selbe in Bezug auf freie Einführung ausländischen Viehes aus Oesterreich und Amerika die Bitte stellt, die freie Einfuhr aus beiden Ländern nicht zu ge­statten. Die Begründung dieses Petitums dürfte von allgemeinem Interesse sein. Dieselbe lautet: Als Landwirt und Fabrikbesitzer kann ich, desglei­chen mein Bruder und mein Schwiegersohn hier, in unserer Gegend am besten beurteilen, wie groß der Nachteil für unsere Landwirte im weiten Um­kreise sein würdej, wenn nach München, Nürnberg, Frankfurt und Berlin rc. ausländisches Mastvieh zollfrei eingeführt werden dürfte; wir drei mästen aus unseren Fabrikabfällen jährlich ca. 3000 Stück Ochsen, welche in Bayern angekauft, gemästet und dann nach den benannten Städten um gute Preise verkauft werden, in Folge dessen wir auch unseren Züchtern bessere Preise bewilligen können; ist das nicht mehr der Fall, so würde jfür Viehverbesserung gewiß weder Fleiß noch Geld verwendet werden, und damit entgeht dem bäuerlichen Steuerträger eine bedeutende Subsistenz. Ich bitte deshalb im Namen und Interesse aller Landwirte und Industriellen, dieses Unglück fern zu halten."

Graf Bismarck ist von Konstantinopel in Pest angekommen, wie man glaubt, um Aufschluß über die politischen Ergebnisse des Kaiserbesuches in Konstantinopel zu erteilen. Kaiser Wilhelm soll mit dem Sultan sehr eingehend über die Friedens­politik des Dreibundes gesprochen und für eine An­näherung zwischen der Türkei und Oesterreich ge­wirkt haben.

Berlin, 9. Nov. DasBerl. Tagebl." läßt

> sich heute aus Sansibar melden, daß die Nachricht über Dr. Peters Tod unsicher und noch keineswegs als authentisch anzusehen sei. Nach den bisherigen bestimmt auftretenden Meldungen kann man dieser Mitteilung leider wenig Glauben entgegenbringen. Stanley und Emin Pascha sollen übrigens bereits

> in der Nähe der ostafrikanischen Küste sein.

! Einer Dame aus Ungarn, die in einem

Hotel in Berlin wohnte, ist dieser Tage eine Handtasche mit Pretiosen im Wert von 20000 »tL gestohlen worden. Die Dame hat 2000 ^ auf Herbeischaffung des gestohlenen Gutes ausgesetzt.

lieber 200 mittlere und kleinere Schläch­tereien stehen zur Zeit in B e r l i n zum Ver­kauf, weil bei den hohen Fleischpreisen der Absatz zu gering geworden und kein Geschäft mehr zu ma­chen ist.

Deutscher Reichstag. Am Dienstag wurde bei schwachbeietztem Hause mit der ersten Beratung des So­zialistengesetzes begonnen. Abg. Reicheuspergcr (Ctr) erklärte sich gegen die Verlängerung des Ausnahmegesetzes, das nicht geeignet sei, die Sozialdemokratie zu beseitigen, und empfahl die Rückkehr zum gemeinen Recht Ein Äus- ^ nahmegcsetz dürfe überhaupt nicht dauernd werden. Redner kommt auf die westfälischen Bcrgarbeiterverbältnisse zu spre­chen und tadelt mit scharfen Worten die Mahnahmen einzel­ner Verwaltungen gegen ih:e Leute und empfiehlt zum Schlich die Aufhebung des Sozialistengesetzes, die man jetzt getrost wagen könne. Abg. v. lLuny (nallib.) hält ein dauerndes ^ Sozialistengesetz im Interesse der Staatssicherheit für not­wendig , wünscht in dem vorliegenden Entwürfe aber noch ^ einige Milderungen, namentlich die Beseitigung der Answei- s sungsbefugnis. Der Staat müsse sich aber gegen die Sozial­demokratie wehren, und da könne die Vorlage nicht entbehrt werden. Abg. Liebknecht (Soz.) bekämpfte in sehr ausge­dehnter Rede, während welcher er auch wegen heftiger Aen- ßerungcn zur Ordnung gerufen wurde, das Sozialistengesetz auf das Schärfste, iinnntc dasselbe eine der grössten Unge­rechtigkeiten des Jahrhunderts, die längst hätte beseitigt wer- s ' den sollen, und verglich die Sozialistenprozesse mit den Hexen- s Prozessen des Mittelalters. Das Gesetz habe die SozialSc- mokraüe aber in keiner Weise geschwächt, die Partei werde ihre Thatigkeit ununterbrochen fortsctze,, und auch zum Ziele kommen. Hierauf wurde die Weiterberatnng der Vorlage auf Mittwoch Vormittag lk Uhr vertagt.

