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seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident hielt, wurde oft von Beifall unterbrochen und am Schluß ertönte lebhaftes, stürmisches Bravo. Herr von Caprivi hat ein angenehmes Organ und seine sonore Stimme dringt deutlich bis in alle Ecken des Saales. Auf der Ministerbank waren noch sämtliche preußische Minister anwesend. Herr von Caprivi sagte, eine neue Aera werde nach dem Rücktritt des Fürsten Bismarck gerade nicht beginnen, wohl aber seien Aenderungen nötig und würden die einzelnen Ministerien eine größere Selbständigkeit erhalten. Daß Herr von Caprivi kein Parteimann ist, sagt er gerade heraus; er will das Gute nehmen, wo und von wem es geboten wird. Der nachdrückliche Hinweis, daß Kaiser Wilhelm selbst in die durch Fürst Bismarcks Rücktritt geschaffene Lücke treten wird, zeigt, daß der Monarch den festen Willen hat, seine Intentionen zur That zu machen. Bietet diese Erklärung auch nichts Neues, so bietet sic doch sehr Befriedigendes, das zeigte auch die fernere Debatte im Hause. ^
Berlin, l6. April. Die Morgenblätter sämtlicher Parteien begrüßen das gestrige Auftreten des Herrn v. Caprivi auf das herzlichste; alle Dringen demselben Vertrauen entgegen. — In dem Dankschreiben des Fürsten Bismarck, welches die „Nordd. Allge. Ztg." veröffentlichte, fällt das Wort Entlassung auf.
Auf dem chirurg. Kongreß in Berlin sprach lt- „Frkf. Ztg." Professor Bruns-Tübingen über die Behandlung von tuberkulösen Gelenk- und Senkungs- abcesseu mit Jodoforminjektion. Die mit diesem neuen Mittel erzielten Erfolge haben sich als sehr günstig erwiesen und es sind damit wiederum eine Reihe von hartnäckigen und schwer bekämpfenden Krankheiten ihrer Heilung zugeführt worden. Außerdem ist auch die Aussicht eröffnet, daß auch die Lungentuberkulose dereinst auf dieselbe Weise erfolgreich behandelt werden kann.
Oe 8 er reiS - Ungarn.
Wien, 15. April. Die Reichenberger Fabrikanten ersuchten den Statthalter um Schutz durch Kavallerie für den l. Mai, da die Gährung unter den Arbeitern groß ist. — Im hiesigen Arsenal wurden Unterschleife im Betrage von ca. 75 000 Gulden, begangen durch Fälschung der Lohnlisten, entdeckt.
Frankreich.
Aus Paris wird gemeldet: Die französischen Sozialisten werden den 1. Mai als Ruhetag feiern, aber nicht mit Straßenaufzügen, sondern mit Versammlungen in geschlossenen Räumen. Von der Kammer soll eine Deputation die Einführung des achtstündigen Arbeitstags verlangen.
Belgien.
Brüssel, 14. April. Der Verband der Arbeiter des Mittelbeckens erließ einen Aufruf für die Kundgebung am l. Mai. „Mit dem Achtstundentage", so heißt es im Aufrufe, „würden die Löhne steigen und die Arbeitslosigkeit .abnehmen; es bleiben dann acht Stunden für den Schlaf, acht Stunden für die Bildung und Lebensgenuß. Die Arbeiter sollten aufhören, die Werkzeuge der'Kapitalisten zu sein. Mit gutem Lohn könnt Ihr Eure Kinder in die Schule schicken bis zum l4. Jahre, statt sic wie jetzt schon vom 10. tJahre anzuspannen. Auf diese Weise erwerbt Ihr Bürgerrecht und löst die sozialen Fragen." Dieser Aufruf ist überall angeschlagen worden.
Brüssel, 16. April. Die hiesigen Blätter melden. König Leopold habe ein Testament aufgesetzt, in welchem er den Kongostaat an Belgien vermacht.
Engl n l! v.
Die Londoner geographische Gesellschaft erkannte Emin Pascha wegen seiner Verdienste um die Wissenschaft die goldene Medaille zu.
