"wie sehr er denselben zu sichern bemüht ist. Mit allen Staaten hat Deutschland erträgliche Beziehun­gen, viele Fürsten sind dem Kaiser eng befreundet. Und so mag uns denn die neue Periode Segen bringen: In dem verflossenen Vierteljahrhnndert war Fürst Bismarck der Mann, auf welchen die Welt blickte, von nun an wird dieser Mann sein: Kaiser Wilhelm II.

TagesNeirigkeiterr.

Deutsches Reich.

ff Nagold, 25. März. Kirchenkonzert. Es ist für ein Städtchen von der Größe unserer Seminarstadt Nagold ein Ereignis von Bedeutung und gewiß ein ehrendes Zeichen, wenn ein Orato­rium wie Haydn's Schöpfung im Zusammenhang zu Gehör gebracht wird, und noch mehr, wenn dies in einer so vollkommenen Weise geschieht, wie es heute der Fall war. Die Aufführung übte aber auch auf einen weiten Umkreis hin eine ganz -be­deutende Zugkraft aus, wozu neben dem anerkannt tüchtig geschulten Semidar- und städtischen Chor na­mentlich auch der Umstand mitwirkte, daß es unsrem Musikdirektor Hegele gelungen war, ganz hervorra­gende Solokräste für den heutigen Tag zu gewinnen. Tie Rolle desGabriel" hatte Frl. Emma Hitler aus Stuttgart übernommen, welche mit einer sehr sympathischen klangvollen Stimme einen anmutigen und natürlichen Vortrag verbindet, so namentlich in der Arie:Nun beut die Flur das frische Grün" undAuf starkem Fittig schwingt sich der Adler stolz". Herr Professor Förstler aus Stuttgart sang mit seiner edlen biegsamen Tenorstimme die Rolle desUriel" und gefiel besonders in der vom Komponisten mit Naturtreuc gemalten Arie:Im vollen Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf

.-Mit leisem Gang und sanftem Schimmer

schleicht der Mond die stille Nacht hindurch" und Mit Würd und Hoheit angethan". Zur Ueber- uabme der Baßpartien desRaphael" hatte sich in freundlich kollegialischer Weise Herr Seminarober- lcbrer Bopp aus Nürtingen bereit erklärt, welcher mit kräftig markigem Organ ansgestattet seine Auf­gabe ebenfalls vorzüglich löste, so in der Arie:Rol­lend in schäumenden Wellen" undNun scheint in vollem Glanze der Himmel". Alle dreiEngel" vereinigten sich in den TerzettenIn holder Anmut stehn, mit jungem Grün geschmückt" undZn dir, o Herr, blickt alles aus" zu angenehmster Harmonie. Nehmen wir dazu die pünktlich geschulten Chöre wieTie Himmel erzählen die Ehre Gottes" und Vollendet ist das große Werk" und das wacker mitwirkende Orchester, nicht zu vergessen die nicht leichte, aber von Herrn Hornberger glücklich durch­geführte Orgelbegleitung, so haben wir eine Gesamt­leistung, aus die wir mit freudiger Gcnugthuung zu­rückblicken dürfen und die allen Zuhörern noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben wird, und es mag uns gestattet sein, den herzlichen Dank, welchem bei der nach dem Konzert startgehabten geselligen Bereinigung den Mitwirkenden, namentlich dem un­ermüdlichen Direktor und den von ihm gewonnenen Solokräitcn gegenüber von berufener Seite in be­redten Worten Ausdruck gegeben wurde, auch öffent­lich hiemit niederzulcgcn.

K Haiterbach. 25. März. Die hiesige Spar- inw Vvrschußbank c. G. m. u. H. hielt heute im Gasthaus zur Linde ihre Generalversammlung ab. Nach dem Bericht des Vorstandes betrug der Ge­samtumsatz der Bank im Jahr 1083 1820 887 ,/L 00 ^s. Auf 82 745 -/A dividendenbercchtigtcs Ka­ff entfiel ein Reingewinn von 2283 78 H,

von welchem .'Mo als Dividende verteilt, der Rest mit 046 58 aber dem Reservefonds zuge-

sihncben wurde, dessen Höhe sich nunmehr auf 078 vtL 82 ^ beziffert. Die Mitglicderzahl betrug am l. Januar >88'.»-. 207. Bei der Wahl eines .Kaspers erhielt der seitjäbrigc Kasscnbeamtc alle ab- nea bcnen Stimmen. Bel der Wahl des An-sichts- r ne.' der nach dem Gesetz an Stelle des seitherigen Bermaltungsrats zu treten har, wurden die Mitglie­der des letzteren sämtlich mit großer Mehrheit wie­der dernlin: ebenso geschah es bei der Wahl der Konnolllommijsion.

