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anstaltet und an den Kaiser als Chef des Regiments, sowie an die Kaiserin eine Glückwunschdepesche abgesandt. Der Kommandeur des Regiments erhielt hierauf folgendes Telegramm: Ich bin Ihnen und Meinem braven Regiments für das Gedächtnis des Krönungstages sehr dankbar. Wollen Sie diesen Meinen Dank persönlich aussprechen. Die Kaiserin-Königin schließt Ihren Dank dem Meinigen an. Wilhelm, Feldmarschall und Chef.

Gages-Weuigkeiten.

Stuttgart, 19. Okt. Die Zulukaffern, welche im Zirkus der Lindenstraße zu sehen sind, verdienen entschieden einen Besuch. Es sind anscheinend die wildesten unter den Wilden, die im Lauf der letzten Jahre in Europa umhergesührt und gezeigt worden sind; ihre Sprache, ihr Gesang, ihre mit herkulischer Kraft durchgesührten Kämpfe, alle ihre Bewegungen zeigen eine bestialische Urkraft und flößen den Kindern sogar Furcht ein. Erst allmählich gewöhnt man sich an den Anblick. Sämtliche Zulus sind große, wohlproportionierte Leute mit muskulösen, sehnigen Leibern, ungemein robust, mit breiter Brust, starken Beinen und Armen, von Farbe dunkelbraun, das Kopfhaar rasiert; nur ein Ring bleibt stehen, den sie mit Gummi zu einem Haarkranz rings herum auflürmen. Sie tragen nur eine Schürze von Schafschwänzen. Ihre Kämpfe führen sie mit unglaublicher Energie aus und bedienen sich dazu der Keulenstöcke und langer harter Schilde von Ochsen­fellen. Nach dem Zeugnis der Reisenden besitzen sie einen ungebändigten Mut und stürmen auf ihre Feinde mit der Wut von Tigern hinein. Ihr Schädel ist so hart, daß sie einen Schlag, der einen Europäer tot niederstrecken würde, ohne Schaden aushalten. Die Gliedmaßen sind wie von Eisen, fähig alle Strapazen zu ertragen und die schwersten Arbeiten zu verrichten. Der Kaffer ist wohl die kräftigste Varietät der Spezies konio sapiens.

NillsTiekgarten. Zu seiner nicht geringen Ueberraschung fand Herr Nill am gestrigen Sonntag früh bei den Tigern vier Junge, wovon eines tot. Die gelb und schwarz gestreiften Tiere haben die Größe einer halbausgewachsenen Katze und krappeln, wenn die Mutter sie auf einige Augenblicke verläßt, im Zwinger herum, oder vielmehr, sie tappen im Finstern suchend, denn sie sind noch blind. Der männliche Tiger ist vor- sichtshalber von seinen Kindern getrennt worden. Auch im Laufe dieses Sommers haben die afrikanischen Strauße wieder eine Anzahl Eier gelegt, doch ohne sich weiter um dieselben zu bekümmern. Die Bebrütung wurde deshalb einer von Herrn Nill sinnreich konstruierten Brut­maschine überlassen. Und der Versuch ist in der That geglückt, denn vor etlichen Tagen fand sich eines der Eier gesprengt und unter dem Glasdache der Maschine spazierte ein kleiner Strauß in Hühnergröße herum, der sich bis heute wohl befindet. Die andern Eier scheinen unbefruchtet zu sein. Der Neuling im Affenhaus, der Orang-Utang, hat die Sorgen um seine Gesundheit und Erhaltung verscheucht. Ec schien an­fangs kränklicher zu sein, jetzt ist der Appetit gut und sein Benehmen spricht sür sein Wohlbefinden. Wir sagen absichtlichBenehmen", denn dieser König der Affen belustigt sich nicht wie das gemeine Affenvolk mit tollen Streichen und Bosheiten, er verhält sich äußerst würdig und vornehm, zeigt aber um so mehr Intelligenz, wenn's drauf ankommt.

Gammertingen, 16. Oktober. DerAlbbote" berichtet: Zwei Knaben im Alter von 811 Jahren, Söhne eines Taglöhners, der das Böllern in der Gemeinde versieht, fanden in Abwesenheit ihrer Eltern im Kasten eine Blechbüchse, in welcher das Böllerpulver ausbewahrt war; dieselbe enthielt mehrere Pfund Pulver. Die Knaben wollten einen sog. Feuerteufel machen und entnahmen der Büchse etwas Pulver, ohne dieselbe wieder zu schließen und wegzustellen. Das Pulver wurde mit glühenden Kohlen aus dem Ofen angezündet; dabei fing auch das übrige Pulver in der Büchse Feuer und explodierte. Die Wukung dieser Explosion war eine schreckliche: Die beiden Knaben sind fuichtbar verbrannt; das Haus arg zugerichtet, nicht

nur die Kreuzstücke und Fenster sind herausgerissen, sondern auch der Giebel und mehre Zwischenwände des Hauses demoliert. Die Möbel sind ebenfalls zerstört und die Kleider,, die sich im Kasten befanden, teilweise verbrannt.

