Weckers dürste Dir, bei Deiner bekannten Abneigung gegen mich, schwerlich von Interesse sein."
Die Mundwinkel der alten Dame zuckten.
„Allerdings, nur in einem einzigen Fall, Julius — da hast Du Recht! Vorerst aber sage mir, wozu Du eine solche Summe brauchtest?"
Der Doktor wandte sich ab.
„Weshalb darüber streiten?" warf er hin. „Vergiß die Sache, Tante Josephine — es ist nicht meine Schuld, daß sie Dir überhaupt zu Ohren kam."
„Davon bin ich überzeugt", klang es spöttisch zurück. „Wozu brauchst Du das Geld, Julius?"
„Ich?" grollte er. „Ich, das Resultat Deiner Erziehung, Tante? — Aber lassen wir das! Sieh' den Wechsel an und Tu wirst finden, daß ich nur der Bürge bin. Deine sparsame Seele mag sich beruhigen — durch mich ging kein Pfennig dieser kostbaren tausend Thaler verloren."
Er wollte ohne ein weiteres Wort das Zimmer verlassen, aber Fräulein Haberland trat ihm in den Weg.
„Der Bürge bist Du! Grundgütiger Gott, der Bürge? Das ist schlimmer, als hättest Du die Summe verspielt oder sonst durchgebracht. — Eventuell: Wer ist denn der Schurke, der Dich zu einem so unerhörten Leichtsinn veranlaßte?"
Er erzählte ihr wiederstrebend den Vorgang und sofort rief Tante Josephine:
„Das ist ein Märchen, eine plumpe Lüge — der Monsieur Leichtfuß hat das Geld selbst gestohlen."
Julius schwieg. Das schnelle Wort der Tante hals ihm im Augenblicke das Elend leichter tragen. Es war mehr als das Leben selbst, was er dem Freunde gerettet hatte — den ehrlichen Namen einem so beschimpfenden Verdacht gegenüber.