Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Overamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3<nal: Dienst«?, Donners­tag imd Samstag, nnd kostet vierteljährlich hier (ohne Trägcrlohn) 8V^!, indem Bezirk 1.^ ^!. außerhalb des Bezirks 1 20 ^ , Monats-

abonnemcnt nach Verhältnis.

Samstag 26. April

Jnsertionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge­

wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9-1, bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei auf- gegeben sein.

1890 ,

Bestellungen

auf den

für die Monate

Mai L- Juni

nehmen sämtliche Postämter, ebenso die Postboten entgegen.

A M Lliches.

Nagold.

?lir die Ortsvsrsteher,

Beifuhr des Straßenbeschotteruugsmaterials betreffend.

Den einzelnen Onsvorstehern wurde Seitens der' OberamtSwegmeisterstelle der Bedarf an Unter- haltungsmwerial auf den Nachbanschastsstraßen der einzelnen Marlnngsgemeittde mitgeteilt und wurde als Beifuhrtermin

der 1. Mai 189V

s bezeichnet.

! Sie OttSvorstchce werden beauftragt, zuver-

! lässig auf den genannten Termin Vollzugsbcricht hichcr zu erstatten.

Das Oberamt erwartet bei der Wichtigkeit der Sache, daß der erteilte Termin gcnaustens eingehak­ten wird.

Den 24. April 1890.

K. Obcramt. vr. Gugel.

Tvges-NeRigfetten.

. ^ ' Deutsches Reich,

i ^. Nagold. Nachtrag zu dem Artikel

.ch'über die Schloßbcrgfahnc. Es haben sich in diesen Artikel zwei Druckfehler eingeschlichen, darum sei noch zur Erläuterung bemerkt: 1. Es sollte hei- i ßen: mit dem tollen Satze (nicht Sage):Eigen- s tum ist Diebstahl." Proudhon wollte damit die all- i gemeine Güter-Gemeinschaft predigen, und alles Ei- ! gentum als unberechtigt abschaffen schon damals ! wie stets ein süßes Evangelium für Alle, welche ^ wenig besitzen und dabei möglichst wenig arbeiten, aber möglichst viel Lebensgenüsse sich verschaffen möchten. Was lehren aber das 7. und 10. Gebot? 2. Es sollte heißen: den Arbeiter-Aus ständen (Sinken) würden wohl später da und dort Volks-Aufständen folgen, sobald einmal die sozialdemokratischen Lehren und Forderungen auch bei der Mehrheit der übrigen Stände Anklang und Beifall finden sollten.

Nagold, 25. April. Morgen und Sonntag Abend wird die Familie Hübscher aus München beiBierbrauer Sautter" ein Instrumental-Konzert veranstalten. Nach den uns vorliegenden Berichten auswärtiger Blätter erfreuten sich die Leistungen dieser Gesellschaft überall großen Beifalls. So ! wird aus Tübingen u. A. geschrieben: Eine genuß- > reiche Unterhaltung bot uns gestern Abend das von der Familie Hübscher aus München gegebene Kon­zert. Der Besuch war ein ziemlich starker und wenn schon der vorzügliche Ruf der Familie einen diesbe- l züglichen Einfluß ausübte, so dürste doch auch wohl die Eigenartigkeit der hiebei zur Verwendung kom­menden Instrumente, wie Xylophon, Aeolsviolen. Ocarina, Baßguilarre, manchen angezogen haben. I« der Handhabung des Xylophons, dieses merkwür­digen Instruments, zeigte der junge HanS Hübscher «ne staunenswerte Fertigkeit und seine Leistungen

riefen überall einen solch stürmischen Beifall hervor, daß er noch einige Stücke zuzugeben sich gedrungen sah. Die Begleitung wurde ausgeführt mit Zither durch Fräulein Hübscher und mit Guitarre durch Herrn Hübscher sen. Namentlich zeigte sich auch Frl. Hübscher als vortreffliche Zitherspielerin.