Deutscher Reichstag. Die am Dienstag lc- gonncne erste Beratung der neuen Sozialistenvorlagc wurde Mittwoch fortgesetzt. Abg. Hartmann (kons.) sprach sich für nnmrän. errc Annahme des Regierungs-Entwurfes aus .und trat den sozialdemokratischen Rednern entgegen: Er be­stritt den Sozialdemokraten das Recht, sich als Vertreter der Arbeiter zu bezeichnen und betonte, dass das deutsche Reich viel mehr für die Arbeiter gethan habe, als die Sozialdemo­kratie mir allen ihren Reden. Midister .verrfu'rth be-

> gründete die Rotwendigkeit de- Fortdauer des Sozialistenge- . setzrs üas kein Ausnahmrgesetz, sondern nur ein Spezialgr- ! setz sei. Hier sprächen die Herren ja ziemlich ruhig, aber in

den sozialdemokralischc» Veriamm.nngcn werde oft genug be­tont, daß die letzten Ziele der Partei nur durch den Umsturz zu erreichen seien. Tie Gesellschaft sei in der Rotwehr und ! müsse sich alio verteidiget!. Auf welche Bestimmungen des früheren Ge ctzcs die verbündete» Regierungen verzichten ! könnten, sei bereits gesagt: ans die Ausweisungsbesnqnis zu verzichten, sei aber unmöglich. Die Negierungen wünschten l selbst von Herzen, di-s Gesetz bald aus der Hand legen zu können. Aber das Wohl ins Staates sei das erste vlcsetz.

' .^achtstchcr Bnndc-:-;a:sdcv. llmächligler H e l d verteidigt die

sächsischen Gerichte gegen die Angriffe der Sozialdemokraten Abg. Munckel (freist) bekämpft die Vorlage auf das Schärfste. Nicht nur habe es nicht den geringsten Nutzen gehabt, sondern gerade durch dasselbe seien die beklagenswer­testen Auswüchse im politischen Leben hervorgerufen. Redner erklärt, für seine Partei sei das Sozialistengesetz in jeder Form unannehmbar. Abg. Robbe (freikous.) sprach für die Vorlage, da den sozialdemokratischen Aufreizungen unbe­dingt gesteuert werden müsse. Abg von Koscielski (Pol.) dagegen. Hierauf wurde die Weiterberatnng vertagt.

D e u t s ch e r R e i ch s t a g. Donnerstagssitzung. Bei recht spärlich besetztem Hause wurde die erste Beratung der neuen Sozialistenvortage weitergeführt. Abgcord. von Dr. Decken (Welfe) erklärt sich gegen das Gesetz, weil dasselbe nicht die geringste Wirksamkeit gehabt habe. Uebrigens werde durch ein Ausnahmegesetz für die Sozialdemokratie nur Re­klame gemacht. Abg. Kuhlemann snatlibZ erklärt, daß das Gesetz als Vorbeugungsmaßregel gegen die aufreizenden Leh­ren der Sozialdemokratie unbedingt notwendig sei. doch dürfe cs nicht den Charakter eines Polizeigcsctzes haben. Er schlägt deshalb verschiedene Milderungen vor. Redner spricht so leise, daß er wiederholt vom Präsidenten gebeten werden muß, lauter zu sprechen. Abg. Bebel (Soz.) weist hin auf die Wirkungen des Gesetzes, das viele Existenzen zerstört, aber auch die Opstrfreudigkeit der Sozialdemokratie gestärkt habe. Die Zahl der sozialistischen Stimmen sei von 1881 bis 1887 von 300 000 auf 70v000 Stimmen gestiegen. Be­sonders in Sachsen ließen sich die Behörden die größten Un­gerechtigkeiten zu Schulden kommen, in Berlin stehe es heute allerdings viel besser, als im Königreiche Sachsen. Endlich erwähnt Abg. Bebel nochmals die Lockspitzel und behauptet, daß unter der Polizei immer noch bezahlte aKsrtts provooa- tsuro vorhanden sticn. Darauf wird die Debatte geschlossen, und die Vorlage einer Kommission von 28 Mitgliedern über­wiesen. Nächste Sitzung: Freitag Mittag 1 Uhr. (Erste Be­ratung der Bankvorlagest

