Würde dann wohl auch die große Mehrheit von Stadt und Bezirk Nagold, von französischemFrei­heits-Schwindel trunken, das tolle selbstmörderische Geschrei erheben:Nieder mit der deutschen Neichs- und mit der christlichen Kreuzesfahne! Wir schwören jetzt zur internationalen und antichristlichen roten Fahne?" Ja? oder Nein?

Frhr. Oskar v. Münch erläßt mitUnterschrift imBeobachter" folgende Erklärung: Hr. v. Gült- lingen hat den Herausgeber des Taschenlexikons des neuen Reichstags ermächtigt, zu veröffentlichen, daß ihm die Art und Weise, wie ein anderer Abgeord­neter seine Wahl gemacht habe, unsympathisch sei. DieTübinger Chronik" hat mich bereits als den Gegenstand dieser Kundgebung bezeichnet, woran ich nicht zweifelte, und ist es mir auch gewiß, daß Hr. v. Gültlingen damit mich der Wahlbestechung be­schuldigen will. Ich habe an meine Vertrauensmän­ner für auswärtige Agitation, Versammlungen, Aus­schellen und Aussagen, Wahlzettel austragen und austeilen und Fuhrwerk 603 67 L gezahlt.

Nach der Wahl ist für 3415 ^ 45 Freibier rc. gegeben worden. Außerdem habe ich ca. 1500 ^ als Unterstützungen und an Armenkassen gezahlt, wovon jedoch höchstens 100 ^ an bedürftige Par­teigenossen als Belohnung für Wohlthätigkeit; schließ­lich betragen meine Druckkosten 1271 24

Diese Zahlen werde ich im Verfahren über die von mir erstatteten Strafanzeigen gegen Herrn v. Gült­lingen und anders beschwören. Ich überlasse es je­dem, über meine Handlungsweise nach der Wahl sich ein Urteil zu bilden; mein eigenes ist durchaus nicht ein selbstzufriedenes. Ob ich aber mit jenen Aus­gaben Stimmen gekauft habe, kann nur durch gericht- ' liche Untersuchungen durgethan werden. Hr. v. Gült­lingen jedoch hat sich berufen gefühlt, ohne Beweise mich öffentlich zu beschimpfen. Falls er nicht ver­mag, mich einer ehrlosen Handlung zu überführen, wird er die Konsequenzen seines Unrechts zu ziehen wissen. Möhringen, den 18. April 1890. Oskar v. Münch.

Stuttgart, 20. April. Am gestrigen Sams­tag nachmittag machte der König, gefolgt von sei­nem Hunde, einen Spaziergang in die Kgl. Anlagen. Ein dem Arbeiterstande angehöriger Mann, Namens Dees, welcher den König nicht kannte, trat dem ein­samen Spaziergänger mit der Bemerkung entgegen, daß das Mitbringen von Hunden in den Kgl. An­lagen verboten sei, und meinte auf die Erwiderung des Königs, daß er hier Eigentümer sei, das gehöre gar nicht hierher, wem der Hund gehöre, em solcher dürfe nun e.nmal nicht hierher gebracht werden. Ein aus der Nähe herbeigecilter Landjäger befreite den König von weiteren Auseinandersetzungen mit dem Mann und führte den letzteren der Stadtdirektion vor, wo man ihn jedoch nach Feststellung seiner Personalien entlassen mußte mit der Warnung, die Polizei in den Anlagen den hiezu berufenen Park­wächtern und Schloßgardisten zu überlassen.

Stuttgart, 18. April. Das hohe Haus beschäftigte sich mit der Beratung des Gesetzes be­treffend die Fürsorge für Beamte bei Betriebsunfäl­len, welches bezweckt, die Wohlthatcn des Unfallver­sicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 in entsprechen­der Weise aus die von Unfällen im Dienste vor­nehmlich bedrohtenBeamtcn des Staates auszudehnen. Die Debatten nahmen kein allgemeines Jntereste in Anspruch, erwähnt sei nur, daß auf Antrag Gräbers sich Ministerpräsident Dr. Frhr. von Mittuacht bereit erklärte, beim nächsten Etat eine Exigenz einzubrin­gen zu dem Zwecke, daß alle Beamten und Bedienste­ten des Staates, welche nicht unter Artikel 1 des Beamtengesetzes stehen, unter Verzichtleistung auf ihre sonstigen Ansprüche an Staat und Reich bei Unfällen unter das Unfallversichcrungsgesetz subsum- inieren sollen. Ein weiterer Versuch des Abgeord­neten Sachs und Genossen, auch Kommunalbcamle, die iu Ausübung von Staatsgeschäften verunglückten, mit unter das Unsallversicherungsgesetz fallen zu lassen, wird abgelehnt. Man sah in diesem Antrag weiter nichts, als das Bestreben, die Pensionsver­pflichtungen der Gemeinden aus Kosten des Staates zu entlasten. Die Kammer vertagte sich bis znm Dienstag. ES soll dann zuerst die Frage der Be­steuerung des Hausiergewcrbes zur Beratung kommen. Die Absicht, in Verbindung mit der Eröffnung des neuen Landesgcwerbe-Museums eine württem- bcrgische Landesgewerbe-Ausstellung abzuhaltcn, er­regt allseitige Genugthuung.