Ulm, 18. Okt. Zu der 3. Schnitzeljagd am letzten Samstag versammelten sich wenige Reiter auf der Ehinger Chaussee in Höhe der Ziegelei Schäuffele; vermutlich hatte der durch das anhaltende Regenwetter durchweichte Boden eine große Anzahl der sonst sich beteiligenden Herren ab­gehalten, an der Jagd teilzunehmen. Die Zuschauer nahmen ihre Aufstellung auf der Straße zwischen dem mittleren und oberen Kuhberg. Fuchs war Lieutenant Luithlen, Master Hauptmann Körb er und Hunde Lieut. v. Walter l. Und Lieut. v. Gaisberg. Die Jagd, trotz des sehr un­günstigen Bodens in flottem Tempo geritten, führte das Fort Unterer Kuh­berg zur Rechten lassend an dem nach der Donau zu abfallenden Hang ent­lang quer über die Felder nach dem linken Kehlpunkt des Forts Oberer Kuhberg. Auf diesem Wege wurden mehrere Hürden mit Leichtigkeit genommen. Im großen Bogen über sehr durchschnittenes Terrain ging es nun um letzteres Fort herum, bis sich etwa in Höhe des Pulvermagazins der Fuchs zeigte und die Jagd durch den Master freigegeben wurde. Lieutenant Heimer­din g e r gelang es, nach kurzer Zeit bei dem nun beginnenden Auslauf den Fuchs durch Entreißen seiner Rute Halali zu geben.

Baden-Baden, 18. Okt. Die Leiche der seit mehreren Wochen vermißten Gräfin Arnim ist in der Murg bei Weißenbach aufgesunden worden. Sämtliche Schmucksachen sind unversehrt bei der Ertrunkenen vor­gefunden worden. Die Entfernung vom Plättig bis Weißenbach beträgt etwa 3 Stunden.

Baden-Baden, 18. Okt. Ueber das Auffinden der Gräfin Arnim-Muskau wird dem Frkf. I. geschrieben: Nach persönlichen Er­kundigungen an Ort und Stelle kann ich Mitteilen, daß die Leiche der gestern früh aufgefundenen Gräfin rein durch Zufall von drei Bauern aus Langen­brand (im Murgthal, unterhalb Forbach und Gernsbach) aufgefunden worden ist. Die geistesschwache Schwiegermutter des Schneiders M. daselbst war in Folge häuslicher Differenzen verschwunden und wurde nun von den drei Schwiegersöhnen murgaufwärts gesucht. Am Ende der romantischen Murg­thalstraße, in der Nähe von Weiffenbach, sahen die Männer Frauenkleider am Rechen einer jener Schleichen hängen, welche die Murg von Weiffenbach ab flößbar machen. Statt der Vermißten fanden sie nun eine Leiche, die dem Zustande der Kleide? nach längere Zeit im Wasser gelegen haben mußte und sofort als die der vergeblich gesuchten Gräfin erkannt wurde. Sämtlicher Schmuck, sowie das Geldtäschchen nebst Inhalt waren vorhanden, die drei Hundertmarkscheine bereits schwarz geworden. Da nun auch in dieser Gegend eifrige Nachsuchungen stattfanden, so ist anzunehmen, daß die gemütskranke Gräfin zur Zeit jener Recherchen bereits ertrunken war und erst jetzt vom angeschwollenen Flusse an die seichte Stelle getrieben worden ist. Sie hat sich wahrscheinlich am 11. September im weitausgedehnten Waldrevier verirrt und ist in der Dunkelheit an das steile Ufer der vielfach gewundenen Murg geraten. Die Finder der Leiche benachrichtigten sofort den Gendarmeriewacht­meister in Weiffenbach, der seinerseits dem Grafen Arnim telegraphierte. Gestern nacht kehrte der Graf auf kurze Zeit nach Baden-Baden zurück, um die Verwandten seiner verunglückten Frau in Kenntnis zu setzen und die nötigen Vorkehrungen zum Begräbnis zu treffen und reiste heute morgen wieder ins Murgthal zurück.

Aus Thüringen, 15. Okt. Das Müggenburger Moor ist der Fr. Ztg. zufolge auf bis jetzt unaufgeklärte Weise in Brand geraten. Der Wind verschafft dem Feuer Verbreitung, so daß bereits ca. 1000 Morgen brennen und zu befürchten steht, daß das ganze 2700 Morgen umfassende Moor von den Flammen ergriffen wird. Ueber 800 Menschen Bewohner der Umgegend sind rührig, um den Herd des Feuers einzudämmen.

mich vor Dir im Staube! Ewiger Gott, ich rufe Dich, gib ihn mir wieder! Straf mich nicht so furchtbar hart, schließ' mich nicht aus von Deinem Erbarmen, thue ein Wunder sprich mit mir, o großer, barmherziger Gott sprich mit mir!"