Hamburg, 6. Nov. Die Schiffszimmcr- leute streiken; sie beanspruchen sür einen Mut­tertag denselben Tagelohn wie sür einen Sommer­tag. Die Werften bewilligten die Forderung nicht, worauf gegen tausend Zimmerlcute die Arbeit ein- stcllten. Die Werften sind eventuell geneigt, im Winter einen höheren Tagelohn zu bezahlen, wenn die Zimmerleute dafür die gleiche Zeit wie an einem ^ Sommertag arbeiten wollen.

(Glück muß der Mensch haben.) In! Niederrat hatte ein Dachdecker aus dem Hause! eine Reparatur vorzunehmcn. Durch das Regen- j Wetter war das Standbrett naß geworden, der Mann i glitt aus und stürzte 3 Stock hoch herunter, ohne i sich irgendwie zu verletzen. ^

Schweiz.

In Genf ist cs zwischen den Anhängern der Heilsarmee, die entgegen dem Verbot der Re­gierung eine Versammlung abhielten, und der Po­lizei zu einer blutigen Schlägerei gekommen, bei welcher die Mitglieder der Heilsarmee sich mit Eisen- stangcn verteidigt haben. (Wie stellen sich denn diese Christen zu dem BibclwortSeid unterthan der Obrigkeit?")

Oesterreich-Ungarn.

Wie aus Wien gemeldet wird, äußern die dortigen Blätter ihre hohe Freude über die bevor­stehende Begegnung des Kaisers Franz Joseph und des deutschen Kaisers auf der Heimreise des Letzteren in Innsbruck. Sie erblicken darin den Beweis, daß die guten Beziehungen zwischen Berlin und Wien durch den Zarenbesnch in keiner Weise gelitten haben und glauben, daß irgend welche Schritte zur Annäherung Oesterreichs an Rußland und zur Lö­sung der bulgarischen Frage bevorstehcn.

Wien, 5. Novbr. Im nicdcrösterreichischen Landtage beantragten die Antisemiten, Verhandlungen zur Vereinigung Oesterreichs und des Deutschen Rei­ches zu einem gemeinsamen Zoll- und Handelsgcbict cinzuleitcn.

Frankreich.

Paris, 7. Nov. (Kaiser Wilhelm in Athen und die französische Presse.) Die bedeutendsten und angesehensten Pariser Journale, wie derTcmps" und dasJournal des Debats", veröffentlichen jetzt Correspondenzcn aus Athen, worin der Wahrheit die Ehre gegeben und anerkannt wird, das; die Prin­zessin Sophie durch ihre reizende Erscheinung und durch ihr liebreiches Wesen im Sturme alle Herze" erobert hat und von der gesamten Bevölkerung mit Jubel empfangen worden ist, daß ferner der Kaiser Wilhelm und seine erlauchte Gemahlin ebenfalls seitens der Bevölkerung eine enthusiastische Aus­nahme gefunden Habens, wie solche noch niemals von dem griechischen Volke einem Souverän bereitet worden sei. Der Correspondenz derDebats" er­zählt überdies, daß beim Eintreffen des Zarewitsch gar kein Enthusiasmus geherrscht habe und deutet sodann an, daß der von einem Journale hervorge­

hobene Ruf:Es lebe Rußland, der Bundesgenosse Frankreichs!" einigen anwesenden Franzosen zuge­schrieben werden müsse.

Paris, 7. Nov. Bald nach dem Zusammen­tritt der Kammer werden die Minister Tirard und Thovenet zurücktreten und der Minister des In­nern, Sonst ans, den Vorsitz in dem Kabinett übernehmen.

Boulanger erklärte in mehreren Schreiben an seine Freunde, er sei entschlossen, nach Frankreich zurückzukehren, um die Wiederaufnahme des Prozesses hervorzurusen. (?)