Freuden st adt, 2l. April. Vor einigen Ta­gen stürzte der 69 Jahre alte G. Weiß von Rohrdorf (Nagold), abends in einem Privathanse, wo er betteln wollte, so unglü ^ich die Stiege her­ab, daß er den erlittenen Verletzungen bald darauf erlag.

Stuttgart, l7. April. Ein neues Dachbe­deckungsmaterial, Anti-Elementum genannt, welches geeignet ist, hinsichtlich der Dachbedeckung einen voll­ständigen Umschwung herbcizuführcn, wurde gestern in Feuerbach in der Fabrik von Gustav Koch einer eingehenden Prüfung auf Festigkeit und Feuersicher­heit seitens der K. Behörde unterzogen. Zunächst wurde ein Flugfeuer improvisiert, wobei es sich zeigte, daß gewöhnliche Dachp/ppe allmählich weiterbrannte, während beim Anti-Elementum ganz langsam gerade so viel verbrannte, als die glühende Holzkohle Raum einnahm. Die Hauptprobe bestand darin, daß un­ter vier ganz gleichgroße Stücke Zinkdach, Schiefer­dach, Pappendach und Anti-Elementumdach ein mäch­tiges, mit Petroleum getränktes Feuer aus Tannen­holz angezündet wurde. Schon nach 6 Minuten sing das Zinkdach auf der Seite an zu schmelzen und kurze Zeit darauf brannte das ganze Zink lich­terloh; nach 15 Minuten fiel das Zinkdach infolge eigener Schwere zusammen; das Pappendach leistete 24 Minuten Widerstand, das Anti-Elementumdach nahezu 35 Minuten. Das Pappendach war aller­dings erst ganz frisch gefertigt worden; immerhin hat aber die Feuerprobe bewiesen, daß Anti-Elcmen- tum dem Zink vorzuziehen ist. Anti-Elementum ist imprägnierte Jute und wird dazu berufen sein, diese dem Verfall nahe Industrie wieder mächtig zu för­dern, da es nach der abgelegten Probe wohl keinem Zweifel unterliegt, daß dieses neue Dachbedeckungs­material die behördliche Genehmigung alsharte Dachung" erhält.

S tuttgart, 22. April. (Abgeordnetenkammer.) Der Gesetzentwurf, betreffend die Kommunalbesteuerung des Hau- siergewerbes, dessen Beratung die Kammer heute in Angriff nahm, ist nicht ganz nach dem Geschmack unserer Gewerbetrei­benden. Insbesondere hat eine vom Stuttgarter Handels- Verein abgcfaßte Eingabe, welche in durchaus oberflächlicher Weise über einen ganzen Stand aburteilt, den Anlaß zu einem Ansturm gegen die Hausierer gegeben. Sowohl der Finanzminister Dr. v. Renner als der Minister v. Schmld ließen es sich angelegen sein, die Eingabe einer herben Kritik zu unterziehen. Die Mehrheit der Kommission, deren Spre­cher der Abg. Härle war, hatte auch jener Eingabe nur wenig Wert beigclegt, und sich mit dem Inhalt der Regie­rungsvorlage ganz einverstanden erklärt. Eine Minorität unter der Führung des Abg. Wendler wünschte drakonische Maßnahmen gegen die Hausierer, ein Ansinnen, welches Mi­nister v. Renner aber zurückwies unter dem gewiß stichhal­tigen Hinweis darauf, daß in Württemberg ganze Ortschaf­ten bestehen, die seit Generationen das Hausiergewerbe be­treiben. Der Minister des Innern gab seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß der Reichstag 1883 es nicht über sich vermocht habe, den Hausierern gegenüber gewerbepolizciliche Maßnahmen anzuwenden, und werde es Aufgabe der Landes­regierung sein, diese Lücken der ReichSgesetzgebung auszufüllen.

Stuttgart, 24. April. Die Kammer ge­nehmigte heute Art. 1 des Eisenbahngesetzes, wo­durch für die Bahn von Honau nach Münsingen 2 530 000 verwilligt werden. Auch Art. 2, worin für die Bahn von Waldenburg noch Kün- zelsau 1030 000 exigiert sind, wurde mit 40 gegen 39 Stimmen bewilligt.