Aber die Antwort von oben, die millionenmal ersehnte, blieb aus; nur der silberne Mond sah aus blauen Welten herab auf das arme, gläubig flehende Menschen' Herz, und leise rauschend flüsterten die Baumblätter geheimnißvolle Sprache. Er hört nicht die ungeduldige Klage, der stumme Himmel da oben, er antwortet nicht ftüher, als bis sich Groll und Leidenschaft besänftigt haben zum leisen, stillergebenen: Herr, Dein Wille geschehe!" dann erst kommt das unvergängliche Licht, und die Stürme schweigen auf immer.

Die arme Josephine verstand es nicht, ihren großen Schmerz veredelnd und erzieherisch des Erdenschmerzes einzige Mission auf sich wirken zu lassen; sie behielt den Groll der unerfüllten Wünsche tief im gekränkten Herzen und wurde mit dm Jahren äußerlich immer härter und härter.

Vollkommen brav und ehrenwert, lebte sie nur ihrer Schwester und dem Heran­wachsenden Neffen, aber ohne doch die Beiden jemals zu beglücken; ihre Ordnung und Sparsamkeit waren Pedanterie, ihre Herrschsucht kannte keine Grenzen, obwohl sie selbst wahrscheinlich sehr erstaunt gewesen wäre, das von irgend jemand behaupten zu hören nur die schwarzen Kleider legte sie niemals wieder ab, und als ihre Jugend dahingeschwunden war, kam eines Tages auch die Witwenhaube noch dazu. Ernstes Andenken blieb ihr inmitten aller Prosa des Lebens ein Cultus, und viel­leicht heute noch zog sich wie ein Heller Streif durch das Dunkel des Alltagtreibens halb unbewußt die Hoffnung, vor dem Ende doch eine Botschaft von ihm, sein letztes Grüßen, seinen Abschied noch zu erhalten. Es war ja ein Zufall, irgend ein widriges Geschick, dem sie erlegen. Josephine wartete still, er konnte so unversöhnt nicht geschieden sein.

Das alles hatte vorhin die kranke Frau erzählt, und jetzt kauerte Elisabeth am Boden, den schmerzenden Kopf an jene plumpe, hölzerne Kiste gelehnt, zitternd vor Furcht, daß Gottes Zorn die Diebin ereilen werde. Es waren ohne Zweifel Ernst's Hände, welche diese Bretter zusammenfügten; es waren Worte, von ihm geschrieben.

Gedanken aus dem Innersten seines Herzens, die darin lagen, sein Bild sogar und niemals, niemals sollte die Frau im grauen Haare erfahren, welche Schätze des späten, stillen Glückes ihr aufbewahrt wurden? Niemals! Die kecke Hand der Verbrecherin hatte sie geraubt.

Wild fluteten in dem erhitzten Gehirn des Mädchens die Gedanken. Was sollte sie thun? Ihr Herz trieb die Unselige, hinzugehen und Brief und Bild der Betrogenen in den Schooß zu legen vielleicht that das Glück Wunder, vielleicht gestaltete sich das ganze Familienleben dieses von geheimen Stürmen durchwühlten Hauses anders und besser, wenn plötzlich die Freude ihre goldigen Schwingen regte, wenn Blumen auf den Pfad fielen, der sonst immer scharfe Dornen getragen hatte.

Einen Augenblick war sie entschlossen, gleich jetzt so zu handeln, dann aber kehrte jenes Grauen zurück, das Zittern, welches im Herzen seinen Ursprung hatte. Konnte sie wirklich auch die Liebe, die Zuneigung der alten Frau als unrechtmäßiges Gut an sich bringen? Mußte nicht der Kuß von den Lippen der Getäuschten sie töten wie ein plötzlicher schwerer Schlag?

Die schon erhobene Hand sank matt herab. Es war unmöglich, ganz unmöglich!

Und mehr noch! Der Koffer mußte fort, heute, heute gleich, sie konnte seinen Anblick nicht ertragen. Brief und Bild sollten in den Ofen wandern. Das Zünd­holz knisterte, die Flamme griff gierig herauf Elisabeth wandte sich um und zer­trat sie unter dem Fuß.

Ein plötzlicher Gedanke war ihr durch den Sinn gefahren. Was im Guten nicht geschehen konnte, das wurde vielleicht zu böser Stunde notwendig der Brief war eine Waffe, ein Zwangsmittel.

Und nun strömte plötzlich mit aller Macht das Blut in ihre bleichen Wangen zurück.

Julius!"

Sie dachte es unwillkürlich laut.

Ja ja für ihn!"

(Fortsetzung folgt.)