Stuttgart, 22. April. Der erste gestrige Tag des Pferdemarktes brachte sehr viel Leben in die Stadt. Bis zum Mittag waren 1400 Pferde zu Markt gebracht. Der Verkauf war nachmittags sehr lebhaft. Auch die Wagenvcrküufc in der Ge­werbehalle gehen gut. Um 1 Uhr fand das übliche Pferdemarktessen im Hotel Marquardt statt, an welchem 130 Personen teilnahmen.

Nachdem die beiden Dragoner-Regimenter mit Lanzen ausgerüstet worden sind, wird es not­wendig, daß die Reservisten, welche nicht bei den Ulanen gedient haben, mit der Lanze ausgebildct werden. Zu diesem Zweck werden zum Dragoner- Regiment Königin Olga Nr. 25 vom 7. Mai bis 3. Juni 4 Unteroffiziere, 42 Gemeine, vom 4. Juni bis 1. Juli 7 Unteroffiziere, 45 Gemeine und vom 2. bis 29. Juli 4 Unteroffiziere und 48 Gemeine, beim 2. Dragoner-Regiment Nr. 26 vom 2. bis 29. Juli 15 Unteroffiziere und 135 Gemeine aus den jüngsten Jahresklassen zur Einbeorderung gelangen. Die Unteroffiziere rücken auch hier je einen Tag früher ein.

DieKöln. Ztg." meint, Herr v. Caprivi werde schließlich mit den Mittelparteien regieren. Deutschkonservativen, Freisinnige und Zentrum machten sich Hoffnungen, die sich nicht erfüllen würden.

Hamburg, 19. April. Sicherem Vernehmen nach werden auf Grund eines Senatsbeschlusses bei sämtlichen hiesigen Staatsbetrieben diejenigen Arbei­ter, welche am 1. Mai feiern, wegen Kvntrakt- bruches entlassen werden.

DieHab. Nachr.", deren Herausgeber dieser Tage beim Fürsten Bismarck zu Gast war, bringen einen bemerkenswerten Artikel, der die Beteiligung des Fürsten am öffentlichen Leben in Aussicht stellt. Es heißt in dem Artikel: Fürst Bismarck denke nicht daran, mit seiner Meinung zurückzuhalten, wenn die Kundgebung derselben nötig oder nützlich sein könnte. Gelegenheit, seine Auffassung darzulegen, böte sich ihm zunächst im Herrenhause, dessen Mitglied er sei, später im Reichstag, zu welchem er binnen gegebener Frist ein Mandat annehmen werde. Ein Staats­mann, der seit 30 Jahren die hervorragcnste Stel­lung eingenommen habe, könne mit seinen Aemtern nicht zugleich das Bedürfnis verloren haben, mit der öffentlichen Meinung in Berührung zu bleiben und dieselbe nach seiner Üeberzeugung zu beeinflußen. Auch die Verbindung des Fürsten Bismarck mit der Presse könne selbstverständlich nicht ganz abgebrochen sein.

Bremen, 2l. April. Der Kaiser traf mit Moltke und Gesolge um 9 Uhr hier ein, behufs Grundsteinlegung des Kaiser Wilhelm-Denkmals, wo­bei Präsident Claußen und Bürgermeister Pauli Ansprachen hielten. Der Kaiser besuchte auch den Rathauskeller und fuhr darauf zu seinem Absteige­quartier zurück, überall stürmisch begrüßt.

Bremen, 21. April. Bei der Grundsteinle­gung des Kaiser Wilhelm-Denkmals sagte der Kaiser, indem er die drei Hammerschläge that:Dem Heim­gegangenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Erin­nerung und den kommenden Geschlechtern zur Nach­eiferung." Bei dem Bankett im Rathaussaale ge­dachte Bürgermeister Buff der schweren Geschicke Deutschlands. Die Wiederkehr glücklicher Tage sei mit zwei Namen innig verbunden : Brandenburg und Hohenzollern. Der Rede folgte ein brausendes Hoch auf den Kaiser. Der Kaiser erwiderte mit Worten des Dankes für den herrlichen, ihm wohlrhuenden Empfang der Bevölkerung und betonte, die Tradi­tion seines Hauses sei es stets gewesen, daß es das Hcrrschcramt, welches es von Gott erhalten, nach dessen Willen auszuführen habe. Die höchste Herr­scherpflicht wäre die Erhaltung des Friedens. So­viel an ihm liege, werde er sorgen, daß Bremens Entwickelung sich ungestört vollziehen könne; er werde alles einsetzen, um den Frieden zu erhalten und in dieser Gesinnung leere er sein Glas mit dem Rufe: Es lebe Bremen und sein Senat.

Berlin, 21. April. Der Kaiser trifft Mitt­woch Nacht in Hagenau ein und wird Donnerstag nach Straßburg Weiterreisen. In Straßburg bleibt der Kaiser bis Freitag Nachmittag.

