Vorlagen sind eingegangen: Der Reichshaushalt­etat für 1890/91 nebst der Anleihe für Zwecke der Verwaltung des Reichsheeres und der Marine, Reichseisenbahnen, Post und Telegraphen; die Ge­setze betr. die Kontrolle des Reichshaushalts und die Etats der Reichslande für 1889/90; ferner die Entwürfe betr. Aenderungen des Reichs-Militärge­setzes vom 2. Mai 1874 (Bildung zweier neuer Armeekorps) und eine Denkschrift über die Anleihe­gesetze seit 1875. Die freisinnige Partei hat bereits eine Anzahl Anträge angekündigt, so betr. das Schweine-Einfuhrverbot, die Kohlentarife, eine Aufforderung an den Reichskanzler, andere Mittel gegen die Verbreitung von Viehseuchen anzuwenden als die Grenzsperre, sodann betr. Aufhebung der Militärgerichte, unberechtigte Auflösung der Soziali­stenversammlungen, Ersatzpflicht des Staates für ge­setzwidrige Handlungen von Beamten, Abschaffung obligatorischer Arbeitsbücher.

Berlin, 23. Oktbr. Die nationalliberalen Reichstagsabgeordneten glauben nicht, das vorge­schriebene Arbeitspensum bis Weihnachten erledigen zu können. Dem Reichstage ging ein neues Mili­tärgesetz zu; die Begründung desselben besagt, daß mit dem numerischen Zuwachs die organische Gliede­rung des Heeres nicht gleichen Schritt hielt, daß eine Häufung der Truppen bei den Grcnzarmeekorps herbeigeführt worden sei» welche denselben die Er­füllung ihrer Aufgaben übermäßig erschwere. Die Freisinnigen stellen wieder eine Reihe von Initiativ­anträgen, darunter einen auf Herabsetzung der Koh­lentarife. Die Konservativen brachten einen An­trag auf Einführung des Befähigungsnachweises beim Handwerk ein. Dem Bundesrat ging ein Bankgesetz zu. Die Matrikularbeiträge der Einzel­staaten an das Reich erhöhen sich um 41* Zs, die Ueberweisungen an die Einzclstaaten steigern sich um 17 Millionen. Die fortdauernden Ausgaben für das Reichsheer vermehren sich um 6Vs Mill. ^ Für artilleristische Zwecke werden 61, für Aenderungen betreffs der Landwehr und des Landsturms 46 Mil­lionen verlangt, für Schiffsbauteu 32 Millionen, davon 14 als Fortsetzung früherer Raten.

Berlin, 24. Okt. Der Reichstag wählte in heutiger Sitzung v. Levetzow mit 206 von 210 St. zum ersten Präsidenten, Levetzow nahm die Wahl dankend an.

Berlin, 24. Okt. Die Freisinnigen im Reichstage beantragen Schutz der geheimen Abstim­mung bei den Wahlen durch Ueberreichung der Stimmzettel in amtlich abgestempelten Couverts.

Oesterreirb-Ungarn.

Der Kaiser von Oesterreich hat den durch das letzte Hochwasser geschädigten Bewohnern in Tirol 20 000 Gulden gespendet.

Wien, 23. Okt. Die Korrespondenz de l'Est meldet aus Warschau : In diplomatischen Kreisen zir­kuliert folgende authentische Aeußerung des Zaren: Krieg zu führen, habe ich keine Lust. Bei den ge­genwärtigen Verhältnissen könnte ein Krieg nur die Folge haben, daß ich Kaiser des Orients oder mos- kowitischer Großfürst würde. Ersteres habe ich nicht nötig, letzteres wünsche ich mir nicht.

Budapest, 23. Okt. Professor Vambery will aus Gesprächen mit dem Sultan entnommen haben, die Türkei werde nicht der Tripelallianz be­treten.

Belgien.

Brüssel, 22. Okt. Prinz Ferdinand von Bulgarien, welcher heute hier eintraf, hatte eine lange Unterredung mit dem Grafen von Flandern. Der König lehnte den Empfang des Prinzen ab. Abends reiste derselbe nach München ab und er­klärte, am nächsten Montag wieder in Sofia ein­zutreffen.

Brüssel, 23. Okt.L'Jndependance Belge" meldet die bevorstehende Abdankung des Königs von Holland als Großherzog von Luxemburg

Schweden.

