nts- und Jutelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
ErjÄcinr wöchenktich 3ws!: Dienstag. Donnerstag und Samstag, und laste! vicrkljülittich hier lohne Träcarlolv!) 8» in deni Bezirk!.«! - 4 autzerhaib des Bezirks I .«! 2<> MonatS- advnüemenl nach Verhältnis.
Drmnkrslsg 3 . April
Jltsertionsgebühr für die Ispaltige Beile aus ge
wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 bei mehrmaliger je 6 -e. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei auf- gegeben sein.
N a st o l d. Ausstanssivefcn betreffend.
Die Orksvorsteher werden beauftragt, binnen 8 Tasten je den Betrag der Ausstande zur Gemcinde- kasse pro 1889/90 hieher mitzntcllcn.
Den 1. Aprii '.890.
K. Obcramt. I>r. G u st e l.
N a g
v l d.
VekamrLz
mrchmrg,
Im Stalle des Mclw
p-rs Friedri ch H ä u ß I e r
soiiioi- in Nagold ist die
Man/- und Klanensenche
ansgebtocheil.
Den !. April 1890.
.K. Oberamt.
Amtm. M a r g n a r t.
Die Gerichtsvollzieher
werde
v! erinnert, Hanptregister n. Kasscntagbnch anher
einzig
enden.
Nagold. 3!. März
!8go.
O.-A.-R. Daser.
-Es Mer-rrn.
Berlin. 29. Mürz. Fürst Bismarck har Berlin heule nachmittag verlassen. Der Abschied, den ihm Berlin bereite! hat. war ergreifend. Einem Bericht der Allst. Ztg. - entnehmen wir:
. . . Den stanzen Tag hindurch war das Reichs- lanzlecpalais von einer Menschenmenge, zumeist .Personen mus den besseren Gesellschaftsklassen, umgeben. Gcgen^achmittag waren es nicht mehr Hunderte, sondern viele Tausende, und vom Palais die ganze Wilhelmsstraße entlang bis zum Brandenburger Thor dehnte sich ein ungeheures Spalier vvu Wartenden. Die Stunde der Abfahrt war im großen Publikum nicht bekannt geworden. Man erwartete dieselbe für 8 Uhr, dann für 4 Uhr, der Fürst verließ aber erst um 5 Uhr Ui Minuten dos Palais. Eine halbe Stunde vorher war eine Schwadron Gardckürassicre mit klingendem Spiet am Palais vorüdergezogen. Der Fürst zeigte sich wiederholt am Fenster und wurde jedesmal mit donnernden Hurrahrufen begrüßt. Als endlich der offene Wagen beim Portal vorsuhr und Fürst Bismarck im Vorgarten des Palais erschien, brach die Menge in dröhnende Hurrahrufe aus, und kaum daß der Wagen aus dem Vorgarten auf die Straße heraus gelangt war, hatte man auch schon die Spaliere durchbrochen und alles stürmte unter Hurrahgeschrei, Hüte und Tücher schwenkend auf den Fürsten zu. Er trug den Jnterimsrock seines Kürassier-Regiments, in der Hand hielt er einen Veilchenstrauß. Änfangs war er beinahe erschreckt durch den auf ihn eindringenden Begeisterungssturm, bald aber leuchteten seine Augen vor Freude über diese wahrhaft rührende Scene, und die innere Bewegung spiegelte sich in seinem Antlitz wider. Ihm zur Seite saß Graf Herbert Bismarck. Im nächsten Wagen, ebenfalls ein offener Zweispänner, befand sich Fürstin Bismarck mit Graf und Gräfin Wilhelm Bismarck, dann folgte Reichskanzler v. Caprivi mit seinem Adjutanten und weiter Minister von Bötticher mit Frau. Nur langsam konnte sich dieser Wagenzug durch die Wilhelmsstraße fortbewegen, denn in einer Aufregung, die jeder Beschreibung spottet, umringte die Menge immer wieder den Wagen des Fürsten, unbekümmert um die einhersprengcnden berittenen Schutzleute, die dem Wagen freie Bahn zu schaffen