Nus Paris. Die am Mittwoch geschlossene Pariser Weltausstellung hat ein beispielloses Resultat ergeben, welches alle Welt verblüfft: Der riesige Besuch von 28 Millionen Personen hat der Ver­waltung einen baaren Ueberschuß von 8 Millionen ergeben. Das war noch nie da! Am letzten Tage war der Andrang kolossal, über 400 000 Menschen waren anwesend. Das Wetter war herrlich, die festlichen Veranstaltungen übcrtrafcn alles Frühere. Einige ernste Unfälle sind vorgekommen. Viele Pa­riser Geschäftsleute hatten ans Freude über den reichen Ausstellnngsverdicnst ihre Läden geschlossen. Der Eiffelturm nahm Osts Millionen ein. Die Zahl der deutschen Besucher der Ausstellung betrug 160 000. Bonlanger hat seine 53 Anhänger in der neuen Kammer zu einer Beratung nach der Insel Jersey berufen. Nur 30 sind der Weisung gefolgt.

Die größte Bibliothek der Welt ist die Pariser Nationalbibliothek, welche gegenwärtig 2 078 000 Bände besitzt, während dasBritish Mu­seum" in London kaum eine halbe Million Bände anfweist. Die Münchener Bibliothek hat ungefähr 800 000, die Berliner 700 000, die Dresdener 500 000 und die Wiener 300 000 Bände; in der vatikanischen befinden sich nur 30000, aber 25 000 der wertvollsten Handschriften.

Der glückliche Gewinner des Großen Looses der Pariser Ausstellungs-Lotterie, einer halben Million Franken, ist der Buchdrucker Franssens, ein geborener Belgier, Vater von 6 Kindern. Derselbe ist seit l 4 Jahren in der Druckerei ' Sachure beschäftigt. Sein Gewinnlos hat er vor- ' sichtigerwcise sofort bei einem großen Bankinstitut - hinterlegt, da erst am 1. Dezember die Auszahlung j erfolgt. Er will dann von seinen Renten leben.

^ Inzwischen wird Franssens mit Glückwünschen und Bettelbriefen so überhäuft, daß er höchst wahrschein- ^ lieh bald seine bescheidene Wohnung wird verlassen müssen.

Italien.

Aus Rom. Ministerpräsident Crispr be­sucht Fürst Bismarck in diesem Jahre nicht mehr. Die bezügliche Ankündigung war unrichtig, i Die ans den italienischen Ueberschwem- j mnngsgebieten einlaufenden Nachrichten lassen die ! Verwüstungen geradezu schrecklich erscheinen. Es ^ wird lange Zeit vergehen, bis die Felder wieder be- ! bauungsfähig sind.

Bulgarien.

Heutzutage wird alles Geld für Mord­waffen vermöbelt. Auch die bulgarische Regie- , rung, die nun von der österreichischen Länderbank i 25 Millionen Frks. geborgt erhält, hat nichts Eili­geres zu thun gehabt. als in der Waffenfabrik zu Steyr sich 10.», 000 Gewehre zu bestellen. Sie sol­len binnen Jahresfrist geliefert werden.

Griechenland.

Unter den üngeb einen Gästen, welche sich zu den Festen in Athen eingefunden hatten, war wie immer eine große Anzahl Taschendiebe, unter denen sich Virtuosen ans aller Herren Länder be­fanden. Die Polizei hat deren gegen 40 aufge­griffen. Aus Albanien hatte sich sogar eine ganze Kompagnie Strandränber eingestellt, die mit ihrem Schiff im Piräus vor Anker gegangen war. Der deutsche Polizist Eduard En^el veröffentlicht in der Akropolis" das höfliche iMuchen, der betreffende Herr Langfinger, der ihm bei der Ankunft des deut­schen Kaisers sein und seiner Frau Portemonnaie entwendet habe, möge die Güte haben, ihm die da­rin befindlichen Schlüssel und sein Rundreisebillet wieder-zurückznsenden, da er damit ja doch nichts anfangen könne. Die sonstigen Anmeldungen, welche bei der Athener Polizei über ähnliche Heimsuchungen eingegangen sind, zählen nach Hunderten.