Darmstadt, 28. April. Der Kaiser ist um 8 Uhr nach Eisenach abgereist. Der Großherzog und sämtliche Prinzen geleiteten den hohen Gast zum Bahnhofe, woselbst die Gesandten und die Spitzen der Militär- und Zivilbehörden zur Ver­abschiedung anwesend waren. Das zahlreiche ver­sammelte Publikum brachte dem Monarchen begeisterte Ovationen dar.

Eisenach, 28. April. Der Kaiser ist um 12 Uhr 15 Min. bei prächtigem Wetter auf dem hiesigen Bahnhof eingetroffen und daselbst vom Großherzog empfangen worden. Der Erbgroßherzog war dem Kaiser bis zur Landesgrenze entgegengefahren. Das vor dem Bahnhof, sowie in den reich beflaggten Straßen und auf der Wartburg-Chaussee zahlreich versammelte Publikum begrüßte den Kaiser mit stür­mischen Hochrufen.

Berlin, 28. April. Die Königin von Italien wird bestimmt für die Pfingstwoche hier erwartet, vielleicht schon die Woche vorher. In derselben Zeit dürfte auch der Kronprinz von Italien hier eintreffen.

Seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck hat es den Anschein, als ob sich in verschiedenen deutschen Bundesstatten die partikularistischen Be­strebungen, die fast ganz aufgehört hatten, wieder mehr geltend machen wollten. Neuerdings haben sich im ehemaligen Kurhessen und .in Mecklenburg sogenannte deutsche Rechtsparteien gebildet, die gleich den Welfen die seit 1866 vollzogene Neugestaltung Deutschlands rückgängig zu machen bestrebt sind. Jetzt ist man sogar bemüht, die Partikularisten in allen Teilen Deutschlands, die früher getrennt mar­schierten, zu sammeln, wobei, wie billig, die Welfen die Führung übernehmen sollen. Die gesinnungs­verwandteGreizer Landeszeitung" hat kürzlich einen Artikel veröffentlicht, in dem behauptet wird, auch in Bayern und Württemberg rege es sich wunder­bar bezüglich eines Zusammenschlusses der Genossen. Alle diese Anzeichen mögen noch keine Gefahr be­kunden, aber nn Hinblick auf die ohnehin bestehende Zerrissenheit des Parteiwesens wäre es doch gut, wenn man auf das Treiben der Herren in Nord und Süd ein wachsames Auge haben würde.

Fürst Bismarck über den 1. Mai. Der Berliner Berichterstatter desNewyork Herald" hat mit dem Fürsten Bismarck eine Unterhaltung über den 1. Mai gehabt. Fürst Bismarck erscheine als ein Bild der Gesundheit; er sprach englisch. Die Kundgebung hielt der Fürst für so ungefährlich wie einen Aufzug der Heilsarmee. Er würde, wenn er Minister wäre, sich jeder Einmischung enthalten und die Dinge ihren Gang gehen lassen, damit die Un­ruhestifter nicht glaubten, die Regierung fürchte sich. Uebrigens werde der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit nie aufhören, es sei denn, daß die Menschen Engel würden, dann aber sei jeder Fortschritt un­möglich, wie die Südsee-Jnseln zeigten, wo die Men­schen tausende von Jahren wie friedfertige Tiere foytlebten. Den vom fortschreitenden Wettbewerb verlangten Kampf gegen den Sozialismus sollten alle Parteien kämpfen, denn ein sozialistisches Re­gierungssystem sei eine Art von Sklaverei und Zucht­haus und bedeute die Herrschaft ungebildeter Schwä­tzer. Nichts sei schlimmer für die Regierung als Nachgiebigkeit; Festigkeit dagegen sei eine Gewähr des inneren und äußeren Friedens. Lassalle würde heute wahrscheinlich ein Conservativer sein.

Berlin, 26. April. DieBörsenztg." mel­det aus angeblich bester Quelle, der Reichskanzler v. Caprivi habe Pindter, den Redakteur der Nordd. Allg. Ztg." empfangen. DieNordd. Allg. Ztg." dürfte wieder als offiziöses Organ anzu­sehen sein.

Berlin, 27. April. Die Reichseinnahmen des Etatsjahres 1889/90 haben gegen den Voran­schlag Mehrerträge bei den Zöllen von 78 239 381, bei der Tabaksteuer von 196 579, bei der Zucker­steuer von 786590, bei der Salzsteuer von 118048, bei der Brausteuer von 3 791397, bei den Reichs­stempelabgaben von 13929 558, bei der Börsensteuer von 11951707 und beim Privatlotteriestempel von 1 908 826 Mindererträge dagegen bei der Brannt­weinmaterialsteuer von 7 685219 und bei der Brannt­weinverbrauchsabgabe von 18 734825 ^ ergeben.

