Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Dienstag 29. April

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Die Wahl des Wundarzts Jvbann Friedrich Roller von Mldbcrg, bisher i» Ulm, zum Orts- und Armenwund­arzt der Gemeinde Wnin, O.A. Laupheim, wurde bestätigt.

Zu Mitgliedern des Beirats der Verkehrsanstalteu und zu Ersatzmännern derselben sind gewählt worden: I. als Vertreter des Handels und der Gewerbe: C. Comcrell, Fabrikbesitzer in Höfen, Ersatzmann: C. Sa mi­ni ald, Fabrikant in Nagold; II. als Vertreter der Landwirtschaft: Oekonomicrat Horlacher in Calw, Ersatzmann: Gutsbesitzer Vinc. Weiß in Ottenhausen, O.-A. Neuenbürg; Oekoiwmieral Ruoff in Sindlingen, O.-A. Herrcnbcrg, Ersatzmann: Ockonomierat Schosser in Kilch­berg, O.-Ä. Sulz.

Eine außerordentlich scharfe Kritik der Arbeiter- demonstralion für den i. Mai bieret die sehr arbei- terfrcnndlich gesinnte Bossische Zeitung:Trotz des Aufrufes der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, der entschieden abrät, am I. Mai die Arbeit ruhen zu lassen, da durch einen solchen Schritt die ver­hängnisvollsten politischen und sozialen Folgen her­ausbeschworen werden können, haben sich etliche Ver­sammlungen sozialdemokratischer Arbeiter verleiten lassen, die Feier zu beschließen. Wir können nicht nachdrücklich genug die Arbeiter vor einem so frivo­len und gewissenlosen Rechtsbruche warnen. Sie würden nur eine Kraftprobe machen, beider sie we­nig gewinnen, aber sehr viel verlieren können. Die große Mehrheit der Arbeitgeber wird sich eine solche Herausforderung nicht gefallen lassen, für welche es keinerlei Entschuldigung giebt. Die Arbeiter sollten nicht vergessen, daß sie durch den allgemeinen Bruch des Arbeitsvertrages tausende Familien brodlos ma­chen, unermeßliches Elend heraufbeschwören, und nur den Feinden der Arbeitersache in die Hände arbeiten. Die Arbeiter mögen sich darüber nicht täuschen: fast allenthalben, wo sie am l. Mai die Arbeit ruhen lassen, werden sie dieselbe am 2. Mai nicht mehr aufnehmen können, auch wenn sie dann gern arbei­ten wollten. In Hamburg haben bereis die Behör­den beschlossen, daß in allen Staatsbetrieben dieje­nigen Arbeiter wegen Kontraktbruches entlassen wer­den, welche am 1. Mai feiern. Ebenso werden zwei­felsohne alle öffentlichen und privaten Betriebe aller Orten verfahren. Es heißt ferner, die preußische Regierung habe Anweisungen zum Schutze derjenigen Arbeiter erlassen, welche am 1. Mai die Arbeit nicht ruhen lassen wollen. Die Demagogen, welche die Massen zu einem ganz unnützen und rücksichtslosen Schlage ins Antlitz ihrer Arbeitgeber verführen wol­len. treiben ein gefährliches Spiel. An ihrer Ehr­lichkeit zu zweifeln, liegt sehr nahe. Wir hoffen aber, daß höchstens ein kleiner Bruchteil der Arbei­terwelt so viel Leichtsinn und Gewissenlosigkeit zeigt, um mitten in der Wocheblau zu machen", auf die Gefahr hin, dauernd Arbeitsstelle und Brot zu verlieren.

Dann noch der Standpunkt der Arbeitgeber! Man kann ruhig annehmen, daß gar mancher Ge­