Nach einem Telegramm aus London liegen neue Anklagen Stanleys gegen Emin vor. Stanley empfiehlt, auch ein wachsames Auge auf Peters zu haben, der vielleicht jetzt in Massailand Verträge namens Deutschlands abschließe. Mackin- non. der Direktor der Britisch-Ostafrikanischen Gesellschaft, soll im Privatgcspräch geäußert haben, die Gesellschaft plane, Stanley nochmals nach Afrika zu schicken, um Emins Wirksamkeit lahm zu legen.
Rußland.
Petersburg, 16. April. Nachts wurde das
Polizeigebäude in Oranienbaum (kaiserl. Lustschloß) durch einen explosiven Körper in Brand gesetzt. 8 Polizisten und 2 Kinder sind tot, 40 Beamte haben schwere Brandwunden.
St. Petersburg, 16. April. Auf Befehl der Regierung ist das deutsche Theater in Mitau wegen russenfeindlicher Tendenzen für immer geschlossen worden.
Am e r i k a.
Newyork, 12. April. Die 5 mittelamerikanischen Republiken Costarika, Nicaragua, Guatemala, Honduras und Salvador sind zu einem Bundesstaat zusammengetreten, mit einem alljährlich der Reihe nach wechselnden Präsidenten, einem fünfgliedrigen Konvent und einem Bundesrat. Der neue Staatenverband tritt am 15. September ins Leben .
Kleinere Mitteilungen.
Glückliches Helgoland! Die Bevölkerung dieser kleinen, vom Schicksal begünstigten Insel, welche gegenwärtig 2500 Seelen zählt, ist im Wachsen begriffen. Nicht minder die Staatseinkünfte, die sich jetzt auf 4295 Pfund Sterling stellen. Dabei betrugen die Schulden der kleinen Kolonie am Schluß des letztem Jahres nur 10 Pfund Sterling. Die Summe wäre noch vor Neujahr bezahlt worden, wenn nicht die Rechnung zu spät eingereicht worden wäre.
Ueber die noch in Sibirien herrschenden greulichen Zustände wird u. A. von dort geschrieben: Es siel Jemand ein, in einer wohlthätigen Anstalt die Abrechnungen des Verwalters dieser Anstalt einer Prüfung zu unterziehen, welche ergab, daß in der Anstalt zum Anzünden der Lampen täglich l38Zünd- holzpückchen verbraucht werden, daß jede Person täglich D/s Eimer Milch trinkt und daß zum Flicken der Kleider täglich Zwirn für 8 Rbl. 50 Kop. aufgeht. Diese Entdeckungen sollen einen Kollegen des Verwalters, der gleich diesem auch auf die Ordnung in einer Staatsanstalt zu sehen hat, höchlich beunruhigen, da sich auch in seiner Rechnung große Seltsamkeiten vorfinden. So gehen bei ihm z- B. 17 Arschin (ungefähr 12 Meter) Leinwand auf ein jedes Hemd, während aber seine Pflegbefohlenen uur über geflickte Hemden verfügen.
Das kanadische Haus der Gemeinen hat am vorigen Donnerstag ein Gesetz über die Unterdrückung der Vielweiberei genehmigt. Die Strafe für das Verbrechen ist auf 5 Jahre Gefängnis festgesetzt. Die Vorlage, sowie die strenge Strafe sind durch die Thalsache nötig gemacht worden, daß Mormonen massenhaft nach Kanada auswandern, um der Strenge der amerikanischen Gesetze gegen die Vielweiberei in Utah zu entgehen.
Ein 5000 Jahre altes Testament ist jüngst bei den Ansgrabungsarbeiten in Egypten aufgefunden. Der Testator, ein vornehmer Egypler Namens Sekiah, vermacht darin sein Besitztum seineni Bruder, einem Osiris-Priester. Zusammen mit diesem Testament wurde eine Schrift gefunden, in der Sekiah Bestimmungen für seine Tochter trifft und sie dem Schutze seines Bruders empfiehlt. Beide Schriftstücke sind streng juristisch abgefaßt, mit vollster Berücksichtigung aller Formalitäten und könnten von einem modernen Notar nicht präziser entworfen sein. Das zweite Schriftstück läßt übrigens die interessante Thatsache erkennen, daß cs den Egyptern gestattet war, ihr Vermögen selbst zu verwalten und nach Belieben darü ber zu verfügen.