suchien. Wir erinnern uns nicht, in Berlin jemals Aehuliches gesehen 'zu baden. Von den Fenstern und aus der Menge heraus wurden Blumensträuße in den Wagen geworfen und unaufhörlich donnerten die Hurrahrufe. Man sah viele Personen weinen, man hörte oft rufen: „Ans Wiedersehen!" So ging es bald in langsamem Trabe, bald im Schritt durchs Brandenburger Thor hinaus zum Lehrter Bahnhof, immer durch dichte Spaliere von Menschen. Auf dem Bahnhose erreichte die Bewegung ihren Höhepunkt. Es ist unmöglich wiedcrzugeben. mit welcher Gewalt die Empfindungen dieser nach Tausenden zählenden Menge, die alle Plätze in der Umgebung des Bahnhofes und diesen selbst besetzt hatte, her- vorbrachcn. Ein kleiner Raum des Bahnsteiges war abgesperrt. Hier hatte auf Befehl des Kaisers eine Schwadron Kürassiere als Ehrenwache Aufstellung genommen. Zwei Mann standen als Ehrenposten an der Treppe des Wagens. Fürst Bismarck schien durch die Auszeichnung, die ihm so durch den Kaiser zu teil geworden, überrascht zu sein. Während er die Front abschritt, spielte die Regimcntskapelle eine Fanfare. Plötzlich trat feierliche Stille ein, und die Klänge der „Wacht am Rhein" , von allen Anwesenden gesungen, erbrausten durch die Halle. Hoch- aufgerichtct stand Fürst Bismarck da und mit tiefernstem Ausdruck vernahm er diesen Abschiedsgruß, der alle Herzen bewegte. Ans Befehl des Kaisers" waren sämtliche Flügeladjutanten auf dem Bahnhof erschienen; ebenso waren viele Generale, mehrere Botschafter, Gesandte und andere Diplomaten anwesend , auch alle oberen Beamten der Ministerien, deren Chef Fürst Bismarck gewesen, waren anwesend. Endlich wurde das vorletzte Abfahrtssignal gegeben. Der Fürst begann sich von jedem einzelnen zu verabschieden. Als er die Treppe zum Conpo hinan- schrilt, sang die Menge: „Deutschland, Deutschland über alles". Mit immer neuer Kraft erschollen die Rufe: Hoch Bismarck, auf Wiedersehen, Wiederkom- mcn! Die Regimentskapelle setzte wieder ein. Fürst Bismarck erschien am Fenster des Wagens und dankte mit Kopfnicken und Handbewegungen fortwährend, dann setzte sich der Zug langsam in Bewegung und führte den großen Kanzler auf seinen einsamen Landsitz nach Friedrichsruh.
In einem Bericht der Nationalzeitung lesen wir:
. .. Während vor dem Bahnhof das Publikum zu ungezählten Tausenden und Zehntausenden an- wuchs, hatte sich auf dem Bahnhof fast das gesamte diplomatische Corps eingefunden; Gesandte fast aller Staaten waren anwesend, um dem scheidenden großen Kollegen „Lebewohl" zu sagen. Das gesamte Staatsministerium mit dem Reichskanzler von Caprivi an der Spitze war ebenfalls zur Verabschiedung anwesend. Die Generalität Berlins und Potsdams war in seltener Vollzähligkeit erschienen.
