Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

126 .

Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners­tag nnd SamStag, nnd kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 4, in dem Bezirk 1 4,

außerhalb des Bezirks l .L 20 .1, Monats­abonnement nach Verhältnis.

Jamstag den 26. Oktober

1889 .

Bauer,

Gassenwirt, und Klauenseuche

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aus den

für die Monate

November & Dezembev

laden wir freundlichst ei». Neu eintrctenden Abon­nenten wird Eiseilbahnfahrplatt nnd Planderstübchen der Erzählung nachgeiicfert.

Tie ErPeditis«

Nagold.

Bekanntmachuttg.

llnter der Schafherde des Friedrich Kienzle in Spielberg ist die Räudekrankheit ausgcbrochen.

Den 23. Oktbr. 1889.

_ K. Oberamt. Amtm. Marquart.

Nagold.

K e K a u n t in a ch n n g.

Unter den Viehbeständen des

1. Jakob Kemps,

2. Simon Fed ermann,

3. Johannes Weil,

4. Jakob 2 t ä n g l e, sämtlich in Effringen, ist die Manl- erlofchen.

Den 24. Okt. 1889.

K. Oberamt. Amtm. Marquart.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Bericht über die am Mittwoch stattgehabte Bezirksschulversammlung in Ebhansen muß­ten wir wegen Mangels an Raum für die nächste Nummer zurückstellen.

Seine Königliche Majestät haben anzu­ordnen geruht, daß am kommenden Sonntag in sämtlichen evangelischen Kirchen des Landes beim Hauptgottesdienst im Anschluß an das Schluß­gebet ein Dankgebet für die gnädige Bewahrung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm bei dem auf ihn verübten Attentat gesprochen werde.

Stuttgart, 22. Okt. Von den 7 Kassen­arten im Deutschen Reiche, welche sich auf eine von Reichswegen angeordneten Statistik der Krankenver­sicherung der Arbeiter erstrecken, kommt nur eine Aassenart in allen 26 Staaten des Deutschen Rei­ches vor, nämlich die der eingeschriebenen Hilfskassen. Es ist jetzt erhoben worden, daß diese Kassen am Schluß des Jahres 1887 auf 1888 mit 727,127 Mitgliedern gestiegen waren. Davon entfielen auf Württemberg 91 Kassen mit 38,850 Mitgliedern, so daß auf eine Kasse 404,9 Mitglieder kamen.

Stuttgart, 23. Okt. Nach demStaats­anzeiger" wie- der Minister v. Mittnacht die Eisenbahndirektion an, sofort die Vorarbeiten zu den Bahnlinien Untertürkheim-Zuffenhausen und Znffen- Hausen-Hasenberg zu beginnen, um den Bahnhof Stuttgart zu entlasten.

Stuttgart, 23. Okt. Der Vorstand der Kammerfraktion der deutschen Partei erläßt im Schw. M." die folgende Erklärung: Herr Schürer, Landtagsabgeordneter für den Oberamtsbezirk Her- renberg, hat in einer Erklärung im Gäuboten vom 15. Okt. d. I. die Behauptung aufgestellt, er sei durch einen seitens der Kammerfraktion der deutschen Partei geübten Fraktionszwang veranlaßt worden,

gegen seine Ueberzeugung für die Besoldungsaufbes­serung zu stimmen. Diese Behauptung ist durchaus unbegründet. Bei der vertraulichen Beratung der Besolduugsaufbesserung in der Kammerfraktion der deutschen Partei wurde mehrfach und nachdrücklich betont, daß es sich hier um eine Geldbewilligung handle und daß bei derartigen Fragen nach fest­stehender Uebung jeder Fraktionszwang ausgeschlos­sen sei, daß daher jedem Mitglied der Fraktion die volle Freiheit der Abstimmung zustehe: demgemäß wurde eine Abstimmung über die Regierungsvorlage innerhalb der Fraktion unterlassen. In der Folge haben auch zwei Mitglieder der Kammerfraktion der deutschen Partei unbeanstandet gegen die Besoldungs- aufbesscrung gestimmt. Hiernach hat der Herr Land- tag-abgcordnete Schürer allein und ausschließlich die Verantwortung für seine Abstimmung zu tragen.

Stuttgart, 22. Okt. Aus Ludwigsburg wird gemeldet: Die Personalien des Attentäters sind nunmehr festgestelt. Er heißt Gotthold Martin Müller, ist evangelischer Confessio», der Sohn ei­ner achtbaren Familie aus Oethlingen, OA. Kirch- heim, und seit einigen Monaten stellenlos zu Hause. Er ist von seinem Bruder agnoscirt worden, seine Familie hat schon öfters Spuren von Geistesstörun­gen bei ihm wahrgenommen. Ein anonymer Brief an S. Kgl. Hoheit den Prinzen Wilhelm, welcher anfangs voriger Woche an den Prinzen gelangt ist, und worin Höchstderselbe vor dem beabsichtigten Attentat gewarnt wurde, rührt von dem Attentäter selbst her. Letzten Freitag ging Müller heimlich fort. (Albb.)