Calw, 28 . Marz. Im Hörsaale des George- nänms wurde heute nach dem Gottesdienst vom Ausn.htsrale der Zinsengennß aus 2000 Gulden Kapital, gestiftet von Herrn Generalkonsul v. Gcor-

gii-Georgenau in Stuttgart, an solche Arbeiter des Groß- oder Kleingewerbes verteilt, welche das 20. Lebensjahr erreicht und ununterbrochen 2 Jahre bei demselben Herrn noch im Dienste sind. Durch das Los wurden 10 Arbeiter mit je 10 bedacht, die übrigen erhielten 50 L.

Brandfälle: Den 23. März in Mittelthal, (Gemeinde Baiersbronn), das sehr umfangreiche Säg­mühlengebäude der Firma Faißt und Klumpp.

Weimar, 24. März. Die Weimarsche Zei­tung veröffentlicht ein Telegramm des Kaisers an den Großherzog vom 22. Mürz, worin es nach Er­wähnung der bitteren Erfahrungen und schmerzlichen Stunden der letzten Zeit heißt:Mir ist so weh, als hätte Ich noch einmal Meinen Großvater ver­loren; aber von Gott Bestimmtes ist zu tragen, auch wenn man darüber zu Grunde gehen sollte. Das Amt des wachthabenden Offiziers auf dem Staats­schiff ist mir zugefallen, der Kurs bleibt der alte. Voll Dampf voran!"

DieKöln. Ztg." weist in einer Zuschrift aus dem Königreich Sachsen daraus hin, daß dort eine große Masse von Fabrikarbeiterinnen bei den letzten Wahlen die sozialdemokratische Agitation fast noch mehr gefördert haben, als die Männer, überhaupt sich ganz offen der Sozialdemokratie zugewendet haben. Das Blatt meint, hier müsse unbedingt zuerst etwas geschehen, denn mit sozialdemokratischen Müttern werde die Arbeiterfamilie vollständig zur soziald emokratisch en Agi tatio ns sch ule.

Koblenz, 21. März. Heute traf hier die kaiserliche Ordre ein, wonach die volle Entfestigung von Koblenz genehmigt ist.

Die Toaste, welche bei der Galatafel zu Eh­ren des Prinzen von Wales im Berliner Schlosse ausgebracht wurden, beweisen, daß die politischen, wie die sonstigen Beziehungen zwischen Berlin und London sehr herzliche sind. Der Kaiser zeigte sich seinem Gaste gegenüber als der liebenswürdigste Wirt; so stellte er z. B. dem englischen Thronfolger die Minister und Generaladjutanten persönlich vor. Im weiteren Verlaufe des Festes wurde allgemein bemerkt, wie der Kaiser sich besonders angelegent­lich mit dem Reichskanzler von Caprivi und dem Grafen Waldersce unterhielt, welchen beiden Herren der Kaiser auch bei der Tafel zugetrunken hatte. -

DenHamb. Nachr." wird berichtet:Wie cs heißt, soll der Kaiser nicht abgeneigt sein, das Sep- tennat fallen zu lassen und die Festsetzung der Frie- denspräsenzstärke des Heeres von den jährlichen Be­willigungen des Reichstages abhängig zu machen. Die gesetzliche Einfübrung -der zweijährigen Dienst­zeit dürfte nicht in Frage kommen, es handelt sich vielmehr nur um eine praktische Verkürzung der Dienstzeit bei der Infanterie durch größere Aus­dehnung des Systems der Dispositionsurlauber. Da die Ausbildung der Spczialwaffen (Cavallerie, Artillerie und Pioniere) eine dreijährige Dienstzeit unbedingt erfordert, so würde durch die gesetzliche Einführung der zweijährigen Dienstzeit ein unhalt­bares Ausnahmegesetz geschaffen werden.

Berlin, 21. März. Der Reichskanzler Ge­neral von Caprivi ist heute mittag aus Hannvver hier eingetroffen. Es besuchte alsbald den Fürsten Bismarck und nahm mit demselben gemeinschaftlich ein Frühstück ein. Staatsminister Graf Herbert Bismarck hat heute Vormittag dem Kaiser sein Ent- lassungsgesuch unterbreitet.

Berlin, 22. März. Der Prinz von Wales besuchte gestern nachmittag den Fürsten Bismarck. Hundert von Sympathietelegrammen aus dem In- und Auslande empfing Fürst Bismarck in den letzten Tagen. Auch zwei ausländische Souveräne schickten längere Depeschen.

Berlin, 22. März. Der Bundesrat plant eine Sympathiekundgebung für den Fürsten Bismarck vor dessen Scheiden von Berlin. Der Fürst war erster Vorsitzender des Bundcsrats seit 1807 um) übte diese Funktion ziemlich regelmäßig bis 1872, seitdem meist durch Substitution des Präsidenten des Reichskänzlcranus, bezw. eines Staatssekretärs des Reichsamts des Innern, aus.

Berlin, 22. März. Das heutige Kapitel des Schwarzen Adlerordens verlief aufs glänzendste. Investiert wurden Prinz Hermann von Sachsen- Weimar, Prinz Georg von Großbritannien, Bot­schafter Graf Münster, Fürst Hermann von Hohen- lohe-Langenburg, Oberstjägermeister Fürst v. Plcß und Staatsministcr von Bötticher.