Berlin, 28. April. DieVoss. Ztg." meldet über Paris aus Rom, der Papst habe die deutschen Bischöfe zu kräftiger Unterstützung der deutschen So­zialpolitik aufgefordert.

Während sich die sozialdemokratische Reichs­tagsfraktion gegen den Plan, am 1. Mai chie Arbeit ruhen zu lassen, ausgesprochen hat, behandelt der Sozialdemokrat" in London, das Zentralorgan der Partei, denFeiertag" am 1. Mai als Vorläufer weiterer Arbeiterfeiertage. Das allgemeine Stimm­recht könne nicht Alles; der zum Klassenbewußtsein gegenüber dem Kapital erwachte Arbeiter müsse sich auch anderer Waffen bedienen:Der rechte Kämpfer aber muß in allen Waffen geübt sein. Und darum ist es gut, daß die deutschen Arbeiter, welche die eine Waffe so gut zu handhaben ver­stehen, sich nun auch einmal in einer anderen üben. Möglich, daß sie nicht gleich das erste Mal darin Glänzendes leisten, aber das macht nichts; sie wer­den mit der Zeit es auch darin zu etwas Ordent­lichem bringen. Diejenigen unter den deutschen Ar­beitern nun, die auch diesmal schon den 1. Mai als Feiertag zu begehen Willens sind, erwächst damit eine große Aufgabe, aber wir zweifeln keinen Au­genblick, daß sie sich derselben bewußt und entschlossen sind, ihr in jeder Weise gerecht zu werden." Diesem sozialdemokratischen Doppelspiel gegenüber haben die Arbeitgeber die erhöhte Pflicht der einmütigen Ab­wehr. Auch sie werden bewußt und entschlossen ihrer Aufgabe gerecht zu werden suchen müssen.

In Berlin ist der Bierkrieg in Hellem Gange, alle Brauereien gehen geschlossen vor, und haben sich verpflichtet, keinem Wirte, welcher den Verkehr mit einer von den Sozialdemokraten in die Acht er­klärten Brauerei abbricht, Bier zu liefern. Ebenso soll kein einziger streikender Brauergeselle in Berlin wieder Arbeit erhalten. Die streikenden Bierbrauer­gehilfen ihrerseits verzichten nun auf den Genuß von Bier. In einer großen Versammlung wurde kein Tropfen Bier, sondern nur Selterwasser ge­trunken. (Dann blieben die Herren doch nüchtern.)

DieHamburger Nachrichten" veröffent­lichen an der Spitze ihres Blattes nachstehende Er­klärung:Die freisinnige Presse versucht, unbeirrt durch unser neuliches klares und unzweideutiges De­menti, den Anschein zu erwecken, als ob Fürst Bis­marck dem neuen Reichskanzler durch dieHamb. Nachrichten" Schwierigkeiten bereiten lasse. Dem gegenüber konstatieren wir,daß uns Fürst Bis­marck vielmehr den Wunsch ausgedrückt hat, Herr von Caprivi, den er wegen seiner persönlichen Eigen­schaften hoch schätze, möge seinem Charakter und der Schwierigkeit seiner Aufgabe entsprechend mit Rück­sicht behandelt werden. Er, der Fürst, sei mit Herrn v. Caprivi befreundet und wünsche es zu bleiben." Oesterreich-Un garn.

Wien, 25. April. Ueber den vorgestrigen Arbeiterausstand in Biala laufen noch fort­während erschütternde Details ein. Ueberall sieht man geplünderte Läden, zerschossene Mauern, zer­trümmerte Fenster, herausgerissene Thüren; Flaschen, Gläser, Fässer, Werkzeuge liegen auf den Straßen zerstreut. Die Todtenkammer ist mit Leichen, das Krankenhaus mit Verwundeten gefüllt. Ein aus Mährisch-Ostrau zugereister Agitator, der, als Ar­beitermassen am Bialaer Ring versammelt waren, eine zündende Rede hielt, in der er zur Zerstörung aufforderte, die denn auch sofort Platz griff, ist einer der am Platze Gefallene. Es sind viele Anzeichen vorhanden, daß die ganze Sache ausführlich geplant und heimlich vorbereitet war. Als die Gendarmerie und die Polizisten die Menge sprengen wollten, zog die Rotte, auf 6000 Köpfe angewachsen, unter Hurrahrufen gegen die Vorstadt Lipnik, alle Fen­ster im Vorbeimärsche zertrümmernd. Bei dem Pächter von Erzherzog Albrechts Propination (Brauerei und Brennerei), Korn, zerstörte die Menge die Niederlage und die Leute warfen die Fässer auf die Straße. Unterdessen sprengte Kavallerie an, dieselbe wurde aber mit einem Steinhagel empfangen. Die Aufforderung, sich zu zerstreuen, wurde mit Hohn beantwortet. Hierauf gab das Militär fünf Salven ab. Als an die Bergung der -Tobten und Verwundeten gegangen wurde, fand man vier auf dem Platz Gefallene, sieben, die noch im Laufe der Nacht starben, dazu kommt einer, der Morgens todt im Felde gefunden wurde. Sieben weitere sind von den Aerzten aufgegeben, und mehr als dreißig leich­ter Verletzte befinden sich in Behandlung. Wahr­scheinlich sind noch mehrere in Privatpflege, die sich nicht melden. Gestern Mittag fanden sowohl in Bielitz als auch in Biala Arbeiter-Ansammlungen