schäftsmann heute noch lieber, als morgen seinem Personal einen Tag frcigeben würde, um Erspar­nisse machen zu können. Aber wenn der Mann nun bindende Verpflichtungen für irgend welche Lieferun­gen übernommen hat, wenn er vertragsmäßig zur bestimmten Lieferung verpflichtet ist, wenn, was so unendlich häufig vorkommt, von der prompten Be­dienung auch der prompte Geldumlauf abhängt, ist es denn dann angebracht, ihn in Verlegenheiten zu bringen? Die Arbeiter wissen in der Regel am be­sten, wie es mit ihren Prinzipalen steht, wie diese häufig genug sich mühen und abarbeiten müssen, um gute Kundschaft zu bekommen und zu erhalten. Der Verlust eines Arbeitstages bedeutet aber nicht nur eine Gewinneinbuße, sondern auch eine Einbuße am geschäftlichen Renommen, das gar leicht getrübt ist. Alles in allem hat niemand Anlaß zu übermäßigem Jubilieren! Was jeder Arbeiter für recht hält, das mag er thun, und was er fordert, durchzusetzen ver­suchen. Aber die Männer der schwieligen Faust sollen bleiben, was sie immer waren, praktische Leute; nicht ohne Grund ist früher von Arbeitern auf eitle Demonstrationen verächtlich geblickt worden. Mögen sie selbst darum dem Wege fernbleiben, denn zu errei­chen ist nur etwas durch die That, nicht durch Truggedanken.

Tages-Nerrrgkeiterr.

Deutsches Reich.

Der 1. Mai, auf welche Tausende und Aber­tausende erwartungs- und hoffnungsvoll Hinblicken und auch solche, welche sich sonst nicht viel um Po­litik zu bekümmern pflegen, demselben mit Spannung entgegensetzen, naht heran. Sollen ja da von Seiten der Sozialdemokratie Beschlüsse gefaßt werden, welche so tief in das Leben einschneiden, daß sie alle be­rühren. Insbesondere soll ja hier über den ständi­gen Arbeitstag und über Erhöhung des Lohnes der Arbeiter beraten werden. Es wäre wohl interessant, wenn man erheben könnte, wie viele unter denjenigen, welche diese wunderlichen Anforderungen stellen, wirk­liche selbständige Meister wären. Ihre Zahl wird das Minimum vom Minimum sein; aber wohl viele, welche an dieser Massenbewegung sich beteiligen, werden das Bestreben haben, selbst einmal Meister zu werden und es möchte auf dieselben wohl das Wort Anwendung finden: O Herr, vergieb ihnen; denn sie wissen nicht, was sie thun! Denn würden, wenn diese Anforderungen zum Gesetz erhoben würden, für die Arbeiter und überhaupt für die Menschheit im allgemeinen bessere Zustände geschaffen? Keines­wegs. Denken wir uns einmal eine 8stündige Ar­beitszeit pro Tag, namentlich noch im Sommer, was würde dann da in der langen übrigen Zeit von den Arbeitern Nützliches gethan werden? Ein Reichstags­abgeordneter, welcher unlängst sagte, er glaube nicht, daß sie am Gebetbuch sitzen werden, wird wohl recht haben. Und fürs andere, neben der Verminderung der Arbeitszeit, noch die Forderung von Lohnerhöhung! Weniger Produktion und höheren Arbeitslohn! Auch dem gewöhnlichsten Menschen muß in die Augen springen, daß das durchweg auch eine Erhöhung der Preise nicht nur der gewerblichen Erzeugnisse, son­dern aller Arten von Lebensmitteln nach sich ziehen müßte. Und was ist dann für den Arbeiter gewon­nen? Halten wir an dem Grundsätze fest, der ja gewiß von der Sozialdemokratie acceptiert werden wird, gleiches Recht für alle; wie wäre es, wenn endlich auch Knechte und Mägde streiken und den

8stündigen Arbeitstag beanspruchten? Es gäbe eine babylonische Verwirrung. -x.

Vom Calwer Bezirke, 27. April. (Korresp.) Wie fast alljährlich, so kehrten auch Heuer wieder eine Anzahl hoher Herren zur Auerhahnjagd in der Rehmühle, Gemeindebezirks Aichelberg, ein. Auch Seine Kgl. Hoheit Prinz Wilhelm von Württemberg, Hofmarschall Frhr. v. Plato und einige andere Her­ren waren in der vergangenen Woche der Hahnen- ba'z wegen eingetroffen. Wie wir hören, wurden 2 prächtige Auerhähne in den Waldungen der Umge­bung geschossen.

Stuttgart, 23. April. Der ehemalige Re­dakteur des Staatsanzeigers, Prof. Dr. Seyffer, welcher vorige Woche als Junggeselle gestorben ist, hat sein ganzes Vermögen im Betrage von ca. y, Million ^ der Stadt Stuttgart zu Armenzwecken vermacht. Auch ist der Stadt noch eine größere Stiftung zugefallen, indem der ebenfalls vor einiger Zeit verstorbene Privatier Kayser dem hiesigen Lo- kalmohlthätigkeitsverein seinen Gesamtnachlaß im Betrage von etwa 400 000 verschrieben hat.