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Karl Gcrok. Ein Bild seiws Lebens und Wirkens von Dr. Herrn. Mosapp. Mit dem Bildnis Geroks in Lichtdruck. Elcg. broschiert 1.—., fein gebunden 1.50. (Verlag von Greiner L Pfeiffer in Stuttgart.) — Der Verfasser, ein früherer Schüler Geroks, weiß das Leben und Wirken des henngegangeneu unvergeßlichen Dichters und Predigers in anziehendster Weise zu schildern. Die höchst elegant ausgestatiete, auch zu sinnigen Geschenken vortrefflich passende Schrift ist geeignet, das Bild Karl Geroks bei seinen Verehrern i» lebendiger Erinnerung zu halten.
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für den menschlichen Körper wird beim Publikum noch ganz gewaltig unterschätzt. Man begreift nicht, daß eine sehr große Anzahl Leiden durch schlechtes, nicht gehörig zusammengesetztes Blut hervorgerufen werden. Diejenigen, welche über Blutarmut, Blut
andrang (Älutwallungenfl Herzklopfen, Schwindel- anfälle, Funkensehen, Bleichsucht, Hautausschlag etc. zu klagen haben, sollten dafür sorgen, durch eine geregelte Verdauung und Ernährung das Blut zu kräftigen. In solchen Fällen leisten bekanntlich die Apotheker kiotiurä Brandts Schwcizerpillen, welche in den Apotheken a Schachtel 1 ^ erhältlich sind, sehr schätzbare Dienste und werden besonders auch von den Frauen wegen ihrer angenehmen Wirkung allen anderen Mitteln vorgezogen. Man verlange aber stets unter besonderer Beachtung des Vornamens Apotheker kiokarfl Brandt's Schweizerpillen. Halte man daran fest, daß jede rieiit« Schachtel als Etikette .ein weißes Kreuz in rotem Feld hat und die Bezeichnung Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen trügt. Alle anders aussehenden Schachteln sind zurückzuweisen.
Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: 8il§s, tKosvIiusgarkö, Ick oa, I ^bsyntli. Litterlclas, Oontian.
(Eingesendet.)
Vor mir liegt eine Probcnnmmervdes in Eßlingen erscheinenden „Schwäbischen Sonnüagsblattes" 3. Jahrgang, Gesamtauflage 15(00. Das Blatt suchn gegenwärtig allenthalben Agenten, und die Lockspeise ist nichi schlecht: Dem Agenten lind 30"/g von der Haltegebühr zugesagt, dazu ein Freiexemplar und noch andere Belohnung für ausgiebigen Leserfang. Betrachten wir »ns das Blatt etwas näher! Den Anfang macht ein Osterlied von Geibel, das seltsam absticht gegen den übrigen Inhalt des Blattes. Denn sofort kommt die Wochenübersicht über die wichtigsten Ereignisse ans Schwaben, die dem geneigte» Leser mit folgenden Stichworten lieblich ins Ohr tönen: Zwei Metzgerknechte — drei Finger abgeschnitten - Pferde scheuten — schwerverwnndet — Prozeß — Revolver erschossen — verhaftet - blühende Trauben -- übersah cn — Kind erstickt - - vollständig abgebrannt - Lnftschiffer — kippte um — war sofort eine Leiche - Darmstein von 7 Kilo - Typhus — Futterschneidmaschinc - in tiefem Schlaf - erdrückt — schreckliches Mordcrcignis — Schwiegermutter abgeschnitten - - Messer in die Schläfe ^ - zwischen die Puffer — Kohlhund — Schuß in -den Kopf - drei Kugeln in den Unterleib u, s. w Ist das nicht erbaulich? Und sollte nicht am Ende auch der Dümmste „gebildet" werden, wenn er 52mal im Jahre diese höchst wertvollen Mitteilungen zu sich nimmt? Daß daneben noch Bismarcks Ab'chied ans Berlin Platz findet, wundert cßrkn fast. Den Schluß machen ly? Seiten Anzeigen von