Ein Telegramm der Mg. Ztg. bestätigt, daß Fürst Bismarck die ihm angetragene Würde eines Herzogs von Lauenburg und eine an dieselbe ge­knüpfte Dotation abgelehnt, dagegen den neuen militärischen Rang und Titel angenommen hat. Nach Lage der Dinge konnte diese Entschließung nicht zweifelhaft sein.

Berlin, 24. März. Der Bundesrat verab­schiedete sich vom Fürsten Bismarck durch eine m wärmstem Tone gehaltene, demselben heute Angestellte Adresse.

Berlin, 24. März. Wie heute in parlamen­tarischen Kreisen verlautete, hat sich auch Herr v. Bötticher entschlossen, aus dem Dienst zu scheiden. Sein Demissionsgesuch soll sich bereits im Eabinet des Kaisers befinden.

Berlin, 25. März. Das Entlassungsgesuch des Staatssekretärs Staatsministers Grafen Her­bert Bismarck ist vom Kaiser genehmigt worden.

Bezüglich der Unterredung des Fürsten Bis­marck mit dem Abgeordneten Windthorst, die be­kanntlich während der Kanzlerkrisis ebenfalls eine große Rolle gespielt hat, schreibt dieVossische j Zeitung": Der Kaiser war über die Verhandlungen des Fürsten Bismarck mit Herrn Windthorst sehr erregt und fuhr nach dem Kanzlerpalast, um den Fürsten zu fragen, was diese Unterredungen zu be­deuten haben. Fürst Bismarck, der sich eben im Bett befand, erhob sich sofort und beantwortete,

! nachdem er bei dem Kaiser eingctreten war, die ! Frage dahin, daß es stich um Privatangelegenheiten I handle. Der Kaiser betonte, daß er von Vcrhand- lungcn seines Kanzlers mit einem Parteiführer wie Windthorst rechtzeitig zu erfahren ein Recht habe, was Fürst Bismarck ungefähr mit der Erklärung zurückwies, daß er seinen Verkehr mit Abgeordneten keiner Kontrolle unterwerfe. Er fügte hinzu, nur infolge eines Versprechens an Kaiser Wilhelm I., einst seinem Enkel zu dienen, sei er in seiner Stel­lung verblieben. Er werde aber gerne bereit sein, sich in den Ruhestand zurückzuzichen, wenn er dem Kaiser unbequem werde.

DieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" gicbt weitere Enthüllungen für die Gründe des Rücktrittes Fürst Bismarcks. Sie sagt, schon seit dem Tode Kaisers Wilhelms 1. sei Fürst Bismarck nicht mehr der leitende Minister wie früher gewesen. Unter- Kaiser Wilhelm II. habe der Kanzler aber bisher keinen Anlaß gehabt, ein Entlassungsgesuch einzu­reichen, nur in der letzten Zeit hätten sich ernste Differenzen über den Verkehr der preußischen Mi­nister mit dem Könige ergeben. Der Kaiser habe sich geweigert, der Ansicht Fürst Bismarcks, daß der Ministerpräsident das Kabinet zu vertreten habt-, beizupflichten, sondern vielmehr darauf bestanden, selbst mit den einzelnen Ministern zu verkehren, und daraus sei dem Fürsten Bismarck klar geworden, daß sein Rücktritt notwendig sei. lieber das Ver­mögen des Herzogs von Cumberland hat Fürst Bismarck mit Windthorst nicht verhandelt (sondern über die allgemeine politische Lage); der Verkehr des Kanzlers mit Windthorst spielt in der ganzen Krisis nur in sofern eine Rolle, als der Kanzler sich (dem Kaiser gegenüber) geweigert hat, seinen Verkehr mit Abgeordneten einer Kontrolle (durch den Kaiser) zu unterwerfen. Versuche, den Fürsten zum Bleiben oder zur Wetterführung der auswärtigen Politik zu bewegen, haben nicht stattgcinnden. Diese Enthül­lungen und Erörterungen sind übrigens reichlich peinlicher Natur. Am besten wäre es, man hieße sie ruhen. Sie nützen nicht, aber können sehr schaden.

Graf Waldersee bleibt nach derAllgeni. Ztg." definitiv in seinem Amte.

Kleinere Mitteilungen.

^V'ck. Nagold. Behandlung des Gartcn- deckrcisichs. DaS außer der Sastzcit also recht­zeitig ausbcreitete und auch trocken in d:e Stadt ge­lieferte Deckreis darf nicht schon vor seiner Verwen­dung dem Wechsel der Nässe und des Sonnenscheins ausgcsetzt bleiben, wenn es die Nadeln behalten soll. - Vielmehr sind die Büschel alsbald ausznbinden, und die Zweige soweit notig nach vorheriger Trock­nung einstweilen in einem luftigen, aber gegen Nässe und Sonnenschein geschützten Platze anfznbe- wahren.

Verantwortlicher Redakteur SLeinrvandet in Llagotd.

Druck und Verlag der H. W. Zatscr'schsn Buchhandlung in TTragokd.

!

k