Ludwigsburg, 22. Okt. Die Stadt Lnd- wigsburg, das ganze württembergische Volk uud Land fühlt sich von einem Alp befreit, der in den letzten Tagen auf aller Herzen lastete: der Verbre­cher ist ein Verrückter, der geisteskranke Sohn eines verst. Kammgarnspinnereibesitzers in Oethlin­gen, OA. Kirchheim, und heißt Gotthold Martin Müller, welcher seinen Angehörigen entlaufen ist. Durch seinen Bruder, welcher heute Nachmittag hier war, ist seine Persönlichkeit festgestellt worden. Hie­zu stimmt auch, was wir heute über das Verhalten des Gefangenen im Gefängnis in Erfahrung ge­bracht haben. Sein Mitgefangener, der ihm beige­geben war, um einen Selbstmord zu verhindern, suchte ihn auszuforschen, und als er ihn fragte, waS ihn hieher gebracht habe, so antwortete er:Nichts GuteS"! Seitdem verweigerte er jede weitere Un­terhaltung, wälzte sich in aufgeregtestem Zustand auf seinem Lager hin und her, hielt oft mit den Händen den Kopf, schlief wohl kaum 1 Stunde des Nachts, fast nichts, ging seufzend und voll Un- ruhe im Zimmer umher, wischte sich oft den Schweiß von der Stirne, verlangte oft ein Buch zum Lesen, warf es aber sogleich wieder bei Seite u. s. w. Nun ist gottlob alles aufgeklärt, und dem württ. Volke ist es erspart geblieben, in seiner Geschichte eine Schandthat verzeichnen zu müssen, über welche es für alle Zeiten vor sich selbst hätte erröten müssen. S. K. Hoheit hat gegenüber den bürgerl. Kollegien bei dem heutigen Fackelzug selbst seiner großen Be­friedigung über die Wendung der Sache Ausdruck gegeben.

Oethlingen, bei Kirchheim u. T., 23. Okt. Der Attentäter Gotthold Martin Müller von hier, ist der Sohn des vor ca. 11 Jahren verstorbenen Spinnereibesitzers Müller dahier. Sein Vater be­saß das beste Ansehen weit und breit. Er war ein Ehrenmann im vollen Sinne des Worts und bekannte

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wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 4, bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

sich in Werk und Leben als christlich-konservativer Mann. Er war viele Jahre hindurch Synodalab­geordneter. Der etwa 40 Jahre alte Bruder Otto, der die Spinnerei nach des Vaters Tod übernommen hat, ist zurzeit noch Abgeordneter der ev. Landes­synode. Der Attentäter selbst zeigte sich von Ju­gend auf als ein exaltierter Sonderling und Ober- amtSarzt Dr. Krauß von Kirchheim, vor einiger Zeit schon über den Zustand des SohneS zu Rate gezogen, erklärte unverhohlen, daß man es hier mit einem von fixen Ideen behafteten Menschen zu thun habe, dessen Zustand an Verrücktheit grenze und auf den man wohl acht geben müsse. Merk­würdig ist, daß vor längerer Zeit der Kranke Aeu- ßerungen gethan haben soll, welche entschieden gegen die Katholiken gerichtet waren.

Cannstatt, 23. Okt. In Fellbach wurde letzten Sonntag ein Polizeidiener von einigen Bur­schen überfallen und vermaßen mißhandelt, daß er gestern gestorben ist.

Zur Warnung sei unseren Leserinnen folgen­der traurige Vorfall mitgeteilt : Vor einigen Tagen stürzte in Reich enbach i. B. ein 19jähriges Mädchen auf einem Ball während des Tanzes aus den Armen ihres Bräutigams mit lautem Ausruf zu Boden und war sofort tot. Ein Herzschlag in Folge zu starken Schnürens hatte ihr ein so jäheS Ende bereitet.

Schön in gen, 19. Okt. Aus Dessau wird über die Rückkehr eines dortigen Kriegers von 1870 mit Namen Weise, berichtet, der nach Beendigung des Krieges vermißt und verschollen geblieben war. Bon Allen als tot betrauert, ist Weise dieser Tage, nachdem er eine lange Reihe von Mühsalen glücklich überwunden hat, aus Algier in seine Heimat zu Frau und Kindern zurückgekehrt. Er war von den Franzosen gefangen genommen und nach Algier ge­bracht worden, wo er in der langen Zeit von fast 19 Jahren schwere Gefangenendienste zu verrichten gehabt hatte. In Folge verschiedener günstiger Zu-' fälle ist es ihm möglich gewesen seinen Wächtern zu entfliehen, um die heimatliche Erde wieder zu erreichen. Der Jubel über dieses nicht mehr erhoffte Wiedersehen ist bei seiner Frau, die sich nicht wie­der verheiratet hatte, und bei seinen hochbetagten Eltern ein unbeschreiblich großer gewesen. Die wider­rechtliche Zurückhaltung eines deutschen Soldaten auf französischem Boden und unter solchen Verhält­nissen wird der deutschen Regierung hoffentlich Ver­anlassung zur Interpellation der französischen Behörde ob solchen empörenden Verhaltens geben. Die nö­tigen Schritte sind von Dessau aus bereits gethan.

Ko bürg, 93. Okt. Prinz Ferdinand, der unter dem Namen eine- Grafen Murany reist, ist mittags hier eingetroffen. Der Prinz reist nachts nach Sofia zurück.

Berlin, 22. Okt. DerNordd. Mg. Ztg." zufolge empfing der Reichskanzler gestern in Fried- ! richsruhe die Abgesandten des Sultans von San- i sibar, welche ihm Geschenke überbrachten. In einer ^ zweistündigen Unterredung mit Hilfe der arabischen ! und französischen Dolmetscher- wurden die Bezie-

> Hungen beider Länder zu einander freundschaftlich , und ausführlichst besprochen. Bei der Rückkehr nach

> Hamburg drückten die Gesandten ihre große Befrie- l digung über die Unterredung, sowie über die Auf- ^ nähme seitens des Reichskanzlers aus.

Berlin. 22. Okt. (Reichstag.) Die erste Sitzung zeigte sich nicht beschlußfähig. 2. Sitzung: Wahl des Präsidiums und der Schriftführer. An