InKalmar in Schweden ist über die ganze Arbeiterwelt ein schweres Unglück hereingebrochen. Die große englischeStreichholz-Kompagnie", welche in Kalmar vier große Fabriken besitzt und daselbst 1500 Arbeiter beschäftigt, hat plötzlich ihre Fabrika­tion eingestellt und ohne irgend welche vorherige An­kündigung ihre sämtlichen Arbeiter entlassen. Die schwedische Presse nennt das Verfahren der Englän­der, die ihre Arbeiter ohne Warnung oder Kündi­gung zur beginnenden Winterzeit einfach auf die

Straße werfen, imhöchsten Grad rücksichtslos und aufrührerisch". Als Ursachen des Krachs werden angegeben der Londoner Dockstrike und die dadurch bewirkte Brachlegung der enormen Lagerbestände. Der wahre Grund aber ist Mangel an Kapital, da von dem statutenmäßigen Aktienkapital von 160000 Pfund Sterling (3 200 000 ^) nur die Hälfte ein­gezahlt worden war.

Frankreich.

Alle Abgeordneten der französischen Kam­mer, welche Journalisten sind, wollen einen Amnestie­antrag zu Gunsten von Rochefort einbringen.

I talien.

Der Papst hat am Sonntag 2500 franzö­sische, meist dem Arbeiterstand angehörige Pilger empfangen und an dieselben eine längere Ansprache gerichtet, in der er sich eingehend mit der sozialen Frage beschäftigt hat. Der Papst hält eine Lösung! der letzteren nur durch das Christentum für möglich! und empfiehlt die Bildung von Arbeiter-Korporativ- ! nen, deren Aufgabe darin bestehen müsse, eine Ver- ! söhnung zwischen den Kapitalisten und den Arbeitern ! herbeizuführen. Ueber dasWie" scheint er jedoch den Pilgern den erwünschten Aufschluß schuldig ge­blieben zu sein. Die Pilger, welche 160 Fahnen mit sich führten, nahmen die Ansprache mit begeister­tem Jubel auf und schrieen:Es lebe der König- Papst !"

England.

London, 23. Okt. Die Morgenblätter be­grüßen die friedlichen Erklärungen der deutschen ^ Thronrede mit Genugtuung.Daily News" hebt den durchaus friedlichen Charakter hervor und fügt hinzu, die Thronrede scheine den stetigen Entschluß anzukündigen, das in Ostafrika begonnene Werk fort­zusetzen. Der Natur der Sache nach bilde aber Deutschland als kolonisierende Macht eine Bürgschaft ^ des Friedens.

Serbien.

In Belgrad herrscht volle Ruhe, und es scheint, als ob auch die Verhandlungen der Skup- schtina ruhig verlaufen werden. Der junge König Alexander hat bei dem Empfang der Abgeordneten eine große Würde und Selbständigkeit gezeigt, und Menschenkenner versichern, daß er einmal noch mehr Energie zeigen wird, als seine Eltern zusammenge­nommen. Die Kinderschuhe hat er jetzt ausgezogen. Griechenland.

Athen, 23. Okt. Der Prinz von Wales ist mit seinem Sohne eingetroffen und feierlich em­pfangen worden. Das deutsche Kaiserpaar trifft am Sonnabend und das Gefolge schon am Abend vorher im Piräus ein. !

Für die Hochzeitsfeierlichkeiten in Athen ist jetzt folgendes Programm festgesetzt wor­den : Am Sonnabend (26. Oktober) Empfang des deutschen Kaisers, Zapfenstreich u. Fackelzug; Sonn­tag Hochzeit und Festmahl. Der Brautzug wird er­öffnet durch Kavallerie, dann folgen in Gala-Equi- pagen die fürstlichen Gäste, zuletzt die Braut mit der Königin von Griechenland. Dem Brautwagen fol­gen der König Georg, der Kronprinz Konstantin und zahlreiche Offiziere zu Pferde. Nach ihnen kommen Hofstaaten, zum Schluß wieder Kavallerie. Nach der Trauung nach griechischem Ritus folgt die pro­testantische Einsegnung durch Dr, Kögel in der Schloßkapelle. Kanonendonner begleitet die Zere­monie. Am Montag findet die offizielle Gratulation statt, später Familientafel, Abends Konzert und Feuerwerk. Dienstag ist Besichtigung der Stadt und > Truppenrevue, Mittwoch wird eine Jagd abgehalten werden und Donnerstag soll die Weiterreise nach Konstantinopel erfolgen. Der Kronprinz Konstan- > tin wird vom Kaiser Wilhelm zum preußischen Offi­zier ernannt werden. Der König von Italien ver­ehrte der Braut Schmucksachen im Werte von 300 000 Lire.

Türkei.