. ..Fürst Bismarck stand tiefgerührt da; von allen Seiten drängten jetzt seine Freunde und seine Bekannten zu ihm heran; ein Händeschütteln, ein Abschiednehmen ohne Ende. Der Kaiser ließ dem Fürsten ein prächtiges Veilchenkissen überreichen, auf dem ein grüner Lorbeerkranz mit goldenen Früchten ruhte ; von dem Kranz hing eine Schleife mit schwarz- weiß-roten Farben herab. In den Ecken des dufti> gen Kissens prangten Tuffs von Marschall-Niel-Rosen. Auch der Fürstin hatte der Kaiser gedacht. Er übersandte ihr zum Abschied einen prächtigen Blumenkorb mit Fliedern und Rosen, dessen Fuß rote Azaleen umrankten. Es stand der Fürst noch über 5
Minuten aus dem Perron, nmbraust, nmstürmt von den Hoch- und Hurrahrufen; dann begab er sich in sein Coupe. Von allen Seiten flogen Blumen in dasselbe hinein; der ganze Salonwagen glich einem duftenden Hain. Da singen die Rufe: „Ans Wiedersehen!" von neuem an; sie wurden stärker, mächtiger. Die Glocke erklang: die Truppen präsentierten, die Musik spielte; ihre Klänge erstürben in den Hoch- und Hurrahrufen. Die Wacht am Rhein wuroe nochmals gesungen und langsam fuhr der Zug ans der Hille. Fortwährend winkte der Fürst Äbschiedsgrüße zu; die Damen wehten mit den Tüchern. Es war ein überwältigender Moment; man sah rings thränende Gesichter, hörte lautes Schluchzen. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen!" donnerten die Ruse hinter dem nun schnell fortdampfenden Zuge.
Alle die diesem Abschied beiwohnten, auch nüchterne und skeptische Männer, sind einig, daß eine solche Scene niemals vorher erlebt worden ist; sie war einzig, wie der große Staatsmann, der heute von uns geschieden ist...
Tages Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
ffNagold, 1. April. Ein Denkmal der Dankbarkeit für den scheidenden Reichskanzler, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, sollte die patriotische Vereinigung des gestrigen Abends sein, durch dessen zahlreichen Besuch sich die Einwohnerschaft selbst geehrt hat. Im festlich geschmückten Hirschsaale war die mit Epheu bekränzte Kanzlerbüste aufgestellt, on dichtem Grün umgeben. Die Wände waren mit Porträten unserer großen Männer und Abbildungen der großen Erreignisse von 1870 ausgestaltet. Nachdem die Feier durch einen Chor des Liederkranzes: „Sei geprüßt in Jubeltönen" und durch einige markige Worte des Stadtvorstands eröffnet war, ergriff der Festredner, Professor Wetzet, das Wort, um in lebhaften Farben ein Lebensbild des größten Mannes unserer Zeit zu zeichnen. Sein Familienleben, seine stürmische Jugendzeit, seine erste Amtie- rung, sein schroffes Auftreten im Landtag wurde mit Humor geschildert. Dann seine Wirksamkeit als Vertreter Preußens beim deutschen Bundestag in Frankfurt, von wo aus er den deutschen Bund als kranken Hund ebenso grob als richtig bezeichnet und für den er kein anderes Mittel weiß, als Feuer und Eisen. Da er mit dem späteren König Wilhelm darin einig war, daß das Heer zu einer schneidigen Waffe werden müsse, die Volksvertretung aber seine vorausblickenden Pläne nicht verstand oder verstehen wollte, also die Verwilligung der 26 — 27 Millionen Thaler verweigerte, so wurde die Heeresverstärkung ohne Verwilligung durchgeführt (Verfassungskonflikt). Damals war B. der bestgehaßte Mann in Deutschland, und die Erbitterung äußerte sich in dem bekannten Blind'schen Attentat 1866. Aber wie ganz anders wurde dies, als die Ereignisse von 1866 und noch mehr die von 1870 ihn ins Recht gesetzt hatten! Wie wurde er jetzt gefeiert und verehrt, namentlich auch in Süddcutjchland! Wie mehrte sich sein Ruhm von Jahr zu Jahr! Zwar über sein innerpolitisches Wirken (Kulturkampf, Handelspolitik) sind die Ansichten geteilt; aber groß, unerreichbar groß steht er da als Leiter der auswärtigen Politik: Er hat das glorreich aufgerichtete deutsche Reich erhalten, Rußland auf dem Berliner Kongreß in seine gemessenen Grenzen zurückgcführt,
Wegen des Karfreitags wird das nächste Blatt erst am Samstag mittag 1üer ausgegeben. Wegen des Osterfestes erscheint am Dienstag kein Blatt, was das inserierende Publikum gef. beachten wolle. EWA