Stuttgart, 23. April. (Abgeordnetenkammer.) Das vielbesprochene Gesetz betr. die Kommunalbesteuerung der Hausierer ist heute von der Kammer erledigt worden, im allgemeinen nach dem Entwürfe und nur mit einer Verschär­fung in steuerlicher Beziehung versehen. Art. 1 des Gesetzes spricht aus, daß die ausländischen Hausierer verpflichtet sein sollen, neben der Staatsgewerbesteuer für Rechnung der Kasse desjenigen Amtsbezirks, in welchem sie ihren Betrieb beginnen, eine Abgabe zu entrichten, welche dem auf den steuerbaren Betrag ihres Gewerbe-Einkomniens treffenden Amtsschadcn und durchschnittlichen Gemeindeschaden dieses Amtsbezirks gleichkommt.Die Abg. Spieß und Genossen, welche sich heute wieder in bitteren Klagen über die Hausie­rer und über die Benachteiligung der seßhaften Gewerbe cr- giengcn, hatten beantragt, daß die obige Abgabe den drei­fachen Betrag der Staatsgewerbesteuer ausmachen soll , eine Erhöhung, welcher der Minister v. Schund energisch ent- gegentrat, indem er meinte, daß, wenn wir/die ausländischen Hausierer so scharf veranlagen würden, es geschehen könnte, daß dies andere Staaten durch Retorsionen erwiderten, wo­bei Württemberg mit seiner verhältnismäßig starken Hausier- bcvölkerung in Nachteil kommen könnte. Man lehnte dann auch die Erhöhung der Abgaben an die Oberamtskassen ab, erhöhte dagegen die den Hausierern noch extra auferlegte Aus­dehnungsabgabe (eine in jedem Oberamt zu zahlende Steuer) um das Doppelte. Außerdem nahm die Kammer eine Re­solution an, wonach die Regierung beauftragt wird, die für die Hausierer maßgebende Eiuschätzungklassemasel abzuändcrn, um so eine rationellere Heranziehung der Hausierer zur Steuer zu veranlassen. Morgen beginnen die Debatten über die verschiedenen Eisenbahnvorlagcn.

Stuttgart, 24. April. Heute begannen in der Kammer die Eisenbahndebatten, bei denen es sich in der Hauptsache um Localbahnen handelt. Zuerst zur Bera­tung kam das Bahnprojekt Honau-Münsingen, wofür 2530000 4L exigiert werden und als Beitrag der Interessenten 210000 4L in Aussicht genommen sind. Da dieser Bahnbau lediglich eine Konsequenz des bereits in Angriff genommenen Baues der Strecke Reutlingen-Honau ist, so wäre einer glatten Be­willigung nichts im Wege gestanden, wenn nicht der Abg. v. Leibbrand die Frage aufgeworfen hätte, ob wir bei un­seren Bahnen untergeordneter Bedeutung nicht, wie in Sach­sen, zur Schmalspur übergehen sollten. Es gab das ziemlich lange Auseinandersetzungen zwischen Leibbrand und den Reg.» Commissairen, aber der Abgg. Leib brand zog mit Rück­sicht darauf, daß die Bahn Reutlingen-Honau-Münstngen mit Verlängerung nach Schelklingen später einmal bestimmt ist, dem Durchgangsverkehr zwischen der oberen Neckarbahn und der Donaupahn zu dienen, seine Anträge auf Anwendung der Schmalspur zurück und die Normalspur wurde unter gro­ßer Majorität bewilligt.. Auch bei dem anderen heute zur Beratung kommenden Bahnprojckt -- Waldcnburg-Künzelsau - - , wofür 1030000 4L exigiert wurden, während die Bei­tragesleistung der Interessenten auf 140 000 4L normiert worden ist, trat v. Leibbrand wieder mit seinen Anträ­gen auf Anwendung der Schmalspur hervor, diesmal mit etwas besserem Erfolg, da der Regierungsentwurf auf Nor­malspur nur mit knapper Not und zwar mit 40 gegen 39 Stimmen angenommen wurde.