Darmstadt, 23. April. Die Königin von England ist heute morgen um 9 Uhr mittelst Extra­zugs aus Aix les Bains am hiesigen Hofe einge- troffen. Escortiert von einer Schwadron des 23. Dragoner-Regiments, fuhr die Königin mit dem Großherzog und den Prinzessinnen Heinrich von Preu­ßen und Ludwig von Battenberg in vierspännigem Wagen a In Daumont mit Spitzreiter voraus nach dem großherzoglichen Palais, unterwegs von einem vieltausendkövfigen Publikum enthusiastisch begrüßt. Die Stadt ist festlich geschmückt. Der Kaiser trifft Freitag Abend, die Kaiserin Auguste Viktoria Sams­tag morgen hier ein.

Die Uneinigkeit unter den Bergleuten des rheinisch-westfälischen Kohlengebietes, von welcher schon seit langer Zeit Anzeichen vorhanden waren, ist jetzt zum entschiedenen Ausdruck gelangt. In Boch­um ist, wie schon erwähnt, ein neuer, patriotischer Bergarbeiter-Verband gegründet worden, welcher gegen den alten, unter sozialdenwkratischer Leitung stehenden Verband austritt. Daß der Letztere nun sofort die Segel streichen und klein beigeben wird, ist nicht anzunehmen, im Gegenteil dürfte derselbe um so größere Anstrengungen machen. Mag vor allen Dingen Ruhe und Ordnung bewahrt bleiben; welche Richtung unter den Bergleuten die stärkere wird ja sich bald genug zeigen.

Kaiser Wilhelm II. hat dem Major Wiß- mann eine Batterie von acht leichten Feldgeschützen für seine Kolonialtruppe zum Geschenk gemacht.

Berlin, 22. April. Wie dieBörsenzeitung" hört, teilte Reichskanzler v. Caprivi Herrn v. Ben­nigsen mit, daß nach Ansicht des Kaisers für die Aufhebung des Welfenfonds zur Zeit kein Anlaß vorliege.

In Hamburger Zeitungen, welche früher dem Fürsten Bismarck nahe standen und ihm jetzt noch nahe stehen sollen, wird der Versuch unternom­men, die Welt auf ein plötzliches Wiederhervortreten Fürst Bismarcks vorzubereitcn, welches seine Spitze gegen den Reichskanzler von Caprivi richten sollte. Bis heute weiß niemand, ob jener Versuch nicht etwa von jenen Zeitungen nur unternommen ist, um sich eine brillante geschäftliche Reklame zu bereiten, denn ein Organ des ersten deutschen Reichskanzlers kann immer auf einen stattlichen Abonnentenzuwachs rechnen. In jedem Falle hat der bisherige leitende deutsche Staatsmann so gut, wie jeder andere, das Recht offen zu sagen, wäs er für nötig hält, und wenn er auf der Parlamentstribüne erscheinen will, wird jede Volksvertretung ihn freundlich begrüßen. Der Abgeordnete Fürst Bismarck ist eine nicht we­niger interessante Erscheinung, als es der Reichs­kanzler Fürst Bismarck war. Wir werden diesen Gerüchten gegenüber aber auch daran denken müssen, daß der bisherige Reichskanzler bei seiner Abreise von Berlin wiederholt versicherte, er werde so bald nicht nach der Reichshauptstadt zurückkehren. Auch in den letzten Tagen erst hat der Besitzer von Frir- drichsruhe geäußert, er sei lange genug in Parla­menten gewesen, sein Wiedererscheinen sei nicht so eilig. Trotz alledem wäre es ja aber möglich, daß Fürst Bismarck sehr bald wieder öffentlich austritt; aber daß er eine Aktion gegen die Politik seines Nachfolgers einleiten sollte oder wollte, das ist nicht zu glauben, denn er weiß doch ganz genau, daß dir Politik des Herrn von Caprivi die Kaiser Wilhelms II. ist. Fürst Bismaick kennt den Kaiser genan, «r kennt dessen Energie und dessen Pläne. Der Mo-