Stuttgarter Geschäftshäusern (z. B. die poldne 22!); das soll ja wohl dem Landbewohner, der das Unglück hat, zwanzig oder mehr Kilometer von der Residenz entfernt zn wohnen, wichtiger sein, als die Gcschäftsanzeigen ans seinem Bezirk. Dem Blatt ist ferner beigelcgt eine besondere Beilage mit zwei Nomanbruchstncken auf einmal; und was bereits davon erschienen ist, wird dem Abonnenten natürlich umsonst nachgc- liefert, damit er ruhig schlafen kann. Der eine Roman mit dem Tiicl: „Eine dunkle Vergangenheit", fängt vielversprechend an. Ein Stromer von der besten Sorte will sich gerade hängen, doch bestimmt er sich eines besseren und begeht vorher noch eine» Raubmord, worauf er das Weite sucht. Der Halbtotgeschlagene w:rd im Haus eines Mannes untcr- gebracht und verpflegt, der offenbar „eine dunkle Vergangenheit", daneben aber auch zwei reizende Töchter hat. Wenn man dazu bedenkt, daß das Opfer des Raubanfalls „ein wunderschöner junger Manu" ist, desgleichen der ihn behandelnde junge Arzt „ein schöner Mann mit blitzenden schwarzen Augen", so muß mau gestehen, daß das erforderliche Material zu einem „spannenden" Machwerk vorhanden ist. Das Bruchstück des zweiten Romans ist auch recht blutig: Auch hier ist einer erschlagen, und zwar ganz, und den eigenen Sohn führt mau als vermeintlichen Thäter ins Gefängnis ab u. s. w. — Endlich noch eines: Das Blatt verspricht .sich von politischen und religiösen Zänkereien jeder Art vollständig fern zu halten." Mau kennt das. Also Mord und Totschlag, Gerichtsverhandlungen bedenklichen Inhalts, wertlose Anekdoten, das setzt man dem Volke vor, das thnt ja niemand weh und man verdirbts mit niemand; aber z. B. ein ehrliches offenes Wort über irgend eine wichtige kirchliche Angelegenheit aus der Gegenwart darf beileibe nicht ins Blatt hinein, das sind ja „religiöse Zänkereien!" Wir haben, sollte man meinen, nachgerade in den „gebildeten Kreisen" Blätter und Zeitschriften genug, die in religiösen Fragen und kirchlichen Angelegenheiten der Gesinnungslosigkeit huldigen (um die Sache beim richtigen Namen zn neunen), nur damit mans mit niemand verderbe, er sei Protestant oder Katholik oder Jude oder Gottesleugner. Soll diese Art Presse auch unters Volk gebracht werden? Summa: Wir können dem „schwäbischen Sonntagsblatt" nichts Böses nachsagen (bis jetzt), aber wir fragen jeden denkenden Menschen nach obigen Proben, ob ein solches Blatt für unsere Bevölkerung ein „Bedürfnis" ist? Soweit der Mensch die Tages- neuigkciten zum Leben braucht, kann er sie am einfachsten aus seinem Bezirksblatt entnehmen. Hält ein Haus ferner außerdem auf christliches Wesen, so wird daneben das evang. Sonntagsblatt oder der Christenbote gelesen. Und wer endlich noch weiter berechtigtes Untcrhaltungs- (nicht Klasch-) bedürfnis hat, dem ist doch wahrhaftig nicht mit einer solchen Sonutagsspcise gedient, wie sie oben geschildert ist, sondern der wünscht Lesestoff etwa in der Art unserer besseren Kalender. Und da sind besonders die reichhaltigen „Haller Monatsblättcr" von Faulhaber zu empfehlen, eine gute Volksschrift, die den Leser auch nicht durch jeue Gesinnung«- _LI.
Hiezu das Unterhaltungsblatt ^ 16.
Verantwortlicher Redakteur Steinwand, c in Nagold.
Truck und Verlag der H. M. Aaiser'schen Buchhandlung in Nagold.
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