Im Militärkabinet des Kaisers wird gegen­wärtig, derNordd Allg. Ztg." zufolge, das Diplom eines Generalobersten der Kavallerie für den Fürsten Otto von Bismarck, Herzog von Lauenburg aus­gefertigt. Dies würde also der offizielle Titel Fürst

Bismarcks sein. Er selbst bleibt bei dem einfachen von Bismarck."

Von dem für den Lwmmcr geplanten Besuch Kaiser Wilhelms am russischen Hose meldet die Pol. Korr.:" Kaiser Wilhelm werde auf der Dacht Hohenzollern", begleitet von zwei deutschen Kriegs­schiffen nach Petershof kommen und ini Hafen von Kronstadt'von dem Ostseegeschwader begrüßt werden. Die von Krasnoje Selo ausgehenden Manöver fin­den zwischen Petersburg und Narwa in der Nähe des finnischen Meerbusens statt. Kaiser Wilhelm nimmt am 3. August an den Festlichkeiten in Peters­hof anläßlich des Geburtstages der Kaiserin Teil."

Berlin, 19.«April. Der Bnndesrat hat den vom letzten Reichstag angenommenen Antrag betreffs Abänderung der Militärstrasgerichtsordnnng ange­nommen. Laut dem Gesetze unterstehen fortan ver­abschiedete Offiziere dem Militärgericht fernerhin nicht mehr. Die Presse Berlins begrüßt einmütig die Annahme dieses Antrags durch den Bnndesrat.

Berlin, 19. April. Wahrscheinlich wird von der nächsten Reichstagsscssivn nur die Komplettierung der beiden neuen Armeekorps verlangt, während die Vermehrung der Artillerie und die Bildung von Reservecadres im Herbst gefordert wird Die Ge­samtheit dieser Forderungen isr voraussichtlich größer als bisher erwartet wurde und wahrscheinlich erfol­gen neue Steueroorschlägc.

Berlin, 22. April. Dem preußischen Abge­ordnetenhause ging ein Nachtragsetat zu, welcher für Gehaltsaufbesserungen 18 Millionen Mark verlangt.

Es verlautet, wie schon kurz mitgeteilt, daß dem Reichstage noch in dieser Session eine Vorlage zugehen wird, durch welche das Porto für Kreuz­bänder im Gewicht von 50 bis 100 Gramm auf 5 Pfennige festgesetzt wird. Bisher kosteten Kreuz­bänder im Gewicht von 50 bis 250 Gramm bekannt­lich 10 Pfennige.

Aus Friedrichs ruhe werden mehrfache Aeuße- rungen des Fürsten Bismarck berichtet, die allerdings zum Teil erfunden sind. Namentlich gilt das von jenen Worten, die der Fürst über seine Abreise aus Berlin geäußert haben soll:Es war sehr schön, es war ein Begräbnis erster Klasse!" Das ist un­wahr. Hingegen hat der Fürst geäußert, als die Rede daraus kam, ob er wohl bald in einem der Berliner Parlamente erscheinen werde:Ich war genug darin. Ich glaube, es ist wohl nicht so eilig, wieder hineinzukommen. Wenn der bisherige Reichs­kanzler sonst reden wollte, wäre es sehr leicht für ihn. In acht Tagen findet im preußischen Herrcn- hause, dessen Mitglied Fürst Bismarck ist, die Bud­getdebatte statt. Dabei könnte er alles sagen, was er auf dem Herzen hätte, wenn er aber wollte.

Nachdem in Hamburg die Behörden, wie die großen Privatindustrien beschlossen haben, jeden Ar­beiter, welcher am 1. Mai streikt, zu entlassen, wird jetzt von sozialdemokratischer Seite eine neue Art der Demonstration vorgeschlagcn: Die Arbeiter aller Branchen sollen am 1. Mai arbeiien, den Verdienst jedoch obligatorisch einem großen Agitations-Komite überweisen, behufs Verwendung zur Unterstützung hilfsbedürftiger Ausständiger. Abends sollen große Versammlungen stattfinden.

Italien.

Rom, 21. April. Der Papst begab sich heute früh 8^/s Uhr nach der Peterskirche. Er wurde auf dem Wege von 20 000 Pilgern und Andächtigen begrüßt, las dann eine Messe, erteilte den Segen und nahm, die Pilgerreihen abschreitend, deren Spen­den entgegen.

Frankreich.

Aus Paris wird gemeldet: La France zu­folge sind in Nancy bei der vorgestrigen Parade 3 preußische Offiziere verhaftet worden.

Belgien.

Stanley ist von Paris, wo er so gut wie gar nicht beachtet ist, in Brüssel angekommen und mit großen Ehren empfangen worden. Der Hof­marschall König Leopolds begrüßte ihn im Namen seines Souveräns, Bürgermeister und Stadtvertreter von Brüssel waren dem berühmten Reisenden bis zur Grenze entgegengefahren. Ein Bataillon Bürgcr- wehr that Ehrenoienstauf dem Bahnhofe, in einem Hofwagcn wurde Stanley zur Audienz beim Könige gebracht. Am Sonntag gab ihm die Stadt Brüssel ein großes Bankett.