statt. Vorgestern wurden auch drei Soldaten schwer verwundet. Nach Klein-Schwechat bei Wien ist ge­stern Militär beordert worden, da ma i Unruhen der Arbeiter einer dortigen Brauerei befürchtet.

Angesichts der wiederholten äußerst schweren Ausschreitungen in letzter Zeit hat die Wiener Re­gierung ankündigen lassen, daß am ersten Mai bei jedem gewaltthätigen Widerstandsversuch gegen die Behörden ohne Gnade das Standrecht zur Anwen­dung komme. Diese Drohung hat einen sehr tiefen Eindruck gemacht, die Arbeiter setzen nun selbst alles daran, um am 1. Mai Ruhe und Ordnung zu wahren. In einem von den Führern der Wiener Arbeiterschaft an diese erlassenen Aufruf werden die Arbeiter aufgefordert, jeden Umzug und jede Ansamm­lung zu vermeiden und Leute, die Unruhe stiften wollen, hinweg zu expedieren.

Budapest, 28. April. Die hiesigen Arbeiter­führer haben erklärt, daß die Polizei, sofern die Ab­haltung eines Monstre-Meetings nicht gestattet wer­den würde, die Verantwortung für die Aufrechter­haltung der Ordnung allein übernehmen möge.

Maßnahmen gegen Streiks. Drei Eisen­bahnzüge sind für Truppentransporte in Preßburg in Bereitschaft gestellt.

Ein Eisenbahnattentat. Auf der öster­reichisch-ungarischen Staatsbahn waren Freitag Abend bei der Station Raasdorf große Steine auf das Geleise gelegt worden. Mit knapper Not ist das Entgleisen des Zugs und damit großes Unheil ver­hütet worden. Nach ausführlichen Mitteilungen scheint eine Beraubung des Zuges geplant gewesen zu sein. Derselbe führte große Geldsummen, dar­unter i Vs Millionen Banknoten für die ungarische Staatskasse mit sich. Die Verbrecher haben dies augenscheinlich gewußt, und gehofft, in der durch die Entgleisung hervorgerufenen Verwirrung die Post plündern zu können. Mehrere verdächtige Personen sind bereits verhaftet worden.

Frankreich.

Präsident Carnot ist am Sonntag von seiner 14tägigen Rundreise in Südfrankreich und auf Kor­sika wieder in Paris angekommen. Mit dem Ver­laufe seiner Tour kann er sehr zufrieden sein, überall ist er in der besten Weise empfangen worden. Der alberne Protest, welchen Prinz Jerome Napoleon erhoben hat, weil Carnot das Geburtshaus Na­poleons I. in Ajaccio besuchte, wird in Paris be­lächelt.

Paris, 28. April. Bei den gestrigen Stadt­ratswahlen haben die Boulangisten eine völlige Niederlage erlitten.

Paris, 26. April. Die hiesige Garnison wird für den 1. Mai um 8 Reiterregimenter und die gesammte Gensdarmerie der Vororte verstärkt werden.

Italien.

Ministerpräsident Crispi hat an die Prä­fekten den Befehl erlassen, am 1. Mai keinerlei Auf­marsch oder gemeinschaftlichen Zug über Straßen und Plätze, sowie an öffentlichen Orten keinerlei demonstrative Versammlungen zu dulden. Das Mili­tär hat Befehl zur Unterstützung der Behörden er­halten.

Rom, 26. April. Dr. Windthorst soll demnächst den päpstlichen Christusorden erhalten.

Belgien.

Brüssel, 26. April. Stanley ist nach London abgereist. Der König gab ihm das Ge­leite bis Ostende.

Brüssel, 26. April. Das von dem fran­zösischen Spion Mondion aus dem Staatsarchiv entwendete Dokument betrifft den geheimen Bericht über die Stellung Belgiens im Fall eines neuen deutsch-französischen Krieges.

England.

London, 26. April. Stanley ist auf der Viktoriastation in London ein getroffen und enthu­siastisch begrüßt worden.

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Verantwortlicher Redakteur Steiuwandel in Nagold. Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.