In Konstantinopel hat die bevorste­hende Ankunft des deutschen Kaiserpaares die arme­nische, die kretensische, die bulgarische und alle an- j deren Fragen, die sonst die Gemüter zu erregen j pflegen, in den Hintergrund gedrängt. Es wird! wohl aber auch in Europa kein zweites Laad ge- > ben, wo die Vorbereitungen zu einem würdigen Em-f pfang der hohen Gäste so außerordentliche Anstren­gungen erfordern. Wie viel Mühe und Geld kostet es allein, um dem Militär wenigstens für kurze Zeit ein nach unseren Begriffen einigermaßen respektables

Aussehen zu geben, und gerade dieser Punkt scheint dem Sultan angesichts der Vollkommenheit, welche in dem Land seines Gastes in militärischen Dingen herrscht, besondere Sorgen zu bereiten. Der Sul­tan hat befohlen, daß jeder Soldat der Konstanti- nopeler Garnison zu Ehren des deutschen Kaisers eine neue Uniform erhalten soll, aber nicht aus den Magazinen, sondern direkt von einem Schneider an­gemessen. Kein Wunder, daß die Schneider in Kon­stantinopel, welche 20 000 gut sitzende Uniformen in 14 Tagen Herstellen sollen, nahe daran sind, den Kopf zu verlieren. Außerdem scheint man die An­kunft des Kaisers benutzen zu wollen, um mit den im Offizierkorps herrschenden Unsitten, die bisher jedes militärische Auge beleidigen mußten, aufzuräu­men, denn ein Kriegsbefehl besagt, daß alle Offiziere in Zukunft rein und sauber gekleidet sein müssen. Es wird denselben ferner streng untersagt, mit offe­nem Rock, ohne Säbel, oder mit Stock, Schirm und Packeteck in den Händen öffentlich zu erscheinen. Bisher konnte man häufig Offiziere, selbst höhere, sehen, wie sie in den belebtesten Straßen mit offe­nem Rock, in der Hand oft ein Taschentuchbündel mit Früchten, einherwandelten. Die Straßen, welche der deutsche Kaiser zu passieren hat, werden eben­falls in Stand gesetzt; Baracken, welche die Straßen einengen oder verunreinigen, sind demoliert worden. Konstantinopel wird also dem Kaiser Wilhelm eine umfassende Straßenregulierung zu verdanken haben, auf die es sonst vielleicht noch einige Zeit hätte warten müssen.

Rußland.

St. Petersburg, 20. Okt. Der Zar soll seinen Ministern, wie hier gerüchtweise verlautet, erklärt haben, er wolle von jetzt an persönlich die Verantwortung für die ferneren freundlichen Bezieh­ungen zwischen Rußland und Deutschland überneh­men. Die hiesigen Blätter drücken von neuem ihre große Befriedigung über die dem Zaren in Berlin bereitete Aufnahme aus.

Die Zarenfamilie ist am Freitag Abend von ihrer Reise in das Ausland wohlbehalten nach Gat­schina znrückgekehrt. Dem russischen Hof naheste­hende Personen erzählen, die sehr reiselustige Zarin, der das beständige beschauliche Leben in Gatschina keineswegs zusage, habe Himmel und Erde in Be­wegung gesetzt, um die Hochzeit in Athen mitmachen zu dürfen. Der Wunsch der Zarin habe jedoch we­gen der ungelöst gebliebenen Etiquettenfrage, welche die Zarin jetzt vom Berliner Hof serngchalten habe, unerfüllt bleiben müsse.

Afrika.

Tanger, 18. Okt. (Zwanzig Personen ertrunken.) Der Sultan von Marokko traf ge­stern nachmittag in Laraiche ein. Bei der Ueber- fahrt über einen Fluß in der Nähe von Laraiche er­tranken am letzten Freitag 20 Soldaten des Gefol­ges nebst ihren Pferden.

Aus Ostafrika kommt in den Tagen eine gute Botschaft um die andere. Wißmann schlug die in Usaramo eingefallenen Aufständischen bei Somwe und brachte denselben einen Verlust von 40 Toten bei. Ferner erhielt Wißmann eine zuverlässige Nachricht, daß Emin Pascha und Stanley, begleitet von dem Italiener Cassati und 6 Engländern, Ende November in Mpuapua innerhalb der deutschen In­teressensphäre erwar tet werden. _

Handel ck Verkehr.

* Nagold. Das heurige Hopfenerzeugnis hie­siger Stadt wird auf 300 Etr. geschätzt, davon wurden 200 Ctr. an auswärtige Händler, 100 Ct. u. an hiesige Brauer ver­kauft Die Preise bewegten sich zwischen 35 und 45 Mark nebst Kaufgcld.

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_ Hirz« das Uuterhaltunzsblatt 43.

Lerautwornicher Redakteur Kreinwanerk m W»i>»k».

Druck u»d «erla, der H. W. -aiser'schti, LuchhauNuu, in